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Full text of "Hermaphrodismus und Zeugungsunfähigkeit : eine systematische Darstellung der Missbildungen der menschlichen Geschlechtsorgane"

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Hermaphrodismus 

und 

Zeugungsunfähigkeit 

Eine  systematische  Darstellung 

der  Missbildungen  der  menschlichen 
Geschlechtsorgane 

Von 

Prof.  Cesare  Taruffi 

Autorisierte  deutsche  Ausgabe  von  Dr.  med.  R.Teuscher 

Mit  Abbildungen 

<2©<2©    Berlin  1903   a©«® 
Verlag  von  H.  Barsdorf. 


mit 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Inhaltsverzeichnis. 


Allgemeiner  historischer  Überblick. 

Die  alten  und  neuen  Schriftsteller  über  den  Hermaphrodismus  —  Tral- 
lianus  —  Aristoteles  —  Parmenides  —  Sophokles  —  Philo  —  Livius  —  Auso- 
nius  —  Paulus  Aegineta  —  Plinius  —  Obsequens  —  Albertus  Magnus  —  Li- 
kosthenes  —  Realdo  Colomho  —  Ulpian  —  Suidas  —  Argelata  — .Toh.  Wier  — 
Aldrovandi  —  Kueff  —  Clemens  von  Alexandrien  —  Bedinelli  —  Tabarani  — 
Graziani  —  Caluri  —  Albr.  v.  Haller  —  Leonidas  —  Aetius  —  Eaff.  Maffei  di 
Volterra  —  Pare  —  Zacchia  —  Moller  —  Dionis  —  Wrisberg  —  Meckel  —  Lippi 

—  Joh.  Müller  —  Gurlt  —  I.  St.  Hilaire  —  Cotta  —  A.  Förster  —  De  Crecchio 

—  Wolff  —  Malpighi  —  Palletta  —  Jacobson  —  Dohrn  —  Winckel  —  Negrini  — 
Ferraresi  —  G.  Klein  —  Nagel  —  Gärtner  —  Guthrie  —  Tourneux  —  Klebs  — 
Ahlfeld  —  Herrmann  —  Marchand  —  Die  Anordnung  von  Klebs,  Krafft-Ebing 

—  S.  1—20. 

I.  Teil. 

Der  anatomische  Hermaphrodismus. 

1.  Hermaphrodismus  der  speziflsclien  GrescMechtsdrüsen. 

(Echter  Hermaphrodismus.) 

Avicenna  —  Hufelands  Beschreibung  des  Falles  der  Maria  Dorothea 
Derrier  —  Bertholds  Fall  —  Echter  Herm.  bei  Säugetieren  S.  21—27. 

2.  Hermaphrodismus  der  aplasischen  Geschlechtsdrüsen. 

(Atrophischer  oder  neutraler  Hermaphrodismus.) 

ülpians  Vorschlag  —  E.  Colombos  Androgyn  —  Die  Beobachtungen  von 
Marc,  Marcello,  Dionis,  St.  Hilaire,  Everard  Home,  Haller,  Hunter,  Polaillon, 
Orth,  Jacoby,  Walcker,  Gunckel,  De  Crecchio  S.  28—32. 

3.  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Hallers  Benennung  „Hermaphrodismus  spurius"  —  Gurlts,  Klebs,  Herr- 
manns, Marchands,  Krafft-Ebings,  Schnellers  Benennung  S.  33—34. 


II 
A.  Männlicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

a)  Mit  Fortbestehen  der  Müller  sehen  Kanäle. 
Beschreibung   dieser   Anomalie  durch  Malpighi,  Arnold,  Rieder,  Gine, 
Marchand,   Martin  —  Heiraten   der  für  Weiber   gehaltenen  männlichen  In- 
dividuen —  Haussäugetiere  —  Die  Bezeichnung  „Free  Martin"  —  Beobacht- 
ungen desselben  von  Hunter,  Scarpa,  Varro,  ColumeUa  S.  34 — 41. 

b)  Mit  äusserlich  weiblichem  Aussehen. 
Betreffende  Charaktere  —  Die  Beobachtung  von  Neugebauer  S.  41 — 43 

B.  Der  weibliche  Pseudo-Hermaphrodismus. 

a)  Weiblicher,  äusserer  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Marchands,  Versens  und  Clarkes  Beobachtung  —  Hypospadie  der  Cli- 
toris  —  Brouardel  —  Vulvaöffnung  im  Perineum  —  Beclards  und  Littens  Be- 
obachtung —  Erblichkeit  —  S.  43—47. 

b)  Innerer,  weiblicherPseudo-Hermaphrodismus  (Portbestehen 
der  Wölfischen  Kanäle.) 
Bullingers  Nachweis  —  Kleins  Beobachtung  eines  Neugeborenen  — 
Barts  und  Tougls  Entdeckung  —  Der  Malpighische  Kanal  —  Beobachtungen 
von  Koller,  Boivin,  Dohrn,  Fischel,  Klein,  Milton,  Banks,  Debierre,  Koss- 
mann,   Kobelt,   Follin,   v.  Preuscher,   Tourneau,   Gärtner,  Verneuil,  Virchow 

—  Das  Eosenmüllersche  Organ  —  Cysten  des  Parovariums,  Beschreibung  v. 
Mazzotti  —  Meyers,  Amans,  Eechlinghausens,  Greefs,  Gangitanos,  Kleins, 
Palms  Beobachtungen  —  S.  47 — 51. 

Noten  (Beobachtungen)  zum  ersten  Teil. 

(Mit  Abbildung  der  Virginia  Mauri.)     S.  52—95. 

II.  Teil. 

Der  klinische  Hermaphrodismus. 
Äusserer  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Erster  Abschnitt. 
Feminisinns. 

(Der  feminierte  Mann.) 

Varros  und  Aristoteles'  Benennung  —  Marzuttini  —  Faneau  de  la  cour 

—  Meiges  Behauptung  der  Umkehrung  —  Feministische  Veränderungen  beim 
Manne  —  Die  Beobachtungen  von  Ferrannini,  Brouardel,  Godard,  Marzutti, 
Hallopeau,  Niccolini  —  Makrosomie  —  Mikrosomie  —  Nanismus  bei  Feminismus 

—  Armut  an  Haaren  —  Frühzeitige  Greisenhaftigkeit  —  Vergleich  bei  Mikro- 
somie m.  Eunuchen  —  Alterationen  d.  männl.  Geschlechtsorgane  —  Laurents 
Bestimmung  —  Alteration  der  Hoden  —  Aristoteles  —  Der  Fall  von  Borelli, 
Lerebouillet,  Rezzonico  —  Fehlen  des  Penis  selten  —  Fall  von  Facen,  Jones, 
Marzuttini,  Binet,  Launois,"  Guinard,  Fischer,  De  Matteis  —  S.  96 — 103. 


in 

Infantilismus. 

Faneaus  These  —  Charakterisierung  des  Infantilismus  —  Meiges,  Lau- 
rents, Fourniers  Beschreibung  —  S.  103 — 106. 

Grynäkomastie. 

Das  Vorkommen  weiblicher  Brüste  beim  Manne  —  Erster  Bericht  aus 
dem  7.  Jahrhundert  von  Paulus  v.  Aegina  —  Ferner  von  Ali  Abbas,  Abul- 
casi,  Acquapendente,  W.  Gruber,  Langer,  Olphan,  Schuchardt,  Laurents 
Beobachtungen  —  Verwechselungen  von  Cloquet  —  Berichte  über  den  phy- 
sischen Zustand  von  Eekruten  von  Puech,  Taruffi  —  Gynäkomastie  zumeist 
bilateral  —  Selten  erblich  —  3  Fälle  von  Bedor,  Handuside,  Laurent  —  Be- 
schaffenheit der  hypertroph.  Brüste  bei  Mann  und  Weib  gleich  —  Beobacht- 
ung von  Laurent,  Petrequin,  Langer,  Schaumann  —  Milchsekretion  beim 
Manne  selten  —  Fälle  von  Schurig,  Ansieux,  Nelaton,  Parventa,  Taruffi, 
Monteggia  —  Fälle  von  einseitiger  Gynäkomastie  von  Rezzonico,  Coutagne, 
Laurent,  Laugier,  Nelaton,  Bruant  etc.  —  Verwechselung  mit  Krebs  ^  Fall 
von  Syme  —  Beobachtungen  zur  bilateralen  Gynäkomastie  —  Komplikationen: 
Mastitis,  Mastodynie  —  Beobachtungen  —  Tabellen  —  Jugendliches  Alter 
der  Gynäkomasten  —  Alterationen  der  Geschlechtsorgane  bei  Gynäkomastie 

—  Beobachtungen  —  Mumps -Epidemie  von  Hippokrates,  Einieri  und  Laghi 
beschrieben  —  Curlings  Beobachtungen  —  Mumps -Epidemie  bei  Haustieren 

—  Gynäkomastie  in  der  Eegel  mit  Missbildungen  der  Geschlechtsorgane 
verbunden  —  Beobachtungen  —  S.  107 — 132. 

Noten  (Beobachtungen)  zum  zweiten  TeiL 

Der  klinisclie  Hermaphrodismus, 

Erster  Abschnitt.     S.  133—152. 

Zweiter  Abschnitt. 
Invirilismus  (Yirago). 

Erklänmg  —  Darwins  Annahme  —  Wrisbergs  10  Charaktere  der  Virago 

—  Krafft-Ebings,  Meiges,  Taruffis  Verbesserungen  —  Weibliche  Makro- 
somie  —  FaU  zweier  Schwestern  von  hoher  Statur  —  einer  Bologneserin  — 
Makrosomia  graciüs  —  einer  Bologneser  Landbesitzerin  —  Andere  Fälle  — 
Mittlere  Grösse  der  Invirilierten  —  Dr.  Felis  Messungen  —  Die  meisten  sterilen 
Frauen  sind  von  hoher  oder  junonischer  Gestalt  —  die  mittelgrossen  oft  von 
erstaunlicher  Fruchtbarkeit  —  S.  153 — 164. 

Hypertrichose  (Bartwuchs)  beim  Weihe. 

Aristoteles'  Bemerkung  —  Die  Fälle  des  Licetus  u.  Aldrovandi  über  be- 
haarte Weiber  —  Taruffis  invirilitische  u.  Brandts  arrhenoide  Frauen  —  Der 
Naevus  pilosus  —  FäUe  davon  —  Virchows  u.  Eizzolis  Beschreibung  der  Spina 
bifida  occulta  —  Häufigkeit  und  Lebensalter  —  Der  FaU  von  Lesser  —  Dauer 
der  Menstruation  verschieden  —  Haarbildungen  auf  dem  Körper  —  Der  Fall 
V.  E.  Colombo,  Velsch,  Eckers  Buch  über  die  abnorme  Behaarung  des  Men- 
schen—  Zacchias,   Turners,   Brands,   Zerubins  Beobachtungen  —  Bei  Hyper- 


trichose   oft   abnormer   Zustand   der  Zähne,    Beobaclitungen  —  Darwins  Ab- 
stammungstheorie —  S.  164 — 173. 

Über  Elephantiasis  der  Clitoris. 

Varolios  Beobachtung-,  sie  erreicht  die  Länge  des  Penis  —  Försters  An- 
sicht —  Wrisbergs  Meinung  über  die  Vergrösserung  der  Clitoris  —  Onanie 
u.  Missbrauch  der  Clitoris  zum  Coitus  —  Beobachtungen  über  Exstirpation  der 
Clitoris  —  Pozzis  Behauptung  —  Fehler  der  Clitoris  als  Ursache  des  Eeizes  — 
Beobachtungen  —  Hypertrophie  der  Clitoris  —  Beobachtungen  —  S.  173 — 181. 

Der  psychologisclie  Invirilismus. 

§  1.    Psychopathie. 

Die  Pucelle  d'Orleans  —  Die  Spanierin  Nonna  Alverez  —  Properzia  de 

Rossi  —  Lavinia  Fontana  —  Elisabetta  Sirani  —  Teresa  Muratori  —  Anna  Man- 

zolini  -  Morandi   —    Laura   Bassi   —    Clotilde  Tambroni  —  Maria  Agnesi  — 

Teresa  u.  Maddalena  Manfredi  —  Das  Gehirn  berühmter  Männer  und  Frauen 

—  Dantes  u.  Macchiavellis  Meinung  —  S.  181 — 186. 

Der  psycho -sexuelle  InTirilismus. 

Die  nervösen  Erscheinungen  an  den  weiblichen  Geschlechtsteilen  — 
Habitus  eroticus  —  Nymphomanie  —  Furor  uterinus  —  Lesbische  Liebe  —  Tri- 
badismus  —  Satyriasis  —  Soranus  —  Charaktere  des  erotischen  Habitus  —  Die 
Stelle  des  Soranus  „Über  Satyriasis"  —  Die  Lehre  Krafft-Ebings  —  Lippe- 
manns Bestätigung  —  Die  Wollust  dauert  bei  Tieren  nach  der  Kastration 
fort  —  auch  bei  Frauen  —  Kraemers  Statistik  von  300  der  Ovarien  beraubten 
Frauen  —  Geschlechtstrieb  bei  Idioten  und  Kretins  —  Über  geschlechtliche 
Apathien  (Impotenz  aus  Kälte  etc.)  —  Krafft-Ebings  Behauptung  —  Borri  über 
nervöse  Impotenz  —  Gegenwart  zweier  Penes  und  zweier  Vulvae.  —  Neu- 
gebauers  Fälle  —  Geschlechtliche  Apathie  mit  oder  ohne  Widerwillen  gegen 
den  Coitus  —  Galland  u.  Laurents  Beobachtung  —  Andere  Fälle  —  Schrenck- 
Notzings  Ansicht  — S.  186—193. 

Sexuelle  Perversion. 

Sapphos  Ode  —  „Numa  Numantius",  (Pseud.  f.  Heinr.  Karl  Ulrichs)  und 
seine  Schriften  betr.  die  Liebe  zwischen  Individuen  desselben  Geschlechts  — 
Uranismus  —  Urning  —  Piatos  „Symposion"  —  Westphals  „konträre  Sexual- 
empfindung" —  Krafft-Ebing  und  seine  grundlegenden  Arbeiten  —  von  ihm 
stammt  der  Ausdruck  „homosexuell"  —  Schrenck-Notzing,  Moll  —  Caspers  u. 
MoUs  Behauptung,  die  konträre  Sexual-Empfindung  sei  angeboren  —  Meckels 
„Gynandra"  — Krafft-Ebings  Angabe  der  Hauptcharaktere  bei  den  Gynandren 

—  Psycho-sexuale  Handlungen  —  Birnbachers  Fälle  —  Andere  Beobachtungen 

—  Krafft-Ebings  Erklärung    der  Pathogenese  der  Perversion  —  Molls   Aus- 
führungen —  S.  193—205. 

Trihadismus. 

Geschichte  der  Tribadie  —  Manethos  Unterscheidung  367  v.  Chr.  — 
Achtung  der  ehelichen  Pflichten  und  Verachtung  der  instinktiven  Laster  bei 
den  Hebräern  —  Der  Brief  des  Apostel  Paulus  —  Paulas,  ein  Vorläufer  Krafft- 


V 

Ebings  —  Martial  und  seine  Epigramme  „Ad  Bassam  tribadem"  —  „Gegen 
Philene"  —  Plautus'  Komödien  — Plautns'  „Persianiis"  —  Phädrus  Fabeln  „Pro- 
metheus" —  Claudius  Ptolemäas  —  Lucian  —  Seine  Hetärengespräche  —  Seine 
Stellung  zu  den  früheren  Autoren  — Leo  Africanus  und  seine  Beschreibung 
der  Sahacat  (Fricatrices)  —  Die  Erzählung  der  „Genesis" — Die  Incubi  des 
Mittelalters  —  J.  Wiers  Enthüllung  dieses  Betruges  —  Caelius  Aurelianus  u. 
seine  Schrift  —  Arnobius'  Abhandlung  —  Realdo  Colombos  „mentula  mulierum" 

—  Das  „Gaude  mihi"  der  schamlosen  Weiber  in  Frankreich  —  Albertus 
Magnus  —  Vincent  de  Beauvais  —  Girolamo  Mercuriale  —  Seine  Cunnilingui- 
Weiber  —  Hallers  Urteil  über  ihn  —  Giovanni  Riolano  u.  Plempius'  Ansichten 

—  Casper  —  Ulrichs  Urninge  —  Forcellinis  und  Caninis  Definition  des  Aus- 
drucks „Tribade"  —  Das  „Olisbon"  des  Aristophanes,  (ein  ledernes  Instrument, 
um  bei  den  Tribaden  Kitzel  zu  erregen)  —  Das  berühmte  Werk  von  Ploss- 
Bartels  „Das  Weib  in  der  Natur-  und  Völkerkunde"  —  Molls  Bericht  über  die 
Berliner  Prostituierten  —  Die  Bezeichnung  „Fricatrices"  und  „Subigatrices" 
in  Rom  —  Der  Cunnilingus  —  Der  Sadismus  —  Der  Marquis  de  Sade  —  Dr. 
Eugen  Dührens  Monographie  „Der  Marquis  de  Sade  und  seine  Zeit"  —  Der 
Fetischismus  —  Molls  Unterscheidung  —  Gewöhnliche  und  „vervollkommnete" 
Prostituierte  —  Taruffis  Urteil  über  die  Bezeichnung  „Tribade"  —  S.  205 — 219. 

Noten  (Beobachtungen)   zum  zweiten  Teil. 

Der  Minisclie  Hermaplirodismus. 
lusserer  Pseudo-HermaphrodisinTis. 

Zweiter  Abschnitt. 

1.  Makrosomie  (hohe  Statur).  2.  Hypertrichose  (Bartwuchs 
bei  Frauen).  3.  Elephantiasis  der  Clitoris.  4a.  Berühmte  Frauen. 
4:b.  Konträre  Sexualempfindung.  5.  Sexuelle  Perversion. 
S.  220—248. 

II.  Teil. 

Der  klinische  Hermaphrodismus. 

Dritter  Abschnitt. 

Uretliro-sexuale  Missbildungen. 

Anordnung  —  Die  Beobachtungen  von  Dr.  Rennes  und  Bouisson  au 
Rekruten  —  Die  Ochsen  von  Lecoq  und  Gurlt  —  Boyers  Anordnung  —  Fabri- 
cius  V.  Hilden  und  Gayrauds  Beobachtungen  —  Andere  Beobachtungen  — 
Bouissons  winkliger  Penis  —  Jean  L.  Petits  Beobachtungen  —  S.  249 — 254. 

KKnisclie  BeobacMuiigen   über   die   uretliro-sexnalen  Miss- 

Tbilclungen. 

Urethra:  52Fälle  von  Anomalie  desPenis  —  Hoden:  — Kryptorchiden  — 
Le  Dentus  „Ektopia  abdominalis"  — Veränderung  des  Geschlechts: 
Steinmanns  Fall :  ein  Bursche  wechselte  3  mal  sein  Geschlecht  —  Die  Schrift 
des  Pinaeus:  „De  Virginitatis  notis"  —  Die  Fälle  von  Zacchia,  Colle,  Des- 
coust  —  I.  St.   Hilaires  Hypothese  —  Körperhabitns:    Männlicher   und 


VI 

weiblicher  —  Marchands,  Lorenzuttis  Beobachtungen  über  geschlechtlichen 
Habitus  mit  gemischten  Charakteren  —  Berthold  über  die  Beschaffenheit  des 
Larynx  —  Fall  einer  Frau  von  22  Jahren  —  Gynäkomastie:  Fall  des 
Dr.  Cecca  —  Penis:  Missbildungen  —  Mikrophallus  —  Geknickter  Penis  — 
Clitoris:  Vergrösserungen  —  Die  Fälle  von  Virchow,  Diemerbroeck, 
Soemmering  —  Hypertrophie  der  Clitoris  bei  Tieren  —  Beobachtungen  von 
Ruysch,  Meckol  etc.  —  Amputation  der  Clitoris  —  Herrmanns  Bezeichnung 
„Falsche  Hermaphroditen"  —  Das  „genus  epicoenum"  Quintilians  — 
Scrotum:  Missbildungen  —  Hallers  Beobachtungen  —  Weibliche  Organe: 
Sekundäre  Missbildungen  —  Fälle  —  Unregelmässige  Menstruation: 
Funktionelle  Störungen  —  Tabellen  —  Hernien:  Das  Auftreten  von  Leisten- 
brüchen —  Fälle  von  Wrisberg,  St.  Hilaire  —  Geschlechtliche  Neigungen 
Sexuelle  Parese  (Apathie)  —  Der  Fall  der  Katharina  Hohmann  —  Anna  von 
Grenoble  —  Maurina  —  Die  Beobachtung  von  Dr.  Tonni,  Descoust  —  Der  Fall 
der  Madelaine  Lefort  —  Coitus  wird  passiv  ohne  erotische  Empfindung  aus- 
geübt—  Beobachtungen  —  Konträre  Sexual-Empfindung:  Die  Ver- 
suche von  Krafft-Ebing  —  homo-  und  heterosexueller  Akt  —  Anna  Drouart  — 
Der  Fall  von  Magitot  —  Debierres  und  Chevaliers  Beobachtung  —  Die  Fälle 
von  Gerin,  Gunckel,  Birnbacher  —  Liebesverhältnis  einer  jungen  Frau  mit 
ihrer  Stiefmutter  —  Vererbung:  FäUe  von  Vererbung  der  urethro-sexualen 
Missbildungen  von  Philippi,  Casper  etc.  —  S.  255 — 281. 

III.  Kapitel. 

Psycho-sexuelle  Pathologie. 
(Gerichtliche   Medizin  der  urethro-sexualen  Missbildungen.) 

Geistesstörungen  in  Verbindung  mit  klinischen  Alterationen  der 
menschlichen  Geschlechtsorgane  —  Moralische  Komplikationen  und  Folgen 
—  Trägheit  der  Juristen  —  Barbarische  Gesetze  —  Die  Fälle  des 
Sinibaldus  —  Der  Tribade  Enrica  Schuvia  —  Der  Anne  Grandjean  — 
Muratori  und  Giobertos  Schriften  —  Cicero,  pro  L.  Murena  —  Sexuelle 
Parese  —  Eine  Frau  verliebt  sich  in  ihre  Schwägerin  und  lebt  mit 
ihr  (Badaloni)  —  Geschlechtliche  Umkehrung:  Irrtum  über  das 
eigene  Geschlecht  —  Der  Fall  der  Alessia  B.  —  Selbstmord:  Die  Fälle  von 
Eeverchon,  Langer,  Porro — Ehescheidung  und  Ungültigkeit  der 
Ehe:  Die  Fälle  von  Volaterrano ,  Caldani ,  Chiarugi  wegen  übermässiger 
Grösse  der  Clitoris  —  Scheidungen  wegen  eines  impotenten  Gatten  —  Worbes 
Fall  —  Der  Fall  der  Faustina  N.  —  Gefährliche  Erweiterungen  zu  enger 
Teile —  Chirurgische  Hilfe:  Der  Fall  Costes,  Künstliche  Scheide  und 
Amputation  der  Clitoris  —  Porros  Fall  —  Ero  tis  che  Erweiterungen 
der  Urethra:  Der  Fall  des  Dr.  Luis  (Coitus  per  anum  und  erfolgte 
Schwängerung)  —  Fall  der  Faustina  Mauro  —  Der  Fall  von  Prof.  Dohrn  — 
Komplizierte  und  dunkle  Vorgänge:  Fall  von  Sinibaldus  —  von 
Auria  —  von  Lombroso  —  Die  Paragraphen  des  preussischen  Landrechts  — 
Caspers  Ansicht  —  Ulpians  Auskunftmittel  —  De  Marias  Vorschläge  —  Die 
von  Veit,  Tardieu,  Garnier  etc.  —  Das  neue  bürgerliche  Gesetzbuch  —  Prof. 
Lchrs  ScLrift   gegen   die   „Motive"  —  Taruffis   Vorschläge  —  S.  281—304:. 


VII 

Noten  (Beobachtungen)  zum  dritten  Abschnitt. 
Äusserer  klinischer  Pseudo-Hermaphrodismns. 

1.  Zweifelhafte    und    unvollständige  Beob.      S.   305—307. 

2.  Klinische  Beob.  über  urethro-sexuale  Missbildungen. 
S.  307—336. 

Tabellen  zur  Note  2.    S.  337— 363. 

3.  Änderung  des  Geschlechts.    S.  364—369. 

4.  Hypertrophie  der  Clitoris.    S.  369—370. 

5.  Vincenzo  Gioberti  über  die  Juristen.    S.  371—372. 

Vierter  Abschnitt. 

Über  einen  menschlichen  Fötus  ohne  Geschlechtsteile 
und  Harnröhre.    (Agenosoma.) 

Mit  Abbüd.    S.  373-385. 

Noten  (Beobachtungen)  zum  vierten  Teil. 

1.  Ohne  Penis  oder  rudimentär.  Penis.    S.  386 — 388. 

2.  Adhärenzen  des  Penis  am  Scrotum.    S.  389. 

3.  Fälle  von  Hypoplasie  des  Scrotums.     S.  389—390. 

4.  Ectopia  vesicae  ohne  äussere  Geschlechtsorgane.    S. 
391—392. 

5.  Mehr  oder  weniger  vollständiges  Fehlen  der  äusseren 
Geschlechtsteile.    S.  392—399. 

6.  Atresia  vulvae.     S.  399—401. 

7.  Angeborenes  Fehlen  beider  Hoden  (Anorchia  duplex) 
an  der  Leiche  bestätigt.    S.  401—403. 

8.  Fehlen  der  Urethra.    S.  403—404. 
General-Eegister.     S.  405 — 417. 


Berichtigung: 
Auf  den  ersten  Seiten  lies  Monstrositäten  statt  Monstruositäten. 


M 


Allgemeiner  Überblick. 


Nachdem  wir  in  einer  frülieren  Arbeit  eine  Übersicht  über 
die  verschiedenen  Formen  der  Doppelmonstra,  sowohl  der  sym- 
metrischen, als  der  asymmetrischen  gegeben  und  gesehen  haben, 
dass  die  früheren  Einteilungen  verbessert  werden  mussten, 
sei  es  durch  Vereinfachung  einiger  Teile,  sei  es  durch  Be- 
reicherung anderer  mit  wichtigen  Zusätzen  i),  haben  wir  noch 
eine  andere  Übersicht  über  eine  andere  doppelte  Monstruosität 
zu  geben,  über  den  Hermaphrodismus.  Diese  unterscheidet 
sich  von  der  vorigen,  insofern  die  Verdoppelung  auf  ein  ein- 
ziges anatomisches  System  beschränkt  ist,  nämlich  auf  das  G-e- 
schlechtssystem,  während  bei  der  vorigen  die  Systeme  vielfach 
sind.  Ausserdem  wird  beim  Hermaphrodismus  die  Verdoppelung 
durch  Teile  beider  Geschlechter  oder  durch  Teile,  die  denen 
beider  Geschlechter  ähnlich  sind,  dargestellt,  während  die  durch 
direktes  oder  indirektes  Verwachsen  der  beiden  Föten  hervor- 
gebrachte Vereinigung  gewöhnlich  durch  Föten  von  demselben 
Geschlecht  gebildet  wird. 

Um  die  verschiedenen  Arteh  des  Hermaphrodismus  klassi- 
fizieren zu  können,  ist  es  durchaus  nötig,  dass  man  die  grösste 
Zahl  der  sicheren  und  wahrscheinlichen  Thatsachen  kennt  (die 
hier  in  den  Noten  gesammelt  sind),  dass  man  die  fabelhaften, 
wie  die  des  Trallianus2)  und  die  ungenügend  beschriebenen 


1)  Siehe:  Memorie  della  E.  Accad.  della  scienze  del'  istitiito  di  Bologna. 
Ser.  5,  Tom.  V.  e  YII,  1896  e  1898. 

2)  Phlegon  Trallianus,  Quae  estant  opuscula.  De  rebus  mirabi- 
libus.  Lugduni  Batavorum  1620.  Cap.  2,  p.  19.  —  Taruffi,  Storia  della 
Teratologia.    Bologna,  1882.     Tom.  IV,  pag.  15,  Beob.  22. 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  1 


—     2     — 

ausscheidet!).  Aber  man  muss  auch  einen  richtigen  Begriff 
über  den  Hermaphrodismus  aufstellen,  der  die  Grenzen  dieser 
Monstruosität  angiebt.  Wenn  wir  mit  Aristoteles^)  anfangen, 
so  wird  die  letzte  Frage  unvollkommen  beantwortet,  denn  er 
sagt  bloss:  „Adnascuntur  autem  partes  supervacuae  .  .  .  . 
Quibus  autem  gemina  habere  genitalia  accidit,  alterum  maris, 
alterum  feminae,  iis  semper  alterum  quidem  ratum  fit, 
alterum  verum  irritum  etc."  Andere  Griechen  haben  die  Be- 
zeichnungen Hermaphroditen,  Androgyni  und  Gynandri  einge- 
führt, ohne  den  Worten  eine  gleichmässige  Bedeutung  beizu- 
legen (Sophokles,  Parmenides,  Philo  u.  s.  w.),  aber  mit 
einigen  Ausnahmen  haben  viele  auf  diese  Ausdrücke  verzichtet, 
mit  Ausnahme  des  Wortes  „Hermaphrodismus",  phne  dass  es 
einem  gelungen  wäre,  dem  Worte  eine  vollständige  Bedeutung 
beizulegen,  und  ohne  die  allgemeine  Beistimmung  zu  erlangen. 
Dasselbe  lässt  sich  von  dem  Worte  semimares  und  semiviri 
sagen,  das  von  Titus  Livius  (Buch  31,  Kap.  12),  von  Ovid 
(Metamorphosen,  Buch  4,  Vers  380)  und  Ausonius  (Epi- 
gramma  89)  gebraucht  wird. 

Die  griechische  und  römische  Periode  ging  vorüber,  ohne 
dass  der  als  Hermaphrodismus  bezeichnete  Zustand  und  seine 
Charaktere  festgestellt  wurden;  aber,  was  schlimmer  ist,  die 
Aufklärung  verzögerte  sich  bis  in  unsere  Zeiten,  obgleich 
zahlreiche  Autoren  sich  mit  dem  Gegenstande  beschäftigt  haben. 
Diese  Verzögerung  ist  nicht  mangelndem  Geschick  unserer 
Vorgänger  zuzuschreiben,  denn  man  muss  bedenken,  dass  Sek- 
tionen lange  Zeit  verboten  und  dann  nur  selten  erlaubt  waren, 
und  dass   Gelegenheiten,   Hermaphroditen  und  Pseudo-Herm- 


^)  Die  alten  Beobachtungen,  auch,  wenn  sie  von  berühmten  Männern 
herrühren,  sind  dennoch  oft  unvollkommen  und  bisweilen  unwahrscheinlich. 
Diese  wurden  von  J.  G.  Schenk  gesammelt.  Observationum  medicarum 
etc.  Francofurti,  1600,  p.  572.  —  De  genitalibus  partibus  utriusque  sexus. 
Observatio  hermaphroditi,  qui  olim  androgyni.  Die  Beobachtung^en  stammen 
von  Aristoteles,  Paolo  von  Aegina,  Plinius,  Titus  Livius,  Julius 
Obsequens,  Albertus  magnus,  Cardanus,  Rodiginus,  E.  von  Vol- 
terra,  Pontanus,  Licostenus,  Kueff,  Fulgosio,  Haies  Ekodo- 
ham,  Marcellus  Donatus,  Lusitanus  und  Pareus. 

2)  Aristoteles,  Opera  omnia.  Graece  et  latine.  Vol.  III.  Parisiis, 
1854.     De  animalium  generatione.  lib.  IV,  Cap.  IV,  p.  406. 


—     3     — 

aphroditen  innerlich  zu  untersuchen  immer  sehr  selten  gewesen 
sind.  Eealdo  Colomboi)  hatte  das  seltene  Glück,  vor  1559 
eine  Frau  sezieren  zu  können,  welche  ausser  der  Vulva,  dem 
Uterus  und  wahrscheinlich  den  Ovarien,  mit  einem,  wenn  auch 
nicht  hinreichend  grossen  männlichen  G-liede  ausgestattet  war. 

Aus  solchen  Umständen  erklärt  es  sich  auch,  warum  die 
fabelhaften  Erzählungen,  die  unvollkommenen  Beschreibungen, 
die  falschen  Urteile,  die  gerichtlichen  Entscheidungen  in  Form 
von  Aushülfen  so  lange  bestanden.  So  stellte  der  Eechtsge- 
lehrte  Ulpian^)  die  Frage  auf,  wem  die  Hermaphroditen  ähn- 
lich wären  und  meinte,  man  müsse  darauf  achten,  welches  Ge- 
schlecht bei  ihnen  vorliege.  Der  Grammatiker  Suidas^)  sagte: 
„Hermaphroditus  est,  qui  utraque,  masculinum  et  foemininum, 
Organa  habet,  turpiter  faciens  et  patiens."  Argelata, 
ein  Arzt  zu  Bologna^),  erklärte  den  Hermaphrodismus  für  „eine 
unerklärliche,  abscheuliche  Affektion  bei  den  Menschen"  und 
Eueffö)  beschrieb  Männer  mit  Epispadie  und  Extopie  der 
Blase  als  Hermaphroditen. 

Es  würde  zu  lang  und  unnütz  sein,  alle  falschen  Beobacht- 
ungen aufzuzählen,  denn  dies  würde  uns  von  unserer  Aufgabe 
abziehen.  Wir  wollen  nur  erwähnen,  dass  das  Vorurteil  gegen 
die  zu  Männern  gewordenen  Weiber  zuerst  im  Jahre  1579  von 
Joh.  Wier^)  bekämpft  wurde.  Dieser  kindliche  Zustand  der 
Wissenschaft  erklärt  es  auch,  dass  Aldrovandi  darlegte,  wegen 
der  von  den  Autoren  beschriebenen  grossen  Zahl  und  Ver- 
schiedenheit  der  Formen  sei  eine  Klassifizierung  unmöglich'^). 


^)  Eealdo  Colombo  (aus  Cremona).  De  re  anatomiea.  Venetiis, 
1559.    Liber  XV,  p.  268. 

^)  Ulpianus,  Digestum.  lib.  I,  tit.  5,  1.  10. 

^)  Suidas  Lesicon,  Hermaphroditus.    Cambrigi,  1705,  p.  857. 

4)  Arg-elata  Pietro.  Cirurgia.  Venezia,  1499.  L.  V.,  Tract.  XVII, 
Cp.  ni,  p .  114. 

^)  Jacobus  Rueff  (Zürich),  De  conceptu  et  generatione  hominis 
etc.     Francof.  ad  M.,  1587,  p.  41  bis.  Cum  fig. 

^)  Joh.  Wier,  Histoires  des  illusions  et  impostures  des  diables,  etc. 
Paris  1579.  N.  edit.  Paris,  1885.  T.  I,  p.  598.  Cp.  XXIII.  De  la  natureUe 
transmutation  du  sese  humain. 

'^)  Ulisse  Aldrovandi,  Monstrorum  historia.  Bononiae,  1642.  C.  V., 
p.  513. 

1* 


_    4     — 

Einige  gingen  sogar  so  weit,  dass  sie  an  dem  Vorkommen 
von  Hermaphroditen  zweifelten.  Von  diesen  nennen  wir 
Clemens  von  Alexandrieni)  und  einige  Italiener,  wie 
Bedinelli^),  Tabarani^),  G-raziani^)  und  Caluri-^),  so 
dass  es  der  berühmte  Haller  für  zweckmässig  hielt,  eine 
Abhandlung  zu  schreiben  mit  dem  Titel:  An  dentur  herm- 
aphroditi?6).  Aber  die  Meinung  Hallers  vermochte  nicht, 
die  Zweifel  ganz  zu  heben,  denn  noch  neuerlich  leugnet 
Samuele  Pozzi^),  dass  die  von  Klebs  angeführten  Fälle 
echte  Hermaphroditen  seien. 

Trotz  so  vieler  Hindernisse  fehlte  es  viele  Jahrhunderte 
vor  Aldrovandi  nicht  an  kühnen  Ärzten,  welche  die  Klassi- 
fizierung der  Hermaphroditen  versuchten,  indem  sie  sich  auf 
die  äusseren  Unregelmässigkeiten  der  Geschlechter  stützten, 
ohne  es  doch  deutlich  zu  erklären.  Der  erste,  der  dabei 
einiges  Glück  hatte,  war  Leonidas,  Chirurg  in  Alexandrien, 
der  zwischen  dem  2.  und  3.  Jahrhundert  lebte,  dessen  Werke 
verloren  sind;  aber  glücklicher  Weise  sind  viele  Stellen  von 
Aetius^)  angeführt.  Die  uns  angehenden  Stellen  wurden 
von    Paulus    von   Aegina,     ebenfalls    aus    der   Schule   von 


1)  Clemens  Alexandrinixs,  Paedagogia.  L.  II.  Cp.  10.  ,  Opera 
omnia,  Florenz  1550  (griechisch).  —  Potter  Oxon.  Oxford,  1715,  V.  II, 
(griechiiscli-lateinisch). 

2)  Francesco  Bedinelli  (De  Paulla  Fanensis)  Chirurg  in  Fano. 
Nupera  perfectc  Androgynae  structurae  observatio.    Pisauri,  1755,  in  8^. 

3)  Pietro  Tabarani  (Professor  in  Siena),  Sugli  ermafroditi.  Let- 
tera  terza.    Appendice  agli  Atti  dell'  Accad.  dei  fisiocritici  di  Siena,  1787,  p.  77. 

*)  Lorenzo  Graziani,  (Medico  Lucchese) ,  Sul  sesso  degli  lepri 
e  sopra  gli  ermafroditi.    Magazz.  Toscano.    Firenze,  1773.     T.  IV,  p.  1  et  2. 

^)  Fr.  Caluri  (Prof.  in  Siena),  Relazione  sopra  un  preteso  ermafro- 
dito.     Atti  di  Siena,  1774.     T.  V,  p.  167. 

^)  Haller,  Commentariorum  societatis  R.  scienciarum  Goettingensis, 
1751. 

'^)  S.  Pozzi,  De  rhermaphrodisme.  Gaz.  hebdom.  Paris,  1890. 
NO  30,  p.  351,  squ. 

^)  Aetius  aus  Mesapotamien,  lebte  in  der  Mitte  des  6.  Jahrhunderts. 
Die  erste  lateinische  Übersetzung  führt  den  Titel  „Opera  omnia:  Cornarus 
et  Montanus.  Basileae,  1533 — 95.  Die  behandelten  Stellen  des  Aetius 
werden  von  Hall  er  angeführt:  Bibliotheca  chirurg.  Basil.,  1774,  T.  I, 
p.  79. 


-    5    — 

Alexandria  1)  und  von  dem  Volterraner^),  sowie  neuerlich  von 
dem  Geschichtschreiber  Häser  angeführt^).  Leonidas  teilte 
die  Hermaphroditen  in  zwei  Arten  ein,  in  männliche  und  weib- 
liche. Unter  die  ersten  stellte  er:  a)  Fälle  von  weiblichem 
Geschlecht,  die  im  Perinaeum  mit  dem  männlichen  verbunden 
waren,  b)  Fälle  von  im  Scrotum  verbundenem  Geschlecht, 
c)  Fälle  von  Fehlen  des  Penis.  Unter  dem  weiblichen  Ge- 
schlechte begriff  er:  a)  den  Penis  mit  geteiltem  Scrotum,  in 
welches  er  die  Hoden  unterbrachte,  b)  die  Hypertrophie  der 
Clitoris. 

Die  Schriftsteller  der  Renaissance  wollten  ebenfalls  die 
Fälle  von  Verdoppelung  des  Geschlechts  in  Ordnung  bringen; 
sie  folgten  den  Spuren  des  Leonidas,  nahmen  die  äusseren 
Anomalien  zur  Grundlage  und  reduzierten  die  Arten  auf  vier, 
aber  sie  führten  einige  Abänderungen  ein,  die  bisweilen  irrig 
und  selten  von  Wert  waren.  Zum  Beispiel  erwähnen  wir  unter 
den  ersteren  Aldrovandi^),  welcher  Individuen  mit  doppeltem 
Geschlecht  annahm,  die  alle  Bedingungen  einer  vollkommenen 
Zeugung  zu  erfüllen  vermöchten.  Diese  eingebildete  Fähigkeit 
wurde  von  Pare^),  von  Zacchia^)  und  Möller^)  wieder  auf- 
genommen, der  noch  die  Art  der  zeugungsunfähigen  (Spadones) 
hinzufügte. 


^)  Paulus  von  Aegina  (aus  der  ersten  Hälfte  des  8.  Jahrli.)  Opera 
omnia.     Latein.  Übersetzung.     Basil.,  1533,  in  Fol. 

2)  Volterraner  (MaffeiRafaele  di  Volte rra)  Commentari  urbani. 
Basil.,  1544,  L.  24,  p.  277  bis. 

^)  H.  Häser,  Lehrbuch  der  Geseliiclite  der  Medizin.  Jena,  1875, 
Bd.  1,  S.  509. 

'*)  Ulisse  Aldrovandi,  Monstrornm  historia.  Bononiae,  1642, 
Cp.  1,  p.  41.  Der  Leser  wird  erstaunt  sein,  dass  Aldrovandi  an  einer 
anderen  Stelle  die  Unmöglichkeit  einer  Klassifizierung  bewies,  und  hier  eine 
zum  Teil  der  des  Leonidas  ähnliche  vorschlug;  diese  Verwunderung  ver- 
schwindet, wenn  man  weiss,  dass  die  Geschichte  der  Monstra  im  J.  1642 
von  Ambrosini  nach  den  von  Aldrovandi  ohne  Ordnung  und  Kritik 
hinterlassenen  Aufzeichnungen  kompiliert  und  in  Druck  gegeben  wurde ; 
letzterer   starb    im  J.  1605.     S.  Taruffi,   Storia  etc.   1881.     T.   I,   p.   42. 

5)  Ambroise  Pare,   Oeuvres.     Paris,  1561.    1633.   Livr.  25,  p.  762. 

^)  Paolo  Zacchia  (Arzt  in  Eom),  Quaestionum  medico - legalium. 
Lugduni  B.  1661.     L.  7,  Tit.  8,  Quaestio  8,  p.  492. 

'^)  Jac.  Moller,  Advokat  in  Frankfurt  a.  0.  Discursus  de  cornutis 
et  hermaphroditis  eorumque  jure.     Frankf.,  1692. 


-     6     — 

Eine  erwähnenswerte  Verbesserung  war  die  des  Pariser 
Chirurgen  Dionisi). 

Er  nahm  die  Einteilung  in  vier  Gattungen  vor;  aber  an  Stelle 
von  zweien  der  vorhergehenden  setzte  er  zwei  eigene,  die  in  der 
Wissenschaft  unter  dem  Namen  „männliche  und  weibliche  Pseudo- 
Hermaphroditen" noch  erhalten  sind,  und  die  dritte  könnte,  wenn 
sie  besser  ausgedrückt  wäre,  z.  B.  als  neutraler  Hermaphrodismus, 
noch  fortbestehen.  Dieser  Fortschritt  hatte  keine  günstigen 
Folgen,  vielmehr  trat  gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts  ein 
Rückschritt  ein.  Hall  er  2)  wollte  sich  von  den  vier  Arten  frei 
machen  und  reduzierte  sie  auf  zwei.  Diese  Beschränkung  war 
nicht  umfassend  genug  und  hatte  nur  das  Verdienst,  das  Wort 
„Hermaphroditi  spurii"  einzuführen  (heute  Pseudo -Hermaphro- 
diten genannt),  worunter  er  nur  jene  Weiber  begriff,  die  sich 
zuerst  für  Männer  ausgaben  (Hypertrophie  der  Clitoris).  Diese 
Neuerung  wurde  bald  als  ungenügend  erkannt  und  der  ausgezeich- 
nete Anatom  Heinrich  Wrisberg^)  kehrte  wieder  zu  vier  Abtei- 
lungen zurück,  mit  der  Überschrift:  1.  Echte  Hermaphroditen,  an 
deren  Vorkommen  er  selbst  zweifelte.  2.  Männliche  Herma- 
phroditen. 3.  Weibliche  Hermaphroditen.  4.  Monstruöse  Herma- 
phroditen, d.  h.  mit  Komplikationen,  oder  mit  zweifelhaftem 
Geschlecht  Aber  statt  anatomisch  das  Verständnis  der  ein- 
zelnen Spezies  zu  bessern,  verschlechterte  er  es,  denn  in  seiner 


^)  Pierre  Dionis,  Cours  d'operations  de  Chirurgie.  Paris,  1707. 
Bruxelles,  1708,  p.  197.  Er  teilte  die  Hermaphroditen  in  vier  Arten  ein: 
1.  Die  aus  vollkommenen  Männern  bestehenden,  mit  unvollkommenen  weib- 
lichen Teilen.  2.  Die  vollkommenen  Weiber  mit  unvollkommenen  männ- 
lichen Teilen.  3.  Individuen,  die  weder  Männer  noch  Weiber  sind,  mit  unvoll- 
kommenen Geschlechtsteilen  beider.  4.  Männlich-weibliche  Hermaphroditen, 
die  sich  der  Genitalien  beider  Geschlechter  gleich  gut  bedienen  können. 
Das  Gesetz  befiehlt,  dass  man  sich  für  eines  der  beiden  Geschlechter  ent- 
scheide und  verbietet,  das  nicht  gewälüte  zu  gebrauchen.  Diese  Verordnung 
wurde  in  dem  jetzigen  Jahrhundert  von  Marc  wieder  vorgebracht.  Dict. 
des  sc.  med.    Paris,  1817.     T.  XXI,  p.  86. 

2)  Albrecht  von  Haller,  geb.  1708  in  Bern  und  gestorben  1777. 
Er  unterscheidet  die  Hermaphroditen  in  zwei  Arten:  1.  männliche,  die  ein 
gewisses  weibliches  Aussehen  haben,  2.  falsche,  d.  h.  Weiber,  die  eine  grosse 
Clitoris  besitzen  und  für  Männer  gelten.    Comm.  G.  1752.  T.  I. 

^)  H.  A.  Wrisb  erg,  Commentatio  de  singulari  genitalium  deformitate 
in  puero  hermaphroditum  mentiente ,  cum  quibusdam  observationibus  de 
hermaphroditis.     Göttingen,  1796.     Par.  19,  S.  541—42. 


—     7     — 

zweiten  und  dritten  Art,  auf  die  der  von  Haller  eingeführte 
Ausdruck  Hermaphrodismus  spurius  anwendbar  war,  be- 
schäftigte er  sich,  statt  ihre  Charaktere  festzustellen,  mit  ihrer 
funktionellen  Fähigkeit. 

Wenn  Haller  und  Wrisberg  bei  der  Anordnung  nicht 
glücklich  waren,  so  waren  sie  es  dagegen  bei  vielen  anderen 
Arbeiten  und  nützten  der  Teratologie  mit  einigen  eigenen  Be- 
obachtungen und  mit  einer  unvergleichlichen  Gelehrsamkeit  i), 
die  späteren  Anatomen  als  Beispiel  diente.  Unter  diesen  ver- 
dient die  erste  Stelle  Joh.  Fried r.  Meckel,  der  daraus  für 
sein  Handbuch  der  anatomischen  Pathologie  Nutzen  zog  2);  es 
enthält  eine  reiche  Abhandlung  über  die  Monstra,  aber  in  Bezug 
auf  die  Hermaphroditen  wollte  er  in  der  Einfachheit  Hall  er 
nachahmen,  verfiel  aber  ebenfalls  in  den  Mangel  an  Verständ- 
lichkeit.    Er   brachte   alle  Hermaphroditen    in    zwei   Klassen. 

1.  Solche,  bei  denen  keine  Vermehrung  von  Teilen  stattfindet. 

2.  Solche,  bei  denen  die  Teile  an  Zahl  zunehmen.  Als  er  dann 
neue  Gruppen  von  Missbildungen  einführte,  brachte  er  sie  mit 
Gewalt  in  den  obigen  Klassen  unter,  wie  z.  B.  die  riesenhafte 
Zunahme  des  Körpers  und  der  Organe,  die  angeborenen  Ver- 
änderungen der  Verhältnisse  und  die  Teilung  nicht  nur  von 
Organen,  sondern  von  Eegionen.  So  fiel  die  Anordnung  M eckeis 
wie  die  früheren,  aber  die  neuen  Gruppen  erhielten  sich  in  der 
Wissenschaft,  oder  wenigstens  verdienen  einige  wieder  aufge- 
nommen zu  werden,  wie  wir  es  in  der  gegenwärtigen  Arbeit 
thun  werden. 

Der  erste  Schritt  zu  einer  Anordnung  auf  anatomischer 
Basis  wurde  von  Lippi  in  Florenz  vorgeschlagen  s),  der  im 
Jahre  1826  bei  der  Elassifizierung  zweier  Monstruositäten  der 
Geschlechtsorgane   beim   Menschen    dahin   geführt  wurde,    die 


^)  Was  die  Gelehrsamkeit  betrifft,  machen  wir  diejenigen  Autoren,  die 
wieder  über  Hermaphrodismus  und  besonders  über  die  griechischen  Statuen, 
die  ihn  darstellen,  arbeiten  wollen,  darauf  aufmerksam,  dass  Wrisberg 
eine  reiche  Bibliographie  über  die  angeführte  Arbeit  zusammengebracht  hat. 

^)  J.  Fr.  Meckel,  Handbuch  der  pathologischen  Anatomie.  Zwitter- 
bildung.   Leipzig,  1816.     Bd.  2,  Abt.  1,  S.  196—221. 

^)Eegolo  Lippi,  Bizzarre  forme  dcgli  organi  della  riproduzione 
di  due  individui  della  specie  umana.  Firenze,  1826.  Opusctilo  in  8*^  con  tre 
tavole. 


wesentliclien  Charaktere  des  ecliten  Hermaphrodismus  aufzu- 
stellen und  annahm,  er  bestehe  in  dem  gleichzeitigen  Vor- 
handensein von  Hoden  und  Ovarien.  Dieser  Charakter  diente 
später  als  Mittel,  um  die  verschiedenen  Arten  der  Verdoppelung 
des  Geschlechts  zu  unterscheiden.  Aber  auch  diese  Kennzeichen 
konnten  Zweideutigkeit  zulassen,  die  nachher  von  Müller i)  be- 
seitigt wurden,  der  den  Eat  gab,  zu  untersuchen,  ob  die  Hoden 
Samenkanälchen  und  die  Eierstöcke  Graafsche  Follikel  ent- 
hielten. Er  bemerkte  auch,  dass  die  innere  Verdoppelung  der 
Geschlechtsorgane  dem  Zustande  der  äusseren  nicht  entspricht. 
Aber  als  Müll  er  2)  eine  Klassifizierung  versuchte,  kannte  er  die 
Eatschläge  Lippis  nicht  und  unterschied:  1.  Die  Hermaphroditen, 
die  nur  ein  äusseres,  missbildetes  Geschlecht  besitzen,  während 
das  innere  vollständig  ist,  entweder  männlich,  oder  weiblich. 
2.  Solche,  die  innerlich  teilweise  Verdoppelung  des  Geschlechts 
zeigen,  während  es  äusserlich  missbildet  ist.  3.  Solche,  die 
die  Geschlechter  nur  auf  einer  Seite  haben  (Hermaphrodismus 
lateralis).  Diese  Einteilung  ist  zwar  praktisch  richtig,  aber 
durchaus  nicht  methodisch  und  vollständig  für  die  Genera,  viel 
weniger  für  die  Spezies,  so  dass  sie  unbeachtet  geblieben  ist. 
Die  Geschichte  des  Hermaphrodismus  zeigt  einen  niemals 
dagewesenen  Fall,  dass  nämlich  ein  Tierarzt  namens  Gurlt^) 
sowohl  durch  diesen  Gegenstand,  als  durch  seine  Teratologie 
berühmt  wurde,  denn  er  befolgte  ausschliesslich  die  in  den 
physischen  Wissenschaften  angenommene  Methode,  d.  h.  er 
sammelte  zuerst  alle  anatomisch  analogen  Thatsachen,  ohne 
theoretische  Vorurteile.  Dies  that  er  für  die  Haus- Säugetiere, 
die  zum  Teil  schon  von  tüchtigen  Beobachtern  beschrieben  und 
von  ihm  selbst  in  grosser  Zahl  im  Berliner  Museum  gesammelt 
worden  waren.  Er  klassifizierte  sie  methodisch  nach  ihrer 
Form,  gab  jeder  Gruppe  einen  Namen  mit  griechischer  Wurzel. 


^)  Johannes  Müller,  Bildungsgeschiclite  der  Genitalien.  Düssel- 
dorf, 1830. 

2)  Das  Werk  Müllers  war  mir  nicht  zugänglich,  aber  glücklicher 
Weise  führt  Stricker  die  Anordnung  der  Hermaphroditen  an.  V i r c h 0 w  s 
Archiv,  Bd.  88,  S.  184—190. 

^)  E.  F.  Gurlt  (Berlin),  Lehi'buch  der  pathologischen  Anatomie, 
Berlin,  1832.  S.  183.  Mit  34  Tafeln.  —  Über  tierische  Missgeburten, 
Berlin,  1877.    4«.     Mit  20  Hthographierten  Tafeln. 


—    9     — 

So  gelang  es  ihm,  das  Kapitel  über  Hermaphrodismus  durch 
neue  Spezies,  die  er  den  alten  hinzufügte,  sehr  wertvoll  zu 
machen  und  sie  dann  alle  in  zwei  grosse  Genera  zu  vereinigen. 
Es  ist  bewundernswürdig,  wie  er  dieselben  Spezies  45  Jahre 
später  (1867)  in  einem  Supplement  zu  seinem  anatomischen  Werke 
ohne  Änderung  bestätigte ;  und  diese  Spezies  werden  noch  jetzt 
von  einer  grossen  Zahl  der  Tierärzte  Europas  angenommen, 
wie  sie  auch  mit  einigen  Zusätzen  von  den  Ärzten  noch  ange- 
nommen werden  könnten,    wenn    ihre  Eigenliebe   es  erlaubte. 

Die  Einteilung  von  Gurlt  ist  kurz  folgende.  Erstes  Genus: 
Wenn  bei  dem  Hermaphroditen  die  Zahl  der  Organe  nicht  ver- 
mehrt ist.  Zu  diesem  Genus  gehören  zwei  Spezies:  A)  Der 
seitliche  Hermaphrodismus,  wenn  sich  auf  einer  Seite  der  Hode, 
auf  der  anderen  der  Eierstock  befindet.  B)  Transversaler 
Hermaphrodismus,  wenn  sich  innerlich  die  Organe  des  einen 
Geschlechts,  äusserlich  die  des  anderen  befinden.  Dazu  kommt 
das  männliche  oder  weibliche  Attribut,  je  nachdem  äusserlich 
das  eine  oder  andere  Geschlecht  erscheint.  Zweites  Genus: 
Pseudo-Hermaphrodismus.  A)  Wenn  ein  Männchen  grosse  Brust- 
drüsen aufweist  (Pseudo-megalomasthus).  B)  Für  Männchen 
mit  kleinem  Penis  (Pseudo  -  microphallus).  C)  Für  Männchen 
mit  offener  Urethra  (Pseudo  -  hypospadic^s).  D)  Weiblicher 
Androgyne  (innerlich  weiblicher  Hermaphrodit  mit  Ovarien, 
äusserlich  mit  Hoden). 

Zuerst  bemerkte  Isidore  Geoffroy  de  St.  Hilairei)  daran 
etwas  Unzutreffendes  und  erklärte  mit  Recht,  der  Androgynus 
von  Gurlt  gehöre  nicht  zu  den  Pseudo -Hermaphroditen,  son- 
dern zu  den  echten.  Ohne  weitere  Irrtümer  anzuführen,  ver- 
warf er  dessen  Anordnung  und  zog  die  von  Meckel  vor,  deren 
Titel  er  etwas  veränderte.  So  nannte  St.  Hilaire  die  Ord- 
nungen Klassen  und  die  Genera  Ordnungen ;  dann  nahm  er  auch 
Hermaphroditen  an,  die  keine  Vermehrung  der  Teile  zeigen, 
also  ohne  Überschuss  der  Zahl.  Aber  keiner  der  beiden  Autoren 
bemerkte,  dass  man  bei  Aufstellung  einer  Ordnung  mit  nur 
negativem  Charakter  die  verschiedensten,  sowohl  inneren  als 
äusseren  Missbildungen  darin  unterbringen  kann,  wie  es  wirk- 


^)  Isid.    Geoffroy    de   St.   Hilaire,   Histoire    des   anomalies    de 
rorganisation  etc.    Paris,  1836.    Bruxelles,  1837,  T.  II,  p.  36. 


-     10    — 

lieh  geschehen  ist.  Gegen  diesen  Einwurf  hatte  sich  St.  Hilaire 
teilweise  geschützt,  indem  er  den  Hermaphrodismus  definierte 
als:  die  Vereinigung  beider  Geschlechter  oder  einiger  ihrer 
Charaktere  in  demselben  Individuum,  so  dass  er  darin  die  Ver- 
doppelung der  wesentlichen  und  sekundären  Teile,  die  den 
Pseudo-Hermaphroditen  zukommen,  die  schon  Hall  er  und  Gurlt 
angenommen  hatten,  begriff.  Diese  Unterscheidung  musste  im 
Geiste  des  französischen  Teratologen  entstehen,  weil  er  die 
Ideen  seines  Vaters  (des  berühmten  Naturforschers  Etienne) 
über  den  Bau  der  Geschlechtsorgane  angenommen  und  vervoll- 
ständigt hatte,  welche  hier  erwähnt  zu  werden  verdienen  und 
die  obige  Unterscheidung  erlaubten. 

Da  die  Naturforscher  gefunden  hatten,  dass  die  Geschlechts- 
orgaue beider  Geschlechter  sich  in  Bezug  auf  ihre  Funktionen 
in  mehrere  Teile  teilen  lassen,  so  unterschied  Etienne 
Geoffroy  Saint  Hilaire i)  einen  inneren  Eeproduktions-  und 
einen  äusseren  Kopulationsapparat,  indem  er  hinzufügte,  dass 
beide  verschiedenen  Ursprungs  seien  und  von  einander  unab- 
hängig blieben;  ja  er  nahm  an,  der  äussere  Apparat  gehöre 
der  Haut  an.  Sein  Sohn  Isidore  teilte  den  Apparat  in  drei 
Abschnitte:  1.  einen  tiefen  (Ovarien  oder  Hoden);  2.  einen 
mittleren  (Gebärmutter  oder  Prostata  und  Samenbläschen);  und 
3.  einen  äusseren  (Penis  und  Scrotum  oder  Clitoris  und  Vulva). 
Das  Komplement  der  zu  den  Abschnitten  gehörenden  Teile 
wurde  der  Embryologie  entnommen. 

Trotz  den  in  der  ersten  Klasse  gefundenen  und  den  viel 
grösseren  in  der  zweiten  Klasse  des  Hermaphrodismus  bemerk- 
baren Hauptfehlern,  die  schon  18.44  von  Carlo  Cotta  ange- 
geben wurden  2),  haben  wir  zu  bemerken,  dass  viele  Ordnungen 
(von  anderen  Teratologen  Genera  und  Spezies  genannt)  von 
diesem  Autor  bedeutend  verbessert  worden  sind,  indem  er  bald 
neue  Beobachtungen  hinzufügte,  bald  Ungenauigkeiten  anderer 
aufdeckte,  bald  sich  passender  Weise  seiner  grossen  Gelehr- 
samkeit bediente.  Diese  Vorzüge  finden  sich  nicht  nur  in  Be- 
ziehung  auf   die  Hermaphroditen,    sondern   in   seinem   ganzen 


^)  Etienne  Geoffroy  St.  Hilaire,  Philosophie  anatomique.  Paris, 
1818.    T.  II,  p.  361. 

^)  Carlo  Cotta,  Alcnne  idee  sull'  ermafroditismo.  Gazz.  med.  d. 
Milano.    Milano,  1844.     T.  III,  p.  205. 


—   11   — 

Werke  über  die  Anomalien  und  erklären  es,  warum  dasselbe 
von  den  lateinischen  Eassen  bevorzugt  worden  ist.  Auch  die 
Verwandtschaft  der  Sprache  erklärt  es  vielleicht,  warum  es 
noch  jetzt  bei  allen  G-elegenheiten  über  einzelne  Thatsachen  zu 
Eate  gezogen  wird.  Aber  diese  Achtung  genoss  nicht  seine 
synthetische  Disposition  der  Ordnungen,  schon  weil  St.  Hilaire 
unbestimmte  Titel  vorzog,  d.  h.  ohne  einen  den  Klassen  und 
Ordnungen  gemeinschaftlichen  Charakter  festzustellen.  Dieses 
Verfahren  behielt  er  auch,  wenn  er  auf  besondere  Umstände 
einging,  z.  B.  Hermaphrodit!  mixti,  Hermaphrodit!  complexi, 
Hermaphrodit!  neutri,  so  dass  auch  die  Franzosen  diese  Klassi- 
fizierung verlassen  haben. 

Die  wertvollen  "Werke  von  Gurlt  und  Isidore  Geoffroy 
St.  Hilaire  blieben  40  Jahre  lang  ohne  Nebenbuhler;  doch 
fehlte  es  nicht  an  einigen  Besserungsversuchen,  aber  ohne 
Nutzen  für  Taxonomie  und  selbst  Teratogenese,  ja  in  dieser 
Hinsicht  erfolgte  ein  Rückschritt.  Man  muss  sich  aber  wundern, 
dass  August  Förster,  ein  berühmter  Schriftsteller,  Verfasser 
eines  trefflichen  Werkes  über  pathologische  Anatomie  i),  den 
Hermaphrodismus  in  eine  einzige  Gruppe  unterbringen  wollte, 
d.  h.  unter  die  Verdoppelung  sowohl  der  lateralen,  als 
der  transversalen  Geschlechtsdrüsen,  und  alle  anderen  Miss- 
bildungen zu  den  Anomalien  der  einzelnen  Organe  stellte 2),  so 
dass  er  selbst  Haller  an  Einfachheit  übertraf.  Unter  denver- 
fehlten Versuchen  erwähnen  wir  noch  den  des  Neapolitaners 
De  Crecchio^),  den  er  in  Bezug  auf  eine  Frau  veröffentlichte, 
die  Ovarien  ohne  Corpora  lutea  und  äusserlich  männliche 
Charaktere  ohne  Hoden  besass.  Seine  Einteilung  ist  etwas 
reicher,  als  die  von  Förster,  geht  aber  nicht  über  die  von 
Müller  hinaus,  ist  ihr  vielmehr  ähnlich;  aber  dies  konnte 
ihren  Fall  nicht  verhindern. 

Unterdessen  verbreitete  die  Embryologie  viel  Licht  über 
noch  dunkle  Punkte  und  vervollständigte  einige  unvollkommen 


^)  Ä.  Förster  (Würzburg),  Handbuch  der  allgemeinen  pathologischen 
Anatomie.    Leipzig,  1865. 

2)  Derselbe,  Die  Missbildungen  des  Menschen.    Jena,  1861. 

3)LuigideCrecchio.  II  Morgagni.  Napoli,  1865.  T.  XIX,  p.  43, 
con  tavole. 


—    12    — 

und  ohne  Anwendung  gebliebene  Entdeckungen.  Eine  von 
diesen  betraf  die  Wo Iff sehen  Körper i),  die  Wolff  selbst  Ur- 
nieren  genannt  hatte  und  die  er  1759 — 1764  bekannt  machte. 
Da  jetzt  (ausser  den  Körpern)  auch  der  Verlauf  der  dazu 
gehörigen  Kanäle  bekannt  ist,  deren  einziger  Eeprasentant  im 
allgemeinen  der  Canalis  deferens  ist,  verweisen  wir  den  Leser 
wegen  der  Einzelheiten  auf  die  bezüglichen  Abhandlungen. 
Aber  wir  wollen  sagen,  dass  die  Teratologie  seit  langer  Zeit 
bemerkenswerte  Thatsachen  aufgewiesen  hatte,  die  später  als 
unerklärlich  bei  Seite  liegen  blieben.  Eine  von  diesen  betraf 
eine  Beobachtung  von  Malpighi^),  welcher  im  Jahre  1684 
anomale  Kanäle  im  Uterus  einer  Kuh  fand.  Diese  Beobachtung 
wurde  erst  1826  wieder  ans  Licht  gebracht  von  dem  berühmten 
Palletta^)  und  dann  1830  von  Jacobson*),  der  die  glückliche 
Vermutung  äusserte,  diese  Kanäle  seien  analog  den  Samen- 
leitern. Nachher  geriet  die  Beobachtung  Malpighis  wieder 
in  Vergessenheit,  kam  aber  1883  wieder  zu  Ehren,  als  Dohrns) 
beimenschlichenEmbryonen  von4 — 5  Monaten  denGärtnerschen 
und  also  auch  den  Malpighi sehen  ähnliche  Kanäle  entdeckte 
und  erkannte,  dass  beide  den  Wo  Iff  sehen  Kanälen  entsprechen. 
Dies  ist  dann  bestätigt  worden  von  Winkel^),  Negrini^),  und 
Ferraresi^). 

^)  CasparFriedr.  Wolff  (Berlin),  Theoria  generationis.  Halae,  1759. 
Berlin,  1764.  —  Derselbe,  De  foriiiatione  intestinorum.  Novi  Comment.  Acad. 
S.  J.  Petropolitani.  T.  XII— XIII,  1768-1769. 

2)  Marcello  Malpiglii  (Bologna,  1681),  Letter  to  Dr.  Spon  (Lyon) 
concerning  the  structure  of  the  womb.  Philos.  transact.  July  20, 1684,  Numb.  161, 
London,  1684.  Vol.  XIV,  p.  630. 

^)  J.  B.  Fallet ta,  Exercitationes  pathologicae,  P.  IL  Mcdiolani,  1826. 
Praefatio,  p.  7. 

^)  Ludwig  Jacobson  (Kopenhagen),  Die  Okenschen  Körper  oder 
die  Primordialnieren.    Kopenhagen,  1830.    S.  16. 

^)  A.  Dohrn,  Über  Gärtnersche  Gänge  beim  Weibe.  Arch.  f.  Gynäkol. 
Berlin,  1883.  Bd.  XXI,  Heft  2,  S.  328—345.  Jahresbericht  für  1883,  Bd.  II, 
S.  382  (12). 

6)  F.  Winkel,  Die  Frauenkrankheiten.    Leipzig,  1886.    S.  104. 

'^)  F.  Negrini,  (Scuola  veterinaria  di Parma.)  Contributo  all'  anatomia 
dei  canali  di  Malpighi,  detti  di  Gärtner,  nella  vacca.  Parma,  1896.  Con  due 
tavole.  —  Monitore  zoologico  italiano.  Firenze,  1896.  Anno  VII,  No.  12, 
p.  285.    Gute  Arbeit. 

^)  C.  Ferraresi,  Canali  di  Gärtner  o  di  Malpighi?  Atti  della  soc. 
ital.  di  Ostetr.  e  ginecol.     Borna,  1897.  V.  III,  p.  207. 


—    13    — 

Man  darf  nicht  verschweigen,  dass  vor  Dohrn  schon  1822 
der  Däne  Gärtner i)  ebenfalls  bei  der  Kuh  und  bei  der  Sau 
anomale  Kanäle  fand,  ohne  die  von  Malpighi  gesehenen  zu  er- 
wähnen, und  dennoch  fahren  noch  Jetzt  einige  Autoren  fort, 
sie  die  Gärtn ersehen  Kanäle  zu  nennen,  darunter  Gustav 
Klein  aus  München.  Aber  wir  wollen  uns  jetzt  nicht  weiter 
hierüber  verbreiten,  da  wir  darauf  zurückkommen  müssen, 
wenn  wir  von  dem  weiblichen  Pseudo-Hermaphrodismus  handeln 
werden.  Jetzt  gehen  wir  zu  der  zweiten  Entdeckung  über,  die 
Johannes  Müller  angehört  und  im  Jahre  1830  publiziert 
wurdet). 

Dieser  hat,  wie  bekannt,  die  Bildungsweise  der  inneren 
weiblichen  Genitalien  entdeckt  und  deren  Anomalien  erklärt. 
Aber  auch  hier  giebt  es  noch  einen  fraglichen  Punkt  von 
einigem  teratologischen  Interesse,  nämlich:  wo  endigen  die 
Müller  sehen  Kanäle  beim  Weibe?  Man  hat  immer  geglaubt, 
dass  sie  sowohl  die  Trompeten,  als  den  Uterus  und  die  Vagina 
bilden,  aber  im  Jahre  1891  hat  Nagel  3)  behauptet,  dass  die 
Vagina  nicht  von  den  Müllerschen,  sondern  von  den  Wolff- 
schen  Kanälen  abstammt,  weil  die  letzteren  den  Sinus  urogeni- 
talis  nahe  an  dem  Epithel- Vorsprung  erreichen,  der  aus  dem 
Müllerschen  Kanäle  hervorkommt.    Diese  Meinung  ist  neuer- 


^)  H.  Gärtner  (Kopenhagen),  Anatomisk  Beskrivelse  over  et  ved  nogle 
dyr-arters  Uterus  undersögt  glandulost  Organ.  Kjobenhavn,  1822.  Von 
G.  Meckel  zitiertes  Werk:  Zur  Morphologie  der  Harn-  und  Geschlechtsorgane 
der  Wirbeltiere.  Halle,  1848.  S.  40.  Dieses  Werkchen  ist  ganz  unbekannt 
und  wird  nicht  einmal  angeführt  in  der  Bibliographie  von  Callisen  und 
Wilhelm,  noch  in  der  vonKölliker,  denn  dieser  erwähnte  in  seiner  Em- 
bryologie von  1879  wohl  Jacobson  über  die  Bedeutung  der  Kanäle,  aber 
nicht  die  Stelle,  wo  Gärtner  sie  beschrieben  hat.  In  Italien  wurde  diese 
Beschreibung  nur  bekannt  durch  einen  Brief  des  Dänen  Scoenberg  an 
den  Estensore  degli  annali  universali  di  medicina.  Milano,  1826.  Vol.  XXXVII, 
p.  513.  Sobald  die  Beobachtung  Gärtners  in  den  genannten  Annalen  ver- 
öffentlicht war,  druckte  Palletta  in  der  Vorrede  seiner  Exercitationes : 
Quae  de  novo  organo  in  brutorum  matricibus  vidit  cl.  Gärtner  amplissime, 
et  distinctissime  explicata  reperiuntur  a  Mar  cell  o  Malpighi  o  in  epistola 
ad  Sponium. 

^)  J.  Müller  (Coblenz),  Bildungsgeschichte  der  Genitalien  aus  ana- 
tomischen Untersuchungen  des  Menschen.    Düsseldorf,  1830.  4^. 

^)  W.  Nagel,  Über  die  Entwickelung  des  Uterus  und  der  Vagina 
beim  Menschen.    Arch.  f.  mikr.  Anat.    Bonn,  1891.    Bd.  37. 


—    14    — 

licli  von  Klein  1)  widerlegt  worden,  und  Kollmann2)  sagt  so- 
gar, in  der  Nähe  des  Sinus  urogenitalis  (Vestibulum)  erfüllten 
die  Pflasterzellen  der  Vagina  den  unteren  Teil  derselben  und 
bildeten  ausserdem  einen  Vorsprung,  der  in  den  oberen  Teil  des 
genannten  Sinus  einmünde. 

Die  Auffindung  der  Müll  ersehen  Gänge  führte  zur  Kennt- 
nis des  Ursprungs  des  Sinus  pecularis  prostatae,  der  von  Mor- 
gagni 1762  entdeckt  und  dann  von  vielen  anderen  bestätigt 
wurdet).  Wir  können  jedoch  nicht  feststellen,  ob  die  Annäherung 
der  beiden  Dinge  dem  Engländer  Guthrie  gehört,  oder  späteren 
Anatomen;  jedenfalls  ist  die  direkte  Beziehung  festgestellt  und 
noch  neuerlich  von  Tourneux  bestätigt*),  welcher  sagt,  das 
Prostata-Bläschen  sei  beim  menschlichen  Embryo  homolog  bald 
der  Scheide,  bald  dem  unteren  Teile  des  Uterus,  und  in  diesem 


^)  G.  Klein,  Cyste  des  W  o  1  f  f  sehen  Ganges.  Zeitsclir.  für  Gebli. 
und  Gynäk.  1890,  Bd.  18. 

^)  Kollmann,  Entwickelungsgeschiclite.     Jena,  1898.     S.  428. 

^)  G.  B.  Morgagni,  Adversaria  anatomica  IV,  p.  110.  Animad- 
versio  III.  Venetiis  1762.  Er  beschreibt  genau  den  Sinus  pecularis  pro- 
statae, den  er  in  15  Fällen  12  mal  fand.  —  E.  H.  W  e  b  e  r ,  Annotationes 
anatomicae  et  physiologicae.  Prolusio.  Lips.  1826.  Prolusio  I,  p.  4.  — 
Ders.  Zusätze  zu  der  Lehre  vom  Bau  und  den  Verrichtungen  der  Geschlechts- 
organe. Leipz.  1866.  M.  9  Tafeln.  —  Er  nannte  unpassend  das  Prostata- 
Bläschen  den  männlichen  Uterus.  —  G.  J.  Guthrie,  Ou  the  anatomy  and 
diseases  of  the  nech  of  the  bladder  and  the  Urethra.  London  1834.  8*^. 
Sinus  pecularis  von  Guthrie.  —  E.  Huschkle,  Eingeweidelehre  und 
Sinnesorgane.  In  der  Anatomie,  herausgegeben  von  K.Wagner.  2.  Aufl.. 
Leipzig  1844.  —  Encyclopedie  anatomique  (trad.  de  l'ällem.  par  L.  Jour- 
dan.  Paris  1845.  T.  V,  p.  379 — 80.  —  Mayer,  Über  den  sogenannten 
Uterus  masculinus.  Klin.  Monatsschr.  für  prakt.  Ärzte.  Köln,  1847,  S.  165 
bis  168.  —  J.  vanDeen,  Beitrag  zur  Entwickelungsgeschichte  des  Menschen 
und  der  Säugetiere  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Uterus  masculinus. 
Leipzig  1849.  8°.  —  P  r  e  d.  W  a  h  1  g  r  e  n.  Über  Uterus  masculinus  (W  eher) 
beim  Menschen  und  bei  den  Säugetieren.  Tafel  IX.  —  Müller,  S.  J.  Archiv. 
Berlin  1849,  S.  686.  Mit  Bibliographie.  —  John  Adams,  Utriculus  pro- 
staticus.  The  Cyclopaedia  of  Anat.  and  Physiology  (Rober,  Podd.)  Lon- 
don 1849.  Vol.  IV,  p.  151.  —  N.  Eüdinger,  Zur  Anatomie  der  Prostata, 
des  Uterus  masculinus  und  Ductus  ejaculatorii  beim  Menschen.  München, 
1883.     40. 

^)  F.  Tourneux,  Note  sur  le  developpement  du  vagin  male  chez  le 
foetus  humain.  Comptes  rend.  hebdom.  de  la  Soc.  de  Biol.  1887.  Ser.  VIII, 
T.  IV,  No.  22,  p.  812.  Diese  Angabe  wird  durch  folgende  verbessert:  Rev. 
biol.  du  Nord  de  la  France,  Lille,  1889,  T.  I,  p.  212. 


—    15    — 

Falle  trage  es  ein  nicht  geschichtetes  Cylinderepithel.  Daraus 
haben  die  Teratologen  geschlossen,  seine  Neubildungen  könne 
man  als  Anomalien  der  Müllerschen  Gänge  betrachten. 

Dies  waren  nicht  die  einzigen  Dienste,  welche  durch  die 
beiden  genannten  Entdeckungen  der  anatomischen  Wissenschaft 
und  der  Teratologie  geleistet  wurden.  Man  rauss  andere 
wichtige  Entdeckungen  hinzufügen,  vor  allem  die  gleichzeitige 
Entwickelung  der  Gänge  von  Wolff  und  Müller  bei  demselben 
Individuum,  so  dass  die  tierischen  Embryonen  in  dieser  Be- 
ziehung Hermaphroditen  sind.  Diese  Thatsache  überschreitet 
die  Voraussicht  Isidore  Geoffroy  St.  Hilaires,  in  Bezug 
auf  die  Gegenwart  eines  mittleren  Segments  der  Geschlechts- 
organe, da  er  nicht  vermuten  konnte,  dass  die  genannten  Organe 
nicht  nur  wirklich  vorhanden,  sondern  auch  bisexuell  seien. 
Ebenso  wichtig  für  die  Embryologie  war  die  Kenntnis  der 
Atrophie,  worauf  das  physiologische  Verschwinden  eines  Paares 
der  genannten  Geschlechtsgänge  folgte,  während  das  andere. 
Paar  sich  vervollständigt,  um  das  dauernde  Geschlecht  zu 
bilden.  Zu  diesen  Kenntnissen  kommt  noch  eine  andere  ebenso 
wichtige  für  die  Teratologie,  dass  nämlich  ein  Teil  der  zum 
Verschwinden  bestimmten  Gänge  einen  Stillstand  der  Ent- 
wickelung erfährt,  und  dies  erklärt  verschiedene  Anomalien 
und  verschiedene  Produktionen,  die  wir  in  der  Kürze  aufzählen 
werden.  Aber  wir  wollen  schon  jetzt  sagen,  dass  diese  Er- 
scheinung die  früher  vorgeschlagene  Trennung  des  Hermaphro- 
dismus  mit  Vermehrung  der  Teile  und  desjenigen  ohne  Ver- 
mehrung untauglich  macht. 

Endlich  haben  die  genannten  Entdeckungen  unter  Hinzu- 
fügung der  Kenntnisse  über  die  Phasen  der  Entwickelung  der 
äusseren  männlichen  und  weiblichen  Geschlechtsorgane  erlaubt, 
die  anatomischen  Formen  auf  fester  Grundlage  zusammenzu- 
stellen und  das  alte  Verlangen  nach  einer  rationellen  und  ver- 
hältnismässigen Einteilung  zu  erfüllen.  Der,  welcher  dieses 
Ziel  erreichte,  war  im  Jahre  1876  Klebs,  der  seine  patho- 
logische Anatomie  mit  einem  meisterhaften  Kapitel  bereicherte  i), 
das   dann   durch   tüchtige   Teratologen    illustriert   wurde,    wie 


^)  Edwin   Klebs   (Prag),    Handbuch   der  pathologischen   Anatomie, 
Berlin,  1876.  Bd.  1,  Abt.  2,  S.  736. 


—    16    — 

Ahlfeldi),  Herrmann^)  und  Marchaiid^),  und  diese  Ein- 
teilung erreicht  das  Ende  des  Jahrhunderts,  ohne  dass  ihr 
Nebenbuhler  erstanden  wären ;  nur  Zusätze  von  geringer  Wichtig- 
keit sind  gemacht  worden. 

Klebs  ging,  ohne  es  zu  wissen,  von  demselben  Stand- 
punkte aus,  wie  der  Florentiner  Lippi,  dass  nämlich  der  echte 
Hermaphrodismus  beiderlei  Geschlechtsdrüsen  besitzen  müsse. 
Dies  führte  ihn  dahin,  dass  er  falsche  oder  Pseudo-Hermaphro- 
diten  alle  anderen  Fälle  nannte,  die  Charaktere  oder  das  Aus- 
sehen von  doppeltem  Geschlecht  haben,  ohne  dass  ihre  Ge- 
schlechtsdrüsen doppelt  sind.  Nach  Annahme  dieses  Unter- 
schiedes fügt  der  Autor  einen  anderen  hinzu  in  Bezug  auf  die 
Pseudo- Hermaphroditen,  je  nachdem  ein  Hode  vorhanden  ist, 
der  das  männliche  Geschlecht  ausmacht,  oder  ein  Eierstock, 
der  das  weibliche  darstellt,  und  dann  teilt  er  jedes  dieser  beiden 
Genera  in  drei  Spezies.  Wir  aber  verweisen  auf  folgende 
Übersicht,  welche  eine  Zusammenfassung  der  Klebs  sehen  ist, 
um  die  Spezies  selbst  verständlicher  zu  machen,  und  behalten  uns 
vor,  weitere  Aufklärungen  zu  geben,  nachdem  wir  unsere  Zu- 
sätze gerechtfertigt  haben  werden. 

Anordnung  von  Klebs,   zusammengefasst. 

I.  Echter  Hermaphrodismus. 

Die  Gegenwart  der  Drüsen  beider  Geschlechter 
bei  demselben  Individuum. 

A)  Echter,  bilateraler  Hermaphrodismus. 

Auf  beiden  Seiten  ein  Hode  und  ein  Ovarium. 

B)  Echter,  unilateraler  Hermaphrodismus. 

Auf  einer  Seite  ein  Ovarium  und  ein  Hode,  auf 
der  anderen  ein  Ovarium  und  ein  Hode. 

C)  Lateraler  (alternierender  Hermaphrodismus). 

Auf  einer  Seite  ein  Hode,    auf  der  anderen  ein 
Ovarium. 


^)  F.  Ahlfeld,  Die  Missbildungen  des  Menschen,  2.  Abschn.  Leipzig, 
1880.  S.  243. 

^)  G.  Herrmann,  Hermaphroditisme.  Diction.  encyclop.  Paris,  1888. 
T.  III,  p.  617. 

^)  F.  Marchand,  Die  Misshildungen.  Realencyclop.  der  ges.  Heilk. 
Wien  und  Leipzig,  1897.    S.  145. 


—     17     — 

II.  Pseudo-Hermaphrodismus  (Hermaphrodismus  spurius). 

Verdoppelung  des  äusseren  Geschlechtsapparates 
mit  einer  einzigen  Geschlechtsdrüse. 

A)  Männlicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Gegenwart  der  Hoden  und  deutliche  Ent Wickelung 
der  weiblichen  Geschlechtsteile. 

1.  Innerer  männlicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Prostata  mit  Uterus  masculinus. 

2.  Äusserer  und  innerer  männlicher  Pseudo-Hermaphro- 
dismus. 

Uterus  masculinus  mit  Tuben;  Harnapparat  ge- 
trennt von  dem  uterinen. 

3.  Äusserer  männlicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Äussere  Genitalien  ähnlich  den  männlichen,  be- 
nachbart den  weiblichen  Teilen.  —  Allgemeiner 
Habitus  weiblich. 

B)  Weiblicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Vorhandensein  der  Ovarien.  Fortbestehen  der 
männlichen  Geschlechtsteile. 

1.  Innerer  weiblicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Eine  fallopische  Trompete  in  der  Nähe  des  Ductus 
deferens. 

2.  Äusserer  weiblicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Äussere  Genitalien  ähnlich  den  weiblichen,  in  der 
Nähe  der  männlichen  Charaktere. 

3.  Äusserer  und  innerer  weiblicher  Pseudo-Hermaphro- 
dismus. 

Äussere  Genitalien  und  ein  Teil  der  Conductus 
sexuales  männlich. 
Bei  Untersuchung  einer  grossen  Zahl  von  Beobachtungen 
bemerkten  wir  bald,  dass  auch  diese  bewundernswürdige  Ein- 
teilung fehlerhaft  ist,  denn  sie  betrachtet  nur  zwei  Abschnitte 
des  Geschlechtsapparats  (nämlich  den  oberen,  oder  drüsigen 
und  den  mittleren,  den  wir  den  excretorischen  nennen)  und 
nicht  den  unteren  oder  äusseren  Abschnitt,  von  G.  St.  Hilaire 
der  kopulatorische  benannt.  Es  ist  jedoch  wahr,  dass  Klebs 
die  Alterationen  dieses  Abschnitts  zusammen  mit  dem  Pseudo- 
Hermaphrodismus  des  zweiten  beschrieben  hat,  aber  er  ver- 
zichtete darauf,  unter  den  sexualen  Verdoppelungen  diejenigen 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  2 


—    18    — 

Alterationen  zu  begreifen,  die  wir  äussere  Zeugungsorgane 
nennen  wollen,  wenn  sie  nur  im  Widerspruch  zu  den  benach- 
barten Teilen  oder  zum  Habitus  des  Körpers  stehen. 

Diese  fehlerhafte  Einteilung  wurde  von  Ahlfeld  nachge- 
ahmt; es  fehlte  auch  nicht  an  solchen,  welche  die  Verdoppelung 
der  äusseren  Geschlechtsorgane  wieder  zu  Ehren  brachten,  in- 
dem sie  sie  entweder  unter  den  anderen  Formen  des  Herma- 
phrodismus  unterbrachten,  oder  als  autochthon  betrachteten. 
Neuerlich  (1890)  hat  der  Chirurg  Pozzi  solche  Missbildungen 
beschrieben  uod  teilweise  Hermaphrodismen  genannt  i),  aber  als 
er  die  Spezies  charakterisieren  wollte,  sowie  bei  Angabe  des 
Hauptcharakters,  fehlte  es  auch  ihm  an  Übersicht.  Es  ist  je- 
doch richtig,  dass  viele  Beobachtungen  nicht  brauchbar  sind, 
um  die  Einteilung  aufzubauen,  weil  bei  der  bloss  klinischen 
Untersuchung  bald  das  Greschlecht  ungewiss  bleibt,  bald  die 
inneren  Zustände  nicht  erkannt  werden.  Aber  es  giebt  noch 
viele  Fälle,  bei  denen  die  Charaktere  hinreichend  deutlich  sind, 
um  eine  gute  Einordnung  erhoffen  zu  lassen. 

Der  Mangel,  den  wir  bei  der  Anordnung  von  Klebs  be- 
merkt haben,  besteht  nicht  nur  in  der  Auslassung  der  äusseren 
Missbildungen,  wenn  sie  autochthon  sind,  sondern  auch  der 
sich  auf  den  persönlichen  Habitus  beziehenden  Anomalien,  also 
einiger  geschlechtlichen  Charaktere  des  Körpers,  mit  oder  ohne 
Alteration  der  eigentlichen  Geschlechtsorgane.  Allen  Anatomen 
sind  die  Gestaltverschiedenheiten  des  menschlichen  Körpers  je 
nach  dem  Geschlecht  und  besonders  in  Beziehung  auf  den  Kopf 
bekannt  (Bartels) '),  und  jedermann  hat  schon  riesengrosse 
oder  andere  männliche  Formen  zeigende  Frauen  und  Männer 
mit  weiblichen  Charakteren  angetroffen.  Diese  und  mehrere 
andere  ähnliche  Erscheinungen  sind  wenig  untersucht  und  noch 
in  keinem  Zweige  der  Biologie  untergebracht  worden.  Aber 
auch  diese  rechnen  wir  zum  Pseudo-Hermaphrodismus  und 
nennen  ihn  den  äusseren,  um  ihn  nicht  mit  jenem  zu  verwechseln, 
den  wir  den  der  äusseren  Geschlechtsorgane  genannt  haben. 

Zu  dieser  Gruppe  von  äusseren  geschlechtlichen  Missbil- 
dungen fügen  wir  die  wenigen  in  den  Annalen  der  Wissenschaft 


')  G.  Pozzi,   De  FErmaphroditisme.    Gaz.   hebdomat.    1890.    No.  30, 
p.  351. 


—    19    — 

verzeichneten  Fälle  hinzu,  bei  denen  (ausser  den  normalen  G-e- 
schlechtsteilen)  dasselbe  Individuum  äussere  Geschlechtsteile 
des  anderen  Geschlechts  in  einer  entfernten  Gegend  aufwies; 
daher  sei  es  uns  erlaubt,  ein  neues  Genus  einzuführen  unter 
dem  Titel:  Heterotyper  Pseudo-Hermaphrodismus.  Endlich  er- 
innern wir  daran,  dass  Krafft-Ebing^^  das  Gebiet  des  Herm- 
aphrodismus  erweitert  und  in  das  der  Psychologie  übergeleitet 
hat.  Er  hat  Fälle  von  offenbarem  Kontrast  zwischen  dem  Ge- 
schlechtsinstinkte und  der  Beschaffenheit  der  Zeugungsorgane 
angeführt  und  damit  den  Weg  zu  neuen  und  sehr  schwierigen 
Fragen  eröffnet,  welche  die  Aufgabe  der  gegenwärtigen  Arbeit, 
ja  die  der  Anatomie  überschreiten.  Es  ist  jetzt  Zeit,  dass  die 
Physiologen  untersuchen,  ob  der  Geschlechtsinstinkt  ein  Nerven- 
centrum  besitzt,  das  von  dem  der  Sensibilität  der  Geschlechts- 
organe verschieden  ist,  und  ob  das  erstere  von  der  "Wirkung 
dieser  Organe  getrennte  Impulse  haben  kann,  oder  ob  ver- 
schiedene, einander  widersprechende  Erscheinungen  durch  ein 
einziges  Nervencentrum  vermittelt  werden  können. 

Ehe  wir  jedoch  unsere  Anordnung  vortragen  und  einige 
Erklärungen  über  die  einzelnen  Genera  und  Spezies  hinzufügen, 
müssen  wir  bemerken,  dass  sich  zwischen  den  von  Klebs  an- 
geführten Fällen  und  denen,  die  wir  in  unseren  Noten  auf- 
zählen werden,  bedeutende  Unterschiede  vorfinden,  die  uns 
nötigen,  einen  Unterschied  aufzustellen,  der  sich  auf  einen  zwar 
allgemeinen  Umstand  gründet,  der  aber  doch  ebenfalls  Aus- 
nahmen erleidet.  Die  von  Klebs  gesammelten  Beobachtungen 
sind  alle  von  der  Sektion  begleitet,  so  dass  man  sie  in  ana- 
tomischer Beziehung  als  vollständig  und  als  von  grossem 
wissenschaftlichem  Werte  betrachten  muss.  Dagegen  betreffen 
die  von  uns  in  der  Beilage  zusammengestellten  Beobachtungen 
äussere  Alterationen  der  Geschlechtsorgane,  die  nicht  zum 
Tode  führten  und  daher  nicht  durch  die  Sektion  erläutert 
worden  sind.  Daher  fehlt  die  sichere  Angabe,  ob  geschlecht- 
liche Anomalien  in  den  beiden  inneren  Abschnitten  vorhanden 


^)  P.  Bartels,  Über  Geschlechtsunterschiede  am  Schädel.  Inaug.- 
Dissert.  Berlin,  1897.  Jahresbericht  für  1897,  Bd.  I,  S.  8.  Daselbst  hat 
Krause  einen  ausführlichen  Bericht  erstattet. 

2)  Krafft-Ebing,  Psychopathia  sexualis,  eine  klinisch-forensische 
Studie.    8».    Graz,   1886—1887.    Traduz.  ital.  Torino,  1890. 

2* 


—    20    — 

waren,  und  daneben  fehlen  auch  andere  Angaben,  wenn  das 
Individuum  die  Pubertät  noch  nicht  erreicht  hatte  i).  Dennoch 
trifft  man  oft  Beobachtungen  mit  äusseren  Charakteren,  die 
sich  bestimmen  und  einordnen  lassen  und  von  grosser  klinischer 
Wichtigkeit  sind,  wie  wir  seiner  Zeit  sehen  werden.  Daher 
haben  wir  sowohl  den  echten,  als  den  falschen  Hermaphrodis- 
mus  in  zwei  grosse  Gruppen  geteilt,  1.  in  den  anatomischen 
Hermaphrodismus  und  2.  in  den  klinischenPseudo-Herm- 
aphrodismus. 


^)  Nach  der  Pubertät  pflegen  die  Hoden  in  das  Scrotum  herabzusteigen, 
bisweilen  auch  die  Ovarien,  aber  dann  ist  die  Diagnose  zweifelhaft  und  kann 
erst  sicher  werden  durch  Blosslegung  der  Drüsen  nach  dem  System  Porros. 


—    21 


Der  anatomische  Herrn aphrodisnms. 

I.  Hermaphrodismus  der  spezifischen  Greschlechts- 
drüsen  (echter  Hermaphrodismus); 

a)  l)eim  Menschen, 

b)  bei  Tieren. 

II.  Hermaphrodismus   der  aplasischen  Geschlechts- 
drüsen (atrophischer  oder  neutraler  Hermaphrodismus). 

III.  Pseudo-Hermaphrodismus. 

A)  Männlicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

a)  Fortbestehen  der  Müll  er  sehen  Kanäle, 

b)  Äusseres  weibliches  Aussehen. 

B)  Weiblicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

a)  Fortbestehen  der  Wo Iff  sehen  Kanäle. 

C)  Männlicher  und  weiblicher  Pseudo-Hermaphrodismus 
bei  Tieren. 

Der  klinische  Hermaphrodismus. 

I.  Äusserer  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Oschio-schisis, 

Perinär-scrotale  Hypospadie, 
Gynäcomastie, 
l  Femininismus. 

B)  Bei  dem  Weibe. 

IL  Heterotopischer   Pseudo-Hermaphrodismus   (Ta- 
ruffi). 

III.  Psychischer  Hermaphrodismus  (Krafft-Ebing). 

IV.  Geschlecht  zweifelhaft. 

A)  Beim  Lebenden. 

B)  Nach  der  Pubertät  beurteilt. 


A)  Beim  Manne 


Erster  Teil. 
Der  anatomische  Hermaphrodismus. 

I.    Hermaphrodismus  der  spezifischen 
Geschlechtsdrüsen. 

Diese  Art  wird  von  Klebs  echter  Hermaplirodismus  ge- 
nannt, und  mnfasst  nur  die  geschlechtUche  Verdoppelung  der 
Zeugungsdrüsen.  Diese  Beschränkung  ist  ohne  Zweifel  richtig, 
insofern  eben  die  Drüsen  die  wesentlichen  Organe  der  Zeugung 
sind,  und  ihre  Verdoppelung  nicht  die  vollständige  und  gleich- 
zeitige Entwickelung  der  Wolffschen  und  Müllerschen  Or- 
gane voraussetzt,  und  ebensowenig  die  Verdoppelung  der 
äusseren  Organe.  Da  wir  jedoch  die  allgemeine  und  noch  ge- 
bräuchliche Bedeutung  des  Wortes  „Hermaphrodit"  beibehalten 
wollen,  also  des  doppelten  Geschlechts  i),  ziehen  wir  vor,  das  zu 
bestimmen,  was  verdoppelt  ist  und  das  zu  verschweigen,  was 
es  nicht  ist;  daher  nennen  wir  dieses  Genus  Hermaphrodismus 
der  Drüsen.  Was  dann  die  von  uns  hinzugefügte  spezifizierte  Be- 
nennung betrifft,  so  werden  wir  sie  erklären,  wenn  wir  von 
dem  zweiten  Genus,  dem  Hermaphrodismus  der  aplasischen 
Drüsen  sprechen. 


^)  Suidas,  Lexicon  graece  et  latine.  Tomus  prior.  Pars  altera.  Halis 
et  BruEsvigae,  1853.  p.  523.  Hermaphroditum  appellant  vel  eum,  qui  sexus 
est  ambigui,  vel  eum,  qui  turpia  facit  et  agit.  Diese  beiden  Definitionen, 
die  von  historischer  Wichtigkeit  sind,  genügen  nicht  den  gegenwärtigen  Be- 
dürfnissen, denn  die  erste,  das  Geschlecht  sei  ungewiss,  erklärt  nicht,  wo- 
rin anatomisch  die  Ungewissheit  besteht,  und  die  zweite  drückt  bloss  eine 
Punktion  aus,  nicht  einen  physischen  Zustand. 


—    23    — 

Keine  Veränderung  führen  wir  ein  in  der  Anordnung  der 
von  Klebs  aufgestellten  Spezies,  wir  trennen  nur  einige  Fälle 
ab,  in  denen  die  Geschlechtsdrüsen  nicht  zur  Reife  gelangt,  oder 
nicht  erschienen  Avaren  und  stellen  sie  zum  nächsten  Genus. 
Übrigens  haben  wir  unter  27  von  uns  beim  Menschen  und  25 
bei  Tieren  gesammelten  Beobachtungen  i)  vorgezogen,  keine 
Änderung  an  der  hier  angeführten  Anordnung  zu  machen. 

A)  Echter  bilateraler  Hermaphrodismus. 

Wenn  sich  auf  beiden  Seiten  ein  Hode  und  ein  Eier- 
stock findet.    ■ 

B)  Echter  unilateraler  Hermaphrodismus. 

AVenn  sich   auf   einer   Seite    nur   ein   Hode    oder   ein 
Ovarium,  und  auf  der  anderen  zwar  ein  Hode,  aber 
zugleich  ein  Ovarium  findet  (Bannon,  Beob.  13). 
C).  Echter  lateraler  (alternierender  Hermaphrodismus). 
"Wenn  sich  auf  einer  Seite  ein  Hode,   auf  der  anderen 
ein  Ovarium  findet  (die  häufigste  Spezies). 
Es  ist  ziemlich  schwer,   die  Häufigkeit   der  Drüsen-Herm- 
aphroditen sowohl  beim  Menschen,   als  bei  den  Tieren  festzu- 
stellen,  weil   es   schwer   ist,    die   bezüglichen   Beobachtungen 
kennen  zu  lernen  und  sich  zu  verschaffen,  vielleicht  auch  weil 
die  Beobachtungen  selbst  nicht  genügend  sind,   um  das  Genus 
des  Hermaphrodismus  zu  bestimmen.    Denn  wenn  wir  die  ein- 
zelnen Fälle  einer  richtigen  Kritik  unterwerfen,  müssen  wir  selbst 
die  in  Note  1  angegebene  Zahl  vermindern,  um  so  mehr,  wenn  wir 
Jedesmal  mikroskopische  Untersuchung  verlangen,  ohne  den  an- 
deren Angaben  Wichtigkeit  beizulegen.  Ahlf  eld^)  verlangte  z.  B., 
dass   man   diejenigen  Fälle  für  zweifelhaft  erkläre,   bei   denen 
sich  eine  Drüse  in  der  Nähe  eines  Ovariums  befindet,  denn  statt 
eines  Hoden  könnte  sie  ein  doppeltes  Ovarium  darstellen.   Mit 
solcher  analytischen  Strenge  gelangt  man  aber  nicht  dahin,  den 
Drüsen  -  Hermaphrodismus  (s.  Beob.  20,   87  u.  41   der  Note  1) 

^)  Siehe  das  Ende  der  Note  1.  Die  Zahl  von  47  Fällen  wird  auf  46 
reduziert,  weil  die  Beob.  28  vonBedinelli  abzuziehen  ist,  indem  der 
Ziegenbock  wahrscheinlich  eine  männliche  Pseudo-Hermaphroditose  hatte. 

-)  Fr.  Ahlfeld,  Die  Missbildungen  des  Menschen.  Leipzig,  1880. 
S.  128.  Der  Verf.  hat  die  angeführte  Schwierigkeit  der  Beobachtung  von 
B  a  r  k  0  w  (Op.  12)  entnommen,  welche  in  der  That  den  obigen  Zweifel  nicht 
aufkommen  lassen  konnte. 


—    24    — 

zu  leugnen,  obgleich  man  zugeben  muss,  dass  beim  Menschen  i) 
wie  bei  den  Säugetieren  die  Erscheinung  ziemlich  selten  ist, 
und,  wieAvicenna  sagte^),  selten  bestätigt  wird,  „sed  in  hoc 
parum  verificatio  accidit." 

Aber  das  Urteil  über  die  Natur  der  verdoppelten  Drüsen 
ist  nicht  immer  leicht,  denn  bisweilen  haben  sie  die  spezifischen 
Charaktere  nicht  erreicht,  so  dass  die  Geschlechter  zweifelhaft 
bleiben,  und  dies  hat  uns  gezwungen,  ein  zweites  Genus  von 
echten  Hermaphroditen  aufzustellen,  das  wir  dasjenige  mit  apla- 
sischen  Drüsen  nennen  wollen,  und  wir  fügen  dem  gegenwärtigen 
Genus  das  Beiwort  „spezifische  Drüsen"  hinzu.  Aber  bald  wer- 
den wir  bemerken,  dass  auch  bei  diesem  Genus  eine  der 
beiden  Drüsen  unreif  sein  kann,  und  die  erste  uns  bekannte 
Thatsache  geht  bis  zum  Anfang  des  Jahrhunderts  zurück  und 
gehört  Hufeland^).  Sie  bezieht  sich  auf  eine  deutsche  Frau, 
Namens  Maria  Dorothea  Derrier;  der  zweite  Fall  wurde  von 
Berthold*)  im  Jahre  1844  beschrieben,  und  dann  weitere  Fälle 
von  anderen. 

Maria  Dorothea  war  von  kleiner  Gestalt,  zarter  Konstitu- 
tion, schwacher  Stimme,  ohne  Bart,  mit  männlicher  Brust  und 
weiblichem  Becken.  Bis  zum  Alter  von  25  Jahren  hatte  sie 
niemals  geschlechtliche  Neigungen  gespürt  und  bewahrte  ihre 
weibliche  Schamhaftigkeit.  Sie  war  ziemlich  regelmässiger 
Menstruation  unterworfen  (der  Ort  des  Austritts  wird  nicht  ge- 
nannt, vielleicht  aus  der  Urethra).  Sie  hatte  einen  an  der 
Spitze  nicht  durchbohrten  Penis,  mit  Hypospadie  an  der 
Wurzel,  und  von  der  Öffnung  der  Urethra  hingen  die  beiden 
grossen  Labia  herab,  während  die  kleinen  fehlten.  Nach  diesen 
wenigen  Angaben  urteilten  Hufeland  und  mehrere  Kollegen, 
es  handele  sich  um  ein  Weib,  während  andere  sie  für  einen 
Mann  erklärten.  Vorsichtiger  war  Isidore  Geoffroy 
St.  Hilaire^),  der  das  Geschlecht  für  sehr  zweifelhaft  erklärte. 

^)  Die  von  uns  gesammelten,  teils  bewiesenen,  teils  wahrscheinlichen 
Fälle  heim  Menschen  betragen  21.  S.,  Note  1,  p.  IV. 

^)  Wir  haben  diese  Stelle  in  zwei  Ausgaben  des  Avicenna,  die  wir 
durchsuchten,  nicht  finden  können. 

3)  C.  W.Hufcland,  Journ.  d.  prakt.  Arzneik.  etc.  Bd.  IX,  No.  3,  S.  670. 

4  Siehe  Ende  der  Note  1,  Beob.  9. 

^)  Isidore  Geoffroy  S t.  Hilaire,  Des  anomalies.  Hermaphro- 
dites  neutres.     Paris,  1836.  T.  II,  Cp.  3. 


—    25    — 

Die  Frau  starb,  60  Jahre  alt,  im  Jahre  1835  und  Mayer  (s.  am  Ende 
der  Note  la,  Beob.  8)  hat  uns  mitgeteilt,  dass  sie  einen  nicht  durch- 
bohrten Uterus  besass,  mit  einem  Hoden  rechts  und  einer  apla- 
sischen  Drüse  links,  die  einem  Ovarium  ähnelte.  Daher  kann  mau 
jetzt  behaupten,  dass  sie  ein  echter  männlicher  Hermaphrodit 
war,  aber  nur  zum  Teil  bestimmt.  Diese  Art  des  Baues  der 
Drüsen  wird  von  Marchand i)  für  verhältnismässig  häufig 
erklärt,  was  auch  unseren  Beobachtungen  entspricht. 

Indem  wir  zu  den  sekundären  Charakteren  des  Drüsen- 
Hermaphrodismus  übergehen,  wollen  wir  zugeben,  dass  seine 
Gegenwart  nicht  immer  die  gleichzeitige  Entwickelung  der 
Wolffschen  und  Müllerschen  Kanäle  (mittlerer  Abschnitt) 
bedingt,  aber  dass  auch  nicht  immer  die  regelmässige  Rück- 
bildung des  einen  der  beiden  erfolgt,  so  dass  einer  oder  beide 
verschiedene  Mängel  zeigen.  Der  gewöhnlichste  Zustand  wird 
von  Marchand  angeführt  und  betrifft  die  Müllerschen  Kanäle, 
denn  es  ist  eine  Thatsache,  dass  der  Uterus  bald  vollständig, 
bald  zweihörnig  ist,  während  die  Scheide  beschränkt  ist  und 
in  den  Samengang  ausläuft.  In  einem  Falle  fand  Schmorl 
die  Vagina  fehlend  (Beob.  25,  Note  la).  In  Bezug  auf  die 
Wolffschen  Kanäle  ist  verhältnismässig  häufig  Fehlen  des 
Ductus  deferens  bemerkt  worden. 

Es  ist  ziemlich  leicht,  die  Alterationen  des  äusseren  Ab- 
schnitts festzustellen,  obgleich  auch  diese  unbeständig  sind. 
Die  gewöhnlichste  ist  die  Hypospadie,  mit  oder  ohne  Zwei- 
teilung des  Scrotums  (Beob.  3,  4,  9,  10,  11,  12,  15,  20,  22, 
Note  la).  Man  bemerkt  ferner,  dass  diese  Zweiteilung  ohne 
Hypospadie  stattfindet  (Beob.  2,  7,  Note  la)  und  auch  fehlen 
kann,  indem  der  Sinus  urogenitalis  durchgängig  ist.  Einmal 
hat  man  Ecstrophia  vesicae  gesehen  (Beob.  23,  Note  la),  so- 
wie Teilung  des  Penis  (Beob.  8,  Note  la).  Man  begreift  leicht, 
dass  alle  diese  Missbildungen  die  Befruchtung  und  oft  auch 
die  Copula  ganz  unmöglich  machen.  Endlich  übt  der  Drüsen- 
Hermaphrodismus  keinen  Einfluss  aus,  um  den  vorwiegenden 
Charakter  des  Habitus  des  Körpers  festzustellen,  denn  dieser 
hat  gewöhnlich  die  Aufmerksamkeit  der  Beobachter  nicht  auf 


1)  F.  Marchand,  Die  Missbildungen.    Sep.-Abdr.  aus  der  Keal-Eücy- 
clop.  der  ges.  Heilk.  1897,  S.  145. 


—     26     — 

sich  gezogen,  und  nur  zweimal  wurde  weiblicher  Habitus  be- 
merkt (Beob.  2  und  17,  Note  la)  und  viermal  männlicher 
(Beob.  13,  14,  21,  22,  Note  la). 

Bei  den  Säugetieren  scheint  der  echte  Hermaphrodismus 
nicht  häufig  zu  seini)  und  zeigt  keinen  Unterschied  von  dem 
beim  Menschen  in  Bezug  auf  Anordnung  der  Drüsen,  wie  wir 
oben  bemerkten.  Aber  eine  Ausnahme  macht  der  Eber  von 
Pütz  (Beob.  40,  Note  la),  der  auf  einer  Seite  einen  Hoden 
und  ein  Ovarium  und  auf  der  anderen  keines  von  beiden  be- 
sass.  Wir  bemerken,  dass  bei  den  Ebern  der  Hermaphrodismus 
öfter  vorgekommen  ist,  als  bei  anderen  Tieren  und  dies  wird 
wichtig  werden,  wenn  dieses  Missverhältnis  bestätigt  wird 
(s.  das  Ende  der  Note  „bei  den  Tieren").  Wir  hatten  auch 
angefangen,  Beobachtungen  an  niederen  Tieren  zu  sammeln, 
indem  wir  die  ganze  zoologische  Stufenleiter  durchliefen,  in 
der  Hoffnung,  festzustellen,  in  welchem  Verhältnis  der  Herm- 
aphrodismus bei  Batrachiern,  Amphibien  und  Fischen  zunähme 
und  ob  er  bei  Kröten  und  in  einigen  G-eschlechtern  der 
Mollusken  und*  Würmer  konstaut  sei.  Aber  wir  bemerkten 
bald,  dass  diese  Aufgabe  zu  schwer  war  und  uns  von  anderen 
Sorgen  abzog,  daher  wir  darauf  verzichten  mussten  und  hier 
nur  die  wenigen  bei  Vögeln  (Beob.  30,  39,  Note  la),  bei  Batra- 
chiern (Beob.  45,  46,  Note  la)  bei  Amphibien  2),  beim  Sala- 
mander (Beob.  198,  Note  3a)  3)  und  bei  Fischen  (Beob.  33,  34, 
38,  Note  la)  anführen. 

Ehe  wir  diesen  Gegenstand  verlassen,  kommen  wir  auf 
die  von  uns  bevorzugte  Einteilung  zurück,  die  darin  besteht, 
dass  wir  die  einzelnen  Monstruositäten  in  ihre  bezüglichen 
Sitze  im  Tierkörper  einordnen  und  nach  anatomischer  Ordnung 
verteilen.  Wir  kommen  darauf  zurück,  weil  der  Gegenstand 
eine  günstige  Gelegenheit  bietet,  zu  beweisen,  dass  der  allge- 
meine, einem  Charakter  des  teratologi sehen  Prozesses  ent- 
nommene  Plan  (wie  er  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahrhunderts 


1)  Wir  haben  24  Fälle  gesammelt  (s.  Note  la,  p.  4,  B.  Kote  3,  p.  XXIII 
und  folg.  Beob.  150,  163,  180,  187  und  193  nach  Abzug  des  Falles  von 
Bedinelli. 

^)  Spengel,  Hermaphrodismus  bei  Amphibien,  Centralbl.  1885,  Bd.  IV. 

^)  La  Valette  Saint-George,  Zwitterbildung  beim  kleinen  "Wasser- 
molch (Salamandra).     Arch.  für  mikr.  Anat.  1895,  Bd.  XLV. 


—    27     - 

vorgezogen  wurde)  nicht  taiiglicli  ist,  weil  es  nicht  wahr  ist, 
dass  alle  Formen  des  Hermap hrodismus  auf  einem  Übermass 
oder  einem  Mangel  des  Wachstums  beruhen  (s.  Meckel,  S.  7 
und  Gurlt  S.  8,  9),  oder  auch,  wie  Isidore  Geoffroy  de 
St,  Hilaire  sagte,  auf  einem  Übermass  der  Zahl  der  Teile,  oder 
nicht  auf  einem  Übermass.  Wir  werden  nicht  wieder  nachweisen, 
dass  diese  letztere  Unterscheidung  schon  an  sich  fehlerhaft  ist, 
sondern  hier  den  Einwurf  erwähnen,  der  uns  von  der  Embryo- 
logie der  Geschlechtsorgane  geliefert  wird. 

Diese  Wissenschaft  lehrt,  dass  das  den  Geschlechtskeim 
bildende  Epithel  in  den  ersten  Lebenstagen  indifferent  ist.  So 
erscheint  bei  einem  Schafembryo  die  Keimfalte  am  12.  und 
15.  Tage,  beim  Hühnchen  am  5.  und  6.  Tage,  während  man 
beim  menschlichen  Embryo  von  12  — 13  mm  Länge  in  der  5. 
oder  6.  Woche  unter  dem  Mikroskop  die  Natur  des  Geschlechts 
unterscheidet;  daraus  folgt,  dass  der  Keim  in  der  ersten  Zeit 
seines  Lebens  hermaphroditisch  ist.  Diese  jetzt  unbezweifelt 
dastehende  Thatsache  entkräftet  die  teratologische  Lehre  von 
der  Zahlvermehrung  der  Teile,  sie  führt  vielmehr  zu  der  An- 
nahme, dass  der  Keim  beim  Hermaphrodismus  bei  der  weiteren 
Entwickelung  seine  Eigenschaften  behält  und  Individuen  her- 
vorbringt, die  mehr  oder  weniger  an  beiden  Geschlechtern  Teil 
haben.  Daher  kann  mau  theoretisch  sagen,  dass  ein  Teil  des 
Keims  nicht  stillsteht,  sondern  fortfährt,  sich  zu  entwickeln. 
Es  folgt  ferner  daraus,  dass  das  Problem,  wenn  man  die  Terato- 
genese  der  Drüsen-Hermaphroditen  auf  diese  Weise  erklärt,  für 
die  Physiologen  ziemlich  schwierig  wird  (sie  gebrauchen  die 
Vorsicht,  es  zu  vermeiden),  nämlich  wie  aus  einem  virtuell 
bisexuellen  Keime  im  allgemeinen  unisexuelle  Individuen  ent- 
stehen, wie  ein  Keim  von  indifferenter  Struktur  sich  dann  bald 
in  ein  Männchen,  bald  in  ein  Weibchen  verwandelt.  Aber  diese 
Frage  geht  uns  nichts  an,  sie  gehört  der  Physiologie  i). 


^)  Wer  einige  Ansichten  hierüber  kennen  lernen  will,  ziehe  K  oll  mann 
zu  Rat  (Lehrb.  der  Entwickelungsgesch.  des  Menschen,  Jena,  1898.  S.  413, 
welcher  ausser  seiner  eigenen  die  Meinungen  berühmter  Autoren  anführt. 
Wir  fügen  hier  die  Ansicht  Dareste's  bei,  der  Keim  bestehe  aus  zwei 
Teilen,  der  eine  sei  bestimmt  zur  Hervorbringung  des  Männchens,  der  andere 
zu  der  des  Weibchens,  mit  dem  Unterschiede,  dass  nur  ein  Teil  sich  normaler 
Weise    entwickelt.      (Eecherches    sur    la   production    artificielle    des    mon- 


IL    Hermaphrodismus  der  aplasischen 
Geschlechtsdrüsen. 

(Atrophischer  oder  neutraler  Hermaphrodismus.) 

Man  kann  nicht  zweifeln,  dass  zu  allen  Zeiten  Fälle  von 
zweifelhaftem  Geschlecht  vorgekommen  sind,  aber  die  Nach- 
richten sind  spärlich  und  kaum  angedeutet.  Erst  nach  der 
Renaissance  der  Wissenschaften  begann  man  mit  Veröffent- 
lichungen, die  in  unserem  Jahrhundert  zunahmen,  vorzüglich  durch 
Zuthun  der  Gerichtsärzte  i).  Wir  haben  schon  indirekt  angedeutet, 
wie  Ul planus  vorschlug,  in  einem  zweifelhaften  Falle  das 
Geschlecht  zu  unterscheiden  und  fügen  hinzu,  dass  Quin- 
tilianus2)  den  neutralen  Hermaphrodismus  Genus  epicoenum 
nannte,  d.  h.  wenn  das  Geschlecht  unbestimmt  ist:  „promiscua, 
quae  epicoena  dicuntur,  in  quibus  sexus  uterque  per  alterum 
apparet:  aut  quae  feminina  positione  mares  aut  neutrali  si 
feminas  significant!" 

Realdo  Colombo  änderte  im  Jahre  1558  die  gebräuch- 
liche Bedeutung  des  Wortes  „neutraler  Hermaphrodismus"  und 
gab  ihm  die  Bedeutung  von  „Androgyn";  aber  wenn  man  be- 
denkt, dass  diese  Benennung  zuerst  keine  bestimmte  Bedeutung 
hatte,  und  dass  einige  Neuere  ihm  die  Charaktere  der  Indivi- 
duen zugeteilt  haben,  welche  die  spezifischen  Drüsen  beider 
Geschlechter  besitzen  (Ahlfeld),  so  erkennt  man  sogleich  das 
Unpassende  der  Erhaltung  der  Benennung  „Androgyn".  In  der 
That  wurde  weder  vorher  noch  nachher  die  Neutralität  auf 
diese  Weise  betrachtet,  und  Donato  Marcello^)  nannte  neu- 


struosites.  2me   edit.  Paris,  p.  549.    Dieselbe  Meinung  äussert  Marchand, 
Die  Missbildungen.    Wien,  1897.  S.  145. 

1)  Briand  et  Chaude,  Manuel  complet  de  medecine  legale  etc. 
Paris,  1836  in  8*^.  —  Courty,  Consultation  medico-legale  ä  l'appuy  d'une 
demande  en  nullite  de  mariage.  Montpellier  medical,  1872,  T.  XXVIII,  p.  473. 
—  A.  Filippi  (Firenze),  Manuale  di  medicina  legale.  Milano,  1896.  Vol.  I, 
p.  99,  2a  ediz. 

2)  Fab.  Quintilianus,  De  institutione  oratoria.  Augustae  Tauri- 
norum  1824,  lib.  1,  4,  24. 

2)  Donato  Marcello  (Arzt  in  Mantua),  De  medica  historia  mirabili. 
Mantova,  1688,  Lib.  VI. 


—    29     - 

tral  so  unvoUkommene  Individuen,  dass  man  sie  weder  für 
Männer  noch  für  Weiber  erklären  könnte.  Der  Pariser  Dionis  i) 
nahm  Individuen  an,  die  weder  Männer  noch  Weiber  wären, 
weil  sie  beiderlei  Geschlechtsteile  unvollkommen  besässen,  und 
Marc  nannte  in  seiner  Klassifikation 2)  neutralen  Hermaphro- 
dismus  den  Mangel  eines  ausgesprochenen  Geschlechts;  dazu 
führte  er  einige  Fälle  von  zweifelhaftem  Geschlecht  an. 

Aber  keiner  dieser  Autoren  sagte,  ob  diese  Unvollkommen- 
heit  sich  nur  auf  die  Prüfung  der  äusseren  Teile  gründete 
(was  wahrscheinlich  ist),  oder  auf  die  der  inneren,  denn  im 
ersten  Falle  ist  das  Geschlecht  zweifelhaft,  weil  positive  Cha- 
raktere von  einem  der  beiden  fehlen,  während  im  zweiten  die 
erworbene  Ungewissheit  von  viel  grösserer  wissenschaftlicher 
Wichtigkeit  ist.  Endlich  erhob  sich  Isidore  Geoffroy  Saint 
Hilaire,  der  sich  mit  grosser  Kunst  in  Allgemeinheiten  be- 
wegte und  sagte,  bei  dem  neutralen  Genus  ähnele  der  Ge- 
schlechtsapparat weder  genau  dem  männlichen,  noch  dem  weib- 
lichen Typus;  und  dieses  finde  nicht  nur  an  den  äusseren  Or- 
ganen statt,  sondern  auch  an  den  inneren.  Er  bringt  drei  sehr 
schöne  Thatsachen,  die  wir  sogleich  erwähnen  werden,  denen 
er  jedoch  keinen  positiven  Charakter  entnahm;  er  verwechselte 
die  klinisch  zweifelhaften  Fälle  mit  denen,  bei  welchen  anato- 
misch das  Geschlecht  nicht  aufgeklärt  ist. 

Die  erste  von  dem  französischen  Teratologen  angeführte 
Beobachtung  rührt  von  Everard  Home  her^),  welcher  eine 
Hündin  ohne  Mammae  und  ohne  Geschlechtsinstinkt  untersuchte, 
die  eine  sehr  grosse  Clitoris,  eine  solide  Scheide  und  zwei  un- 
reife Geschlechtsdrüsen  zeigte,  an  denen  das  Geschlecht  nicht 
erkennbar  war.  Diese  Gelegenheit  schien  ihm  geeignet,  zu 
erklären,  der  Zustand  der  Drüsen  zeige  den  wesentlichen  Cha- 
rakter des  neutralen  Hermaphrodismus. 

Die  zweite  Beobachtung  rührt  von  Haller  her^).  Eine 
Ziege  hatte   eine   stark   entwickelte,   gekrümmte  Clitoris,   mit 

1)  Siehe  p.  6. 

2)  Marc,  De  rhermaphroditisme.  Diction.  des  sc.  med.  1817.  T.  XXI, 
p.  88. 

^)  Everard  Home,   s.  Note  la,  Beob.  160. 

*)  A.  H  aller ,  Opera  minora.  T,  II,  p.  12.  —  Num  dentur  hermaphroditi. 
Lausanne,  1767.  Tab.  III,  Fig.  2.  —  Taruffi,  Ermafroditismo ,  Note  la, 
Beob.  156. 


—     30     — 

einem  darunterliegenden  Spalt,  ähnlich  einer  beschränkten  Vulva. 
Durch  diesen  gelangte  man  sowohl  in  die  Blase,  als  in  einen 
sehr  langen  Kanal,  ähnlich  der  Scheide,  der  zwischen  Blase 
und  Eectum  lag.  Diese  Scheide  kommunizierte  mit  der  Urethra, 
hatte  zur  Seite  zwei  rudimentäre  Samenbläschen  und  gabelte 
sich  nach  oben,  indem  sie  zwei  Hörner  bildete,  ähnlich  denen 
des  Uterus,  welche  in  zwei  wenig  entwickelten  Hoden  endigten. 
Da  bei  dieser  Beobachtung  die  histologische  Untersuchung  der 
angeblichen  Hoden  fehlt,  kann  man  nicht  sagen,  ob  sie  zu  dem 
neutralen  Hermaphrodismus  gehört  oder  nicht. 

Die  dritte  Beobachtung  betrifft  einen  angeblichen  Stier  und 
wurde  im  Jahre  1779  von  Hunter  gemacht^).  Bei  dem  fünf- 
jährigen Tiere  waren  Vulva  und  Clitoris  denen  einer  Kuh 
ähnlich.  Die  Vagina  verengerte  sich  und  endigte  blind  vor  der 
weiblichen  Urethra;  sie  trug  an  den  Seiten  zwei  Rudimente  der 
Samenbläschen.  Die  beiden  Ductus  deferentes  näherten  sich  an 
ihrem  Ende  so  sehr,  dass  sie  für  den  Uterus  gehalten  wurden; 
sie  waren  solid  und  zeigten  an  ihrem  vorderen  Ende  zwei  un- 
vollständige Hoden,  die  an  der  Stelle  lagen,  wo  sich  die  Ovarien 
zu  befinden  pflegen.  Dieser  Fall  gehört  sehr  wahrscheinlich 
zu  den  Pseudo- Hermaphroditen,  bei  denen  die  Eudimente  der 
weiblichen  Organe  zugleich  mit  den  wesentlichen  männlichen 
vorhanden  sind.  Aber  man  kann  nicht  entscheiden,  ob  sie 
in  dem  Grade  aplasisch  waren,  dass  sie  einen  neutralen  Zu- 
stand herstellten.  Diese  Schwierigkeit  bestand  nicht  für  Isi- 
dore  Gr.  St.  Hilaire,  ihm  genügte  die  Unvollkommenheit  so- 
wohl der  äusseren,  als  der  inneren  Geschlechtsorgane. 

Das  Fehlen  eines  bestimmten  Charakters  und  der  sich  darauf 
beziehenden  Beobachtungen  hatte  zur  Folge,  dass  alle  weiteren 
Abhandlungen  über  Teratologie  es  unterliessen,  von  dem  neu- 
tralen Hermaphrodismus  zu  sprechen;  aber  im  Jahre  1887  ver- 
öffentlichte Polaillon^)  die  Geschichte  eines  Ehelosen  von 
31  Jahren,  mit  einigen  Anomalien  der  äusseren  Geschlechts- 
teile,  in   dessen   Leiche   der  Verfasser  nirgends  weder  Hoden, 


^)  John  Hunter,  Account  of  Free  Martin.  Philos.  transact.  1779, 
T.  LXIX,  p.  285,  mit  Tafeln.  Wir  haben  die  Zusammenfassung  der  Be- 
obachtung von  Gurlt  entnommen  (Lehrb.  der  pathol.  Anat.  der  Haussäuget 
T.  II,  S.  186,  par  135. 

-)  Polaillon,  s.  Note  2a,  Beob.  8. 


—    31    — 

noch  Samenbläschen,  und  ebensoweDig  einen  Uterus,  Trompeten 
oder  Ovarien  fand,  weshalb  er  meinte,  es  handle  sich  um  einen 
neutralen  Hermaphroditen.  Wenn  man  diese  Beobachtung  für 
richtig  annimmt,  und  das  Zusammentreffen  des  Fehlens  der 
Drüsen,  die  äusseren  Missbildungen  und  die  vollkommene  Ab- 
wesenheit der  Wolf  f  sehen  Gänge  bedenkt,  muss  man  jeden  Zweifel 
an  der  gestellten  Diagnose  ausschliessen.  Man  kann  auch  diese 
Beobachtung  nicht  mit  dem  Fehlen  der  beiden  Hoden,  der 
Samenbläschen  und  der  Ductus  deferentes  vergleichen  i).  Eine 
ähnliche  Betrachtung  wird  Orth'^)  angestellt  haben,  als  er  die- 
selbe Beobachtung  aufnahm  und  als  dritte  Spezies  der  Pseudo- 
Hermaphrodismen  von  Klebs  hinstellte,  wobei  er  „anceps" 
(zweifelhaft)  hinzufügte.  Doch  wir  halten  es  für  nützlicher, 
statt  dieses  Zweifels  den  wirklichen  Charakter  anzugeben,  näm- 
lich die  Unreife  der  Drüsen. 

Indem  wir  die  klinischen  Fälle  vollkommen  abtrennen,  in 
denen  man  nicht  eine  solche  Diagnose  hat  aufstellen  können, 
bei  der  man  den  Hauptsitz  und  die  Natur  der  Anomalie  ge- 
fanden hat,  gehen  wir  zu  der  Untersuchung  über,  unter  welchen 
Umständen  diese  zweite  Erscheinung  zu  stände  kommt.  Das 
Auffallendste,  das  sogleich  in  die  Augen  springt,  ist  die  Selten- 
heit des  Vorkommens,  denn  es  ist  uns  nicht  gelungen,  mehr 
als  neun  Fälle  beim  Menschen  und  drei  bei  Tieren  aufzufinden : 
einen  sicheren  (Home)undzwei  wahrscheinliche  (s.  obenHaller 
und  Hunter).  Es  folgt  ferner,  dass  trotz  der  Aplasie  die 
Autoren  die  Drüsen  für  weiblich  erklärt  haben,  ausser  Home, 
der  nicht  wagte,  sich  auszusprechen  und  ausser  Polaillon,  der 
weder  Ovarien  noch  Hoden  fand. 

Die  Müllerschen  Gänge  zeigen  bisweilen  bedeutende 
Mängel.  Jacoby  und  Walcker  fanden  den  Uterus  atrophisch, 
mit  oder  ohne  Atresie  der  Vulva  (Beob.  6,  9,  Note  2a),  Gunckel 


^)  Kretschmar  (1801).  Siehe  C.  Taruffi,  Intorno  ad  un  feto 
privo  degli  organi  generativ!.  Mem.  della  E.  Acc.  delle  sc.  del  1'  Istit. 
di  Bologna,  1894.  Ser.  V,  T.  IV,  p.  95,  Beob.  4.  —  C  arlo  An  s  elmi, 
Vedi  C.  Taruffi,  Ermafroditismo,  Mem.  della  E.  Acc.  delle  sc.  dell' 
Istit.   di   Bologna,   (Ser.   5,   Tom.  VII,)  Note  la,  Beob.  161. 

2)  John  Orth,  Gröttingen.  Missbildungen  und  Verwickelung  des  Ge- 
schlechtscharakters. Lehrb.  der  spez.  pathol.  Anat.  Bd.  2,  Lief.  2,  Berlin,  1891 


fand  ilin  cavernös,  vielleicM  undurchgäügig  (Beob.  7,  Note  2a), 
Hunt  er  sali  ihn  bei  einer  Kuh  rudimentär  und  ebenfalls  un- 
durchgängig.  Auch  die  Scheide  ist  bisweilen  fehlerhaft;  bald 
ist  sie  am  unteren  Ende  atrophisch  (Beob.  1,  Note  2a),  bald 
mündet  sie  in  die  Blase  (Beob.  2,  Note  2e)  und  bald  setzt  sie 
sich  an  die  Prostata  an.  In  betreff  der  äusseren  Geschlechts- 
organe ist  bemerkenswert,  dass  in  sechs  Fällen  ein  deutlicher 
Penis  vorhanden  war;  doch  war  er  hier  in  einem  Falle 
rudimentär  (Beob.  8,  Note  2a)  und  in  einem  anderen  mit  Hypos- 
padie  kompliziert  bis  zur  Wurzel.  Aus  diesen  Charakteren 
kann  man  schliessen,  dass  der  Hermaphrodismus  an  den  Drüsen 
weiblich,  äusserlich  männlich  war.  Aber  wenn  die  Autoren 
sagen,  es  handle  sich  um  Hypertrophie  der  Clitoris  (Beob.  1, 
6,  Note  2a),  ohne  andere  Einzelheiten  hinzuzufügen,  dann  muss 
sich  die  Kritik  jedes  Urteils  enthalten,  weil  sie  unfähig  ist,  die 
Thatsache  zu  erklären,  dass  bei  zwei  Individuen  der  Körper- 
habitus männlich  war  (Beob.  3,  6,  Note  2a),  ja  im  Falle  von  De 
Crecchio  sogar  übermässige  Neigung  zur  Weiblichkeit  vorlag,, 
während  in  aUen  anderen  Fällen  zu  Lebzeiten  des  Individuums 
das  weibliche  Geschlecht  niemals  bezweifelt  wurde. 

Wenn  die  Zahl  der  Beobachtungen  grösser  wäre,  könnte 
man  aus  dem  Gesagten  schliessen,  dass  der  aplasische  Herm- 
aphrodismus beider  Drüsen  nur  bei  den  Weibern  zustande 
kommt  (diese  haben  oft  zu  gleicher  Zeit  an  einer  Stelle  die 
Mülle rschen  Kanäle,  aber  viel  verbreiteter  und  häufiger  ist 
das  Fehlen  der  Wolf  f sehen),  wie  man  auch  schliessen  könnte, 
dass  die  Gegenwart  des  Penis  der  Eepräsentant  des  zweiten 
Geschlechts  sei,  um  den  Hermaphrodismus  zustande  zu  bringen. 
Aber  um  solchen  Charakteren  eine  wirkliche  Wichtigkeit  bei- 
legen zu  können,  müsste  die  Zahl  der  Fälle  viel  grösser  sein. 
Auch  müssen  die  neuen  Beobachtungen  vollständiger  sein,  denn 
die  Autoren  haben  im  allgemeinen  nicht  nachgewiesen,  dass 
beide  degenerierte  Drüsen  weiblich  seien,  denn  wenn  eine  da- 
von männlich  wäre,  würde  es  sich  um  echten  Hermaphrodismus 
handeln.  Sonst  muss  man  die  Fälle  für  pseudohermaphroditisck 
erklären,  wie  einige  schon  gethan  haben. 


33     — 


III.    Pseudo-Hermaphrodismus. 

Wir  haben  schon  gesagt,  dass  Haller  die  Benennung 
„Herrn aphrodismus  spurius"  eingeführt  (s.  pag.  6)  und  G-urlt 
sie  in  Pseudo-Hermaphrodismus  übersetzt  hat,  indem  er  sie  auf 
vier  geschlechtliche  Missbildungen  anwandte,  bei  denen  sich 
keine  Verdoppelungs  -  Charaktere  zeigten,  die  nur  in  einem 
fünften  Falle  auftraten,  den  er  Androgynus  femininus  nannte 
(s.  pag.  9).  Daraus  folgt,  dass  es  ihm  nicht  gelang,  die  Unter- 
schiede zwischen  den  verschiedenen  Gruppen  der  geschlecht- 
lichen Monstruositäten  aufzufinden,  und  ebensowenig  gelang  dies 
den  vielen  Nachfolgern  des  Meisters. 

Wir  haben  ferner  angegeben,  dass  Klebs  zuletzt  fest- 
stellte, welche  die  echten  Hermaphroditen,  und,  dass  er  durch 
den  anatomischen  Befund  der  Drüsen  beider  Geschlechter  leicht 
darthat,  welche  die  falschen  sind,  sowie  dass  es  ihm  mit  Hilfe 
der  Embryologie  gelang,  die  letzteren  in  zwei  natürliche 
Gruppen  zu  teilen,  nämlich  in  männliche  und  weibliche.  Dann 
entnahm  er  die  Charaktere  der  einen  und  der  anderen  den 
Alterationen,  die  man  bald  in  den  Wolff sehen,  bald  in  den 
Müllerschen  Gängen  antraf,  oder  auch  in  beiden  zugleich,  oft 
verbunden  mit  Missbildungen  der  äusseren  Organe.  Wir  werden 
diesem  Plane,  weil  wir  ihn  für  den  zweckmässigsten  halten, 
sowie  Herrmanni)  und  Marchand^)  folgen,  die  noch  einige 
Verbesserungen  daran  eingeführt  haben. 

Wir  haben  ferner  bemerkt,  dass  es  in  Bezug  auf  den  Sitz  und 
die  Zahl  der  Pseudo-Hermaphroditen  noch  andere  Missbildungen 
giebt,  die  in  die  neuen  Klassifizierungen  nicht  aufgenommen 
worden  sind,  die  aber  schon  bekannt  und  bisweilen  mit  Gewalt 
in  die  alten  Synthesen  eingeschlossen  worden  waren,  während 
sie  nach  unserer  Meinung  mit  Recht  zu  den  Pseudo-Herm- 
aphroditen gehören.  Dieses  Eecht  kommt  ihnen  darum  zu,  weil 
die  Geschlechtscharaktere  sich  nicht  auf  die  schon  erwähnten 
Abschnitte  beschränken,   sondern  sich  über  den  ganzen  Tier- 


^)  G.  Herrmann,  Dict.  encyclop.  des  sc.  medic.    Paris,  1888.  Ser.  4a, 
Tom.  13,  p.  609. 

2)  F.  Marchand,   (Marburg),   Eeal-Encyclop.   der  ges.   Heilk.    1892. 
Die  Missbildungen.  S.  625. 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  3 


—     34     — 

körper  erstrecken,  so  dass  sie,  wenn  sie  bisweilen  mit  den  vor- 
hergehenden Charakteren  nicht  übereinstimmen,  neue  Genera 
für  den  Hermap hrodismus  bilden,  und  schon  anfangen,  anerkannt 
zu  werden.  So  hat  Krafft-Ebing  die  mangelnde  Ueberein- 
stimmung  der  geschlechtlichen  Instinkte  mit  der  gewöhnlichen 
Form  der  Zeugungsorgane  psychischen  Hermaphrodismus  ge- 
nannt und  Schnelleri)  nennt  Pseudo- Hermaphrodismus  das 
Vorhandensein  des  Bartes  bei  einem  Mädchen  mit  einigen 
Missbildungen  an  den  Geschlechtsteilen. 


A.    Männlicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

a)  Mit  Fortbestehen  der  Müllerschen  Kanäle. 

Die  häufigste  Anomalie  des  mittleren  Abschnittes  der  Ge- 
schlechtsorgane ist  im  Vergleich  mit  anderen  ähnlichen  die 
Gegenwart  eines  mehr  oder  weniger  entwickelten  Bruchstücks 
des  Müllerschen  Kanals  bei  einem  Individuum  von  männlichem 
Geschlecht.  Obgleich  diese  Anomalie  schon  1864  von  Mal- 
pighi  beschrieben  worden  ist  (s.  p.  12)  so  wurde  ihre  Häufig- 
keit erst  1869  von  Arnold^)  und  dann  1884  durch  die  Studien 
Eieders  aufgeklärt.  Dieser  fand  in  einer  Reihe  von  Unter- 
suchungen an  Leichen  verschiedenen  Alters  die  Eeste  der  Müller- 
schen Gänge  bei  einem  Sechstel  derselben  (Beob.  48,  Note  3a). 
Wir  haben  dann,  ohne  die  Untersuchung  dieser  teratologischen 
Beobachtungen  über  die  gewöhnlichen  Quellen  auszudehnen, 
69  Fälle  gefunden  (s.  Note  3a),  von  denen  wir  nur  bei  30 
die  Einzelheiten  sammelten. 

Den  deutlichen,  äusseren  Charakter  des  männlichen  Ge- 
schlechts giebt  die  Gegenwart  des  Penis,  oft  von  männlichem 
Habitus  begleitet 3).    Die   Ruthe   ist  jedoch  nicht  immer  deut- 


^)  Ein  Fall  von  Pseudo-Hermaphrodismus.  Münchn.  med.  Wochensclir. 
1894.   No.  34.  —  Jahresbericht  für  1894,  Bd.  I,  S.  232. 

2)  J.  Arnold  (Heidelberg),  Ein  Fall  von  Uterus  masculinus  etc.  Berlin, 
1869.  Virchows  Archiv,  Bd.  47,  S.  7.  Er  sammelte  26  Fälle  aus  der 
Litteratur. 

3)  Marchand  bemerkt  jedoch,  dass  das  Wachstum  der  Kopf-  und 
Körperhaare  oft  dem  der  Frau  gleichkommt,  dass  der  Larynx  weniger  vor- 
steht und  dass  die  Brüste  mit  denen  der  Weiber  wetteifern  können. 


—    35    — 

lieh,  denn  unter  den  50  angefülirten  Fällen  wurde  sie  nur 
39  mal  erkannt,  ja  in  10  Fällen  wurde  das  GescMecht  für 
weiblich  oder  zweifelhaft  erklärt.  Aber  die  ausserordentlichste 
Erscheinung  findet  sich  bei  dem  von  Gine  beschriebenen 
Manne  (Beob.  43,  Note  3a),  welcher  rechts  einen  Penis  mit 
Meatus  urinarius  und  ein  Scrotum  mit  einem  Hoden  besass, 
links  aber  die  Mündung  der  Scheide,  die  blind  endigte,  mit 
Labium  majus  und  minus  einerseits,  ohne  Penis  und  ohne 
Clitoris. 

Ausser  diesen  Veränderungen  finden  sich  noch  andere, 
welche  die  Urethra  und  am  häufigsten  denjenigen  Teil  der- 
selben betreffen,  der  unter  dem  Penis  verläuft.  So  wurde 
unter  39  Fällen  von  männlichem  Pseudo-Hermaphrodismus 
Hypospadie  14  mal  gefunden,  davon  dreimal  mit  Teilung  des 
Scrotums  (Beob.  32,  44,  56,  Note  3a)  und  einmal  ohne  Spur 
einer  Urethra  längs  des  Penis,  der  eine  Clitoris  vortäuschte. 
Im  Gregenteil  sah  man  entweder  Verengerungen  oder  Klappen 
der  Urethra,  mit  Erweiterung  der  Blase  und  der  Ureteren 
(Beob.  28,  29,  Note  3a). 

Unter  den  zehn  Fällen  von  G-eschlechtsorganen  mit  weib- 
lichem Aussehen  lässt  die  Beschreibung  von  dreien  viel  zu 
wünschen  übrig,  ja  in  dieser  Beziehung  werden  wir  einen 
Fötus  und  zwei  Mädchen  ausschliessen  (Beob.  6,  26,  36, 
Note  3a).  Von  den  anderen  sieben  Fällen  kann  man  im  allge- 
meinen sagen,  dass  sie  einen  kurzen,  nicht  durchbohrten,  einer 
Clitoris  ähnlichen  Penis  und  ein  geteiltes  Scrotum  besassen, 
das  den  grossen  Schamlippen  ähnlich  war. 

Der  so  entstehende  Spalt,  von  Marchand  mit  der  Fossa 
navicularis  verglichen,  führte  zu  einer  mehr  oder  weniger 
kurzen,  blind  endigenden  Scheide,  und  nach  oben  mündete  die 
Urethra.  Oft  erkannte  man  die  Hoden,  bald  in  der  Nähe, 
bald  im  Leistenkanal  zurückgehalten.  Diese  Charaktere  er- 
klären, dass  die  Hebammen  und  Familien  die  Ueberzeugung 
.gewannen,  die  Kinder  seien  weiblichen  Geschlechts,  um  so 
mehr,  wenn  der  Körper-Habitus  damit  übereinstimmte.  So  ge- 
schah es,  dass  einige  von  diesen  angeblichen  Mädchen  sich  ver- 
heirateten und  sich  dann  scheiden  Hessen  (Beob.  6,  Note  3  a), 
dass  andere  genötigt  wurden,  das  Geschlecht  zu  wechseln 
(Beob.  16,  Note  3a)  und  dass  noch  andere  endlich,   ihren  Zu- 

3* 


stand  erkennend,  unverheiratet  ein  hohes  Alter  erreichten. 
(Beob.  9,  Note  3a).  Aber  wenn  man  die  beschriebenen  äusseren 
Formen  embryologisch  betrachtet,  kann  man  sie  dahin  aus- 
legen,  dass   sie   das  Eesultat  virtuell  männlicher  Organe  sind. 

Der  innere  männliche  Apparat  erleidet  ebenfalls  seine  Ano- 
malien. So  findet  sich  häufig  eine  Hemmung  für  das  Herabsteigen 
der  Hoden,  wie  abdominaler  Cryptorchismus,  Lagerung  des 
Hodens  im  Leistenkanal,  oder  in  einem  Bruchsacke,  oder  in 
der  äusseren  Leistengegend.  Unter  den  verschiedenen  Fällen 
sind  zwei  durch  seltsame  Umstände  bemerkenswert.  Ln  ersten 
endigte  der  Ductus  deferens  des  Hodens  blind  und  ohne  Samen- 
bläschen (Beob.  29,  Note  3a).  In  dem  zweiten  hingen  die 
Hoden  an  zwei  Strängen,  welche  die  fallopischen  Trompeten 
darstellten  (Beob.  28,  Note  3a).  Die  Hoden  können  auch  der 
Zahl  nach  abnehmen;  ein  Beispiel  sehen  wir  in  Beob.  21, 
Note  3a,  wo  zwar  nur  ein  Hode  vorhanden  war,  aber  ein 
Ductus  deferens  auf  jeder  Seite.  Ein  zweites  Beispiel 
(Beob.  22,  Note  3a)  zeigt  dagegen  ausser  dem  Fehlen  des 
Hodens  den  Ductus  deferens  verschlossen.  Endlich  erwähnen 
wir  den  Fall  von  Martin  (Beob.  36,  Note  3a),  in  welchem  die 
Müllerschen  Kanäle  vorhanden  waren,  aber  die  Geschlechts- 
drüsen beider  Geschlechter  fehlten,  weshalb  der  Autor  seinen 
Fall  neutral  nannte;  wir  aber  betrachten  ihn  virtuell  als  zu 
dem  einen,  oder  anderen  Geschlecht  gehörig. 

Beim  Pseudo-Hermaphrodismus  sind  die  Hoden  nicht  selten 
pathologischen  Prozessen  unterworfen,  von  denen  wir  nicht 
wissen,  ob  sie  Wirkungen  der  Aplasie  oder  der  Degeneration, 
oder  von  beiden  sind,  wie  es  wahrscheinlich  ist.  Die  wenigen 
Fälle  betreffen:  1.  eine  Cyste,  die  einen  Hoden  darstellte 
(Beob.  66,  Note  3a),  2.  einen  Hoden  mit  leukumischer  Infiltra- 
tion (Beob.  66,  Note  3a),  3.  einen  herniösen  Hoden  in  atro- 
phischem Zustand  (Beob.  69,  Note  3a).  Öfter  finden  sich  Bei- 
spiele von  Verlegung  der  Samenkanäle.  Wir  kennen  drei 
Fälle,  in  denen  die  Ductus  deferentes  entweder  in  den  Uro- 
genitalkanal mündeten  (Beob.  5,  Note  3a)  oder  sich  an  die 
Wand  des  Uterus  ansetzten  (Beob.  42,  Note  3a)  oder  auf  einer 
Seite  (links)  in  den  entsprechenden  Ureter  eintraten  (Beob.  58, 
Note  3a).  Es  giebt  auch  eine  Beobachtung  von  ausserordent- 
licher Länge  der  Samenblasen  (Beob.  51,  Note  3a)  und  zwei 


—     37     — 

Beispiele  von  Verlegung  der  Canales  ejaculatorii,  die  in  die 
Vagina  oder  in  den  Prostata-ScMaiich  endeten  (Beob.  7,  13, 
Note  3a).  Endlicli  erwähnen  wir  eine  Frau,  die  weder  Prostata, 
noch  S^amenblasen,  noch  Canales  ejaculatorii  besass  (Beob.  17, 
Note  3a). 

"Wenn  wir  bedenken,  dass  alle  hier  erwähnten  Anomalien 
in  nur  50  Jahren  gesammelt  worden  sind,  müssen  wir  schliessen, 
dass  die  Entwickelung  der  männlichen  Organe  eine  bedeutende 
Degradation  erfährt,  wenn  sie  sich  mit  der  Entwickelung  der 
weiblichen  Organe  verbindet.  Nun  werden  wir  sehen,  dass 
auch  den  letzteren  dasselbe  geschieht,  wenn  sie  sich  mit  den 
ersteren  verbinden,  um  die  männlichen  Pseudo-Hermaphroditen 
zu  bilden.  In  der  That  finden  wir  die  Müll  ersehen  Kanäle, 
mit  deren  Geschichte  wir  uns  auf  Seite  13  beschäftigt  haben, 
oft  alteriert,  weil  sie  bald  in  den  ersten  Entwickelungsstadien 
zurückbleiben,  bald  bei  der  Entwickelung  von  der  Norm  ab- 
weichen, entweder  in  der  Form,  oder  in  ihren  Beziehungen, 
oder  wegen  pathologischer  Charaktere.  Diese  Alterationen  sind 
der  Häufigkeit  nach  sehr  von  einander  verschieden. 

Die  gewöhnlichste  Form,  die  die  Müllerschen  Kanäle  an- 
nehmen, ist  die  eines  zwischen  Blase  und  Rectum  liegenden 
Uterus,  denn  dies  ist  in  34  Fällen  eingetreten.  Aber  diese 
Form  ist  niemals  vollkommen,  besonders  infolge  von  Mängeln 
an  den  Appendices,  weniger  wegen  konstanten  Fehlens  der 
Ovarien ;  denn  es  ist  vorgekommen,  dass  ein  Uterus  links  einen 
Strang  mit  einem  Testikel  zeigte  (Beob.  44,  Note  3a),  oder  dass 
der  Uterus  fehlte,  während  die  beiden  fallopischen  Trompeten 
vorhanden  waren  (Beob.  64,  Note  3a).  Ein  anderer  ebenso 
häufiger  Mangel  ist  das  Fehlen  der  Vagina;  so  finden  wir,  dass 
nur  in  6  Fällen  von  den  34  der  Uterus  mit  der  Scheide  ver- 
sehen war  (Beob.  4,  8,  12,  15,  28,  32,  Note  3a).  Aber  die 
seltsamste,  oft  beobachtete  Form,  ist  die  rudimentäre  des  Uterus, 
was  nicht  ausschliesst,  dass  die  Atrophie  sich  auch  bei  Fehlen 
der  Scheide  finden  und  einen  solchen  Grad  erreichen  kann, 
dass  der  Uterus  nur  durch  einen  Muskelstreifen  dargestellt 
wird,  der  sich  unten  an  den  hinteren  Teil  der  Prostata  ansetzt 
(Beob.  25,  Note  3a). 

Bisweilen  behält  der  Uterus  die  beiden  Hörner,  und  es 
kommt  auch  vor,  dass   er  durch  ein  einziges  Hörn  dargestellt 


wird  (Beob.  13,  19,  26,  34,  40,  42,  Note  3a).  Andere  Male  ent- 
wickelt er  seine  Muskelwände  nicht  und  erscheint  wie  eine 
Blase  oder  eine  nussgrosse  Cyste,  die  am  hinteren  Teile  der 
Prostata  festhängt,  oder  in  die  Urethra  prostatica  einmündet 
(Beoh.  18, 29,  30, 31, 41,  Note  3a).  Endlich  kommt  es  vor,  dass  das 
einzige  Anzeichen  von  Uterus  und  Vagina,  also  der  Mülle r- 
schen  Gänge,  durch  einen  vergrösserten  Utriculus  prostaticus 
angezeigt  wird.  In  der  That  kann  dieses  Anzeichen  einigen 
Zweifel  einflössen;  aber  die  neueren  Studien,  mit  Einschluss 
derer  von  Torneux^),  entfernen  jeden  Zweifel,  denn  er  hat 
bewiesen,  dass  der  untere  oder  vaginale  Abschnitt  des  Genital- 
kanals zur  Bildung  der  Prostata  beiträgt.  Wenn  dann  der 
Körper  des  Uterus  nach  unten,  auch  ohne  Scheide,  vollständig' 
ist,  befindet  er  sich  oft  in  Verbindung  mit  dem  Utriculus  pro- 
staticus oder  mit  der  Urethra  prostatica  und  sogar  mit  der 
Blase  (Beob.  58,  Note  3a).  Dies  verhindert  nicht,  dass  der 
obere  Teil  eine  seitliche  Verschiebung  erfahren  und  einem  voll- 
ständigen oder  unvollständigen  Leistenbruche  folgen  könne,  wie 
Winkler2),  Grüner,  Filippini  und  Siegenbeek^)  gesehen 
haben  (Beob.  66,  68,  Note  3a).  Dies  wurde  auch  beim  echten 
Hermaphrodismus  bestätigt  (Beob.  12,  22,  Note  la). 

Endlich  kann  auch  der  Uterus  fehlen,  und  der  Geschlechts- 
kanal nur  durch  die  Scheide  dargestellt  werden,  die  nicht 
immer  gleich  weit  und  lang  ist  und  sich  an  den  hinteren  Teil 
der  Prostata  anzusetzen  pflegt  (Beob.  2,  7,  9,  17,  21,  23,  42, 
Note  3a).  Wir  bemerken  jedoch,  dass  sie  sich  auch  ins  Peri- 
näum  öffnen  kann,  besonders  bei  zweigeteiltem  Scrotum;  aber 
hieran  wird  erinnert  werden,  wenn  wir  von  dem  männlichen 
Pseudo  -  Hermaphrodismus  sprechen,  wo  Ähnlichkeit  mit  den 
äusseren  weiblichen  Charakteren  besteht.  Schliesslich  kann  der 
Genitalkanal  dargestellt  werden  durch  die  Müllerschen  Kanäle 


z')  F.  Torneux,  Note  sur  le  developpement  du  vagin  male  chez  le 
foetus  humain.  Comptes  rend.  hebd.  de  la  Soc.  de  Biologie.  1887,  Sei.  3a, 
T.  IV,  No.  42,  p.  812. 

2)  B.  Winkler,  Über  einen  Fall  von  Pseudo-Hermapbrodismns  mas- 
culinus  internus.     Inaug.-Dissert.     Zürich,  1893. 

^)  Siegenbeek  van  Heukelom,  Sur  Fhermaphroditisme  tubulaire 
et  glandulaire  chez  Thomme.  Avec  1  fig.  Eecueil  de  travaux  anat.-pathol. 
de  l'univ.  de  Leyde.    Leyde  1899.  T.  II,  p.  509. 


-    39    - 

mit  embryonalem  Charakter,  welche  bald  von  der  Spitze  der 
Nieren  zwischen  einem  Haufen  von  Cysten,  die  den  Wo Iff  sehen 
Kanälen  zugeschrieben  werden,  oder  in  der  Nähe  der  Neben- 
niere ebenfalls  zwischen  Cysten,  oder  von  dem  Hilus  der  Niere 
entspringen  und  in  den  ütriculus  prostaticus,  oder  in  die  Blase, 
oder  in  den  Nebenhoden  einmünden.  Dies  erlaubt  bisweilen, 
den  Kanal  von  einem  Ureter  zu  unterscheiden  (Beob.  33,  36, 
37,  40,  50,  Note  3a).  Es  giebt  auch  Beispiele,  dass  ein  Teil 
der  Müllerschen  Kanäle  einen  accessorischen  Kanal  zum  Vas 
deferens  bildete,  wenigstens  wurde  das  Faktum  so  gedeutet 
(Beob.  25,  Note  3a). 

Bei  den  Haussäugetieren  haben  wir  nur  zwölf  Fälle  ge- 
sammelt, die  zum  männlichen  Pseudo-Hermaphrodismus  mit  Fort- 
bestand der  Müllerschen  Kanäle  gehören;  diese  Tiere  waren: 
zwei  Schafe,  zwei  Ziegen,  drei  Einder,  drei  Schweine,  ein 
Pferd  und  ein  Hund  (Beob.  160,  164,  166,  172,  173,  176,  177, 
179,  186,  192,  195,  196,  Note  3a). 

Diese  Zahl  lässt  sich  vermehren,  wenn  man  die  Werke 
von  Gurlt,  von.Is.  G.  St.  Hilaire  und  von  Guinard  (Beob. 
197,  Note  3a)  und  alle  tierärztlichen  Journale  durchsucht.  Was 
die  Schweine  betrifft,  kann  man  die  Arbeit  von  Gaddi  be- 
fragen (Beob.  179,  Note  3a).  In  unseren  Fällen  haben  wir  nichts 
von  dem  beim  Menschen  angeführten  wesentlich  Verschiedenes 
angetroffen,  ausser  dass  der  Penis  (abgesehen  von  den  Fällen 
von  Hypospadie)  oft  verdreht  und  nach  hinten  gekehrt  erscheint. 
Doch  haben  wir  zwei  bemerkenswerte  Fälle  gefunden:  in  dem 
einen  wurde  der  Uterus  und  die  Scheide  durch  einen  Strang 
dargestellt  (Beob.  160,  Note  3a)  und  in  dem  anderen  fehlten 
sowohl  die  männlichen,  als  die  weiblichen  Geschlechtsdrüsen, 
und  das  Geschlecht  wurde  nur  durch  die  Ductus  deferentes  an- 
gezeigt, die  in  die  Blase  mündeten  (Beob.  161,  Note  3a).  Etwas 
ähnliches  sah  Martin  beim  Menschen  (Beob.  36,  Note  3a). 

Wer  Vergleiche  anzustellen  wünscht  zwischen  den  ver- 
schiedenen Arten  von  Säugetieren  in  Bezug  auf  die  verschie- 
denen Spezies  von  Pseudo- Hermaphroditen,  die  zur  Zeugung 
unfähig  sind,  muss  noch  viele  Fälle  von  Monstruositäten  sam- 
meln, die  bei  Rinder-  und  Pferdezwillingen  vorkommen.  Sie 
werden  von  den  Engländern  Free  Martin  genannt  und  be- 
stehen aus  einem  männlichen  und  einem   angeblich  weiblichen 


-     40     — 

Tier.  Diese  Moustruosität  wurde  1779  von  Hunter i)  aufge- 
klärt, und  dann  1784  von  Scarpa^).  Aber  die  Kühe  waren 
schon  Varro^)  und  Columella*)  bekannt,  die  sie  Taurae 
nennen,  zum  Unterschied  von  den  Kühen,  die  andere  Eigen- 
schaften haben  und  dem  Landbau  mehr  nützen.  Hunt  er  be- 
schrieb drei  Beispiele,  aber  diese  genügen,  um  zu  beweisen, 
dass  er,  ausser  den  angeführten  Umständen,  aus  den  Zwillingen 
kein  besonderes,  ausschliessliches  Genus  bildete,  denn  dieselben 
Missbildungen  finden  sich  in  verschiedenen  Genera,  wie  beim 
männlichen  Pseudo-Hermaphrodismus.  Dasselbe  lässt  sich  von 
späteren  Beobachtungen  sagen^).  Daher  ist  der  Free  Martin 
in  keine  teratologische  Klassifizierung  aufgenommen  worden. 

Das  erste  Beispiel  von  Hunt  er  betrifft  eine  Kuh  mit 
Uterus  und  Ovarien,  und  neben  diesen  zwei  Hoden,  während 
die  Trompeten  fehlten.  Diese  Angaben  genügen  zu  dem  Ur- 
teile, dass  es  sich  um  einen  schönen  Fall  von  echten  Herm- 
aphrodismus  handelte.  Die  zweite  Kuh  hatte  eine  Scheide  mit 
blindem  Ende  und  nicht  durchbohrtem  Uterus,  der  statt  der 
Ovarien  zwei  Hoden  bei  sich  hatte.  Ductus  deferentes  fehlten, 
aber  zwei  Samenbläschen  waren  vorhanden,  deren  Ductus  sich 
in  die  Vagina  öffneten.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  es  sich 
hier  um  männlichen  Pseudo-Hermaphrodismus  handelte.  Die 
dritte  Kuh  hatte  eine  Scheide,  die  in  einen  blinden  Sack  endigte, 
mit  geschlossenem  Uterus,  von  dessen  Hörnern  zwei  Ovarien 
herabhingen.  Die  Vasa  deferentia  zeigten  viele  Unterbrechungen; 
sie  mündeten  in  die  Samenbläschen  und  diese  zusammen  in  die 
Scheide.  Dies  ist  ein  anderer  Fall,  den  man  jetzt  weiblichen 
Pseudo-Hermaphrodismus  nennen  kann,  weil  die  Hoden  fehlten. 
Scarpa   erzählt  über  seinen  Fall,    dass   ein   13  Monate   alter 


^)  J.H unter,  Account  of  the  Free  Martin.  Philos.  transact.  for  1779, 
T.  LXIX,  p.  285. 

2)  Scarpa  (Pavia),  Sopra  un  vitello  detto  dagii  Ingiesi-Free  Martin. 
Mem.    della  Soc.   ital.    Verona,    1784.   T.  II,  P.  2,   p.  846.     Mit  Abbildung. 

3)  M.  T.  Varro,  De  re  rustica,  Lib.  II,  Cp.  51. 

^)  Columella,  De  re  rustica,  Lib.  VI,  Cp.  22. 

^)  Nägele,  Beschreibung  eines  Falles  von  Zwitterbildung  bei  einem 
Zwillingspaar.  Deutsches  Arch.  für  Physiol.  1819.  T.  V,  S.  136.  — 
Spiegelberg,  siehe  Beob.  174.  —  Corvini,    siehe  Beob.  181. 


■  —        4:1        - 

Zwilling  eine  über  der  Scheide  stehende,  mit  dem  Ende  haken- 
artig nach  hinten  gekrümmte  Clitoris  hatte,  statt  unter  der 
Scheide  zu  verlaufen.  Diese  Krümmung  unter  die  Urethra  er- 
streckte sich  drei  Querflnger  weit  und  endigte  blind.  Die 
Hoden  befanden  sich  im  Abdomen.  Von  den  Nebenhoden  gingen 
die  Ductus  deferentes  aus,  kommunizierten  mit  den  Samen- 
bläschen und  vereinigten  sich  zu  einem  gemeinschaftlichen 
Ausführungsgange,  der  in  die  Urethra,  vor  der  Prostata, 
mündete. 

A.   Männlicher  Psendo-Hermaphrodismus. 

b)  Mit  äusserlich  weiblichem  Aussehen. 

Wir  haben  schon  gesehen,  dass  es  Männer  mit  (offenbaren 
oder  verborgenen)  Hoden  giebt,  bei  denen  zugleich  Bruchstücke 
der  Müll  er  sehen  Kanäle  und  äussere  weibliche  Geschlechts- 
teile vorhanden  sind;  bisweilen  ist  auch  der  Körperhabitus  dem 
weiblichen  ähnlich.  Diese  Spezies  haben  wir  jedoch  nur  zehn- 
mal unter  50  Fällen  von  männlichem  Pseudo-Hermaphrodismus 
angetroffen  1)  und  unter  diesen  haben  wir  auch  bemerkt,  dass 
das  G-eschlecht  eher  zweifelhaft,  als  weiblich  schien.  Da  in 
diesem  Falle  der  Zweifel  bis  nach  der  Pubertät  bestehen  blieb, 
litten  die  Männer  unter  traurigen  Folgen  in  ihren  Familien- 
und  Gresellschaftsbeziehungen  (s.  S.  35). 

Ferner  müssen  wir  hinzufügen,  dass  Fälle  von  männlichem 
Hermaphrodismus  vorkommen,  in  denen  die  Bruchstücke  der 
Müllerschen  Kanäle  fehlen  und  dennoch  die  äusseren  Ge- 
schlechtsorgane weibliches  Ausseben  zeigen.  Dies  können  wir 
durch  elf  Beobachtungen  beweisen,  die  zu  80  von  uns  ange- 
führten Fällen  von  männlichem  Hermaphrodismus  gehören 
(Note  3,  Beob.  1—80). 

Danach  könnte  man  vermuten,  das  pseudohermaphroditische 
Zusammentreffen    des    Drüsen-Abschnittes    mit    dem    äusseren 


^)  F.  Marchand,  Die  Missl)ildungeii.  Separatabdmck.  Wien,  1897. 
S.  146.  Er  beliauptet,  beim  männlichen  Hermaphrodismus  näherten  sich, 
mit  Ausnahme  der  Hoden,  die  Geschlechtsteile,  sowohl  die  äusseren,  wie  die 
inneren,  mehr  oder  weniger  dem  weiblichen  Typus.  Aber  die  von  uns  ge- 
sammelten Fälle  erlauben  uns  nicht  eine  so  allgemeine  Behauptung. 


-    42    — 

Absclinitte  sei  eine  ziemlich  seltene  Erscheinung.  Aber  wir 
werden  später  sehen,  dass  zahlreiche  Fälle  von  zweifelhaftem 
Geschlecht  vorkommen,  bei  denen  die  Sektion  nicht  ausgeführt 
wurde,  und  bei  denen  gerade  die  äusseren  Geschlechtsteile  ein  mehr 
oder  weniger  weibliches  Aussehen  hatten.  Darum  sind  solche 
Beispiele  klinisch  den  vorhergehenden  ähnlich,  aber  da  die 
anatomische  Beobachtung  fehlt,  kann  man  nicht  ausschliessen, 
dass  auch  die  Reste  der  Elemente  der  beiden  mittleren  Ab- 
schnitte vorhanden  waren.  So  bleibt  das  anatomische  Urteil 
unsicher,  und  wir  sind  genötigt,  solche  Beobachtungen  nicht  mit 
den  vorhergehenden  zu  vermischen. 

Die  Charaktere  des  männlichen  Pseudo-Hermaphrodismus 
mit  äusserlich  weiblichem  Aussehen  bestehen  vor  allem  in  der 
Teilung  des  Scrotums  in  der  Mittellinie,  so  dass  es  zwei 
Labia  majora  vortäuscht,  und  diese  Teilung  zeigt  gewöhnlich 
eine  Öffnung  (Saviard,  Beob.  79);  andere  Male  dagegen  ist  der 
Sinus  urogenitalis,  in  welche  die  Urethra  mündet,  aus  der  der 
Urin  abfliesst,  und,  selten  auch  die  Faeces,  durchgängig  i).  In 
anderen  Fällen  zeigt  sich  Hypospadie  längs  des  Penis  bis  zum 
Perinäum,  ohne  in  den  Sinus  urogenitalis  einzudringen 
(Beob.  74),  welcher  mehr  oder  weniger  tief  sein  kann.  Wir 
erwähnen  hier  nur  den  erwachsenen  Mann  der  Beob.  76,  bei 
dem  die  Öffnung  so  tief  war,  wie  der  dritte  Teil  des  Zeige- 
fingers. Dies  lässt  sich  mit  anderen  oben  erwähnten  S.  13  und 
38  in  Verbindung  bringen,  wo  wir  von  den  Scheiden  ohne 
Uterus  sprachen. 

Der  Penis  ist  gewöhnlich  kurz,  ähnlich  dem  eines  Kindes 
und  undurchbohrt,  wenn  Hypospadie  vorhanden  ist.     In  vielen 


^)  J.  Müller  hat  schon  1830  als  Sinus  urogenitalis  beschrieben  und 
so  benannt  den  vorderen  Teil  der  Kloake  (schon  von  Me  ekel  angenommen), 
wo  die  Wolf  f  sehen  und  Müll  ersehen  Gänge  münden.  Bildungsgeschichte 
der  Genitalien,  Düsseldorf,  1830,  in  4:^.  Die  Neueren  nennen  Sinus  urogeni- 
talis den  Teil  des  Urogenitalapparats,  der  die  Urethra  und  die  Wolf  f  sehen 
und  Müller  sehen  Gänge  umf  asst.  Bei  dem  Embryo  beider  Gesclüechter 
(29  mm  lang)  findet  man  eine  Eöhre,  die  nach  einer  Keihe  von  Umbildungen 
ihre  endliche  Form  erreicht.  —  Beim  Weibe  ist  der  Name  „Sinus"  richtig, 
beim  Manne  müsste  er  streng  genommen  Canalis  urogenitalis  heissen.  Seine 
Entwickelung  findet  statt  durch  Umbildung  der  Cloaca  und  des  Caudal- 
darmes.  Lehrb.  der  Entwickelungsgesch.  des  Menschen,  von  Dr.  Koll- 
mann.     Jena,   1898.     S.  430  f. 


—     43     — 

Fällen  ist  auch  der  Penis  nach  hinten  gebogen,  mit  der  Eichel 
nach  unten.  Auf  der  unteren  Seite  bemerkt  man  eine 
schleimige  Längsfurche  mit  fibrillären  Verbindungen,  welche 
die  Urethral-Eöhre  darstellen  und  die  Zurückziehung  des  Penis 
erklären.  Diese  Erscheinung  findet  sich  bei  verschiedenen 
Spezies  des  Hermaphrodismus  mit  Hypospadie,  und  wir  haben 
ein  Beispiel  davon  bei  einem  Individuum  abgebildet,  bei  dem 
die  anatomische  Diagnose  am  Lebenden  nicht  gemacht  wurde, 
und  bei  dem  die  Krümmung  durch  einen  Querschnitt  der  Ure- 
thralröhre  aufgehoben  wurde  (s.  die  Abbildung  a.  nächst.  Seite). 
Diese  Charaktere,  die  an  der  Clitoris  niemals  gefunden  worden 
sind,  nützen  einigermassen  bei  der  Diagnose  in  Fällen  von 
zweifelhaftem  Geschlecht. 

Es  giebt  dann  noch  andere  Fälle,  dei  denen  das  weib- 
liche Aussehen  der  äusseren  Geschlechtsorgane  dem  wirklichen 
nicht  so  ähnlich  ist,  wie  wir  angegeben  haben;  dies  sind 
diejenigen,  welche  dazu  beitragen,  das  lange  Verzeichnis  der 
entschieden  zweifelhaften  klinischen  Beobachtungen  zu  bilden. 
Andererseits  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  man  eine 
weitere  Gruppe  von  Beobachtungen  hinzufügen  muss,  die  zur 
Annahme  der  männlichen  Pseudo-Hermaphroditen  mit  doppeltem 
äusserem  Geschlecht  führt,  die  also  mit  parallel  stehenden 
äusseren,  sowohl  männlichen,'  als  weiblichen  Organen  versehen 
sind.  Die  erste  Beobachtung  wurde  in  Barcelona  im  Jahre 
1881  gemacht,  und  Avir  haben  schon  darauf  hingedeutet 
(s.  Note  3a,  Beob.  42).  Die  zweite  Beobachtung  gehört 
Neugebaueri).  Aber  zu  unserem  Bedauern  ist  es  uns 
weder  gelungen,  die  (nicht  übej'setzte)  Arbeit  zu  lesen,  noch 
die  ihr  beigegebene  Abbildung  zu  sehen,  so  dass  wir  unser 
Urteil  über  diesen  gewiss  wichtigen  Fall  zurückhalten. 


B.  Der  weibliclie  Pseiido-Hermaplirodismus. 

Da  wir  schon  die  Art  angegeben  haben,  wie  ein  (mit 
Hoden  versehener)  Mann  sowohl  äusserlich,  als  im  Innern 
mehr    oder    weniger    weibliche    Charaktere     annehmen    kann, 


^)  F.  Neugebauer,   Ein  Beitrag   zur  Lehre   von  der  Duplizität  der 
äusseren  Genitalien.     Gazeta  Lekarska.     Warschau,  1897.  No.  21. 


-    44    - 


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—    45    — 

müssen  wir  untersuchen,  wie  die  (mit  Ovarien  versehenen) 
"Weiber  bisweilen  männliche  Charaktere  annehmen.  Wir  be- 
merken, dass  wir  hier  nicht  von  solchen  "Weibern  sprechen 
werden,  welche  entweder  Körperformen,  oder  Statur,  oder  per- 
sönliche Neigungen  männlicher  Art  haben,  denn  wir  wollen 
darüber  ausführlicher  sprechen,  wenn  wir  den  klinischen 
Hermaphrodismus  abhandeln.  Hier  reden  wir  nur  von  solchen 
Weibern,  die  Alterationen  der  Geschlechtsteile  aufweisen, 
welche  denen  der  männlichen  Organe  ähnlich  oder  gleich  sind, 
mit  Ausschluss  der  Geschlechtsdrüsen. 

a)  Weiblicher,  äusserer  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Die  häufigste  Art,  wie  männliche  Charaktere  beim  Weibe 
auftreten,  besteht  in  "Veränderungen  der  äusseren  Geschlechts- 
teile. Diese  Erscheinung  ist  häufig  genug,  um  in  dieser  Be- 
ziehung mit  dem  männlichen  Pseudo-Hermaphrodismus  verglichen 
zu  werden,  denn  wir  haben  ihn  schon  22  mal  beschrieben  ge- 
funden (s.  Note  3a,  A).  Wir  bemerken,  dass  ihre  Zahl  viel 
grösser  sein  würde,  wenn  wir  alle  ähnlichen  Fälle  hinzu- 
fügten, die  wir  beim  klinischen  Hermaphrodismus  unterbringen 
werden.  Denn  in  diesen  Fällen  fehlt  die  anatomische  Unter- 
suchung, und  man  weiss  daher  nicht,  ob  sich  im  Inneren  andere 
"Verdoppelungserscheinungen  finden. 

Bei  mit  Ovarien  versehenen  Weibern  jeden  Alters,  an 
deren  äusseren  Geschlechtsteilen  einige  mehr  oder  weniger  den 
männlichen  ähnliche  Charaktere  zu  finden  sind,  bemerkt  man, 
wie  häufig  die  Hypertrophie  der  Clitoris  auftritt,  so  dass  sie 
eine  Länge  von  4  — 7  cm  erreicht  (Beob.  93,  97,  103,  123, 
Note  3a).  Wir  haben  die  Beobachtung  von  Debierre  (Beob. 
130),  der  bei  einem  Neugeborenen  die  Rute  dem  Alter  pro- 
portioniert mit  Hypospadie  sah.  Wenn  nun  die  Eute  eine 
Clitoris  war,  wie  es  wahrscheinlich  ist,  und  einer  männlichen 
Eute  ähnelte,  muss  man  schliessen,  dass  die  Clitoris  eine  un- 
gewöhnliche Länge  erreicht  hatte.  Es  ist  jedoch  wahr,  dass 
manche  Autoren,  statt  zu  sagen,  die  Clitoris  war  einem  Penis 
ähnlich,  ohne  Eückhalt  behaupten,  das  Weib  habe  einen  Penis 
gehabt,  vielleicht  weil  sie  über  7  cm  lang  war,  und  es  ist  auch 
wahr,  wie  Marchand  sagti),  dass  sich  die  Clitoris  bisweilen 

^)  Mar  eil  and,  Die  Missbildungen.  Separatabdruck,  Wien,  1897.  S.  147. 


—     46    — 

der  Gestalt  des  Penis  nähert,  wenn  die  Urethra  die  Glans  der 
Clitoris  erreicht;  dann  ist  der  Unterschied  nicht  leicht  erkenn- 
bar. Wir  haben  jedoch  nur  zwei  Beispiele  gesammelt;  das 
erste  fand  Versen  in  einem  unreifen  Fötus  (s.  Beob.  101) 
und  das  zweite  Clarke  (s.  Beob.  137). 

Es  ist  also  vollkommene  Ähnlichkeit  zwischen  den  beiden 
homologen  Organen  selten,  während  dagegen  Hypospadie  in 
verschiedenen  Höhen  der  Clitoris,  und  besonders  an  ihrer 
Wurzel,  ziemlich  häufig  ist  (s.  Beob.  81  und  83),  wo  die 
röhrenförmige  Urethra  sich  mit  der  Fossa  navicularis  ver- 
binden kann,  und  selbst  mit  der  Scheidenöffnung,  wenn 
das  Scrotum  zweiteilig  ist.  Ferner  kann  es  vorkommen, 
wenn  die  Clitoris  lang  genug  ist  und  an  Hypospadie  leidet, 
dass  sie  nach  hinten  gebogen  ist  (s.  Beob.  123).  Diese 
Erscheinung  wird  jedoch  von  Brouardeli)  geleugnet,  welcher 
sagt,  bei  der  hypertrophischen  Clitoris  finde  sich  weder  die 
Biegung  der  Glans,  noch  eine  untere  Furche.  Indem  wir  die 
Untersuchung  dieses  Ausspruchs  anderen  überlassen,  sagen  wir 
dagegen,  dass  die  verschiedene  Lage  des  Meatus  zur  Folge  hat, 
dass  die  Urinentleerung  an  verschiedenen  Stellen  der  Achse 
der  Rute  stattfindet,  und  dass  der  Urin  mit  den  Faeces  ge- 
mischt sein  kann,  wenn  der  Darm  mit  der  Blase  oder  mit  der 
Urethra  in  Verbindung  steht  (Beob.  130,  Note  3a). 

Oft  findet  man  im  Perinäum  eine  Vulvaöffnung,  die  bis- 
weilen in  die  Scheide  führt  und  in  einem  Falle  von  der  Scheiden- 
öffnung durch  das  Hymen  getrennt  wurde  (s.  Beob,  83). 
Wenn  jedoch  statt  der  Scheidenspalte  ein  Scrotum  ohne  Hoden 
vorhanden  ist,  oder  wenn  in  einigen  Fällen  das  Scrotum  mehr 
oder  weniger  in  der  Mitte  gefurcht  ist,  so  dass  es  an  die 
Labia  majora  erinnert,  so  können  diese  dann  die  weiblichen 
Geschlechtsorgane  enthalten,  nämlich  bald  die  Ovarien,  bald 
den  Uterus  (s.  Beob.  93,  132,  136).  Der  Uterus  zeigt  sich 
gewöhnlich  gut  gebildet,  ebenso  auch  die  Ovarien  und  die 
fallopischen  Trompeten,  während  die  Vagina  bald  atretisch 
ist,  bald  in  die  Urethra  mündet  (s.  Beob.  86,  100,  113,  123, 
131,  Note  3a). 


^)  Brouardel,  L.  Hermaphroditisme.    Gaz.  des  Hopit.    Paris,   Jan- 
vier 1887. 


—     47     — 

Bei  dem  äusseren  Pseiido-Hermaphrodismus  ist  selten  der 
Einfluss  der  beiden  Geschlechter  auf  den  ganzen  Habitus  des 
Körpers  beobachtet  worden,  und  dies  lässt  vermuten,  dass  die 
beiden  Einflüsse  in  dem  Produkte  der  Zeugung  sich  gegen- 
seitig abstossen,  so  dass  sie  keinen  vorwiegenden  Charakter 
des  einen  und  anderen  Geschlechts  darbieten.  Wir  haben  je- 
doch zwei  Beobachtungen  gesammelt,  die  das  Gegenteil  be- 
weisen. Die  erste  gehört  Beclard  (s.  Beob.  81),  bei 
der  das  Weib  einen  Bart  im  Gesicht  und  Neigung  zu  Frauen 
hatte;  die  zweite  stammt  von  Litten  (s.  Beob.  107) 
und  betrifft  eine  Frau,  welche  die  gewöhnliche  Form  des 
äusseren  Pseudo  -  Hermaphrodismus  und  entschieden  weiblichen 
Habitus  hatte.  Endlich  bemerken  wir,  dass  dieser  Hermaphro- 
dismus erblich  bei  mehreren  Schwestern  auftreten  kann  (Beob. 
124,  141). 

b)  Innerer,  weiblicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

(Fortbestehen  der  Wo Iff  sehen  Kanäle.) 

Wir  haben  berichtet,  dass  seit  langer  Zeit  gewisse  terato- 
logische  Kanäle  in  den  weiblichen  Geschlechtsorganen  gefunden, 
aber  lange  Zeit  hindurch  vergessen  geblieben  und  erst  in  diesem 
Jahrhundert  von  neuem  gesehen  und  mehrmals  beschrieben 
worden  sind.  Wir  haben  hinzugefügt,  dass  die  Embryologie 
neuerlich  unsere  Kenntnisse  über  die  Entwickelung  und  Endi- 
gung der  Wo  Iff  sehen  Körper  und  Kanäle  beim  Weibe  bereichert 
hat  (s.  pag.  12),  was  die  Annäherung  und  teratologische  Ver- 
bindung der  verschiedenen  Manifestationen  erlaubt  hat,  welche 
diese  Kanäle  bis  jetzt  dargeboten  haben,  die  unrichtig  Gartn er- 
sehe Kanäle  genannt  werden. 

Zum  leichteren  Verständnis  der  Teratogenesis  muss  ich 
einige  embryologische  Notizen  vorausschicken  und  daran  er- 
innern, dass  die  Wolf f sehen  Kanäle,  obgleich  sie  zur  Bildung 
der  männlichen  Zeugungsorgane  und  speziell  des  Ductus  deferens 
bestimmt  sind,  sich  auch  im  weiblichen  Embryo  in  ihrer  ganzen 
Ausdehnung  finden,  nämlich  von  derUrniere  (neben  den  Müller- 
schen  Kanälen)  ausgehen  und  bis  zum  Sinus  urogenitalis  herab- 
gehen, was  kürzlich  B uliin g er  i)  makroskopisch  nachzuweisen 

1)  BuUinger,  Über  den  distalen  Teil  der  Gartn  er  sehen  Gänge. 
Diss.  München,  1896. 


—    48    — 

gelungen  ist.  Diese  Kanäle  werden  beim  Weibe  während  des 
embryonalen  Lebens  in  der  Eegel  atrophisch  und  bleiben  nur 
ausnahmsweise  in  Gestalt  von  vollständigen  Kanälen  oder  von 
mehr  oder  weniger  alterierten  Fragmenten  in  Verbindung  mit 
den  inneren  Geschlechtsteilen  des  Weibes. 

Die  nach  dem  fötalen  Leben  zurückbleibenden  Malpighi- 
schen  (Gärtner sehen)  Kanäle  sind  im  allgemeinen  einseitig, 
denn  wir  kennen  nur  den  Neugeborenen  von  Klein  (s.  Be- 
obachtung 138),  der  einen  rechts  und  einen  anderen  links  hatte. 
Sie  behalten  selten  ihren  ursprünglichen  Charakter,  gewöhnlich 
bleiben  nur  Bruchstücke  von  ihnen  übrig.  Wenn  sie  noch  zu- 
sammenhängend sind,  erfahren  sie  eine  hyperplastische  Aus- 
dehnung mit  unregelmässigen  Erweiterungen,  und  bleiben  wenig- 
stens an  der  Spitze  einer  Niere  befestigt  und  setzen  sich  unten 
an  die  Blase  oder  an  die  Harnröhre  an.  So  können  sie  mit 
einem  Ureter  verwechselt  werden  und  wurden  deswegen  falsche 
Ureteren  genahnt.  Ihr  Ursprung  blieb  lange  dunkel  und  wir 
selbst  wussten  vor  40  Jahren  ein  Präparat  nicht  zu  erklären, 
das  uns  für  unser  Museum  von  dem  Hospitale  trocken  zuge- 
schickt wurde.  Im  Jahre  1898  fand  jedoch  Bart,  dass  der 
falsche  Ureter  aus  einer  Gruppe  von  linsengrossen  Cysten  ent- 
sprang, die  auf  der  rechten-  Niere  lagen,  und  die  er,  wie  er 
sagt,  als  die  Reste  der  Wo Iff sehen  Körper  erkannte  (s.  Note 
3a,  Beob.  98,  105,  108).  Einen  ähnlichen  FaU  fand  Tougl 
links  (s.  Beob.  126). 

Öfter  findet  sich  dieser  Malpighische  Kanal  entweder  im 
Ligamentum  latum,  oder  in  der  Substanz  des  Uterus,  doch 
geht  er  ziemlich  häufig  vom  Parovarium  aus  und  dringt 
auf  eine  mehr  oder  weniger  lange  Strecke  in  verschiedener 
Tiefe  in  die  Substanz  selbst  ein.  Koller  z.  B.  sah  nur  Eeste 
des  Kanals  im  Ligamentum  latum  (s.  Beob.  106);  da- 
gegen hatte  Mad.  Boivin  vorher  den  Kanal  in  das  Collum 
uteri  münden  sehen  (s.  Beobacht.  88),  später  entdeckten 
Dohrn,  Fischel  und  andere  einen  Teil  des  Kanals,  der  in 
der  Wand  der  Scheide  verlief  (s.  Beob.  116,  120,  123). 
Seltsamer,  als  die  anderen,  ist  die  Beobachtung  von  Klein  an 
dem  oben  genannten  Fötus;  hier  ging  der  Wo  Iff  sehe  Kanal 
vom  Parovarium  aus  und  endigte  am  Cervix  uteri;  ein  zweiter 
Kanal  mündete  frei  am  Rande   des  Hymens.     Auch  Fischel 


—    49    — 

sah  die  Eeste  eines  Kanals  in  dem  Scheidenteile  des  Uterus 
(s.  Note  3a,  Beob.  120).  Dagegen  fand  Milton  einen  Kanal, 
der  aus  der  Nierengegend  in  das  Septum  vesico-vaginale  herab- 
stieg, wo  aus  seiner  Mündung  in  24  Stunden  60  gr.  Serum 
ausflössen  (s.  Beob.  134). 

Viele  andere,  ähnliche,  neuerlich  beim  Weibe  gesehene 
Fälle  sind  gesammelt  und  anatomisch  studiert  worden  und 
haben  besonders  die  Litteratur  bereichert.  Unter  ihnen  ver- 
dienen nur  die  von  Banks i),  von  Debierre  (s.  Beob.  122) 
und  Kossmann2)  angeführt  zu  werden.  Aber  viel  zu  weit 
würde  es  uns  abführen,  wenn  wir  diese  Werke  analysieren 
wollten,  wie  es  auch  der  Fall  sein  würde,  wenn  wir  die  Be- 
obachtungen an  Tieren  sammelten.  Wir  wollen  jedoch  er- 
wähnen, dass  ausser  Malpighi  und  Gärtner  auch  Kobelt 
einen  Wol  ff  sehen  Gang  bei  drei  Sauen  unter  fünf  Zwillingen 
fand,  und  dasselbe  bei  einer  Ziege  und  einem  Bock  sah  (s. 
Beob.  90),  auch  F ollin  machte  dieselbe  Beobachtung  bei  einer  Sau 
(Beob.  92),  von  Preuscher  bei  einer  Katze  (s.  Beob.  102), 
Tourneau  bei  verschiedenen  Säugetieren  (s.  Beob.  110).  End- 
lich nennen  wir  Gärtner,  der  mehrere  ähnliche  Fälle  sowohl 
beim  Weibe,  als  bei  Tieren  sammelte  (s.  Beob.  121). 

Die  Kanäle  von  Malpighi  zeigen  nicht  immer  die  ge- 
nannten Eigenschaften  mit  ihren  Varietäten,  sondern  erfahren 
ebenso  oft  teilweise  cystische  Umbildung,  die  lange  unerklärt 
geblieben  ist.  Der  erste  Autor,  der  sich  mit  diesem  Gegen- 
stande beschäftigte,  war  Kobelt  im  Jahre  1847;  er  be- 
schrieb Cysten  der  fallopischen  Trompeten  und  des  Paro- 
variums  (s.  Beob.  90).  Dann  erweiterte  Verneuil^)  die  sich 
auf  das  Parovarium  beziehenden  embryologischen  Unter- 
suchungen und  schrieb  den  Ursprung  des  Eos enmüUer sehen 
Organs  dem  Wo Iff scheu  Kanäle  zu,   was   auch  von  Virchow 


1)  W.  M.  Banks,   Oa  the   Wolfian   bodies   of  tlie   foetus,   including 
the  development  of  the  generation-system.    Edinburg,  1864:. 

2)K.   Kossmann,    Zur   Pathologie    der  Urnierenreste    des   Weibes, 
Monatsschr.  für  Geburtsh.  und  Gynäkol.    Berlin,  1895,  Bd.  I,  H.  2. 

^)  Verneuil,   Sur  les  cystes   de  l'organe   de  Wolff   dans  les  deux 
sexes.  Mem.  Soc.  chir.  de  Paris,  1857.  T.  IV,  p.  58,  8L 

Taruffi,  Hermapkrodisnius.  4 


—    50    - 

angenommen  wurde^),  als  er  die  gestielten  Drüsen  des  Eos  en- 
müUersclien  Organs 2),  als  ein  beim  Weibe  unterbliebenes 
Verschwinden  des  Canalis  deferens  erklärte,  wobei  ein  Filament 
im  Ligamentum  latum  zurückblieb,  das  sich  in  Cysten  ver- 
wandelte. 

Der  Zustand  der  Cysten  des  Parovariums  ist  nicht  immer 
gleichförmig,  denn  im  Jahre  1870  fand  ich  eine  Cyste  grösser  als 
ein  Ei,  mit  verkalkter  Wand,  die  Schleim  enthielt  s).  Im  Jahre 
1878  fand  ich  ein  grosses  coUoides  Cystom  des  linken  Par- 
ovariums, das  zu  Lebzeiten  der  Betreffenden  für  ein  Cystom 
des    Ovariums    gehaltiBfl-'-TlM7?I>«\Dr.    Luigi   Mazzotti  be- 

schrieben  wurde ^Vc,^    __<::,eo>^    '^' 

Auch  der  TemÖles  MalpighiscElnXKanals,  der  bisweilen 
die  Substanz  des  Uteifti£Bu^hMö4  ist  pnselben  Alterationen 
unterworfen.  Sclrorfs  Meyer &)  beschrieb /im  Jahre  1890  sowohl 
das  Adenom,  als  ii^^d^im^^fii;jäes  Uterus,  indem  er  sie 
als  Alterationen  der  G^lirrt^-eWchen  Gänge  betrachtete.  Kürz- 
lich (1896)  sah  Aman  in  den  Wänden  des  Organs  eine 
grosse  Cyste  (s.  Beob.  140)  und  Eechlinghausen  fand 
in  demselben  Jahre  ein  Cysten -Adenom  des  Uterus,  das 
sich  bis  zur  fallopischen  Trompete  erstreckte  (s.  Beob.  139). 
Häufig  sind  Cysten  in  der  Scheide,  und  verdienstvolle  Be- 
stätigungen geben  die  Beobachtungen  von  Neugebauer, 
welcher  die  von  den  Gärtner  sehen  Gängen  hervorgebrachten 
von     anderen,      häufigeren     unterschied,      die     durch     Aus- 


^)  E.  Virchow,  Die  krankhaften  Geschwülste.  Berlin  1864.  Bd.  I, 
S.  128. 

^)  J.  Ar.  Eosenmüller,  Quaedam  de  ovariis  embryonum  et  f oetuum 
humanonim.  Lipsiae,  1802.  Er  beschrieb  die  Epoophora  (das  Eosen- 
müller sehe  Organ)  und  betrachtete  sie  als  homolog  dem  Nebenhoden. 
Es  wurde  dann  von  vielen  studiert,  aber  die  beste  Erklärung  dieses  Organs 
als  eines  Ausflusses  oder  einer  Endigung  des  Wolff  sehen  Körpers  gab 
W.  Waldeyer  (Berlin),  Eierstock  und  Ei.  Leipzig,  1870.  S.  142,  143, 
Tafel  VI,  Fig.  59,  60. 

^)  L.  Concatou.  C.  Taruffi,  Cisti  ossea  del  parovario  sinistro.  Eiv. 
Clin,  di  Bologna,  1871,  Aprile  e  Maggio,  No.  4,  5,  p.  105.  —  E.  Kleb  s ,  Patho- 
logische Anatomie,  II.  Abschn.     Berlin,  1876.  p.  840. 

^)  L.  Mazzotti,  Cistoma  colloide  del  parovario  sinistro.  Bullet,  d.  Sc. 
med.  Bologna,  1879.  Ser.  6,  Vol.  III,  p.  45. 

^)  Eob.  Meyer,  Über  die  Genese  der  Cyst-Adenome  und  Adeno-Myome 
des  Uterus.    Zeitschr.  für  Geburtsh.  und  Gynäkol.  1890,  Bd.  37,  H.  2. 


—    51    — 

dehnung  von  Follikeln  entstehen  (s.  Beob.  145).  Aber  schon 
vorher  und  nachher  haben  andere  über  ähnliche  Fälle  berichtet, 
die  sie  Erweiterungen  der  Wolff sehen  Gänge  zuschrieben 
(s.  Greef,  Beob.  111  und  112  und  Gangitano)i).  End- 
lich führen  wir  Klein  an 2),  der  über  eine  Beobachtung  von 
Palm  berichtet  (s.  Beob.  144),  eine  Cyste  des  Hymens  betreffend, 
die  er  von  dem  äussersten  Teile  des  Gärtner  sehen  Ganges 
herleitet.  Diese  Ansicht  verlangt  neue  embryologische  Studien, 
wie  sie  auch  die  Cysten  des  letzten  Teils  der  Scheide  ver- 
langen (s.  pag.  32). 


^)  F.  Gangitano,  Delle  cisti  della  vagina  da  residui  dei  dotti  di 
Wolff.    II  Policlinico  (Supplem.).  Eoma,  1898.  A.  IV.  No.  49,  p.  1271. 

2)  G.  Klein  (München),  Die  Geschwülste  der  Gärtner  sehen  Gänge. 
Virchows  Archiv,  1898.  Bd.  134,  S.  63.    Siehe p.  78  und  die Bibüographie. 


Noten  zu  dem  ersten  Teile. 

Der  anatomische  Hermaphrodismus. 

Note  la.   Hermaplirodismus  der  spezifisclien  (xesclileclits- 

drüsen. 

(Echter  Hermaphrodismus.) 
A.   Beim  Menschen. 

Beobachtung  1.  Salvatore  Morand,  D  e  l'lierm  aphroditism  e.  Theme. 
Paris,  1746. 

Die  Beobachtung  stammt  von  S  u  e.  Es  handelt  sich  um  einen  13  jährigen 
Knahen,  der  einen  Hoden  rechts  und  ein  Ovarium  links  hatte. 

Beoh.  2.  Hugues  Maret,  Beschreibung  einesHermaphroditen. 
Mem.  de  l'Acad.  de  Dijon.  T.  II,  p.  157,  1767.  —  Marc,  Dict.  des  sc.  med. 
Paris,  1817.  T.  XXI,  p.  105.     Art.  Hermaphrod. 

Individuum  von  18  Jahren,  im  Hospital  gestorben,  mit  zartem  Gesicht, 
ohne  Spur  von  Bart,  hatte  eine  Rute  mit  Glans  und  Praeputium.  Unter 
der  Eute  befand  sich  ein  Spalt,  von  zwei  grossen  Schamlippen  umgeben, 
von  denen  jede  einen  Körper  enthielt.  Zwischen  den  Nymphen  öffnete  sich 
die  Urethra,  und  darunter  befand  sich  eine  halbmondförmige  Membran,  die 
für  das  Hymen  gehalten  wurde. 

Bei  der  Sektion  erkannte  man,  dass  die  Rute  entschieden  ein  Penis 
war,  aber  nicht  durchbohrt,  und  dass  der  Hode  im  linken  Labium  sich  in 
einen  Nebenhoden  und  einen  Canalis  deferens  fortsetzte,  der,  wie  gewöhnlich, 
das  Sperma  enthaltende  Samenbläschen  erreichte.  Im  rechten  Labium  fand 
man  nichts,  dagegen  im  entsprechenden  Leistenringe  einen  Körper,  der  als 
ein  kleiner  Uterus  erkannt  wurde,  rechts  mit  einer  echten  Trompete  ver- 
sehen, die  mit  ihrem  Pavillon  ein  Ovarium  umfasste. 

Diese  Beobachtung  wird  ausführlich  von  Paul  Mahon  angeführt. 
Medecine  legale,  T.  I,  Paris,  1802.     Ital.  Übers.   Mailand,  1804,  S.  86. 

Beob.  3.  Varole  (erster  Hilfsarzt  des  Hotel-Dieu  in  Paris)  in  Pinel, 
Mem.  de  la  soc.  med.  d'emulation.  Paris,  A.  VIII  (1799),  p.  342.  —  Varoc- 
1er,  in  Is.  G.  St.  Hilaire,  Des  anomalies.    T.  II,  p.  138.    Paris,  1836, 

In  der  Leiche  eines  18  jährigen  Jünglings  war  das  Sero  tum  in  zwei 
Lippen  geteilt;  in  der  einen  fand  sich  der  Hode  mit  Ductus  deferens.  Im 
Innern  fand  man  einen  abgeplatteten  Uterus,  von  dem  eine  Trompete  ent- 
sprang, an  deren  Ende  ein  Ovarium  lag. 


—    53    — 

Beob.  4.  J.  Christ.  Stark,  Neues  Ar  eh.  für  GeburtsLetc.  Jena, 
1803,  Bd.  II,  S.  544 

Er  sah.  einen  27iährigen  Mann  mit  Hypospadie,  der  einen  Uterus  mit 
einem  Hoden  [am  Ende  der  rechten  Trompete  aufwies,  links  ein  ganz  mit 
dem  Peritoneum  bekleidetes  Ovarium. 

Beob.  5.  Schrell,  Med.  chir.  Ar  eh.  von  Schenk.  T.  I,  Wien,  1801. 
Angeführt  bei  St.  Hilaire,  Des  anomalies.     T.  II,  p.  165.    Paris,  1836. 

Ein  neunmonatlicher  Fötus  mit  Penis,  Hoden  und  Ductus  deferentes, 
hatte  unter  dem  Penis  eine  kleine  Vulva,  die  zur  Vagina  und  zu  dem  rudi- 
mentären Uterus  führte.  Der  Uterus  war  mit  Trompeten  und  unvollkommen 
entwickelten  Ovarien  versehen.  Nichtsdestoweniger  waren  die  beiden  Ge- 
schleehtsapparate  vollständig. 

Dieses  Faktum  wird  von  Klebs  und  Ahlfeld  bezweifelt  (S.  249). 

Beob.  6.  C.  M.  Rudolphi  (Stockholm),  Beschreibung  einer  sel- 
tenen menschlichen  Zwitterbildung.  In  Abh.  der  K.  Akad.  d. 
Wiss.  zu  Berlin,  1825.  p.  45.  Mit  3  Tafeln.  —  Frorieps  Notizen, 
Weimar,  1825.  Bd.  X,  No.  7.  —  Bullet,  des  sc.  med.  Paris,  1831.  p.  288. 

Ein  Fall  von  seitlichem  Hermaphrodismus  bei  einem  Kinde  von  7  Wochen. 
Eeehts  ein  Ovarium  und  eine  Trompete,  die  mit  der  linken  Seite  des  Uterus 
zusammenhing.  In  dem  rechten  Teile  des  Scrotums  ein  Hode  mit  Neben- 
hoden und  Can.  deferens.  Der  Uterus  setzte  sieh  in  eine  am  Ursprung 
blinde  Scheide  fort,  und  unter  dem  Uterus  ein  für  die  Prostata  gehaltener 
Körper.  Äusserlich  sah  man  die  männlichen  Organe,  nur  dass  der  Penis  sich 
nach  unten  teilte. 

Beob.  7.  Laumonier  in  Beclards  Dict.  des  sc,  med.  Paris,  1817. 
T.  XXI,  p.  211.  —  Is.  G.  St.  Hilaire:  Des  anomalies.  T.  II,  Paris, 
1836,  p.  158. 

Man  sah  einen  nicht  durchbohrten  Penis  oder  eine  Clitoris,  einen 
scrotalen  Spalt,  und  an  dessen  Seiten  zwei  durch  die  Hoden  hervorgebrachte 
Erhöhungen.  Die  anatomische  Untersuchung  zeigte,  dass  von  den  Hoden 
zwei  D.  deferentes  ausgingen,  die  sieh  an  den  Uterus  ansetzten.  Ausser- 
dem bestand  eine  Vagina,  zwei  Ovarien  und  zwei  Trompeten,  die  vom  Ute- 
rus entsprangen. 

Beob.  8.  A.  F.  Mayer,  Caspers  Wochensehr.  fürHeilk.  Berlin, 
1835.  No.  50,  Bd.  IIL  —  Gaz.  med.  de  Paris,  1836,  p.  609.  — 
Heppner,  Eeicherts  Ar  eh.  1870,  p.  687. 

Maria  Dorothea  hatte  männlichen  Habitus,  Penis  mit  Hypospadie, 
Serotum  geteilt,  ohne  Hoden.  Bei  der  Sektion  fand  man  die  Prostata,  die 
Vagina,  den  Uterus  nicht  durchbohrt,  mit  Trompeten,  rechts  einen  Hoden 
mit  Samenkanälchen,  links  einen  dem  Ovarium  ähnlichen  Körper,  bestehend 
aus  Granulationen  und  Zellhaufen,  so  dass  er  mehr  einem  Ovarium,  als 
einem  Hoden  ähnlich  war.    Prostata  vorhanden. 

Beob.  9.  Ar.  Ad.  Bertliold,  Über  seitliche  Zwitterbildung 
(Herm.  lateralis)  bei  Menschen  beobachtet.  Abh.  K.  Ges.  d. 
Wissenschaft,  zu  Göttingen.  Bd.  II,  1844,  p.  104.  —  Aug.  Förster, 
Missbildungen,  Text  S.  156,  Tafel  XXI,  Fig.  13—15. 


—     54    — 

Penis  mit  Hypospadie,  Scrotum  mit  Hoden  rechts  und  D.  deferens. 
Links  Vagina  mit  einhörnigem  Uterus,  mit  Trompete,  Ovarium  und  Paro- 
varium.  Das  Ovarium  rudimentär,  wie  gewöhnlicli.  Die  Abbildungen  sind 
von  Ahlfeld  wieder  abgedruckt,  Op.  cit.  Tafel  39,  Fig.  12 — M. 

Beob.  10.  W.  Vrolik,  Hypospadia  cum  hermaphroditismo. 
Tabulae  ad  illustrandam  embryogenesin,  etc.  Amstelodami, 
1849,  Tab.  94,  95. 

Penis  mit  Hypospadie,  in  dem  zwei  Durchbohrungen  waren ;  durch  die 
obere  gelangte  man  in  die  Blase,  durch  die  andere  in  den  Genitalkanal 
(Vagina,  Uterus).  Eechts  vom  Uterus  fand  man  einen  abgemagerten 
Hoden,  dessen  D.  deferens  in  die  Scheide  mündete.  Am  hinteren,  unteren 
Teil  des  Hodens  ein  dem  Ovarium  ähnlicher  Körper,  mit  Plexus  pampini- 
formis.  Auf  der  linken  Seite  sah  man  dasselbe,  aber  weniger  deutlich, 
mit  dem  Unterschied,  dass  der  D.  deferens  in  den  betreffenden  Winkel  des 
Uterus  mündete. 

Beob.  11.  E.  Follin,  Gas  remarquable  d'hermaphroditi  sme 
lateral  (alternant).  Gaz.  des  hopit.,  Paris,  1851,  No.  140,  p.  561.  —  L.  Lefort, 
Des  vices  de  conformation  etc.,  Paris,  1863,  p.  183. 

Hypospadie  mit  gespaltenem  Scrotum.  Vagina  und  Uterus  mit  den 
Trompeten  vorhanden.  Die  linke  Trompete  stieg  in  das  Scrotum  hinab 
zugleich  mit  einem  Hoden.  Eechts  entsprang  vom  Uterus  ausser  der  Trom- 
pete ein  Strang,  der  in  eine  Cyste  ausging,  die  in  der  Leistengegend  lag. 
Die  Cyste  wurde  für  den  Vertreter  des  Ovariums  gehalten. 

Die  Beobachtung  wird  von  Heppner  und  Pozzi  bestritten.  Das 
Präparat  befindet  sich  im  Musee  Dupuytren,  No.  267. 

Beob.  12.  L.  H.  C.  Barkow,  Anatomische  Abhandlungen.  Mit 
10  Taf .  Breslau,  1851  ,p.  60.  —  Cannstatts  Jahresb.  für  1851,  Bd.  1,  p.  201. 

Echter  seitlicher  (nachPerls  alternierender)  Hermaphrodismus.  Ver- 
heirateter Mann.  Der  Penis  mit  totaler  Hypospadie,  die  Prostata  von  der 
Scheide  durchbohrt,  ohne  Mündung  der  D.  ejaculatorii.  Die  Vagina  setzte 
sich  in  den  Uterus  fort,  welcher  umgekehrt  in  der  rechten  Hälfte  des 
Scrotums  lag.  In  diesem  fand  sich  auch  ein  Ovarium  ohne  Follikel,  ein 
Hode  mit  Samenkanälchen  und  der  Conus  vasculosus.    Das  V.  deferens  fehlte. 

Beob.  13.  Bannon,  Dublin  Journ.  Vol.  XIV,  1852,  p.  73.  —  Can- 
statts  Jahresbericht  für  1852.  Bd.  IV,  p.  33. 

Leiche  eines  26  jährigen  Mannes  mit  vorwiegend  männlichem  Habitus. 
Penis  undurchbohrt.  Es  fehlen  die  Prostata,  die  Samenbläschen  und  die 
Coop  er  sehen  Drüsen.  Dagegen  waren  da  Labia  majora,  Nymphen,  eine 
Scheidenöffnung  mit  Hymen,  Scheide  und  Uterus.  Dieser  zeigte  nur  rechts 
eine  fallopische  Trompete,  die  mit  ihren  Fimbrien  das  Ovarium  bedeckte, 
während  links  ein  faseriger  Strang  entsprang,  der  in  einen  Hoden  mit 
Nebenhoden  und  Can.  deferens  ausging,  der  das  CoUum  uteri  durchbohrte. 
Die  Ovarien  zeigten  keine  Graafschen  Follikel,  der  Hode  hatte  wohl 
Kanälchen,  aber  keine  Spermatozoon.  Die  beiden  Organe  wurden  nach  der 
mikroskopischen  Untersuchung  beurteilt. 


—     55     — 

Beob.  14.  Blackmann,  On  liermaphroditism,  with  anaccount 
of  two  remarkable  cases.  Americ.  Journal  of  med.  sc.  Vol.  26,  July 
1853,  p.  66.  —  Journ.  de  connaiss.  medic.  1853,  p.  4:79  (falsche 
Citation).  —  Caastatts  Jahresber.  für  1853,  Bd.  IV,  p.  12.  Nach,  dem 
Eeferate  H.  Müller. 

Ein  Individuum  von  36  Jahren  mit  Bart,  männlicher  Gestalt,  grossem 
Penis,  leerem  Scrotum,  fühlte  Abneigung  gegen  Weiber  und  gab  monatlich 
Blut  von  sich  mit  starken  Schmerzen  im  Penis.  In  der  Leiche  fand  man 
einen  Uterus  mit  Scheide,  die  in  die  Blase  mündete,  in  der  sich  Menstrualblut 
befand.  Der  Uterus  hatte  seitlich  zwei  Kanäle,  die  in  Fimbrien  endigten, 
von  denen  zwei  ovale  Körper  herabhingen.  Sie  wurden  gehalten  durch  die 
Hoden  (mit  D.  deferentes)  und  zwei  Knoten,  die  man  für  Ovarien  hielt. 
Es    handelte    sich    also    wahrscheinlich    nur   um   Drüsen-Hermaphrodismus. 

Beob.  15.  Konr.  Gramer,  Ein  Fall  von  Herrn aphrodismus  late- 
ralis. Inaug.-Diss.  Zürich,  1857,  mit  Tafel.  —  Hermann  Wleyer  (Zürich), 
Virchows  Arcliiv  1857.    Bd.  XI,  p.  420. 

Ein  Neugeborener  mit  Hypospadie.  Die  Urethra  ist  umgeben  von  der 
Prostata,  in  welche  die  Scheide  mündet.  Auch  ein  Uterus  ist  da  mit  zwei 
Trompeten  und  zwei  Ligamenta  rotunda,  von  denen  das  rechte  in  einen 
Hoden,  das  linke  in  ein  Ovarium  endigt.  Bei  mikroskopischer  Beobachtung 
ergaben  diese  beiden  Organe  kein  befriedigendes  Eesultat. 

Beob.  16.  Wenzel  L  Gruber,  Über  den  seitlichenHermaphro- 
dismus  eines  22jährigen  Menschen.  Mem.  de  l'Acad  imp.  des  sc. 
de  St.  Petersbourg,  1859,  T.  1,  No.  13. 

In  der  Leiche  eines  22  jährigen  Jünglings  fand  man  einen  nicht  durch- 
bohrten Penis,  einen  Sinus  urogenitalis,  eine  Urethra,  eine  Scheide  und 
einen  Uterus.  Links  von  diesem  Organ  befand  sich  die  Trompete  mit 
dem  Rosanmü  Her  sehen  Organ  und  ein  Ovarium  mit  Krebs.  Rechts  ein 
kleiner  Hode  mit  Samenkanälen,  Nebenhoden  nnd  Vas  deferens,  dessen 
Ende  man  nicht  fand. 

Beob.  17.  Ar'ihur  Durham,  Guy's  hospital  reports,  1860,  Ser.  3a, 
Vol.  VI,  p.  424.     Citiert  von  H  e  p  p  n  e  r. 

Leiche  eines  Mannes  von  25  Jahren,  von  weiblichem  Habitus,  ohne 
Bart,  mit  breiten  Hüften,  entwickelten  Brüsten.  Penis  klein,  Glans  ent- 
blösst,  Harnröhrenöffnung  unter  der  Glans.  Scrotum  klein,  Hoden  verbunden 
mit  harten  Körpern,  die  der  Verfasser  für  verfettete  Ovarien  hält.  Unvoll- 
kommene, ungenügende  Beobachtung,  da  nicht  einmal  gesagt  wird,  ob  der 
Uterus  Trompeten  hatte,  oder  nicht. 

Beob.  18.  H.  G.  Rawdon,  Description  ofacase  of  trueherma- 
phroditisme,  with  remarks.  Liverpool  med.  and.  surg.  report,  1867, 
V.  I,  p.  39  (Fall  von  echtem  Hermaphrodismus). 

Beob.  19.  H.  N.  Avery,  A  genuine  hermaphrodite.  With  Ope- 
ration for  removal  of  a  testicle.     New- York,  1868. 

Beob.  20.  C.  L.  Heppner  (St.  Petersburg),  Über  den  wahren 
Hermaphrodismus  beim  Menschen.  Arch.  für  anat.  Physiol.  und 
wissensch.  Mediz.    Leipzig,  1870,  p.  679-717. 


—     56     — 

Kind  von  zwei  Monaten,  Scrotum  und  Penis  mit  Hypospadie.  Die 
Uretüra  stand  in  Verbindung  mit  Blase  und  Scheide.  Uterus,  Trompeten 
und  Ovarien  waren  normal.  In  Verbindung  mit  dem  Parovarium  war  jeder- 
seits  ein  drüsiger  Körper,  den  Verfasser  für  einen  Hoden  hielt,  da  er 
Drüsengänge  mit  straliHgem  Verlauf  entliielt,  die  sich,  nach  dem  Ileum  zu 
in  Gestalt  von  Kanälen  vereinigten.     C.  deferentes  fehlten. 

Beob.  21.  Arrigo  e  Fioriani,  Una  donna-uomo.  Ann.  univ.  di  med. 
Milano,  1879,  Vol.  247,  p.  221. 

In  der  Leiche  eines  68jährigen  Mannes  fanden  sie  am  Penis  eine 
Schleimfurche  statt  der  Urethra,  deren  ÖfEnung  an  der  "Wurzel  war.  Nach 
imten  befand  sich  die  Vulva  und  zwei  Labia  majora,  von  denen  jede  einen 
atrophischen  Hoden  enthielt.  Aus  der  Vulva  gelangte  man  in  die  Vagina, 
und  die  Sektion  fand  auch  den  Uterus  von  jungfräulicher  Form  mit  Trom- 
peten und  Ovarien. 

Beob.  22.  H.  Klotz,  Extraabdominale  Histerocystoovario- 
tomie  bei  einem  (wahren)  Hermaphroditen.  Arch.  f.  klin.  Chir. 
1879,  Bd.  XXIV,  p.  454.  —  Jahresber.  für  1879,  p.  580  (15.)  —  Centralbl.  f. 
Chir.    1886,  Heft  1,  p.  15. 

In  der  Klinik  von  Billroth  wurde  ein  Mann  mit  Hypospadie  aufge- 
nommen, der  in  der  ersten  Hälfte  des  Scrotums  ein  Uterus-Horn  hatte,  das 
durch  einen  Gang  mit  einer  Cyste  in  Verbindung  stand,  die  für  ein  Ovarium 
gehalten  wurde.  In  der  linken  Hälfte  war  ein  Hode  mit  Nebenhoden. 
Innerlich  fand  man  einen  männlichen  Uterus  mit  der  Scheide,  die  in  die 
Urethra  mündete.     Sinus  uro-genitalis. 

Beob.  23.  P.  Gast,  B  eitrag  zur  Lehre  von  der  Bauch-Blasen - 
genitalsp  alte  und  von  dem  Herrn  aphrodismus  verus.  Inaug.- 
Dissert.  Berlin-Greifswald,  1884.  Citiert  von  G.  Herrmann,  Dict.  encycl. 
de  Paris. 

Ein  Totgeborener  mit  Eventration,  vesicaler  Ektopie,  nasaler  Atresie, 
Spina  bifida.  Er  zeigte  äusserlich  einen  Penis  mit  der  Urethra  und  zwei 
Falten,  die  das  Scrotum  andeuteten.  Innerlich  hatte  er  einen  Uterus 
didelphus,  mit  Trompete  und  Ovarium  links,  und  nahe  dabei  einen  Hoden 
mit  seinem  Gubernaculum.  Der  andere  halbe  Uterus  zur  Hechten  hatte 
eine  ziemlich  lange  Trompete  mit  einem  Ligamentum  latum  ohne  Spur  von 
Geschlechtsdrüsen.  Die  mikroskopische  Untersuchung  bestätigte  die  Natur 
der  links  liegenden  Drüsen. 

Beob.  24.  Fowler,  True  hermaphroditism.  Am  er.  Journ.  of 
Obstetr.,  New- York,  1887,  p.  423. 

Hermaphrodit,  der  durch  den  Penis  menstruierte.  Bei  der  Sektion 
fand  man  Ovarien  und  Hoden,  untersuchte  aber  nicht  mikroskopisch. 
Dieser  Fall  ist  von  Orth  zu  den  bilateralen  Hermaphroditen  gestellt  worden. 

Beob.  25.  6.  Schmorl  (Assistent  in  Leipzig),  Ein  Fall  von  Herm- 
aphrodismus.     Virchows  Arch.  1888.  Bd.  113,  p.  229. 

Seitlicher  alternierender  Hermaphrodismus.  Die  Gesclüechtsdrüsen 
waren   nicht   hinreichend    entwickelt.     Die    rechts    liegende   Drüse    ähnelte 


—     57     — 

einem  Hoden,  der  linke  einem  unreifen  Ovarium.  Ein  Uterus  war  vorhanden, 
die  Scheide  fehlte. 

Beob.  26.  N.  Oboloscki,  Beiträge  zur  pathologischen  Ana- 
tomie des  Hermaphrodismus  hominis.  Prag.  Zeitschr.  für  Heilk. 
1888,  Bd.  IX,  H.  2. 

Zwei  Fälle  von  Hermaphrodismus.  Bei  dem  einen  handelte  es  sich  um 
einen  12jährigen  Knaben  mit  zweideutigen  äusseren  G-eschlechtsorganen. 
Innerlich  fand  sich  ein  kindlicher  Uterus  mit  einem  einzigen  Hörne,  das  sich 
in  die  linke  Trompete  fortsetzte;  auf  dieser  Seite  gab  es  auch  ein  Ovarium. 
Eechts  war  dagegen  ein  Hode  mit  Nebenhoden  und  Ductus  deferens  und  auch 
ein  Eudiment  der  fallopischen  Trompete.  In  dem  anderen  Falle  handelte  es 
sich  um  einen  falschen,  inneren  und  äusseren  männlichen  Hermaphrodismus. 

Beob.  27.  G.  F.  Blanker  und  T.  W.  P.  Lawrence,  Acase  of  true  uni- 
lateral hermaphrod  itism  with  ovotestis  occuring  in  man, 
with  a  summary  and  criticism  of  the  recorded  cases  of  true 
hermaphroditism.  Transact.  of  the  obstetr.  soc.  of  London,  Vol.  38, 
p.  265,  1897.  Mit  4  Tafeln,  den  Bau  des  Ovariums  und  des  Hoden  darstellend 
und   mit    einem  Verzeichnis   von   39  Fällen  von   echtem   Hermaphrodismus. 

Die  Autoren  liefern  ausser  dem  eigenen  Falle  39  bibliographische  Cita- 
tionen,  die  sich  nicht  alle  auf  Fälle  beziehen,  sondern  auf  Monographien: 
Ahlfeld  (1880),  Debierre  (1891),  Förster  (1865),  Laurent  (1894),  Lilienfeld  (1856). 
Sie  schweigen  von  den  Beobachtungen  von  Morand  (1716),  von  Jacobi  (1818), 
von  Laumonier  (1817),  von  Follin  (1863),  von  Rawdon  (1867),  von  Vensen 
(1868),  von  Sangalli  (1876),  von  Hofmann  (1877),  von  Dohrn  (1883). 

B.  Bei  Tieren. 

Beob.  28.  Francisous  de  Paulla  Bedinelli  (Fanensis),  Nupera  per- 
fectae  androgynae  structurae  observatio.    Pisauri,  1755,  in  16^. 

Böckchen  mit  Penis  und  Hoden.  Ausserdem  hat  es  eine  enge  Vulva, 
Scheide,  Uterus  und  Blase  waren  normal.  Es  zeigte  zwei  Urethren,  die  aus 
einer  einzigen  Blase  entsprangen.  Die  eine  Urethra  erreichte  die  Spitze 
des  Penis,  die  andere  mündete  in  die  Vagina,  nahe  an  der  Mündung  des 
Uterus.  Der  Zweifel  Hallers  ist  nicht  berechtigt:  „Memorabilis  observatio, 
si  plenam  iidem  meretur.",  noch  auch  das  Urteil  Is.  G.  St.  Hilaires,  die 
Beobachtung  sei  unrichtig,  denn  sie  spreche  ebenso  viel  von  der  Clitoris, 
als  vom  Penis,  meine  aber  die  erste  bei  Beschreibung  der  äusseren  Teile, 
hinzusetzend,  dass  sie  ungeheuer  gross  gewesen  sei.  Dann  spreche  sie  von 
der  Gegenwart  des  Penis  bei  Beschreibung  der  anatomischen  Eesultate,  so 
dass  nach  aUer  Wahrscheinlichkeit  der  erste  Eindruck  von  einer  Clitoris  sich 
dann  in  die  Gewissheit  eines  Penis  verwandelt  habe. 

Beob.  29.  Paolo  Wlascagni  (Siena),  Storia  d'un  ermafrodito  della 
specie  bovin a.  Atti  dell'  Acc.  di  sc.  di  Siena,  1800,  T.  III,  p.  201.  — 
Gurlt,  Zweiter  Teil,  p.  195.    Androgynus  masculinus. 

Neunjähriger  Arbeitsstier,  der  vollständige  äussere  männliche  Organe 
besass;  nur  das  Scrotum  war  geschrumpft.  Der  Verf.  fand  zwischen  Blase 
und  Eectum  den  Uterus  und  die  Scheide,   die   in  die  Urethra  zwischen  den 


—     58     - 

beiden  Sainenkanälen  mündete,  während  sich  an  den  Seiten  des  Uterus  statt 
der  Ovarien  zwei  echte  Hoden  mit  ihren  D.  deferentes  befanden.  Er  fand 
jedoch  über  dem  linken  Hoden  einen  rundlichen  Körper,  ähnlich  einem  Ova- 
rium,  und  im  Scrotum  zwei  welke  Körper,  die  ebenfalls  Ovarien  ähnlich  waren. 

Beob,  30.  F.  Jacobi,  Dissertatio  de  mammalibus  hermaphro- 
ditis  altcrno  latere  in  sexum  contrarium  vergentibus. 
Berlini,  1818,  in  S». 

Beob.  31.  Anonym,  Brevi  cenni  su  di  un  neutro-capra.  Napoli, 
1829,  8",  con  due  tavole. 

Eine  Ziege  zeigte  unter  dem  After  eine  ovale  Öffnung  (Vulva),  die 
nach  unten  an  der  AVurzel  des  Penis  endigte.  Dieser  war  nach  hinten  ge- 
krümmt, ohne  Urethra,  mit  Präputium  versehen.  Diese  Ziege  hatte  Neigung 
zur  Copula  passiva,  und  wenn  sie  diese  nicht  befriedigen  konnte,  suchte  sie 
den  eigenen  Penis  in  die  Vulva  einzuführen.  Nach  Untersuchung  des  weib- 
lichen Geschlechts-  nnd  Harnapparats  fand  der  Verf.  sie  wohl  gebildet  (die 
Urethra  mündete  in  die  Vulva),  ausser  den  Hörnern  des  Uterus,  die  blind 
endigten,  indem  die  fallopischen  Trompeten  fehlten.  In  der  Abbildung  be- 
merkt man  ferner  die  Ovarien  an  der  gewöhnlichen  Stelle  und  Hoden  an  der 
Stelle  der  Pavillons  der  Trompeten,  von  denen  die  D.  deferentes  entsprangen. 
Diese  verliefen  zwischen  den  Platten  des  Peritoneums,  stiegen  dann  an  den 
Seiten  der  Vagina  bis  zu  deren  unterem  Ende  herab  und  mündeten  in  die 
Samenblasen,  die  ohne  Öffnung  waren.  An  dem  weiblichen  Apparate  fehlten 
also  die  fallopischen  Trompeten;  an  dem  männlichen  die  Urethra  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung. 

Beob.  31  bis.  Stefano  delle  Chiaie  (Napoli),  Su  d'un  neutro-capra 
0  bissessuale.  4*0^  Napoli,  1829.  Cod  due  tavole.  —  Miscellanea 
anatomico  pathologica.     Napoli,  1847,  T.  I,  p.  72,  Tab.  40,  Fig.  1,  2. 

Diese  Beobachtung  entspricht  der  vorhergehenden. 

Beob.  32.  Fr.  Schnophagen,  Hermap hrodismus  verus  bilate- 
ralis  bei  einer  Ziege.     Wiener  med.  Jahrb.,  1877,  H.  3. 

Bei  dieser  Ziege  fanden  sich  beiderseits  sowohl  Hoden,  als  Ovarien. 

Beob.  33.  Apelle  Dei,  Catalogo  del  Gabinetto  d'  Anatomia 
comparata  della  E.  Univ.  di  Siena.     Siena,  1886,  p.  126. 

Hermaphrodismus  lateralis,  beobachtet  an  einem  Hering  (Clupea  aren- 
gus  L.).  Der  Hode  befand  sich  rechts,  das  Ovarium  links,  und  war  kleiner 
als  der  Hode.  Beide  Organe  waren  nach  oben  und  der  Länge  nach  durch 
einen  dünnen  Kanal  verbunden,  der  vielleicht  ein  Blutgefäss  war,  und 
mündeten  durch  einen  feinen  Ductus  in  dieselbe  äussere  Öffnung. 

Beob.  34.  F.  A.  Smitt,  Desc  ription  d'un  hermaphrodite.  Arch. 
de  biolog.  beiges,  1882. 

Zu  Anfang  ist  das  Keimepithel  indifferent  und  die  Ausbildung  des 
Geschlechts  ist  ein  sekundärer  Vorgang,  der  bei  den  Fischen  bisweilen  lang- 
sam verläuft.  Man  findet  davon  Beispiele  unter  den  Geschlechtern  Chryso- 
phrys  und  Serra.nus  (Teleostier).  Bei  dem  Genus  Bufo  entwickelt  sich  neben 
dem  Hoden  ein  rudimentäres  Ovarium.  Bei  den  Serrani  ist  die  Spezifikation 
zum  Teil  doppelt,  weil  ein  Teil  der  Epithelzellen  sich  zu  männlichen  Ele- 
menten umbildet,  ein  anderer  in  Eier. 


—    59    — 

Beob.  35.  v.  Kölliker,  Über  einige  Fälle  von  Hermaphrodis- 
mus  beim  Schweine.  Comptes  rend.  du  Congr.  period.  internat.  des 
sc.  med.     T.  I,  Copenhagen,  1884. 

Hermaphrodismus  lateralis  und  äussere  Geschlechtsteile  weiblich.  Diese 
Beobachtung  hat  J.  Keuter  als  Thesis  seiner  Inaug.-Dissert.  gedient.  Würz- 
burg, 1884. 

Beob.  36.  Bonnet,  Hermaphrodismus  transversalis  bei 
einem  Eind.    Münchner  Jahresber.,  1884,  p.  96. 

Beob.  37.  Jos.  Reuter,  Ein  Beitrag  zur  Lehre  vom  Herma- 
phrodismus (drei  Zwitterbildungen  beim  Säugetier,  darunter  ein  Fall  von 
Herm.  verus  lateralis).  Verhandl.  d.  physik.  med.  Gesellsch.  zu  Würzburg, 
1885.     N.  F.  Bd.  XIX,  p.  13,  60. 

Die  drei  Schweine  waren  Abkömmlinge  derselben  Sau.  Bei  der  einen 
fand  sich  alternierender  Hermaphrodismus,  also  auf  einer  Seite  der  Hode, 
auf  der  anderen  das  Ovarium,  wie  in  dem  Falle  von  Gast  beim  Menschen. 
Ein  anderes  Schwein  von  zwei  Monaten  hatte  einen  rudimentären  Penis,  und 
unter  ihm  mündete  der  ziemlich  weite  Ductus  utero-vaginalis.  Der  Uterus 
hatte  zwei  Hörner,  die  sich  in  die  Trompeten  fortsetzten.  An  dem  abdomi- 
nalen Ende  der  linken  Trompete  hing  das  Ovarium  mit  vielen  Follikeln.  Im 
rechten  Ligamentum  latum  befand  sich  ein  Hode  mit  Nebenhoden  von  nor- 
malem Bau.  Auf  derselben  Seite  endigte  die  Trompete  nahe  am  Schwänze 
des  Nebenhodens.  Prostata  und  Samenblasen  fehlten.  Diagnose:  Hermaphr. 
altern  ans. 

Er  bringt  ferner  18  Beobachtungen  von  Hermaphrodismus  verus  beim 
Menschen. 

Beob.  38.  C,  H.  Debierre,  Note  sur  un  merlan  (Weissfisch). 
Comptes  rend.  de  la  soc.  de  bioL,  1886,  Serie  8  a,  Tom.  IV,  No.  3. 

Beob.  39.  F.  Laulanie,  Sur  l'evolution  comparee  de  la  sexua- 
lite  dans  l'individu  et  dans  l'espece.  Comptes  rendus.  T.  101, 
p.  393.    Seance  du  3  Aoüt,  1885.    Soc.  de  BioL,  1887. 

Er  beschreibt  bisexuelle  Produktionen  sowohl  an  den  Ovarien,  als  an 
den  Hoden  bei  Vögeln  und  Säugetieren. 

Beob.  40.  Hermann  Pütz,  Ein  Fall  von  Hermaphrodismus 
verus  unilateralis  bei  einem  Schweine.  Deutsche  Zeitschr.  f. 
Thiermedizin.    Leipzig,  1889,  Bd.  XV,  p.  91. 

Er  fand  bei  einem  Schwein  auf  einer  Seite  einen  Hoden  und  ein  Ova- 
rium; auf  der  anderen  keine  Geschlechtsdrüse. 

Beob.  41.  L.  Guinard,  Hermaphroditisme  glandulaire  chez  un 
animal  de  l'espece  caprine.  Journ.  de  med.  veterin.  de  l'ecole  de  Lyon. 
JuUiet,  1890,  p.  326. 

Die  Ziege  hatte  eine  Vulva,  die  sich  nach  unten  verlängerte,  sie  war 
mit  einer  ziemlich  grossen  Clitoris  versehen,  die  den  Eintritt  in  eine  eben- 
falls entwickelte  Scheide  erlaubte.  Innerlich  fand  man  zwei  normale  Ovarien 
in  Verbindung  mit  dem  Ligam.  latum  und  mit  dem  zweihörnigen  Uterus, 
ferner  zwei  Hoden  von  der  Grösse  einer  Haselnuss  und  sehr  schlaff,  in  der 
Leistengegend  liegend.  Sie  hingen  am  Ligam.  latum  mittelst  einer  Art  von 
serösem    Frenulum   fest.      Die   Nebenhoden   fehlten,    aber   es   waren    zwei 


—     60     — 

Stränge  vorhanden,  die  von  den  Hoden  nach  der  Beckenhöhle  liefen  und 
dem  oberen  Eande  des  Uterus  innerhalb  der  Dicke  der  Ligam.  lata  folgten 
und  ganz  nahe  am  Blasenhalse  endigten.  Der  Verf.  erklärt  diese  Stränge 
für.  D.  deferentes.  Der  spezifische  Bau  der  einzelnen  Drüsen  wurde  mikro- 
skopisch bestimmt. 

Beob.  42.  C.  Benedictis,  Contributo  alle  studio  del  ermafro- 
ditismo.    Giom.  di  Veterin.  militare,  1893,  T.  VI,  p.  356. 

Bei  einem  Ochsen  fand  sich  ein  zweihörniger  Uterus,  Anhänge  des  Uterus 
(fallopische  Trompeten  und  Eierstöcke  mit  Graafschen  Follikeln),  Beste  der 
durch  Kastration  mittelst  endoscrotaler  Drehung  atrophierten  Testikel, 
Hodenstränge,  Penis,  Präputium  und  Scrotum. 

Die  Enden  der  Hörner  des  Uterus  setzten  sich  in  einem  fibrösen  Strang 
fort  bis  zu  der  Stelle,  wo  sich  die  Hoden  im  Scrotum  hätten  finden  müssen. 
Diese  Hoden  wurden  rechts  durch  einen  formlosen  Haufen  von  Fett,  links 
durch  einen  von  Fett  umgebenen  Kern  von   kreidiger  Substanz   dargestellt - 

Der  untere  Teil  des  Uterus  zeigte  das  Os  tincae,  hing  äusserlich  an  der 
Blase  fest  und  mündete  in  den  Blasenhals.  Folglich  fehlten  die  Vagina, 
die  Samenblasen  imd  die  Ductus  ejaculatorii.  Die  äusseren  Geschlechts- 
organe (Penis,  Präputium,  Scrotum  etc.)  waren  für  einen  Ochsen  normal 
gebildet. 

Die  beim  Schlachten  gemachten  Zerstörungen  Hessen  den  Verf.  über 
mehrere  Punkte  in  Ungewissheit. 

Beob.  48.  A.  Boswald,  Über  Hermaphrodismus.  Tierärztl.  Heil- 
kunde, 1894,  Jahrg.  XVII,  p.  305.  —  J.  Otto  Duschanek,  Hermaphro- 
dismus beim  Schweine.     Tierheilk.,  1894,  Jahrg.  XVII,  p.  224. 

Beob.  44.  W.  Gart,  Zwei  Fällevon  Hermaphr.  verus  bei 
Schweinen.  Beitr.  zu  der  Lehre  von  der  Zwitterbild,  bei  Säugetieren. 
Giessen,  1894.     Mit  2  Tafeln. 

Ein  Schwein  hatte  auf  beiden  Seiten  hermaphr.  Drüsen  (die  Spermato- 
zoen  fehlten).  Ein  zweites  Schwein  zeigte  dasselbe  nur  auf  einer  Seite,  auf 
der  anderen  war  die  Drüse  bei  der  Kastration  entfernt  worden. 

Beob.  45.  P.  Metrophanow,  Un  cas  d'hermaphroditisme  chez 
la   grenouille.     Bibliographie  anatomique,  1894,  Jan  vier. 

Beob.  46.  Frank  J.  Cole,  A  case  of  hermaphroditism  in  Eana 
t  e  m  p  0  r  a  r  i  a.  Anat.  Anzeiger ,  Jena,  1896,  Bd.  XI,  p.  104.  4  Fig.  Mit 
Bibliogr. 

Beob.  47.  Fr.  Kopsch  und  L.  Szymoncwicz ,  Fall  von  Hermaphro- 
dismus verus  bilateralis  beim  Schweine.  Anatom.  Anzeiger,  Jena, 
1896,  T.  XII,  p.  6.  —  Anat.  Instit.,  Berlin,  1896,  Bd.  XII,  No.  6,  p.  129—139, 

Beob.  48.  E.  Becker,  Über  Zwitterbildung  beim  Schweine. 
Verhandl,  der  physik.  med.  Gesellsch.  zu  Würzburg,  1897,  T.  XXXI. 

Bei  einem  Schweine  fand  er  auf  einer  Seite  den  Hoden,  auf  der  anderen 
das  Ovarium. 


61 


Note  3a.    Hermaphrodismus  der  aplasischen  Greschleclits- 

drüsen. 

(Atrophisclier  oder  neutraler  Herrn aphrodismus.) 

Beob.  1.     P.  Ärtley  Cooper,  Guy's  kosp.  Eep.,  1840,  p.  243. 

Eine  Frau  von  86  Jahren  hatte  eine  ausserordentlich  lange  Clitoris, 
der  Eingang  zur  Scheide  fehlte  Ibei  unvollkommener  Entwickelung  der 
Ovarien. 

Beoh.  2.  Emilio  Emiliani  (Faenza),  Caso  di  supposto  ermafro- 
ditismo.    Bull.  sc.  med.  di  Bologna,  1862,  Ser.  4,  T.  XVIII,  p.  241. 

In  der  Leiche  einer  ledigen  Frau  von  80  Jahren  fand  der  Verf.  ein 
11  cm  langes  männliches  Glied  mit  Eichel  und  Präputium,  ohne  Frenulum 
(von  dem  aber  Spuren  vorhanden  vraren)  und  ohne  Urethra.  Er  sah  femer 
zwei  leere  Labia  majora,  aber  statt  der  Öffnung  der  Vulva  fand  er  nur  die 
der  Urethra.  Bei  der  Sektion  entdeckte  er  zwischen  Blase  und  Eectum  den 
Uterus,  6  cm  lang,  mit  Ligamentis  latis  und  rotundis,  der  sich  nach  unten 
in  die  Scheide  fortsetzte,  die  in  die  Urethra  mündete.  Vom  Uterus  gingen 
die  Trompeten  ab,  die  zwei  je  9  cm  lange  Stränge  bildeten  und  mit  dem 
Ende  an  einem  zungenförmigen,  aus  Zellen  bestehenden  Körperchen  fest- 
hingen.   Es  fehlten  Prostata,  Hoden,  Kanälchen  und  Samenblasen. 

Die  Frau  war  160  cm  hoch,  mit  männlichem  Habitus,  grossem  Kopf, 
vorspringendem  Larynx,  kleinen  Brüsten  mit  rudimentären  Drüsen,  ohne 
Mons  Veneris.  Sie  hatte  brünette  Haut,  schwarze,  starre  Haare  an  den 
Stellen,  wo  sie  sich  bei  Männern  finden,  die  aber  im  Gesicht  nicht  sichtbar 
waren,  weil  sie  im  Leben  den  Bart  abrasierte. 

Endlich  meinte  der  Verf.,  die  beiden  zungenförmigen  Körper  seien  im 
primitiven  Zustand  zurückgebliebene  Geschlechtsorgane,  die  sich  sowohl  in 
männliche,  als  in  weibliche  Organe  hätten  verwandeln  können;  doch  war  ein 
Vorwiegen  des  Weiblichen  anzunehmen. 

Beob.  3.  Nicodemo  Pacciotti  (Neapel),  Su  d'  una  mostruositä 
degli  organi  genitali  di  Giuseppe  Marzo.  Eendic.  della  E.  Acc. 
med.  chir.  di  Napoli,  1865.  T.  XIX,  F.  1,  p.  43.  Con  4  tavole  (troppo 
convenzionali) —  Luigi  de  Crecchio  (Napoli),  Sopra  un  caso  d'  appa- 
rasza  virite  in  una  donna.  II  Morgagni,  Napoli,  1865,  p.  151,  con 
2  tavole.  —  Canstatt's  Jahresber.  1865,  Bd.  IV,  p.  10. 

Die  Leiche  eines  Mannes  von  64  Jahren  war  1,50  m  hoch,  gut  gebaut, 
mit  dichtem  Bart  und  dichter  Behaarung  am  Pubes  und  Nabel,  mit  Penis 
von  gewöhnlicher  Grösse,  aber  mit  dem  ersten  Grade  von  Hypospadie  und 
(was  am  meisten  auffiel)  ohne  Scrotum,  ohne  Spur  von  Hoden,  mit  breitem, 
glatten  Perineum. 

Dieser  Mann  wurde  als  Weib  getauft,  aber  nach  4  Jahren  für  einen 
Mann  anerkannt  und  Giuseppe  genannt.  Zur  Pubertät  gelangt,  zeigte  er 
Haare  im  Gesicht,  die  später  dicht  wurden,  männlichen  Habitus  und  Neigung 
zum  weiblichen  Geschlecht.  Er  war  von  reizbarem  Charakter,  zum  Streiten 
geneigt,   sowie  zum  Müssiggang.    Er  nahm  Dienste  bei  mehreren  Familien, 


—     62    - 

zeigte  sich,  unbeständig  und  später  ernst;  schweigsam,  nachdem  er  von 
einem  Mädchen  verlassen  worden  war.  Von  seinem  späteren  Lehen  weiss 
man  nur,  dass-  er  sich  dem  Trunk  ergab,  und  dass  er  nachher  von  Diarrhöe 
ergriffen  wurde,  die  ihn  ins  Grab  brachte. 

Bei  der  Sektion  fand  man,  dass  der  Penis  mit  einer  Urethra  versehen 
war,  und  diese  mit  Bulbus  und  Prostata,  welche  drei  Öffnungen  hatte :  eine 
grössere,  die  in  die  Scheide  führte,  eine  zweite  kleinere,  die  mit  einem 
Samenbläschen  in  Verbindung  stand  und  eine  dritte,  die  in  einen  blind 
endigenden  Kanal  führte.  Die  Scheide  lag  zwischen  Darm  und  Rectum, 
und  die  Blase  setzte  sich  unmerklich,  zum  Uterus  fort.  An  der  Scheide 
hingen  zwei  Schleim  enthaltende  Samenblasen,  aber  ohne  Spermatozoen. 
Man  fand  keine  D.  deferentes,  und  auch  keine  Hoden. 

Endlich  war  der  Uterus  mit  fallopischen  Trompeten  und  Ovarien  ver- 
sehen, aber  nicht  mit  Ligam.  rotundis,  und  das  merkwürdigste  ist,  dass  in 
den  Ovarien  sich  keine  Reste  der  Corpora  lutea  befanden. 

Beob.  4.  Houze  d'Aulpoit,  Reflexions  teratologiques  medico- 
legales  au  sujet  d'un  hermaphrodite  neutre,  presentant 
plusieurs  arrets  de  formation  et  de  developpement.  Bullet, 
medic.   du  Nord.    Lille,  1867,  Ser.  2,   T.  II,  p.  180. 

Beob.  5.  Ä.  Tardieu,  Question  med.  legale  de  l'identite 
dans  les  rapports  avec  les  vices  de  conformation  des  or- 
ganes  sex u eis,  contenant  les  souvenirs  et  impressions 
d'un  individu,  dont  le  sexe  etait  meconnu.  Paris,  1872,  in  8°, 
1874  (2.  edit.). 

In  einem  der  von  dem  Verf.  angeführten  Fälle  erkannte  er  die  Not- 
wendigkeit, ein  neutrales  Geschlecht  anzunehmen. 

Beob.  6.  R.  Jacoby,  Zwei  Fälle  von  Hermaphroditen-Bild- 
ung.   Dissert.     Berlin,  1885.  —  Jahresber.  für  1885,  Bd.  I,  p.  285  (7). 

Verf.  nennt  den  ersten  Fall  (nach  Klebs)  Pseudo-Hermaphrodismus 
femininus  externus,  oder  Hypertrophie  der  Clitoris  (nach  Ahlfeld).  Verf. 
machte  eine  Operation,  um  der  Frau  den  ehelichen  Beischlaf  möglich  zu 
machen.  Er  teilte  die  zusammenhängende  Labia  minora  bis  zur  unteren 
Kommissur  und  untersuchte  dann.  Er  fand  keine  Ovarien  und  nur  einen 
atrophischen  Uterus. 

Beob.  7.  H.  Gimckel,  Über  einen  Fall  von  Pseudo-Herma- 
phrodismus femininus.  Diss.  Marburg,  1887.  —  Jahresber.  für  1887, 
Bd.  I,   p.  272  (4). 

Mann  von  48  Jahren,  äusserlich  von  männlichem  Aussehen,  aber  ohne 
Hoden.  Innerlich  fand  sich  ein  fleischiger  Uterus  mit  zwei  am  Ende  blinden 
Trompeten  und  zwei  kindlichen  Ovarien.  Auch  die  Vagina  war  vorhanden, 
die  sich  an  die  Prostata  ansetzte. 

Beob.  8.  Polaillon  (Paris),  Hermap hroditisme,  Gaz.  med.  de  Paris 
1887.     Ser.  7,  T.  IV,  18.  Juin,  p.  289.     Mit  Abb. 

Ein  unverheirateter  Mann  von  31  Jahren  mit  zarter  Konstitution, 
weiblicher  Stimme  und  Formen,  starb  an  einem  Leberabscess.  Er  hatte 
einen  rudimentären  Penis,  4  cm  lang,  mit  Urethralöffnung,  breitem  Becken 
wie   bei   einer    Frau   und  zwei  Labia   majora.     Zwischen  diesen  und  unter 


—     63     — 

dem  Penis  befand  sich  ein  kleines,  welkes  Scrotum  oline  Hoden,  und  unter 
diesem  keine  Öffnung,  die  einen  Scheideneingang  darstellte. 

Im  Ahdomen  zeigte  sich  weder  ein  Uterus,  noch  Trompeten,  noch 
Ovarien,  auch  kein  Bruchstück  der  Wolff sehen  Körper;  wohl  aber  die 
Harnblase  mit  der  Urethra,  aber  ohne  Samenblasen.  So  fehlte  jede  Spur 
von  Ovarien  und  Hoden,  und  Verf.  meinte,  es  handele  sich  um  einen  neu- 
tralen Hermaphroditen. 

Dieses  Urteil  ist  nur  eine  Vermutung,  denn  Verf.  bekennt,  dass  die 
Beobachtung  sehr  eilig  gemacht  wurde,  weil  die  Verwandten  nur  wenig  Zeit 
zur  Sektion  verstattet  hatten. 

Beob.  9.  WI.  A.  Walker,  A  case  ofpseudohermaphroditism. 
New- York,  Med.  Journ.  1894,  Oct.  6,  p.  434. 

Mann  von  24  Jahren  mit  Hypospadie,  ohne  Bart,  mit  gut  entwickelten 
Brüsten,  der  an  Epistaxis  litt  (vicarierend  für  Menstruation).  In  der 
Leiche  fanden  sich  Vagina,  Uterus  und  Ovarien  mehr  oder  weniger  rudi- 
mentär. (Das  Journal  „Teratologia"  von  London  sagt  nichts  über  das 
Scrotum). 


Note  3a.   Die  Drüsen  des  einen  CrescMechts  in  Yerl)indiing 
mit  sekundären  Teilen  des  anderen  Gesclileclits. 

(Ps  endo -Her  maphrodismus.) 

A.  — a.    Hoden  mit  Fortbestehen  von  Fragmenten  der  MüUerschen 

Kanäle. 

(MännlicherPseudo-Hermaphrodismus.) 

Beob.  1.  Jean  Louis  Petit  (Namur),  Acad.  K.  des  sc.  bist.  Annee. 
1720.    Paris  1722,  p.  29. 

Bei  der  Sektion  eines  Soldaten  bemerkte  man,  dass  im  Scrotum  die 
Hoden  fehlten.  Im  Abdomen  fand  man  einen  Uterus  hinter  der  Blase,  die 
in  die  Urethra  prostatica  mündete.  Der  Uterus  hatte  zwei  fallopische  Trom- 
peten, die  sich  an  zwei  eiförmige,  Hoden  ähnliche  Körperchen  ansetzten. 
Jeder  davon  hatte  eine  Art  von  Nebenhoden  und  einen  D.  deferens,  der  in 
das  betr.  Samenbläschen  mündete  und  dieses  in  die  Urethra. 

Beob.  2.  Giraud,  Conf  ormation  extraordinaire.  Eecueil period. 
de  la  Soc.  de  med.  de  Paris.  T.  11.  1797.  —  Mem.  de  la  Soc.  d'emulation, 
1798,  2me  edit.  p.  399. 

Weib  von  40  Jahren  mit  nicht  durchbohrtem  Penis  und  zwei  Hoden  in  zwei 
Hautfalten.  Unter  dem  Penis  drang  man  in  die  Vagina  ein,  in  welche  die 
Urethra  mündete.  In  der  Leiche  fand  man  weder  Uterus,  noch  Ovarien, 
wohl  aber  die  Prostata  mit  dem  Prostatabläschen,  in  das  die  D.  deferentes 
mündeten.     Auch  Samenbläschen  fanden  sich. 

Klebs  stellt  diesen  FaU  trotz  des  Vorhandenseins  der  Scheide  zu  den 
männlichen  äusseren  Pseudo-Hermaphroditen. 


—     64     — 

Beob.  3.  Vincenzo  Malacame  (Saluzzo),  Pseudo-ermafrodito. 
Mem.  di  mat.  e   di  fis.  della  Soc.  ital.     Modena,  1802,  T.  IX,  p.  109. 

Im  Perineum  eines  Mannes,  in  der  Höhe  von  2  ZoU  hinter  der  Blase 
fand  sich  ein  hügeliger,  innerlich  runzliger,  nach  dem  Rectum  gerichteter, 
mit  stinkendem  Talg  gefüllter  Körper,  der  jetzt  für  ein  Beispiel  eines  männ- 
lichen Uterus  gehalten  wird. 

Beob.  4  Jacobus  Fid.  Ackermann,  Infantis  androgyni  historia 
et  Iconographia.     Jena,  1805^     In  Fol.  cum  5  Tab. 

Ein  Kind  von  6  Wochen  hatte  Hypospadie  und  Scrotalspalt  mit  dem* 
Aussehen  einer  Vulva.  Über  der  Scheide  lag  ein  Uterus  in  Form  von  Cysten 
Die  Hoden  lagen  vor  den  Leistenringen,  mit  normalen  Samengängen. 

Beob.  5.  Schneider-Sömmering,  Kopps  Jahrb.  für  Staatsarzneik. 
8117,  Bd.  X.     Citiert  von  Arnold,  Virchows  Arch.  1869,  Bd.  47,  p.  22. 

Ein  Mann  mit  kurzem  Penis ,  an  dessen  Wurzel  sich  die  Urethra 
öffinete.  Das  Scrotum  war  geteilt  und  die  Hoden  ragten  in  der  Leisten- 
gegend vor.  Die  D.  deferentes  streiften  den  Grund  des  Uterus  masculinus 
und  öffneten  sich  in  den  Sinus  urogenitalis.  Man  fand  Samenblasen,  aber 
keine  Prostata. 

Beob.  6.  K.  G.  F.  R.  Leuckart  (Leipzig),  Illustr.  mediz.  Zeitschr. 
1817,  Bd.  I. 

Eine  vor  kurzem  verheiratete  Bäuerin  trennte  sich  vom  Gatten.  Sie 
starb  74  Jahre  alt.  Bei  der  Sektion  fand  man  nichts,  als  das  Rudiment 
einer  Scheide  in  Verbindung  mit  Samenbläschen  durch  zwei  Kanäle.  Im 
übrigen  nur  männliche  Charaktere. 

Beob.  7.  Georg  Steglehner,  De  hermaphroditorum  natura 
tractatus.     Bamberg  und  Leipzig,  1817,  p.  120. 

Ein  Mädchen  von  23  Jahren  hatte  vollständige  äussere  Geschlechts- 
teile und  Körperhabitus,  aber  männliche  Stimme  und  vorspringenden  Laryns. 
Bei  der  Sektion  fand  man  Fehlen  des  Uterus,  der  Trompeten  und  Ovarien, 
und  eine  sehr  enge  Scheide.  In  den  Weichen  fanden  sich  aber  Hoden  mit 
vollständigen  Samenwegen  und  zwei  D.  ejaculatorii,  die  sich  in  die  Scheide 
öffneten. 

Beob.  8.  Aug.  C.  Mayer  (Prof.  in  Bonn),  Fälle  von  Hermaphro- 
dismus.  Journ.  für  Chir.  und  Augenheilk.  T.  VIII,  p.  194,  1826.  — 
Icones  selectae  praeparationum  museianatomici.  Bonnae, 
1831.     S.  Bullet,  de  Ferussac,  1827,  T.  X,  p.  15. 

Bei  einem  Kinde  von  6  Monaten  mit  12  Linien  langer  Clitoris,  die 
unterhalb  durchbohrt  war,  und  aus  der  der  Urin  austrat,  so  dass  sie  für 
einen  Penis  mit  Hypospadie  gehalten  wurde,  mit  zwei  leeren  Falten  unter- 
halb, fand  Mayer  in  den  Leistenkanälen  zwei  den  Hoden  ähnliche  Körper; 
ausserdem  einen  Uterus  mit  fallopischen  Trompeten,  die  nach  der  Leisten- 
gegend gerichtet  waren  und  die  genannten  Körper  erreichten,  und  eine  Va- 
gina, die  unter  der  Clitoris  mündete.     Eierstöcke  fand  er  nicht. 

Beob.  9.  Giuseppe  Ricco,  Cenno  storico  su  d'un  neutro-uomo. 
Con  Tab.  Filiatre  Sebezio.  NapoU,  1832,  —  La  medicina  pittoresca.    Napoli, 


—     65     — 

1840,  p.  213.  —  Antonio  Grille  (Prof.  a  Napoli).  T.  IV.  Dell'  ermafro- 
dismo.    (Storia  della  fabbrica  del  corpo  umano).    Napoli,  1832,  Vol.  5,  p.  99. 

In  der  Leiche  einer  80 Jährigen  Frau  waren  die  äussern  Geschlechts- 
teile normal,  die  Scheide  war  ohne  Eunzeln  und  endigte  blind  nach  einer 
Länge  von  2  Zoll.  Ferner  fand  man  zwei  kaum  aus  den  Leistenringen  aus- 
getretene Hoden  mit  regelmässigen  D.  spermatici,  die  Can.  deferentes  gingen 
zu  den  Samenbläschen,  die  zwischen  Blase  und  Scheide  lagen.  Sie  endigten 
in  eine  häutige  Ausbreitung,  so  dass  Ductus  ejaculatorii  fehlten.  Es  war 
keine  Spur  vom  Uterus  vorhanden,  noch  von  Ligamenten,  Ovarien  oder  fallo- 
pischen  Trompeten. 

Beob.  9  a.  J.  G.  St.  Hilaire,  Gas  sing  ulier  et  paradoxal  d'her- 
maphroditisme,  observe  ä  Naples,  sur  un  sujet  octogenaire. 
Gaz.   med.    de  Paris,  1832,  T.  III,  p.  75. 

Er  erzählt  den  Fall  von  Gius.  Ricco  (Giorn.  della  due  Sicilie,  1832, 
23  Gen.).  Er  erzählt  auch,  dass  Klaret  (Mem.  de  l'acad.  de  Dijon,  T.  II) 
einen  ähnlichen  Fall  bei  einem  17jährigen  Burschen  publiziert  hat.  (Er 
sagt  nur,  dass  die  Ärzte  ungewiss  blieben.)  Dann  zeigt  er,  gestützt  auf 
die  vergleichende  Anatomie  und  auf  die  Veterinäre  Teratologie  die  Wahr- 
scheinlichkeit der  obigen  Beobachtung.  (Beob.  9). 

Beob.  10.  E.  H.  Weber,  De  vesica  prostatica,  rudimento 
uteri  in  corpore  masculino.  Annotationes  anatomicae  et 
physiologicae.     Lipsiae,  1836,  in  4P,  T.  I,  p.  4—7. 

Eine  vorher  und  nachher  mehrmals  wiederholte  und  in  den  Ann. 
univ.  di  med.  e  chir.  Milano,  1847,  Vol.  123,  p.  346  reproduzierte  Be- 
obachtung. 

Fötus  von  32  Wochen  von  männlichem  Geschlecht  mit  einem  häutigen 
Bläschen,  ähnlich  dem  Uterus,  zwischen  Blase  und  Kectum. 

Beob.  11.  E.  H.  Weber,  Zusätze  zur  Lehre  vom  Baue  und  den 
Verrichtungen  der  Geschlechtsorgane.    Mit  9  Tafeln.    Leipzig,  1846. 

Er  erkannte  zuerst  die  weibliche  Natur  der  Prostatablase  infolge  seiner 
Studien  der  vergleichenden  Anatomie.  Es  war  aber  nicht  richtig,  dass  er 
das  vergrösserte  Bläschen  den  männlichen  Uterus  nannte. 

Beob.  12.  A.  F.  Günther,  Commentarius  de  hermaphroditismo, 
cui  adjectae  sunt  nonnullae  singulares  observationes.  Cum 
iconibus  lapide  incisis.     Lipsiae,  1846. 

Ein  Mann  mit  Hypospadie  und  Scrotalspalte,  ohne  Neigung  zu  einem 
von  beiden  Geschlechtern,  hatte  oberhalb  der  Scheide  einen  ziemlich  kleinen, 
dreiteiligen  (dreiförmigen)  männlichen  Uterus.  Das  mittlere  Hörn  verlor 
sich  unter  der  Serosa  der  Blase;  die  beiden  seitlichen  setzten  sich  in  Cana- 
les  deferentes  fort,  die  in  Stränge  verwandelt  waren.  Die  Hoden  mit  den 
Nebenhoden  waren  ins  Scrotum  hinabgestiegen. 

Beob.  13.  Joseph  HyrtI,  Eine  unpaarige  Höhle  der  Geschlechts- 
organe nebst  Mangel  der  Samenbläschen  beim  Manne.  Österr. 
med.  Wochenschr.    Wien,  1841,  p.  1037. 

Ein  Mann  mit  normalem  Penis,  Scrotum,  Urethra  und  Prostata.  Die 
Hoden  waren  im  Scrotum  enthalten,  die  Samengänge  mündeten  in  den  Utri- 
Taruffi,  Hermaplirodismus.  5 


—     66     — 

culus  prostaticus.  Es  war  ein  Uterus  mascnlinus  Torhanden  mit  einem 
Hörne,  das  sich  in  das  Caput  gallinaginis  der  Prostata  öffnete.  Die  Samen- 
Ibläschen  fehlten. 

Beob.  14.  Theile  (Prof.  in  Bern),  Anatomische  Untersuchung 
eines  Hypospadiacus.  Arch.  für  Anat.  von  J.  Müller,  Berlin,  Jahrg. 
1847.    p.  47.     Tafel  III. 

In  Fig.  4  stellt  er  den  Utriculus  prostaticus  stark  vergrössert  dar. 

Beoh.  15.  Friedr.  Betz  (Tübingen),  Über  den  Uterus  masculinus. 
Arch.   für  Anat.  und  Physiol.   von  J.  Müller,  Berlin,  1850,  p.  65,   Taf.  2, 

Bei  einem  männlichen  Neugeborenen  mit  wohlgebildeten  äusseren 
Genitalien  fand  Betz  einen  rudimentären  Uterus  mit  Scheide,  die  am  Verum 
montanum  mündete.  Samenbläschen  fehlten.  Der  rechte  Hode  befand  sich 
im  Abdomen,  der  linke  im  Scrotum;  beide  hatten  Nebenhoden  und  Can. 
deferens,  und  beide  Kanäle  setzten  sich  an  die  Eänder  des  Uterus  an. 

Beob.  16.  E.  Follin,  Individu,  qui  presente  ä  la  fois  les  organes 
genitaux  mäles  et  femelles.  Gaz.  des  hopit.  1851,  4.  Dec.  p.  561. 
Ch.  Honel,  Description  du  Musee  Dupuytren.  Paris,  1862,  Sect.  III, 
No.    268,  p.  816. 

Ein  Individuum,  zuerst  für  eine  Frau,  dann  für  einen  Mann  und  end- 
lich für  einen  seitlichen  Hermaphroditen  erkannt,  zeigte  Hypospadie  mit 
gespaltenem  Scrotum  und  besass  auch  einen  Uterus  mit  zwei  Trompeten. 
Die  linke  stieg  in  das  Scrotum  herab,  wo  sie  an  einem  Hoden  festsass. 
Von  der  rechten  Seite  des  Uterus  ging  ein  Strang  aus,  der  nach  der 
Leistengegend  lief,  wo  er  in  eine  seröse  Cyste  endigte.  Ovarien  fehlten, 
aber  nicht  die  Scheide. 

Beob.  17.  Luca  Cozzi  (Milano),  Sopra  un  caso  d'  ermafroditismo 
incompleto  etc.     Ann.  univ.  di  medic.  Milano,  1852,  Vol.  140,  p.  490. 

Er  sezierte  eine  Ehefrau  von  52  Jahren,  die  amenorrhoisch  und  steril 
gewesen  war,  mit  normalen  äusseren  Geschlechtsteilen,  aber  2  Geschwülsten 
in  den  Weichen.  Nach  Öffnung  des  Abdomens  fand  man  weder  den  Uterus, 
noch  seine  Anhänge,  wohl  aber  die  blind  endigende  Scheide,  über  die  sich 
ein  fibröses,  gelb-weisses  Körperchen  legte,  das  eine  kleine  Höhlung  ent- 
hielt. Nach  Durchschneidung  der  Leistengeschwülste  entdeckte  man  zwei 
Hoden  mit  Nebenhoden,  von  denen  sich  jeder  in  ein  Bündel  fortsetzte,  das 
seitlich  an  dem  genannten  Körperchen  endigte.  Keine  Spur  von  der  Prostata, 
den  Samenbläschen  und  den  Canales  ejaculatorii. 

Beob.  18.  Leuckart,  Hypospadiacus  et  Uterus  masculinus. 
niustr.  med.  Zeitschr.  München,  1852,  Bd.  I,  p.  87.  —  Ahlfeld,  Miss- 
bildungen.   Tafel  40,  Fig.  3,  4,  5. 

Er  beschrieb  zwei  Kinder,  die  neben  den  Hoden  eine  Blase  zeigten, 
die  den  Uterus  darstellte,  ohne  Anhänge,  an  die  hintere  Wand  der  Urethra 
angelagert,  die  mit  einer  Prostata  versehen  war.  Im  zweiten  Falle  mündete 
ein  dem  ersten  ähnliches  Bläschen  in  die  Urethra. 

Beob.  19.  C.  K.  Langer,  Uterus  masculinus  eines  63jährigen 
Mannes.  Zeitschr.  der  K.  GeseUsch.  d.  Ärzte  in  Wien,  1855.  —  Canstatts 
Jahresbericht  für  1853,  Bd.  IV,  p.  30. 


—     67     — 

Mann  mit  Hypospadie  und  Scrotalspalte,  der  mit  63  Jahren  starb. 
Nnr  der  linke  Hode  war  ins  Scrotum  herabgestiegen.  Die  Samenhläschen 
fehlten  und  die  Can.  deferentes  mündeten,  der  eine  in  die  Urethra,  der 
andere  in  das  vergrösserte  Prostata-Bläschen.  (Männlicher  Uterus  oder 
männliche  Scheide.)  Oberhalb  dieses  Bläschens  sah  man  einen  zweihörnigea 
Uterus  mit  zwei  sehr  langen  fallopischen  Trompeten. 

Beob.  20.  Nuhn,  Hypospadiacus  et  uterus  masculinus.  lUustr. 
med.  Zeitschr.  München,  1853,  Bd.  III,  p.  92,  Fig.  4.  —  Förster,  Miss- 
bildungen.    Tafel  XXI,  Fig.  11. 

Beob.  21.  S.  T.  Sömmering,  Präparat,  etc.  Pars  1,  No.  1384,  vom 
Sömmeringschen  Museum.  No.  49.  —  Leuckart,  Abhandlung  über 
das  Webersche  Organ.  lUustr,  med.  Zeitschr.  München,  1859.  Bd.  I, 
p.  89,  Fig.  18,  19. 

Der  Penis  ähnelte  einer  Clitoris,  mit  einem  Präputium,  das  zwei  kleine 
Lippen  aussandte,  wie  Flügel,  die  das  trichterförmige  Vestibulum  umgaben. 
Unterhalb  war  der  Meatus  urinarius  zwischen  zwei  Schleimfalten,  nach  Art 
des  Hymens  der  E  a  a  b.  Aus  dem  Vestibulum  gelangte  man  in  die  6  cm 
lange,  blind  endigende  Vagina,  wo  die  beiden  Can.  deferentes  mündeten  und 
die  Eudimente  der  Samenbläschen  anhafteten.  Man  fand  einen  einzigen 
Hoden  mit  Nebenhoden  im  Leistenkanal  (die  Seite  wird  nicht  angegeben). 
Die  Prostata  fehlte. 

Beob.  22.  E.  Godard,  Eecherches  teratol.  sur  l'appareil 
seminal   del'homme.     Paris,  1866. 

In  der  Leiche  eines  Mannes  mit  Hypospadie  fand  er  einen  Uterus 
von  gewöhnlicher  Grösse.  Aber  statt  der  Trompeten  hatte  dieser  zwei 
solide  Stränge,  die  nach  den  Leistenkanälen  liefen.  Nur  links  befand 
sich  ein  Hode  mit  rudimentärem  Nebenhoden  und  obliteriertem  Can. 
deferens. 

Beob.  23.  v.  Franque,  Hermaphroditisme  transversal.  Scan- 
zonis  Beitr.  zur  Geburtsk.  und  Gynäkol.  Würzburg,  1859.  Bd.  IV,  p.  57. 
S.  Kölliker,  Embryologie.    Trad.  franc.  1882,  p.  1043. 

Im  Würzburger  Museum  befindet,  -sich  ein  Präparat,  an  dem  man  die 
äusseren  männlichen  Geschlechtsteile  sieht  (Penis  mit  Hypospadiasis  und 
Scrotum  mit  Hoden).  Nach  oben  befindet  sich  dagegen  eine  Scheide,  die  sich 
in  die  Prostata  öffnet,  und  ein  gut  entwickelter  Uterus  mit  Oviducten. 

Beob.  24.  Aug.  Förster  (Würzbarg) ,.  D i e  Missbildungen  des 
Menschen.  Jena,  1861,  p.  154.  —  Uterus  masculinus,  T.  XXI,  Fig.  17,  18. 
Präparat  der  pathol.  Sammlung  in  Würzburg. 

Beob.  25.   Potier-Duplessy,  Un  cas  d'hermaphroditisme  masculin. 
Eec.  de  mem.  de  med.  milit.  1867.     Ser.  3,  T.  XIX,  p.  433. 
Der  Penis  litt  an  Hypospadie. 

Beob.  26.  Wrany,  Hermaphrodische  Verbildung  der  Geni- 
talien. Hernia  inguinalis  congenita.  Prager  Viertel] ahrsschr.  1867.  H.  1. 
Mit  Abbild. 

In  der  Leiche  eines  12  jährigen  Mädchens  fand  man  auf  der  rechten 
Seite    des    Abdomens    einen    Uterus    unicornis    mit    Trompete    und    Liga- 

5* 


mentum  latum,  an  dessen  Ende  sich  ein  mit  Can.  deferens  verseliener  Hode 
befand. 

Beob.  27.  0.  WS.  van  Wlons,  Note  sur  un  cas  d'hermai^lirodi- 
tisme  masculin  chez  deux  jumeaux.  Journ.  de  med.,  physiol.  et 
pbarmaeol.    Bruselles,  1868,  T.  47,  p.  417  (nicht  bestätigt). 

Beob.  28.  J.  Arnold  (Heidelberg),  Fall  von  Uterus  masculin us, 
angeborener  Striktur  der  Harnröhre  und  hochgradiger 
Dilatation  der  Harnblase  und  der  Harnleiter.  Virchows 
Arch.    Berlin,  1869,  T.  XL VII,  p.  7. 

Neugeborener  mit  Penis  und  Scrotum,  erweiterten  Ureteren  und 
Blase  und  cystischer  Degeneration  der  Nieren.  Zwischen  Blase  und  Rectum 
fand  sich  ein  kleiner  solider  Körper,  welcher  sich  an  zwei  Körper  an- 
setzte, die  Hoden  und  Nebenhoden  ähnlich  waren.  Der  Uterus  setzte  sich 
in  eine  kurze  'Scheide  fort,  die  sich  zugleich  mit  der  Urethra  in  die  Uro- 
genitalhöhle öffnete. 

Der  Verf.  fügt  26  der  seinigen  ähnliche  Beobachtungen  hinzu,  darunter 
die  von  Mayer  (1831),  von  Henriette  (1855),  von  Dorham  (1861),  von  Pelvet 
(1865),  so  dass  wir  sie  übergehen  können. 

Beob.  29.  N.  v.  Tolmatschew  (Kasan),  Ein  Fall  von  semilunarer 
Klappe  der  Harnröhre  und  von  vergrösserter  Vesicula 
prostatica.     Virchows  Arch.     Berlin,  1870.  Bd.  49,  p.  348,  Tafel  XL 

Neugeborener,  der  in  der  Urethra  eine  Klappe  hatte,  gerade  vor  dem 
Samenhügel,  welche  die  Erweiterung  der  Blase  und  der  Ureteren,  sowie  die 
Degeneration  der  Nieren  erklärte.  Er  hatte  ferner  einen  Sack  hinter  dem 
Grunde  der  Blase,  der  durch  die  erweiterte  Vesicula  prostatica  festgehalten 
wurde.     Die  Samenbläschen  fehlten. 

Das  Präparat  ist  wegen  seiner  Seltenheit  im  Museum  von  Tübingen 
aufbewahrt  worden. 

Beob.  30.  John  Wood,  The  pelvis  and  genital  organs  of  an 
Hermaphrodit.  Transact.  of  pathol.  anatomy,  Soc.  T.  23.  London,  1872. 
p.  169.  —  Jahresber.  für  1872,  Bd.  I,  p.  230. 

In  einer  Leiche  von  weiblichem  Aussehen  fand  Verf.  einen  kleinen, 
nicht  durchbohrten  Penis,  die  Labia  majora  waren  gross  und  jedes  enthielt 
einen  Hoden  mit  seinem  Strange.  Ferner  fand  er  die  kleinen  Schamlippen 
und  einen  kurzen  Scheidenkanal,  der  nach  einem  zwischen  Blase  und  Rectum 
liegenden  Sacke  führte.  Die  Prostata  war  vollkommen,  während  einige 
Masse  des  Beckens  männlich,  andere  weiblich  waren. 

Beob.  31.  J.  English;  Zur  Pathologie  der  Harn-  und  Geschlechts- 
organe. Österr.  med.  Jahrb.  1873  H.  I,  p.  61.  —  Jahresber.  für  1873,  Bd.  II, 
p.  191  (7). 

Die  erste  Beobachtung  betrifft  den  Verschluss  des  Sinus  pocularis,  die 
zweite  handelt  von  einer  Cyste  in  der  pars  supramontana  der  Prostata. 

Beob.  32.  Odin,  Hermaphrodisme  bisexuel.  Lyon  medic.  1874, 
T.  XVI,  p.  214.  —  Gaz.  des  höpit.  1874.  —  Jahresber.  für  1874,  Bd.  I, 
p.  299  (34). 

Ein  Mann  von  63  Jahren,  der  nur  am  Pubes  behaart  war,  besass  einen 
10  cm  langen  Penis  mit  einer  Furche  statt  der  Urethra.    Das  Scrotum  wurde 


—     69    — 

durch  zwei  Labia  majora  dargestellt,  zwischen  denen  sich  ein  Spalt  befand, 
der  nach  oben  die  Öffnung  der  Urethra  enthielt  und  sich  nach  unten  in 
einem  8  cm  langen  Kanal  fortsetzte,  der  zuerst  durch  eine  Art  von  Hymen 
verschlossen  wurde  und  dann  in  einen  rudimentären  Uterus  überging.  Im 
linken  Leistenringe  befand  sich  ein  kleiner  Körper,  der  für  einen  Hoden  ge- 
halten wurde;  dasselbe  fand  sich  rechts,  mit  dem  Unterschiede,  dass  der 
Hode  grösser  war.  Beide  Hoden  hatten  Samenbläschen,  die  zusammen  am 
Blasenhalse  vor  der  Scheide  mittels  der  Can.  deferentes  mündeten.  Die  Pro- 
stata fehlte. 

Beob.  33.  J.  A.  Boogaard,  Persistentie  der  Müllersche  Gangen 
bij  een  volwassen  Man.  Verst.  en  Meded.  der  K.  Acad.  van  Wetensch. 
afd.  Naturkund  e  D.  IX,  E.  2.     Amsterdam,  1874.     Con  tavola. 

In  der  Leiche  eines  Mannes  von  66  Jahren  fand  Verf.  einen  zweiten 
Ureter,  der  von  innen  nach  aussen  den  Kopf  jeder  Niere  umkreiste,  an  ihrer 
Oberfläche  festhaftete  und  dann,  sich  erweiternd,  innerlich  zu  dem  normalen 
Ureter  herabstieg,  an  der  Blase  festhing,  und  nach  oben  am  Verum  mon- 
tanum  der  Prostata  mündete,  ohne  die  Lage  der  Ductus  ejaculatorii  zu 
ändern. 

Beob.  34.  Hans  Eppinger,  Pseudo-Hermaphrodismus  mascu- 
linus  internus.  Prager  Vierteljahrsschr.  für  prakt.  Heilk.  1875,  Bd.  125. 
—  Jahresbericht  für  1875,  Bd.  I,  p.  31  (34). 

Ein  Mann  von  52  Jahren  mit  Bart  u.nd  behaarten  Pubes  besass  Penis 
und  Scrotum,  das  zwei  Hoden  enthielt.  Die  Sektion  zeigte  interstitielle 
Nephritis  links;  Ureter,  Samenbläschen  und  Vas  deferens  waren  normal. 
Kechts  war  die  Nebenniere  normal,  aber  die  Niere  rudimentär,  die  Nieren- 
arterie obliteriert.  Von  den  Resten  der  Niere  stieg  ein  Kanal  herab,  der 
in  den  Samenhügel  mündete.  In  seinem  Verlaufe  fanden  sich  sowohl  makro- 
als  mikroskopische  Unterschiede,  die  dem  Verf.  die  Annahme  erlaubten,  zu- 
erst sei  eine  fallopische  Trompete  vorhanden  gewesen,  die  sich  dann  in  ein 
Uterushorn  verwandelte,  dann  in  eine  Scheide,  die  in  den  Samenhügel 
mündete,  und  dass  in  dem  letzten  Teile  sich  eine  schleimige  Flüssigkeit 
befand,  die  Spermatozoen  enthielt.  Der  männliche  Apparat  war  vollständig; 
es  fanden  sich  Hoden,  D.  deferentes,  Samenbläschen,  Can.  ejaculatorii,  die 
Prostata  und  die  Blase,  in  der  die  Mündung  des  rechten  Ureters  fehlte. 

Beob.  35.  W.  Gruber.  Saccus  ventricularis  extra  laryngeus 
lateralis  und  Eeste  vom  Uterus  masculinus  höheren  Grades  bei 
einem  Erwachsenen.     Virchows  Arch.  1876,  Bd.  67,  p.  361. 

Ein  Mann  von  30  Jahren  mit  wenig  entwickelten  Genitalien,  bei  dem 
die  Can.  ejaculatorii  in  den  Utriculus  prostaticus  mündeten,  zeigte  eine 
peritoneale  Falte  zwischen  Blase  und  Rectum  mit  einem  vertikalen  Muskel- 
streifen, der  an  der  Wand  des  Utriculus  prostaticus  endigte. 

Beob.  36.  F.  E.  Martin  (Paris),  Sur  un  cas  de  persistance  des 
canaux  de  Müller,  obliteration  des  voies  urinaires,  neutralite 
sexuelle.     Journ.  d'anat.  et  de  physiol.  1878,  T.  III,  p.  21. 

Unreifer  Fötus  mit  Anschein  einer  Vulva,  ohne  innere  Geschlechts- 
organe.   Er  hatte  zwei  Nieren  mit  ihren  Ureteren,  ferner  zwei  andere  Kanäle, 


—     70    — 

die  in  die  Blase  mündeten,  aber  einen  freien  Ursprung  hatten  und  von  dem 
Verf.  für  Müll  er  sehe  Kanäle  gehalten  wurden.  Die  Urethra  fehlte,  mit 
ungeheurer  Ausdehnung  der  Blase,  in  der  der  Urachus  verschlossen  war. 
Das  Colon  descendens  fehlte. 

Beob.  37.  Barth,  Anomalie  de  developpement  de  rutricnle 
prostatique;  persistance  de  l'organe  de  Müller  du  cote  droit,  en 
forme  de  poche  diverticulaire,  passant  sous  la  vessie;  souleve- 
ment  de  la  muqueuse  vesicale  formant  valvule  (retention  d'urine; 
dilatation  consecutive  des  ureteres  et  hydronephrose  double).  Bull,  de  la 
Soc.  anat.  de  Paris,  1878,  T.  LIII,  p.  483. 

Der  Müllersche  Kanal  entsprang  dünn  im  Niveau  der  Nebenniere, 
und  schien  mit  einer  Gruppe  von  Cysten  in  Verbindung  zu  stehen  von  der 
Grösse  kleiner  Linsen  (Eeste  des  Wolf f sehen  Körpers);  dann  erweiterte  er 
sich,  drang  zwischen  die  Häute  der  Blase  ein  und  öffnete  sich  in  den 
Utriculus  prostaticus  mit  einer  Öffnung,  die  eine  starke  Sonde  aufnehmen 
konnte. 

Beob.  38.  Krabbel,  Ein  Fall  von  Hermaphrodismiis.  (Pseudo- 
Hermaphrodismus  masculinus,  Klebs).  Arch.  für  klin.  Chir.  Berlin,  1870, 
Bd.  XXIII,  p.  652. 

Beob.  39.  W.  M.  Ord,  Malformation  of  the  genital  organs  of  a 
man.  Brit.  med.  Journ.  1  Nov.  1879.  —  Transact.  med.  chir.  Vol.  63,  p.  11. 
—  Jahresber.  1880,  p.  292. 

In  der  Leiche  eines  36jährigen  Mannes  fand  Verf.  einen  dicken  Kanal, 
der  vom  oberen  Teile  der  rechten  Niere  ausging  und  nach  der  vorderen 
Seite  der  Blase  lief.  Er  begann  oben  blind  und  öffnete  sich  unten  in  dem 
mittleren  Teile  der  unteren  Seite  des  urethralen  Teils  der  Prostata  mit  einer 
über  den  Can.  ejaculatorii  gelegenen  Öffnung.  Das  obere  Ende  der  genann- 
ten Niere  war  mit  einer  kleinen,  drüsigen  Masse  bedeckt,  die  sich  mit  dem 
genannten  Kanäle  berührte  und  den  Bau  einer  geschrumpften,  degenerierten 
Niere  hatte.  Der  Verf.  hielt  sie  für  den  Best  eines  Teils  des  Wolf  f  sehen 
Körpers,  während  er  den  Kanal  für  eine  nicht  atrophierte  Müllersche  Köhre 
erklärte. 

Der  rechte  Hode  war  im  Leistenkanale  zurückgeblieben;  -der  Can. 
deferens  und  die  Samenbläschen  waren  durchgängig,  aber  unvollkommen 
entwickelt. 

Beob.  40.  Ch.  Remy,  Über  den  Utriculus  prostaticus  und  den 
Müllerschen  Kanal  beim  Manne.   Journ.  anat.  et  phys.  Paris,  Mars,  1879. 

In  der  Leiche  eines  10jährigen  Knaben  fand  Verf.  vor  dem  rechten 
Ureter  den  Müllerschen  Kanal  im  Zustande  der  Embryonalperiode.  Nach 
oben  stand  dieser  Kanal  im  Niveau  der  Niere  mit  einem  Haufen  von  Cysten 
in  Verbindung,  die  für  Beste  des  Wolf f sehen  Körpers  betrachtet  wurden. 
Nach  unten  verband  sich  dieser  Kanal  mit  dem  Utriculus  prostaticus.  Beide 
Hoden  besassen  Nebenhoden  und  die  Hydatide  von  Morgagni. 

Beob.  41.  M.  Nussbaum,  Über  eine  Cyste  am  Blasengrunde  (ver- 
grösserter  Uterus  masculinus).    Centralbl.  für  klin.  Med.  Bonn,  1880,  p.  401. 


—     71     — 

Cyste  von  Nussgrösse,  helle  Flüssigkeit  enthaltend,  einen  Uterus  pro- 
staticns  darstellend. 

Beob.  42.  Gine  y  Portogas  (Prof.  in  Barcelona),  Gas  sing  ulier 
d'liermaphrodisnie.     Kev.  anthropol.     Paris,  1881,  p.  376. 

Ein  Mann  von  28  Jahren  hatte  rechts  männliche  Organe,  kurzen  Penis, 
Scrotum  mit  Ehaphe  und  einem  einzigen  Hoden.  Der  linke  Hode  wurde 
nicht  gefunden,  aber  auf  dieser  Seite  befand  sich  eine  vollkommene  grosse 
und  kleine  Schamlippe  und  eine  Scheidenöffnung,  ohne  Clitoris,  Hymen 
und  Carunkeln.  Der  Meatus  urinarius  befand  sich  auf  der  Glans.  Die 
genannte  Öffnung  führte  in  den  4  cm  langen  Scheidenkanal,  der  blind 
endigte.  Bei  Untersuchung  durch  das  Eectum  fand  sich  keine  Spur  eines 
Uterus. 

Beob.  4:B.  C.  Langer  (Wien),  Ein  neuer  Fall  von  Uterus  mas- 
culinus  beim  Erwachsenen.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.  Leipzig, 
1881,  p.  392,  Taf.  XYI. 

Soldat,  Selbstmörder  mit  Ektopie  eines  Hodens  und  zweihörnigem  Uterus, 
der  an  der  Basis  der  Prostata  ansass.  Die  Can.  deferentes  standen  in  Ver- 
bindung mit  den  seitlichen  Wänden  des  Uterus. 

Beob.  44.  Honel,  Pieces  d'hermaphrodites  conservees  au 
musee  Dupuytren.  Bull.  Soc.  d' Anthropol.  Paris,  1881,  Ser.  3,  T.  IV, 
p.  554. 

Ein  Mann  mit  Penis  und  zweigeteiltem  Scrotum  und  einer  Spalte,  die  zu 
Scheide  und  Uterus  führte.  Dieser  war  gut  entwickelt,  aber  rechts  war  er 
ohne  Ovarium,  während  links  ein  Hode  ohne  Spermatozoen  da  war. 

Beob.  45.  Gasser,  Embryonalreste  am  männlichen  Genital- 
Apparat.  Sitzungsber.  der  Marburger  Naturforscher  -  Gesellsch.  1882, 
30.  Aug.  —  Jahresber.  für  1882.     Bd.  I,  p.  102  (29). 

Bei  einem  Neugeborenen  fand  Verf.  nahe  am  Vas  deferens  einen 
kleineren  Kanal,  den  er  für  einen  Eest  des  Müller  sehen  Ganges  hielt. 

Beob.  46.  Fr.  Ahlfeld,  Die  Missbildungen  des  Menschen. 
Abschn.  VI,  p.  250.     Uterus  masculinus.    Leipzig,  1882. 

Verf.  sammelt  neue  Thatsachen  über  die  Eeste  der  Müller  sehen 
Kanäle  und  bildet  sie  ab.  Aus  ihnen  kann  man  für  eine  neue  Monographie 
Nutzen  ziehen. 

Beob.  47.  K.  Henrichsen,  Pse-udo-Hermaphroditismus  mas- 
culinus externus  completus.  Virchows  Arch.  Bd.  94,  p.  211, 
Tafel  VI.  —  Jahresber.  für  1883,  Bd.  J,  p.  295  (9). 

Eine  Bäuerin  von  27  Jahren,  die  für  ein  Weib  galt,  hatte  nach  der  Pubertät 
nur  Molimina  menstrualia  mit  Schmerzen  im  Unterleibe  und  in  den  Hüften. 
Mit  21  Jahren  hatte  sie  zwei  Tage  lang  Katamenien.  Von  Jugend  auf 
bemerkte  sie  Schwellung  in  den  Weichen  und  als  sie  mit  26  Jahren  beim  Heben 
eines  Heubündels  einen  Schmerz  verspürte,  der  sich  dann  auf  die  linke 
Weiche  verbreitete,  wuchs  auf  dieser  Seite  die  Geschwulst  schneller  als  links, 
und  wurde  dauernd.  Sie  hatte  keine  erotischen  Neigungen,  nahm  die  Artig- 
keiten der  Männer  nicht  an,  hatte  auch  keine  gesclüechtlichen  Neigungen 
zu  Frauen  und  sagte  selbst,  sie  sei  weder  Mann  noch  Weib. 


—     72    — 

Da  die  örtlichen  Beschwerden  zunalimen,  begab  sich  die  Bäuerin  ins 
Hospital,  wo  man  einige  weibliche  Charaktere  bemerkte,  wie  hinreichende 
Entwickelung  der  Brüste,  weibliche  Stimme,  Wachstum  der  Haare,  die  be- 
sondere Form  des  Präputiums,  eine  Vagina,  die  sich  im  Sinus  urogenitalis 
mit  der  Urethra  yereinigte,  und  Molimina  menstrualia.  Sie  hatte  auch 
folgende  männliche  Charaktere:  zwei  Hoden  und  C.  deferentes,  links  ein 
Samenbläschen  mit  nächtlichen  Pollutionen  und  ein  männliches  Skelet.  Der 
Penis  war  kindlich,  ohne  Erektionen  und  undurchbohrt,  und  rechts  fehlte 
das  Samenbläschen  und  die  Prostata.  Das  Scrotum  war  zweigeteilt,  seine 
rechte  Seite  gut  entwickelt.  Die  Mündung  des  Sinus  urogenitalis  war  6  cm 
vom  After  entfernt. 

Beob.  48.  Carl  Rieder  (Basel),  Über  die  G  artners  che  n  (Wolff- 
schen)  Kanäle  beim  menschlichen  Weibe.  Virchows  ArcMv, 
Berlin,  1884,  Bd.  96,  p.  100,  Tafel  VTII. 

Beob.  49.  Samuele  Pozzi  (Paris),  Pseudo-hermaphrodite  male. 
Comptes  rend.  de  la  Soc.  de  biolog.  1884,  Ser.  8,  T.  I,  p.  42.  —  Memoires, 
1.  c.  1885,  p.  21. 

Ein  Individuum  mit  männlichem  Habitus  und  Neigung  zum  weiblichen 
Geschlechte  war  als  Weib  gekleidet.  Es  hatte  eine  Vulva  mit  grossen  und 
kleinen  Schamlippen  und  ermangelte  der  Menstruation.  Andererseits  hatte 
es  zwei  eiförmige  Körper  in  den  grossen  Schamlippen,  mit  nächtlichen 
Pollutionen  (in  denen  man  keine  Spermatozoen  fand),  und  einen  5  cm 
langen  Penis  mit  Präputium  und  totaler  Hypospadie.  Der  Meatus  urinarius 
war  in  der  Spalte  der  Vulva  verborgen  und  dazu  kam  ein  kleines  halbmond- 
förmiges Hymen.     Man  fand  weder  Scheide,  noch  Uterus,  noch  Ovarien. 

Beob.  50.  C.  B.  Lockwood,  Persistent  Müllerian  du  ct.  Joum. 
of  Anat.     London,  1892.     Vol.  26,  p.  1. 

Beob.  51.  Bernh.  Winkler,  Über  einen  Fall  von  Pseudo-Herma- 
phrodismus  masculinus  internus.  Zürich,  1893.  Mit  1  Taf. 
Tnaug.-Dissert. 

Die  Samenbläschen  waren  ausserordentlich  lang. 

Beob.  52.  Ribbert,  Correspondenzblatt  für  Schweizer  Ärzte. 
Basel,  1894.    Mai. 

Innerer  männlicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Beob.  53.  R.  C.  Hill,  Medical  Eeview,  St.  Louis,  April  1894.  Von 
S  e  j  0  u  s  zitiert. 

Innerer  männlicher  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Beob.  54.  Edgar  Willett,  Transverse  hermaphroditisme  in  a 
male.     Transact.  of  pathol.  Soc.  of  London,  1894—95,  p.  102,  Vol.  45. 

Der  Hermaphrodit  hatte  zwei  Hoden,  Can.  deferentes,  Samenbläschen 
mit  einem  unvollkommenen  weiblichen  Uterus  und  Anhängen.  Aber  die 
Ovarien  wurden  nicht  nachgewiesen. 

Beob.  55.  Gustav  Brühl,  Über  Hermaphrodismus  im  Anschluss 
an  einen  Fall  von  Pseudo-Hermaphrodismus  masculinus  com- 
pletus.     Freiburg,   1894.     Inaug.-Diss. 


—    73    — 

Beob.  56.  Paul  Kaplan,  Hermaplirodismus  und  Hypospadie. 
Inaug.-Diss.  Berlin,  1895.  Virchows  Jaliresber.  für  1895,  Bd.  II, 
p.  433  (34). 

Perineale  Hypospadie  mit  männlichem  Uterus  am  Ursprung  der 
Urethra  aus  der  Blase. 

Beoh.  57.  Wilh.  Bittner,  Hermaphroditismus  spurius  masculinus 
completus.  Prager  med.  Wochensch.  1895.  Jahrg.  XX,  No.  43,  p.  491. 
Mit  3  Fig. 

Beob.  58.  Samuel  Shöttoch,  A  male  foetus  showing  reptilian 
characters  in  the  sexual  ducts.  Transact.  of  the  pathol.  Soc.  of 
London.    London,    1895.     Vol.  46,  p.  248,  Plate  XIV. 

Der  Fötus  hatte  zwei  Hoden,  das  linke  V.  deferens  mündete  in  den 
Ureter.  Die  beiden  Müll  ersehen  Kanäle  bestanden  fort  und  endigten 
in  der  Blase,  nahe  der  Mündung  der  Ureteren.  Die  Harnblase  war  estro- 
flektiert. 

Beob.  59.  P.  Jacques,  Uterus  male  et  Utricule  prostatique. 
Nancy,  1895,  avec  fig.  —  Bibliogr.  anat.     Paris,  1895,  p.  87. 

Beob.  60.  B.  Will,  Ein  Fall  von  Pseudo-Hermaphrodismus  mas- 
culinus.    GreifswaJd,  1896. 

Beob.  61.  Benno,  Ein  Fall  von  Pseudo-Hermaphrodismus  mas- 
culinus.    Greifswald,   1896.     Inaug.-Dissert. 

Beob.  62.  K.  Raake,  Beitrag  zur  Lehre  vom  Hermaplirodismus 
spurius    masculinus   internus.     Würzburg,   1896.    8  o,   p.  16,  1  TafeL 

Beob.  63.  Gust.  Klein  (München),  Zur  normalen  und  pathologischen 
Anatomie  der  Gartnerschen  Gänge.  Verh.  der  Ges.  Deutscher Naturf, 
und  Ärzte,  68.  Vers,  in  Frankfurt  a.  M.  21.— 26.  Sept.  1896,  97.  —  Ann.  di 
ostetr.  e  di  ginecol.  di  Milano.  Luglio,  1897,  p.  565.  —  Die  Geschwülste 
der  Gartn ersehen  Gänge.     Virchows  Arch.  1898,  Bd.  134,  p.  63. 

Mädchen  von  4  Monaten,  bei  dem  ein  Müller  scher  Gang  in  die 
Scheide,  nach  innen  vom  Hymen  mündete. 

Beob.  64.  Ströbe,  Pseudo-Hermaphrodismus  masculinus.  Zieg- 
lers Beitr.  Jena,  1897,  Bd.  22,  p.  300. 

Ein  Mann  mit  männlichem  Habitus,  die  Hoden  im  Abdomen,  und  ein 
nur  mit  Trompeten  versehener  Uterus. 

Beob.  65.  J.  Kostens,  Ein  neuer  Fall  von  Hermaplirodismus 
spurius  masculinus.     Berlin,  1898.     Mit  1  Fig. 

Beob.  66.  Ettore  Grüner  (Torino),  Utero  e  trombe  di  Fallopio  in 
un  uomo.  Giorn.  della  K.  Acc.  di  Med.  di  Torino,  1897,  Ser.  4,  Vol.  III, 
p.  257.     Con  una  brutta  tavola. 

Ein  Mann  von  36  Jahren,  der  an  einer  Hernie  im  linken  Leistenkanal 
zu  leiden  glaubte,  stellte  sich  im  Spital  vor.  Hier  unternahm  der  Chirurg 
die  Operation  und  fand  zuerst  einen  Tumor,  den  er  für  den  Hoden  hielt 
und  entfernte  ihn.  Dann  entdeckte  er  einen  Uterus  zwischen  Blase 
und  Rectum,  der  nur  an  der  Prostata  festsass.  Der  Verf.  entfernte  den 
Uterus  mit  einer  Trompete  und  dem  D.  deferens.  Der  Kranke  genas  per 
secundam   intentionem.     Die   mikroskopische   Untersuchung   zeigte   in   dem 


—     74     — 

Tumor  einen  entzündlichen  Vorgang  mit  Leukozyten   und  Degeneration  des 
drüsigen  Organs,  die  keine  sichere  Diagnose  erlaubte. 

Beob.  67.  Primrose  (Toronto),  Un  caso  di  utero  masculino. 
65.  Congr.  dell'  Assoz.  med.-britann.  Montreal,  31  Ag.  1897.  —  La  Eiforma 
medica,  1897.     Anno  XIII,  No.  237,  Ottobre,  p.  137. 

Ein  Mann  starb  infolge  der  Entfernung  eines  grossen  Sarkoms  des  linken 
Hodens.  Bei  der  Sektion  fand  man  einen  rudimentären  Uterus  mit  Trompeten 
und  Scheide  zwischen  Rectum  und  Blase.  Die  Vagina  mündete  in  die 
Urethra  prostatica  vor  den  Samenkanälen. 

Beob.  68.  Giulio  Filippini  (Oberchirurg  in  Brescia),  Utero  nel  sacco 
erniario  d'  un  uomo.     Operiert  im  November  1898. 

Eine  nicht  veröffentlichte  Beobachtung,  die  in  kurzem  von  dem  Autor 
ausführlich  beschrieben  werden  wird.  Ein  Mann  von  30  Jahren,  seit  5  Jahren 
verheiratet,  ohne  Kinder.  Mit  dem  Alter  von  14  Jahren  fing  er  an,  leb- 
hafte geschlechtliche  Gefühle  für  die  Weiber  zu  empfinden,  die  ihn  zur 
Onanie  trieben,  und  mit  25  Jahren  heiratete  er.  Aber  schon  im  Alter  von 
18  Jahren  war  im  Leistenkanale  eine  nussgrosse  Geschwulst  aufgetreten, 
die  schnell  wuchs,  in  wenig  Monaten  die  Grösse  eines  Hühnereies  erreichte, 
aber  leicht  reduzierbar  blieb. 

Von  dem  Leben  dieses  Mannes  wissen  wir,  dass  er  sich  in  dem  an- 
gegebenen Alter  dem  Verf.  vorstellte,  um  die  Eadikalheilung  der  beider- 
seitigen Leistenbrüche  zu  unternehmen.  Die  Operation  wurde  auf  beiden 
Seiten  vorgenommen,  aber  rechts  war  der  Verf.  zuerst  genötigt,  den  Tumor 
durch  Anstrengungen  des  Kranken  in  den  Sack  herabsteigen  zu  lassen. 
Dann  fand  er  nach  Öffnung  des  Sacks  mit  grossem  Erstaunen,  dass  dieser 
einen  Uterus  enthielt,  mit  dem  Boden  nach  unten  und  mit  nach  dem  inneren 
Leistenringe  gerichtetem  Hals,  zugleich  mit  den  Elementen  des  Samenstrangs, 
die  schlaff  an  der  Vorderseite  des  Uterus  befestigt  waren. 

Dieses  Organ  wurde  ganz  weggenommen  mit  Ausnahme  eines  kleinen 
Teils  des  Cervix,  der  in  der  Wunde  gelassen  wurde,  um  den  Leistenring  zu 
schliessen.  Die  Uterushöhle  zwischen  Körper  und  Hals  mass  6V2  cm  und 
die  Wände  waren  1  pm  dick  mit  normalem  Aussehen.  Von  den  beiden 
Hörnern  gingen  die  beiden  Tuben  aus,  die  ungefähr  3  cm  massen. 

Der  Bruchsack  hatte  sehr  dünne  Wände,  umfasste  den  Uterus  und 
stieg  tiefer  ins  Scrotum  herab,  als  dieser.  Er  hielt  sich  überall  unabhängig 
von  der  Scheidenhaut  des  Hodens,  welcher  weich  und  von  der  Grösse  einer 
Haselnuss  war.     Diese  Atrophie  erfolgte  in  den  letzten  Jahren. 

Auf  der  andern  Seite  befand  sich  ein  Leistenbruch  und  an  seiner  Basis 
ein  gut  entwickelter  Hode. 

Beob.  69.  P.  Delageniere  (Tours),  Anom alles  des  organes  geni- 
taux.     Ann.  de  Gynecol.  et  d'obstetr.  Paris,  1899,  T.  51,  p.  57,  mit  Fig. 

Eine  Ehefrau  von  27  Jahren,  ohne  Haare  im  Gesicht,  oder  am  Pubes, 
war  von  Anfang  an  amenorrhoisch,  aber  mit  monatlichen  Schmerzen.  Ferner 
hatte  sie  in  den  Lfeistengegenden  zwei  beginnende  Hernien;  die  äusseren  Ge- 
schlechtsteile waren  normal,  Neigungen  und  Beschäftigungen  weiblich.  Bei 
der  Scheidenuntersuchung  fand  Veif.  einen  Blindsack  in  der  Höhe  von  5  cm. 


—    75    — 

Keine  Spur  eines  Uterus,  was  später  durch  die  Laparotomie  bestätigt  wurde. 
Dagegen  fand  man  zwei  atrophische  Hoden,  die  in  die  Leistenkanäle  ein- 
drangen und  amputiert  wurden.  Dann  schloss  man  die  Kanäle.  Die  Kranke 
genas  nach  20  Tagen.  Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  der  Hoden  er- 
schien die  Atrophie  als  sekundär  nach  Hyperplasie  des  Bindegewebes,  sowohl 
des  peripherischen,  als  des  interstitiellen. 

b)  Männlicher  Pseudo-Hermaphrodismns  (Hoden)  mit  äusseren 
weiblichen  Gleschlechtscharakteren. 

Beob.  70.  Giambattista  Mosti  (Brescia),  Mostruosa  conformazione 
delle  parti  genitali.  Giern,  di  Med.  di  V.  L.  Brera.  Padova,  1813, 
T.  III,  p.  362. 

Verf.  untersuchte  einen  Mann  von  32  Jahren,  der  statt  des  Scrotums 
zwei  Beutel  hatte,  von  denen  jeder  einen  Hoden  und  seinen  Samenstrang 
enthielt.  Der  Körperhabitus  und  die  Stimme  waren  männlich,  aber  er  hatte 
keinen  Bart.  Die  Beutel  ähnelten  zwei  grossen  Schamlippen.  Der  Penis 
war  ähnlich  dem  eines  8  jährigen  Knaben,  mit  nicht  durchbohrter  Eichel  und  in 
überreichliche  Vorhaut  eingehüllt.  Der  Meatus  urinarius  befand  sich  einen 
Querfinger  unter  der  Eichel,  und  weiter  unten  war  eine  Öffnung,  die  in  einen 
blinden  Kanal  führte  und  zu  einem  Drittel  den  Zeigefinger  einliess.  Verf. 
hielt  diesen  Kanal  für  die  Vagina,  deren  Öffnung  nach  unten  eine  Gabel 
hatte,  ähnlich  der  eines  nicht  deflorierten  Weibes. 

Beob.  71.  Bart.  Saviard,  Nouveau  recueil  d'observations  chirur- 
gicales.  Paris,  1702,  p.  150.  —  Encyclopedie,  T.  VIII,  p.  134.  —  Giuseppe 
Tortosa,  Istituzioni  di  medicina  forense.   Bologna,  1829,  Vol.  I,  p.l23. 

Kind  mit  gut  gebildetem  Penis,  nicht  durchbohrter  Glans  und  in  zwei 
Lippen  geteiltem  Scrotum,  von  denen  jede  einen  Hoden  enthielt.  Die  me- 
diane Spalte  ähnelte  dem  Scheideneingange.  Innerlich  kein  weiblicher 
Charakter. 

Beob.  72.  Ad.  Wilh.  Otto,  Monstrorum  sexcentorum  descriptio. 
Vratislaviae,  1841,  p.  305,  No.  538,  p.  806,  No.  539.  Herm.  spurius,  Tab.  XIII, 
Fig.  5.     Hermaphr.  falsus.  Tab.  XIII,  Fig.  5. 

Knabe  von  8  Jahren,  der  oft  Urin  mit  faeces  vermischt  von  sich  gab, 
die  Afteröffnung  verschlossen,  ein  zweigeteiltes  Scrotum  ohne  Hoden,  und 
ein  nach  unten  gekehrter,  gekrümmter  Penis  mit  kürzerem  unterem  Teile. 
In  dem  unteren  Teile  des  Penis  war  eine  Spalte  mit  geschwollenen  Eändern, 
einen  Zoll  lang,  die  sich  in  die  Zweiteilung  des  Scrotums  fortsetzte.  In 
dieser  lag  die  Mündung  der  Urethra,  aus  der  Urin  mit  faeces  gemischt  aus- 
trat. Nach  einem  Jahre  starb  der  Knabe  an  Enteritis  und  man  fand  die 
Hoden  im  Abdomen  nahe  an  den  Leistenkanälen.  Das  Eectum  endigte 
blind,  und  ein  Divertikel  mündete  in  den  hinteren  Teil  der  Urethra. 

Kind  von  4  Jahren  mit  kleinem  Penis  und  kaum  erkennbarem  Scrotum 
ohne  Hoden.  Der  Habitus  ziemlich  zart,  dem  weiblichen  ähnlich.  Die  Urethra 
hatte  ausser  dem  Meatus  an  der  Glans  eine  andere  grössere  Öffnung  an  der 
Basis  des  Penis,  nahe  der  Khaphe  des  Scrotums. 


-     76     — 

Beob.  73.  Chesneut  (La  Eoclielle),  Question  d'identite.  Vice  de 
conf ormation  des  organes  genitaux:  hypospadie.  Ann.  d'hyg. 
publ.  et  de  med.  legale.  Juillet  1860,  p.  206.  —  E.  Goujon,  Gas  d'herm- 
aphrodisme  bisexuel  imparfait  chez  l'homme.  Journ.  d'anat. 
et  de  Physiol.  Paris,  1869.  A.  VI,  p.  599.  Planches  XVI  et  XVII.  — 
Tardleu,  Question  medico-legales  de  l'identite.    Paris,  1874. 

Alessia  B.  wurde  im  J.  1839  in  einem  Dorfe  von  anständigen  Eltern 
geboren.  Sie  besuchte  religiöse  Schulen  und  trat  im  J.  1860  als  Lehrerin 
in  ein  Pensionat  ein.  Zur  Zeit  der  Pubertät  ersclüen  keine  Menstruation 
und  sie  blieb  amenorrhoisch.  Sie  war  mager,  ihr  Gesicht  unentschieden 
zwischen  männlich  und  weiblich.  Ihre  Stimme  war  sanft,  sie  hatte  Flaum 
an  der  Oberlippe  und  den  Armen.  Ihre  Brust  glich  der  eines  Mannes, 
Becken  und  Hüften  waren  männlich.  Sie  schloss  (wie  sie  erzählte),  eine 
liebevolle  Freundschaft  mit  einer  Pensionsfreundin,  und  wurde  von  unbe- 
stimmten Gefühlen  bewegt,  die  zuletzt  in  eine  echte  Leidenschaft  ausgingen, 
die  man  jetzt  geschlechtliche  Umkehrung  nennen  kann. 

Darauf  hatte  Alessia  mehrere  üble  Zufälle,  die  sie  zwangen,  sich  von 
Chesneut  untersuchen  zu  lassen,  welcher  sie  in  einem  Bericht  für  einen 
Hermaphroditen  mit  vorwiegendem  männlichen  Geschlecht  erklärte. 

Unter  dem  Eindruck  dieses  Urteils,  das  sie  nötigte,  nicht  nur  ihre 
Kleidung  zu  ändern,  sondern  auch  auf  ihre  Instinkte  und  gesellschaftlichen 
Beziehungen  zu  verzichten,  zog  sie  sich  zurück,  lebte  allein  und  beschäftigte 
sich  bei  einer  Eisenbahnverwaltung.  Aber  sie  vermochte  nicht,  dieses  Leben 
zu  ertragen;  so  wurde  sie  von  Lipemanie  ergriffen  und  vergiftete  sich, 
30  Jahre  alt,  mit  Kohlensäure. 

Goujon  machte  die  Sektion  und  fand  einen  nicht  durchbohrten  Penis, 
unter  dem  sich  die  Vulva  befand,  in  welche  die  Urethra  und  die  D.  ejacu- 
latorii  mündeten,  aber  er  fand  weder  Uterus,  noch  Ovarien.  Das  Scrotum 
war  zweiteilig  und  enthielt  rechts  einen  Hoden,  während  der  linke  in  dem 
Leistenringe  zurückgehalten  wurde. 

Beob.  74.  Schönberg,  Ein  Fall  von  anscheinender  Zwitter- 
bildung. Berliner  klin.  Wochenschr.  1875,  No.  17.  —  Jahresber.  für  1875, 
Bd.  I,  p.  342  (35). 

Ein  Knabe  von  16  Jahren  mit  männlichem  Habitus  und  rauher  Stimme 
hatte  äussere  Geschlechtsteile  von  weiblichem  Aussehen,  mit  geteiltem 
Scrotum,  zwei  Labia  majora  bildend.  In  der  rechten  bemerkte  man  einen 
beweglichen  Hoden,  nicht  so  deutlich  in  der  linken.  Wenn  man  die  Lippen 
voneinander  entfernte,  erschien  ein  5 — 6  cm  langer  Penis,  mit  nicht  durch- 
bohrter Glans,  denn  die  Urethra  öffnete  sich  weiter  unten.  Unter  dem 
Ursprünge  des  Penis  befand  sich  eine  kreisförmige,  durch  eine  Art  von 
Hymen  geschlossene  Öffnung,  durch  welche  man  in  einen  blind  endigenden 
Kanal  gelangte.  Scheide  und  Uterus  waren  nicht  erkennbar.  Menstruation 
war  niemals  eingetreten. 

Beob.  75.  E.  Magitot,  Sur  un  nouveau  cas  d'hermaphr odi- 
tisme.    Bull,  de  la  Soc.  d'anthropol.  de  Paris,  1883,  Ser.  3,  T.  IV,  p.  487. 


—    77    — 

Ein  40  jähriges  Weib  hatte  im  Alter  von  13^/2  Jahren  einen  reichlichen 
Blutverlust  aus  den  Genitalien,  der  zwei  Tage  anhielt,  und  sich  noch  zwei- 
mal in  Zwischenräumen  von  3  Monaten  wiederholte.  Mit  17  Jahren  ver- 
heiratete sie  sich,  hatte  aber  nur  unvollkommene  geschlechtliche  Beziehungen 
und  wurde  mit  30  Jahren  Witwe.  Von  da  an  wendeten  sich  ihre  geschlecht- 
lichen Neigungen  den  Frauen  zu.  Bei  der  Untersuchung  der  Geschlechts- 
teile sah  man  einen  Penis,  ähnlich  dem  eines  Kindes  von  12  Jahren,  mit 
undurchbohrter  Eichel,  der  sich  bei  der  Erektion  nach  unten  krümmte. 
Unter  diesem  befand  sich  eine  Vulvar-Spalte  mit  zwei  grossen  Lippen,  von 
denen  jede  einen  Körper,  wie  einen  Hoden  mit  Nebenhoden  enthielt.  Bei 
Untersuchung  der  Spalte  drang  man  in  das  Infundibulum  ohne  Hindernis 
ein  und  erreichte  nach  3  cm  einen  Blindsack,  über  dem  die  Urethra 
mündete.  Die  Exploration  durch  das  Rectum  schloss  die  Gegenwart  eines 
Uterus  aus.  Auf  die  Erektion  folgt  Ejakulation  des  Spermas  ins  Infundi- 
bulum. 

Beob.  76.  Schlossberger,  Seltene  Missbildung  der  Geschlechts- 
organe. Wiener  med.  Blätter,  1885,  No.  14.  —  Jahresber.  für  1885.  Bd.  II, 
p.  822  (84). 

Ein  Mädchen  von  20  Jahren  hatte  eine  ziemlich  starke  Brust.  Die 
kleinen  Labia  majora  enthielten  den  Hoden,  die  kleinen  waren  normal, 
die  Clitoris  nicht  durchbohrt,  bei  der  Erektion  2  cm  lang,  fähig  zum  Coitus 
mit  den  Dienstmädchen,  die  Ejakulation  eiweissähnlich.  Die  Urethra  mün- 
dete unter  dem  Penis. 

Beob.  77.  Wlax  Simon,  Ein  Fall  von  sogenanntem  Pseudo- 
Herm  aphro  dismus  masculinus  externus.  Erlangen,  1886.  Inaug.- 
Dissert.    Mit  Tafel. 

Bei  einem  14  jährigen  Mädchen  waren  Kopf,  Brust  und  Arme  von 
männlichem  Aussehen,  Becken  und  Beine  von  weiblichem.  Bei  der  Unter- 
suchung fand  man  im  Becken  keinen  Uterus,  und  nahm  das  Vorhandensein 
der  Prostata  und  der  Hoden  an,  die  durch  mandelförmige  Körper  dargestellt 
wurden,  und  weil  das  Mädchen  nicht  menstruiert  war.  Die  Mons  Veneris 
war  behaart,  wie  auch  die  Labia  majora  und  minora.  Zwischen  den  beiden 
Lippen  der  oberen  Kommissur  ragte  ein  6  cm  langer  Penis  hervor,  stark 
nach  unten  gebogen,  wenig  beweglich,  mit  zwei  Frenulis  und  wohlgebildeter 
Glans,  aber  ohne  Urethral-Öffnung  und  ohne  Erektionsfähigkeit.  Zwischen 
der  unteren  Kommissur  der  Lab.  maj.  war  eine  Öffnung,  die  in  einen  engen 
3  cm  langen  Kanal  führte,  aus  dem  der  Urin  in  dünnen  Strahlen  ausfloss. 
Verf.  hielt  diesen  Zustand  der  äusseren  Geschlechtsteile  für  Hypospadiasis 
mit  geteiltem  Scrotum. 

Beob.  78.  Winter,  Pseudo-Hermaphrodismus  masculinus 
externus.  Zeitschr.  für  Gynäkol.  1890.  Bd.  18,  H.  2.  —  Schmidts 
Jahrb.  Bd.  236,  p.  518,  Jahrg.  1890. 

Beob.  79.  Rud.  Abel  (Greifswald),  Ein  Fall  von  Pseudo-Herma- 
phrodismus masculinus,  Dissert.  Greifsw.,  1890.  Vir cho ws  Arch. 
1891,  Bd.  128,  p.  420. 


—    78    — 

Eiae  Frau  von  20  Jahren  starb  an  einem  Unterleibstumor,  die  äusser- 
lich  weibliche  Geschlechtsteile  im  kindlichen  Zustand  zeigte,  ohne  Brüste. 
Im  rechten  Leisteukanale  lag  ein  Hoden,  mit  einem  Myom  darüber,  und  im 
Becken  ein  grosses  Sarkom,  das  dem  linken  Hoden  zugeschrieben  wurde,  in- 
dem sich  daran  ein  Strang  befand,  der  zum  linken  Labium  lief.  Im  übrigen 
kein  anderes  Geschlechtsorgan. 

Beob.  80.  H.  Braun,  Pseudo-Hermaphrodismusmasculinus 
externus.  Zeitschr.  für  Geburtsh.  und  Gynäkol.  1894,  Bd.  28,  p.  375, 
8  Kg.  im  Teste. 

B.  Fortbestehen  der  TVolffschen  Kanäle. 

(P  s  e  u  d  0  -  H  e  r  m  a  p  h  r  0  d  i  s  m  u  s  f  e  m  i  n  i  n  u  s.) 

Beob.  81.  Pierre  Aug.  Beclard,  Description  d'un  individu, 
dont  le  sexe  a  qu eigne  chose  d'equivoque.  Bullet,  de  la  faculte. 
A.  1815,  No.  2,  p.  273. 

Der  Verf.  untersuchte  die  16  jährige  Maria  Lefort,  die  schon  mit 
8  Jahren  menstruiert  war.  Sie  hatte  eine  Clitoris  von  27  mm,  undurchbohrt, 
mit  einem  beweglichen  Präputium  versehen.  Unterhalb  befand  sich  die 
Urethra  mit  5  Öffnungen  in  der  Mittellinie.  Unter  der  Urethra  befand  sicli 
der  Spalt  der  Vulva  mit  Atresie  der  Scheide,  von  Haaren  umgeben.  J.  G. 
St.  Hiiaire  bestätigte  dies  nach  16  Jahren  und  fügte  hinzu,  Maria  habe 
im  Gesicht  dichten  Bart.  Guinard  erzählte  dann,  dass  Maria  im  J.  1864  im 
Hotel-Dieu  de  Paris  in  der  Abteilung  von  Horteloup  mit  65  Jahren  starb, 
und  dann  wurde  das  weibliche  Geschlecht  bestätigt,  aber  mit  Verschluss  der 
Vagina  und  übermässiger  Entwickelung  der  Clitoris  und  der  Haare.  Guinard 
liefert  noch  vier  schöne,  von  Debierre  kopierte  Abbildungen.  Precis  de 
Teratologie,  1893,  p.  296. 

Beob.  82.  Stefano  Trinciiera,  Sopra  un  caso  di  apparente  erma- 
frodito.    Napoli,  1817.     Con  2  tavole  in  8». 

Beob.  83.    Giuseppe  Gaimasi,    Süll'   ermafroditismo.    Napoli,  1817. 

In  der  Leiche  eines  österreichischen  Soldaten  von  28  Jahren  fand  man 
einen  3  Zoll  langen  Penis  mit  undurchbohrter  Glans  und  Präputium.  Unter 
dem  Penis  erstreckte  sich  ein  roter  Fleck  längs  der  Rhaphe  des  Perineums, 
in  dem  nach  oben  die  Urethra  mündete,  die  von  der  Blase  herkam.  Unter 
dieser  entdeckte  man  eine  Scheidenöffnung,  mit  einer  dem  Hymen  ähnlichen 
Membran  versehen,  mit  zwei  Labia  majora  neben  sich.  Hoden  fand  man 
nirgends  und  die  Seiten  (flanchi)  waren  dem  sehr  hohen  Pubes  genähert. 
Nach  Öffnung  des  Abdomens  fand  man  im  kleinen  Becken  einen  kleinen 
Uterus  von  gewöhnlicher  Gestalt  mit  seinen  Trompeten  und  Ovarien.  Man 
diagnostizierte  also  „ein  schlecht  ausgebildetes  Weib." 

Beob.  84.  Natale  De  Agrö  (von  Troina),  Osservazioni  su  una 
donna  di  Palermo  avente  le  apparenze  d'  uomo,  etc.  Giorn.  de  med. 
prat.  di  V.  L  Brera.    Venezia,  1817,  Semestre  1,  p.  204. 

Ein  Jüngling  von  18  Jahren  starb  plötzlich,  mit  wenig  dichtem  Bart 
im  Gesicht  und   schwarzen  Haaren  an  den  Gliedern.    Er  hatte  eine  Vulva 


—     79     — 

und  einen  Penis  mit  Präputium ;  die  Urethra  öffnete  sich  an  seiner  Wurzel 
Auch  hatte  er  einen  normalen  Uterus  mit  Trompeten  und  Ovarien. 

Beob.  85.  Schmidt,  Beobachtung  eines  weiblichen  Hermaphro- 
diten.    Hufelands  Journ.  der  prakt.  Arzneik.  1821,  Bd.  46. 

Beob.  86.  Manec  et  Bouillaud  j.,  Singuliere  variete  d'hermaphro- 
ditisme.  Jour.  univ.  de  med.  et  de  chinirg.  prat.  Paris,  1833.  —  Bullet, 
de  la  E.  Acad.  de  med.  Seance  5  Mars,  1833,  Vol.  2. 

Ein  Mann  von  62  Jahren  hatte  einen  Penis  mit  Hypospadiasis  ersten 
Grades,  statt  des  Scrotums  zwei  kleine  häutige  Beutel  ohne  Hoden.  Inner- 
lich fanden  sich  vollständige  weibliche  Organe,  aber  die  Scheide  mündete 
in  die  Pars  membranacea  der  Harnröhre.     Die  Prostata  war  entwickelt. 

Beob.  87.  Bouiüaud  j.,  Singuliere  variete  d'hermaphrodisme 
observee  chez  l'homme.  Journ.  univ.  et  hebdom.  de  med.  et  chir.  etc. 
Paris,  1833. 

Beob.  88.  IVI"ie  Boivin  et  A.  Duges,  Traite  des  maladies  de  l'uterus 
et  de  ses  annexes.     Bruxelles,  1834,  T.  I,  p.  31. 

Boudelocque  (der  Enkel)  fand  einen  Kanal,  der  von  der  rechten  Trom- 
pete ausging,  innerhalb  der  Wand  des  Uterus  verlief  und  sich  in  das  Collum 
uteri  öffnete  (Acad.  de  med.  12  Fevr.  1826).  Ähnliches  wurde  von  anderen 
gesehen:  Der  Kanal  teilte  sich  in  zahlreiche  Zweige  im  oberen  Teile  der 
Scheide  und  schien  vom  Ovarium  auszugehen.  M  a  1  p  i  g  h  i  hatte  entdeckt 
und  Gärtner  wieder  gefunden  bei  vielen  Säugetieren  zwei  lange  Kanäle, 
die  sich  gegen  die  Trompeten  hin  verzweigten. 

Beob.  89.  Eschricht  (Kopenhagen),  Äusseremännlichemitinne- 
ren  weiblichen  Genitalien  bei  einem  menschlichen  Fötus. 
Müllers  Arch.   für  Anat.  etc.  Leipzig,  1836,  Heft  2,  Tafel  V,  p.  139. 

Ein  Neugeborener  mit  äusseren  männlichen  Genitalien,  aber  ohne  Hoden. 
Innerlich  fand  man  einen  Uterus,  links  mit  fallopischer  Trompete  und  Eier- 
stock versehen,  während  rechts  diese  beiden  getrennt  waren.  Der  Uterus 
war  nach  unten  geöffnet,  die  Scheide  fehlte.  Das  Eectum  mündete  in  die 
Blase,  der  Anus  war  verschlossen. 

Beob.  90.  G.  L  Kobelt,  Der  Nebeneierstock  des  Weibes. 
Heidelberg,  1847. 

Unter  fünf  Sauen  fand  er  bei  dreien  die  Malpighi sehen  Kanäle,  und 
auch  bei  Ziegen  und  Eehen. 

Beob.  91.  G.  L.  Kobelt  (Freiburg),  Der  Nebeneierstock  des 
Weibes,  das  längstvermissteSeitenstückdesNebenhodens 
des  Mannes.     Heidelberg,  1847,  No.  429. 

Es  handelt  sich  um  Eeste  der  Wolf  f  sehen  und  Müll  ersehen  Gänge 
(Cysten  der  Trompeten  und  des  Parovariums). 

Beob.  92.  Follin,  Eecherches  sur  les  corps  de  Wolf  f.  Paris 
1850,  p.  25,  avec  table. 

Er  fand  bei  der  Sau  die  Gärtner  sehen  Kanäle. 

Beob.  93.  J.  Neill,  Monstruosities  of  sex.  (The  case  of  John 
G.  Allen.)     Amer.  journ.  med.  sc.  Philadelphia,  1851,  Vol.  22,  p.  558.  . 


—     80     — 

Verf.  fand  in  der  Leiche  eines  25jälirigen  Weibes  von  zweifelhaftem 
Geschlecht  die  Clitoris  5  Zoll  lang  und  1  Zoll  dick,  ohne  Urethra,  aber  mit 
einer  Furche,  die  von  der  Glans  entsprang  und  das  Perineum  in  Form  einer 
Öffnung  erreichte.     Im  Scrotum  waren  zwei  kleine  Ovarien. 

Beob.  94.  P.  Broca,  Cystes  multiples  des  ligaments  larges. 
Bullet,  de  la  soc.  anatom.     Paris,  1852. 

Beob.  95.  H.  J.  Halbertsma,  Over  hermaphroditismus  spur  ins 
feminin  US.  Verband,  der  K.  Acad.  der  Wetensch.  Amsterdam,  1856, 
Deel  III,  2  Platter  (FoHo  17). 

Beob.  96.  C.  Rokitansky,  ÜberaccessorischeTubenundTubar- 
an hänge.     AUg.  Wiener  med.  Zeitschr.  1859,  No.  32. 

Er  spricht  ebenfalls  von  den  Cysten  des  Parovariums. 

Beob.  97.  Ed.  Cruveilhier,  Bapport  sur  un  cas  d'hermaphro- 
disme.     Bull.  Soc.  anat.  de  Paris,  1865,  T.  XL,  p.  468—473. 

Penis  mit  zweiteiligem  Scrotum  und  Urethra,  die  sich  in  die  zur 
Kloake  umgewandelte  Scheide  öffnete.     Der  Uterus  hatte  Ovarien. 

Beob.  98.  Agostino  Barbieri,  Cenni  sul  gabinettodel'Ospedale 
maggiore  di  Milan o.    Ann.  univ.  di  med.  1866,  V.  195,  p.  94. 

Hernie  eines  falschen  Ureters,  von  dem  hinteren  Teile  der  Blase  aus- 
gegangen und  durch  die  Urethra  ausgetreten.  Der  falsche  Ureter  war  von 
Blutgefässen  durchzogen,  mit  blutiger  Flüssigkeit  gefüllt,  und  stand  nicht 
mit  der  Niere  in  Verbindung.  Neben  dem  falschen  Ureter  befand  sich  der 
echte,  der  nach  aussen  von  ihm  in  die  Blase  mündete.  Die  Kranke  starb 
unter  Symptomen  von  Einschnürung. 

Beob.  99.  G.  Veit,  Handbuch  der  weiblichen  Geschlechts- 
organe.    2.  Aufl.  1867,  p.  544.    Angeführt  von  E.  Bieder, 

Er  leitet  einige  Fälle  von  Cysten  der  Scheide  von  der  Erweiterung  der 
Wo Iff sehen  Kanäle  her. 

Beob.  100.  Blanche,  Organes  femelies  pris  d'abord  pourdes 
organes  mäles.     Bull.  soc.  anat.     Paris,  1867,  T.  XII,  p.  21. 

Mit  15  Tagen  gestorbenes  Kind.  Clitoris  gross  mit  Öffnung  an  der 
unteren  Seite  der  Glans,  die  in  einen  Blindsack  führte.  Unter  der  Clitoris 
sind  die  L.  majora  miteinander  verlötet  und  täuschen  ein  Scrotum  vor.  In 
der  medianen  Vertiefung  fand  sich  eine  Öffnung,  die  zur  Blase  führte.  Die 
Sektion  zeigte  einen  Uterus  mit  Ovarien  und  die  Scheide,  die  eine  kaum 
merkliche,  über  den  Meatus  urinarius  liegende  Öffnung  hatte.  Keine  Spur 
von  Hoden. 

Beob.  101.  H.  G.  Versen,  Fall  von  Hermaphr,  transversalis 
muliebris.  Dissert.     Berlin,  1868. 

Ein  unreifer  Fötus  hatte  ein  Scrotum  und  einen  verhältnismässig  stark 
entwickelten  Penis  mit  vollständiger  Urethra,  während  innerlich  sich  ein 
Uterus  mit  Ovarien  und  Tuben  vorfand.  Die  Scheide  mündete  in  den  Hals 
der  Harnblase.  Ausserdem  zeigte  der  Fötus  Hemicephalie ,  Spina  bifida, 
Spalte  des  Gesichts,  des  Thorax  und  des  Bauches. 

Beob.  102.  V.  Preuschen  (Greifswald),  Über  Cystenbildung  in  der 
Vagina.     Virchows  Arch.     Berlin,  1877,   Bd.  70,   p.  111,  Tafel  2,  Fig.  9. 


—    81     — 

Er  hat  einen  Gärtner  sehen  Kanal  bei  einer  Katze  abgebildet. 

Beob.  103.  E.  Hofmann  (Wien),  Ein  Fall  von  Pseudo-Herm- 
aphrodismus.     Wiener  med.  Jahrb.  1877,  H.  3. 

Ein  im  Alter  von  38  Jahren  gestorbener  Kutscher  hatte  einen  4  cm 
langen  Penis,  von  dessen  Basis  eine  schmale  Furche  bis  zum  Anus  lief,  von 
3  cm  Länge.  An  den  Seiten  der  Furche  waren  zwei  Erhebungen,  grossen 
Schamlippem  ähnlich,  zwischen  denen  sich  zwei  Offnungen  befanden.  Durch 
die  vordere  gelangte  man  in  die  Blase,  durch  die  hintere  in  die  Scheide, 
bis  zum  Uterus.  Dieser  war  länglich,  hatte  links  eine  fallopische  Tuba  und 
ein  Ligament  mit  Ovarium.  Kechts  fehlte  die  Tuba,  aber  nicht  das  Ovarium, 
das  makroskopisch  kenntlich  war.  In  zwei  Strängen  in  den  Leistenkanälen 
wurden  keine  Hoden  gefunden. 

Beob.  104.  Herrmann  Beigel  (Wien),  Zur  Entwickelungs- 
geschichtedes  Wolffschen  Körpers.    Med.  Centralbl.  1878,  No.  27. 

In  5  Fällen  von  embryonalem  Uterus  mit  den  Anhängen  wurden  die 
Wolffschen  Körper  gefunden. 

Beob.  105.  Bart,  Persistenza  del  condotto  di  Müller.  Bull, 
de  la  soc.  anat.  14.  Nov.  1878.  —  Joum.  de  l'anat.  par  C.  Bob  in,  1879, 
A.  15,  p.  175. 

Kind  von  6  Jahren  mit  Nieren  von  der  Grösse  derer  eines  Erwachsenen, 
mit  erweiterten  Ureteren,  so  weit  wie  der  Dünndarm,  auf  sich  selbst  zurück- 
laufend und  echte  Windungen  bildend,  ehe  sie  die  Blase  erreichten,  die  bis 
zum  Nabel  aufsteigt. 

Über  dem  rechten  Ureter  verläuft  ein  cylindrischer  Kanal  von  der- 
selben Dicke  und  demselben  Aussehen.  Er  entspringt  mit  dünnem,  blindem 
Ende  ohne  Verbindung  mit  der  Substanz  der  Niere  in  der  Höhe  der  Neben- 
niere, und  scheint  verbunden  mit  einer  kleinen  Gruppe  durchscheinender, 
linsengrosser  Cysten,  in  denen  man  leicht  die  Beste  der  Wolf  f  sehen  Körper 
erkennt.  Diese  Cysten  sind  ebenfalls  unabhängig  von  der  Niere ;  der  Kanal 
läuft  nach  dem  Boden  der  Blase,  innerhalb  des  Ureters,  wo  er  zwischen 
Muskel-  und  Schleimhaut  verläuft,  um  in  den  Utriculus  prost aticus  zu 
münden.     Auf  der  anderen  Seite  findet  sich  nichts  ähnliches. 

Beob.  106.  A.  Kölliker,  Entwickelungsges  chichte.  2.  Aufl., 
1879,  p.  986. 

Er  sah  in  reifen  menschlichen  Embryonen  die  Beste  der  Wolffschen 
Körper  in  den  Ligamentis  latis. 

Beob.  107.  IVI.  Litten  und  R.  Virchow,  Ein  Fall  vonAndrogynie 
mit  malignem,  teratoidem  Cystom  des  rechten  Eierstocks 
und  doppelseitiger  Hydrocele  cystica  processus  vaginalis 
peritonaei.  Virchows  Arch.  1879.  Bd.  75,  p.  329.  Mt  Tafel  VI, 
Fig.  1,  2. 

Ein  Fall  von  Hermaphrodismus  spurius  femininus  (Androgynia),  denn 
im  medianen  und  inneren  Teile  der  Genitalien  hatten  diese  weiblichen  Typus, 
wie  auch  der  Habitus  des  ganzen  Körpers,  während  die  äusseren  Genitalien 
dem  männlichen  Typus  ähnelten. 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  6 


Beob.  108.  Ozenne  (Paris),  Persistance  diicanal  excreteur 
du  Corps  de  Wolff  chez  une  fenime  de  60  ans.  Bull.  soc.  anat. 
1880,  T.  55,  p.  271. 

Bei  einer  60 jährigen  Frau  fand  man  einen  fibrösen  (im  mittleren 
Teil  hohlen)  Strang,  33  cm  lang,  neben  dem  rechten  normalen  Ureter,  der 
die  rechte  Niere  mit  dem  Collum  uteri  verband  (Wolff  scher  Kanal). 

Beob.  109.  H.  Coblenz  (Halle  a.  S.),  Zur  Genese  und  Entwicke- 
lung  von  Cystomen  im  Bereich  der  inneren  weiblichen 
Sexualorgane.  Virchows  Arch.,  Berlin,  1881,  Bd.  84,  p.  26,  44,  mit 
Tafel. 

Verf.  beschäftigt  sich  besonders  mit  den  einigen  Teilen  des  Wolff- 
schen  Körpers  zugeschriebenen  Cysten  und  giebt  eine  reiche  Bibliographie. 
Auf  der  Tafel  zeigt  er  einige  Punkte,  wo  er  Gärtner  sehe  Kanäle  ge- 
funden hat. 

Beob.  110.  F.  Tourneux,  Des  restes  du  corps  de  Wolff  chez 
l'adulte  (mammiferes).  Bull,  scient.  du  dep.  du  Nord  et  pays  voisins,  etc. 
Paris,  1882.     T.  V,  p.  321—353,  pl.  1. 

Beob.  111.  MaxGraefe,  Zehn  Fälle  vonVaginalcyste.  Zeitschr. 
für  Geburtsh.  und  Gynäkol.  1882.  Bd.  VIII,  p.  460.  —  Jahresber.  für  1882, 
Bd.  II,  p.  532  (21). 

Beob.  112.  G.  Veit,  Über  einen  Fall  von  sehr  grosser 
Scheidencyste.  Zeitschr.  für  Geburtsh.  und  Gynäkol.  Berlin,  1882, 
Bd.  VIII,  p.  2. 

Er  betrachtet  die  Cyste  als  Erweiterung  der  Wolff  sehen  Kanäle. 

Beob.  113.  Paul  Guttmann,  Fall  von  Zwitterbildung.  Berliner 
klin.  Wochenschr.  1882,  No.  35,  p.  544.  —  Giorn.  internaz.  delle  sc.  med. 
Napoli,  1883,  A.  V,  p.  526. 

Ein  Kind  hatte  einen  undurchbohrten  Penis  und  drei  Corpora  caver- 
nosa.  Der  Urin  kam  aus  einer  kleinen  Öffnung  an  seiner  Wurzel.  Das 
Scrotum  war  ohne  Hoden.  Innerlich  fand  sich  ein  Uterus  mit  vollständigen 
Anhängen,  und  eine  Scheide,  die  nach  aussen  durch  die  Urethra  und  nach 
innen  mit  der  Blase  in  Verbindung  stand.  Diagnose :  Hermaphrod.  femininus 
internus. 

Beob.  114.  Kocks,  Über  die  Gartnerschen  Gänge  beim  Weibe. 
Arch.  für  Gynäkol.  1883,  Bd.  XX,  p.  287.     Citiert  von  Bieder. 

Er  fand  in  Frauenleichen  und  auch  bei  Lebenden  zwei  kleine  Öffnungen, 
die  in  zwei  feine  Kanälchen  am  hinteren  Rand  der  Urethra  führten,  und  die 
auch  pathologischen  Prozessen  unterliegen  können. 

Beob.  115.  G.  Valenti,  Rudimento  del  canale  di  Gärtner  nella 
donna.  Bull.  deUa  Soc.  tra  i  cultori  deUe  sc.  med.  Siena,  1883,  A.  1, 
p.  62. 

Er  fand  bei  Untersuchung  vieler  Scheiden  die  kleinen  Blindsäcke,  die 
Kocks  für  Endreste  des  Gärtner  sehen  Kanals  hält.  Er  bringt  auch  die 
Geschichte  des  Gegenstandes.    Er  führt  die  Stelle  von  Malpighi  an. 


Beob.  116.  R.  Dohrn,  Über  die  Gärtner  sehen  Kanäle  beim 
Weibe.  Arch.  für  Gynäkol.  1883,  Bd.  XXI,  p.  328,  H.  2.  —  Jahresber.  für 
1883,  Bd.  II,  p.  552  (12). 

Er  fand  den  Kanal  in  der  Scheide  eines  5 — 6  monatlichen  menschlichen 
Fötus  und  nahm  die  Entdeckung  desselben  für  Malpighi  in  Anspruch. 
Er  bemerkte,  dass  man  ihn  auch  im  Ligamentum  latum,  im  Uterus  und  im 
Septum  urethro-vaginale  finden  kann. 

Beob.  117.  Richard  Geigel,  Über  Variabilität  in  der  Entwicke- 
lung  der  Geschlechtsorgane  beim  Menschen.  Würzburg,  1883. 
Inaug.-Dissert.     2  Tafeln. 

Er  beschäftigt  sich  besonders  mit  den  Besten  der  Wolf  f  sehen  Körper. 

Beob.  118.  M.  Wassilieff,  Betreffend  die  Beste  der  Wolf f sehen 
Gänge  beim  Weibe.     Arch.  für  Gynäkol.    Berlin,  1883,  T.  XXII,  p.  346. 

Beob.  119.  Böhm,  Über  Erkrankung  der  Gartnerschen 
Gänge.  Arch.  für  Gynäkol.,  1883.  Bd.  XXI,  H.  1.  Von  Rieder  an- 
geführt. 

Er  bestätigt  die  Beobachtung  von  K  o  c  k  s  und  fügt  hinzu,  diese  Kanäl- 
chen seien  der  Sitz  eines  Entzündungsprozesses,  den  man  mit  Blennorrhagie 
•der  Urethra  verwechseln  könne. 

Beob.  120.  W.  Fischel,  Beiträge  zur  pathologischen  Histo- 
logie der  weiblichen  Genitalien.  Arch.  für  Gynäk.  1884,  Bd.  XXIV, 
p.  119.  —  Jahresber.  für  1884,  Bd.  I,  p.  272  (4). 

Beste  der  Wolff  sehen  Kanäle  im  Vaginalteile  des  Uterus.  Dieser 
FaU  wird  von  Orth  als  Beispiel  von  innerem,  weiblichem  Pseudo-Herm- 
^phrodismus  betrachtet. 

Beob.  121.  Carl  Rieder  (Basel),  Über  die  Gartnerschen  (Wolff- 
schen)  Kanäle  beim  menschlichen  Weibe.  Virchows  Arch. 
Berlin,  1884.     Tafel  VIII.  ~  Jahresber.  für  1884,  Bd.  I,  p.  97  (41). 

Er  bringt  6  Beobachtungen  bei  Haustieren  und  10  beim  Weibe,  und 
versichert,  Spuren  der  Gartnerschen  Kanäle  bei  ungefähr  einem  Drittel 
der  untersuchten  Weiber  gefunden  zu  haben. 

Beob.  122.  Ch.  Debierre  (Lyon),  Sur  les  canaux  de  Gärtner  chez 
la  femme.     Comptes  rend.  de  la  soc.  de  biol.  Paris,  22  Mai  1885,  p.  318. 

Er  gieht  an,  das  untere  Ende  der  Wolffschen  Kanäle  erhalte  sich  in 
Gestalt  von  4 — 12  mm  langen,  blind  endigenden  Röhrchen,  die  neben  der 
Mündung  des  Uterus  liegen.     Er  fand  sie  23  mal  bei  29  Weibern. 

Beob.  123.  Heinr.  Gunckel  (Marburg),  Über  einen  Fall  von  Pseudo- 
Hermaphrodismus  femininus.  Marburg,  1877.  Mit  Tafel.  Jahresber. 
iür  1887,  Bd.  I,  p.  272  (4). 

Elisabeth,  als  Weib  gekleidet  und  erzogen,  begann  nach  der  Pubertät 
Neigung  zu  Weibern  zu  fühlen,  und  später  schien  es,  dass  die  Folgen  mit 
ihrer  Stiefmutter  eintraten.  Jedenfalls  lief  das  Gerücht  um  und  wurde  dem 
Richter  mitgeteilt.    Der  Verf.  übergeht  die  ferneren  Ereignisse. 

Er  untersuchte  sie,  als  sie  48  Jahre  alt  war  und  fand  männlichen 
Jlabitus  mit  ebenfalls  männlichen  Brustwarzen  und  Bart.    Der  Penis   war 

6* 


—    84    — 

5  cm  lang,  nach  hinten  gebeugt  und  mit  Hypospadiasis ;  das  Scrotum  war 
leer.  Es  war  keine  äussere  Scheidenöffnung  vorhanden.  Die  Leichenunter- 
suchung zeigte  dagegen  weibliche  Organe.  Es  fand  sich  ein  fleischiger 
Uterus  mit  Höhlung,  zur  Seite  zwei  blind  endigende  Trompeten  und  zwei 
kindliche  Ovarien ;  ferner  eine  muskulöse  Scheide,  die  in  eine  dicke  Prostata 
eindrang,  und  in  Gestalt  eines  Knopflochs  in  die  Urethra  mündete.  Hoden 
fehlten.  Man  fand  die  Nebennieren  in  hyperplastischem  Zustande,  und  ac- 
cessorische  Nebennieren  im  rechten  Ligam.  latum. 

Beob.  124.  John  Philipps,  Four  cases  of  spurious  hermaphro- 
ditism  in  one  family.  Transact.  obstetr.  Soc.  London,  1887,  Vol.  28, 
p.  158. 

Eine  Mutter  gebar  unter  9  Kindern  4  falsche  Hermaphroditen,  d.  h. 
Mädchen,  die  äusserlich  männliches  Geschlecht  vortäuschten.  Bei  einem 
derselben,  welches  starb,  fand  der  Verf.  den  ganzen  weiblichen  inneren 
Apparat. 

Beob.  125.  v.  Ackeren,  Entwickelungsgesch.  der  weibl.  Sexual- 
organe.   Dissert.    Leipzig,  1888.     Angeführt  von  Klein. 

Der  Verf.  beschreibt  den  Fall  eines  Teils  des  Kanals  von  Gärtner 
(Malpighi)  in  der  Wand  der  Vagina. 

Beob.  126.  Franz  Tongl  (Budapest),  Beiträge  zur  Kenntnis  der 
Bildungsfehler  der  Urogenitalorgane.  Virchows  Arch.  Berlin,  1889, 
Bd.  118,  p.  414. 

Fall  1.  Frau,  65  Jahre  alt.  Congenitale  Atrophie  und  Dystopie  der 
linken  Niere.  Mündung  des  linken  Uterus  in  den  an  beiden  Seiten  blind 
endigenden  persistierenden  linken  Gartnerschen  Kanal.  Uterus  bilocularis 
unicoUis. 

Diese  Frau  wurde  von  Orth  als  Beispiel  des  inneren  weiblichen  Herm- 
aphrodismus  angeführt. 

Beob.  127.  G.  Klein,  Cyste  des  rechten  Wolffschen  Ganges. 
Zeitschr.  für  Geburtsh.  und  Gynäkol.  Stuttgart,  1890,  Vol.  XVIII,  p.  82 
bis  91,  Tab.  1. 

Beob.  128.  A.  Pilliet,  Debris  Wolffien  surrenal  de  l'epididyme 
chez  le  nouveau  ne.     Bull.  Soc.  anat.     Paris,  1890,  T.  LXV,  p.  471. 

Beob.  129.  S.  Löwenthal,  Ein  Fall  von  cystischer  Erweiterung 
des  Wolffschen  Ganges.     Würzburg,  1890,  8^. 

Beob.  130.  Ch.  Debierre,  Des  hermaphrodites.  Paris,  1891,  p.  139, 
160,    jyiit  drei  Figuren. 

Er  untersuchte  die  Leiche  eines  Neugeborenen,  der  eine  Eute  im  Ver- 
hältnis zu  seinem  Alter  hatte,  mit  Hypospadie  an  der  Basis,  das  Scrotum  vor- 
stehend, so  dass  man  glaubte,  es  enthalte  Hoden.  Bei  der  Sektion  fand 
man  weibliche  Organe,  mit  Ausnahme  der  Scheide;  mit  der  Besonderheit, 
dass  der  Uterus  vor  der  Blase  lag  und  sich  mit  seinem  Halse  in  den  vor- 
deren, unteren  Teil  des  Urinbehälters  öffnete. 

Beob.  131.  F.  Marchand,  Über  allgemeine  Hyperplasie  der 
Nebenniere  und  einer  accessorischen  Nebenniere  im  Ligamen- 


—    85    — 

tum  latum  bei  Pseudo-Hermaphrodismus  f emininiis.  Festschr. 
Eud.  Virchow  gewidmet  1891,  Bd.  I,  p.  554. 

Eine  Frau  mit  grosser  Clitoris  und  leichter  Hypospadie.  Die  Corpora 
cavernosa  urethrae  trugen  zur  Bildung  eines  Bulbus  bei,  wie  beim  weiblichen 
Geschlechte.  Die  Vagina  mündete  unter  der  Öffnung  der  Blase  in  die  Urethra, 
die  von  einer  kleinen  Prostata  umgeben  wurde.  In  die  Scheide  mündete 
ein  fleischiger  Uterus  mit  seiner  äusseren  Öffnung;  er  besass  Tuben  und 
Ovarien  an  der  gewöhnlichen  Stelle  und  mit  zerstreuten  Follikeln.  Die 
Nebennieren  zeigten  riesige  Hyperplasie,  und  im  rechtsseitigen  Ligamentum 
latum  befand  sich  ein  Körper  von  der  Grösse  eines  Hoden,  der  unter  dem 
Mikroskop  als  eine  accessorische  Nebenniere  erkannt  wurde. 

Beob.  132.  N.  N.,  Pseudo-Hermaphroditismus  femininus 
with  hernia  of  the  uterus.  Arch.  of  Gynaecol.  Obstetr.  and  Paediatr. 
New  York,  1892,  Vol.  IX,  p.  261. 

Beob.  133.  G.  Muscatello  (Padova),  Delle  formazioni  cystiche 
dai  residui  dei  dotti  diWolff.  Riv.  med.  di  sc.  med.  Venezia,  1892, 
Vol.  XVII,  p.  25.     Con  Tav. 

Er  beschreibt  einen  Fall  von  Scheidencyste,  die  er  Vegetationen  der 
Reste  der  Wo Iff  sehen  Gänge  zuschreibt.  Dann  fasst  er  alle  Formen  zu- 
sammen, welche  diese  Reste  annehmen  können. 

Beob.  134.  H.  M.  Milton,  Persistent  Gärtners  duct,  treated 
in  one  case  by  diver sion  of  opening  from  vagina  to  bladder. 
The  Lancet,  1893,  p.  924.  —  Jahresber.  für  1893,  Bd.  II,  p.  663  (17). 

Ein  klinischer  Fall  bei  einer  Frau,  die  von  Kindheit  tropfenweis  aus 
einer  kleinen  Öffnung  des  Septum  vesico-vaginale  ganz  nahe  bei  der  Mittel- 
linie 60  g  Serum  ohne  Urate  in  24  Stunden  verlor.  Mit  einer  feinen  Sonde 
drang  der  Verf.  bis  zur  Nierengegend  vor. 

Beob.  135.  Alfred  Kurz,  Ein  Fall  von  Ps  endo -Her  map  hrodis- 
mus  femininus  externus.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1893,  Jahrg.  XIX, 
No.  40,  p.  964. 

Beob.  136.  Brohl,  Eine  Hernia  uteri  bei  Pseudo-Hermaphro- 
dismus  femininus.  Deutsche  med,  Wochenschr.  1894,  Jahrg.  XX,  No.  15, 
p.  338.  —  Jahresber.  für  1894,  Bd.  II,  p.  737. 

Der  weibliche  Pseudo-Hermaphrodismus  war  äusserlich.  Der  Uterus 
war  zweihörnig  und  lag  in  einer  Hernia  labialis ;  er  wurde  exstirpiert  wegen 
seiner  Irreduktibilität. 

Fälle  von  Hernia  uterina  wurden  auch  bei  Pseudo-Hermaphr.  mascu- 
linus  gesehen  und  ebenfalls  exstirpiert. 

Beob.  137.  Jackson  Clarke,  A  case  of  Pseudo-Hermaphrodism. 
Path.  Transact.  1894,  V.  44,  p.  120. 

Uterus  und  Vagina  wohlgebildet,  es  fehlte  nur  das  rechte  Ovarium. 
Der  Penis  war  von  der  Urethra  durchbohrt,  die  Blase  erweitert.  Sie  ent- 
hielt zwei  Säcke,  in  welche  die  Ureteren  mündeten.  Es  war  auch  ein  Ru- 
diment der  weiblichen  Urethra  vorhanden,  und  es  fehlte  nicht  nur  der  männ- 
liche Typus,  sondern  auch  die  Hoden. 


Beob.  138.  Gustav  Klein,  Congr.  d.  deutschen  Gynäkol.  Gesellsch.  in 
Wien,  1895. 

Bei  einer  Neugeborenen  konnte  er  in  mikroskopischen  Serienschnitten 
den  Wolf  f -Gart  n  er  sehen  Kanal  verfolgen;  vom  Parovarium  ausgehend 
verfolgte  er  ihn  unter  den  Tuben  ins  Ligamentum  latum  und  in  den  Körper 
des  Uterus.  Der  rechte  Kanal  stieg  in  die  Substanz  des  Uterus  hinab  über 
die  innere  Öffnung  des  Uterus  und  endigte  blind  im  Cervix.  Der  linke 
Kanal  verlängerte  sich  im  Parametrium  bis  zum  Körper  des  Uterus,  vro  er 
ein  kleines  Stück  entlang  atrophisch  wurde,  um  nach  oben  am  Orificium 
internum  wieder  zu  erscheinen,  stieg  dann  mit  Krümmungen  in  die  Scheide 
hinab,  um  am  freien  Eande  des  Hymens  zu  münden. 

Beob.  139.  v.  Recklinghausen,  Die  Adeno-Myome  und  Cyst- 
Adenome  des  Uterus  und  der  Tubenwandung,  ihre  Abkunft 
von   Resten   des    Wolffschen  Körpers.     Berlin ,  Hirschwald ,  1896. 

Ausser  den  Cysten  spricht  er  auch  von  den  Wolffschen  Kanälen, 
die  er  in  Verbindung  mit  den  inneren  Geschlechtsorganen  des  Weibes  ge- 
funden hat. 

Beob.  140.  Jr.  Amann,  Über  Cysten  desWolffschen  Ganges. 
Centralbl.  für  Gynäkol.  1896.     No.  43. 

Grosse  Cysten  der  Uteruswand. 

Beob.  141.  Liersch,  Pseudo-Hermaphrodismus  bei  zwei 
Schwestern.     Ärztl.  Sachverstand.  Zeitg.     Jahrg.  II,  1896,  p.  519. 

Beob.  142.  A.  Krokiewicz  (Lemberg),  Ein  Fall  von  Hermaphrodi- 
tismus spurius  complettis  femininus.  Virchows  Arch.  1896,  Bd.  146, 
p.  525,  Taf.  VIII. 

Er  erinnert  daran,  dass  K 1  e  b  s  zwei  Fälle  anführt,  einen  von  M  a  n  e  c 
und  Borcilott  und  den  anderen  von  De  Crecchio  (Handb.  der  pathol. 
Anat.  p.  746),  bei  den  innerlich  alle  weiblichen  Genitalien  und  äusserlich 
die  männlichen  vorhanden  waren,  mit  Ausnahme  der  Hoden. 

Jetzt  fügt  er  eine  eigene,  gleiche  Beobachtung  hinzu. 

Beob.  143.  Jos.  Bullinger,  Über  den  distalen  Teil  der  Gärt- 
ner sehen  (Wolffschen)  Gänge.     München  1896.     Inaug.-Dissert.    8^. 

Beob.  144.  Palm,  Eine  Hymenalcy  st  e,  u.  s.  w.  Arch.  f.  Gynäkol. 
1896.     Bd.  51,  H.  3. 

G.  Klein  schreibt  diese  Cyste  dem  Endteile  des  Gärtner  sehen 
Kanals  zu. 

Beob.  145.  Neugebauer,  Fünfzig  eigene  Beobachtungen  von 
Vaginalcysten.     Rev.  de  Gynecol.  et  de  chir.  abdom.     1897,  No.  4. 

Die  Cysten  wären  meistens  durch  Ektasie  des  G  a  r  t  n  e  r  sehen  Ganges 
hervorgebracht,  selten  waren  es  Retentions-Cysten. 

Beob.  146.  Otto  Burckardt  (Basel),  Cyste  des  linken  Gartner- 
schen  Ganges.  Monatsschr.  für  Geburtsh.  und  Gynäkol.  Berlin,  1897. 
Bd.  V,  H.  6,  p.  616. 

Beob.  147.  L  Switalski,  Über  das  Verhalten  der  Urnier eu- 
res te  bei  weiblichen  Embryonen  und  Kindern.  Krakau ,  1898. 
Mit  34  Abbild. 


—     87     — 

Beob.  148.  G.  Klein  (Münclien),  DieGescliwülste  derGartner- 
schen  Gänge.     Vircliows  ArcMv  1898.    Bd.  154,  p.  63. 

Die  Geschwülste,  (gewöhnlich  einfache  oder  zusammengesetzte  Cysten), 
die  aus  den  Gärtner  sehen  Gängen  entspringen,  wurden  im  Ligamentum 
latum,  in  der  Muskelwand  des  Corpus,  im  Cervix  uteri  und  im  Hymen  ge- 
funden.    Mit  Bibliographie. 

C.    Männlicher  und  weiblicher  Pseudo-Hermaphrodisrnns  bei  Tieren. 

Beob.  149.  Giulio  Obsequente  (Vaterland  unbekannt),  Prodigiorum 
Hb  er.     Aldo,  1508.     No.  26. 

Von  einem  hermaphroditischen  Lamme. 

Beob.  150.  Giovanni  Langius  (Leoberg.  In  Pisa  promoviert).  Medi- 
cinalium  epistolarum  miscellanea.  Basileae ,  1534.  Francofurti, 
15S9. 

Berichtet  über  einige  Hasen   und  einen  Hirsch  mit  Hermaphrodismus. 

Beob.  151.  Simeone  Majolo  (Asti),  Dierum  canicularium.  Franco- 
furti, 1642.     Collect.  1.     Pars  1. 

Erzählt  von  einem  hermaphroditischen  Schweine. 

Beob.  152.  Paolo  Zacchia,  Quaestiones  medico-legales.  Lug- 
duni  1661.    Libr.  7,  tit.  I,  quaest.  9,  No.  15. 

Im  Jahre  1621  sah  er  in  Rom  einen  Esel  mit  sehr  grossem  Penis, 
wie  er  bei  Eseln  zu  sein  pflegt,  aber  verdreht,  wie  bei  den  Hypospadiern. 
Ausserdem  hatte  er  eine  wohlgebildete  Vulva,  deren  Öffnung  den  kleinen 
Finger  einliess.  Die  Lage  der  Genitalien  war  die  gewöhnliche,  aber  unter 
dem  Steiss  befand  sich  ein  grosser  Spalt,  der  nach  oben,  nahe  am  Schwanz, 
sich  zwischen  den  beiden  Hoden  durch  die  ganze  Länge  des  Gliedes  er- 
streckte. Aber  nach  Überschreitung  der  Vulva  war  der  Spalt  sehr  ober- 
flächlich, so  dass  das  Glied  von  hinten  durch  ihn  in  zwei  Glieder  geteilt 
erschien.  Das  Tier  urinierte  nicht  nur  durch  den  Penis,  sondern  auch  durch 
die  Vulva ;  es  richtete  den  Penis  auf  und  besprang  die  Eselinnen,  konnte 
aber  nicht  mit  ihnen  fertig  werden  Avegen  der  angefühlten  Krümmung  des 
Glieds. 

Beob.  153.  Phil.  Jac.  Hartmann  (Prof.  in  Königsberg),  Anatome  vi- 
tulae  herm  aphroditae.  Ephem.  nat.  curios.  Dec.  II,  A.  VII.  1688. 
Norimbergae  1689.     Cum.  flg.,  p.  62.     Obs.  27. 

Äusseres  Aussehen  eines  Kuhkalbes  mit  Scheide.  An  den  Seiten  der 
Blase  lagen  Hoden  mit  Nebenhoden. 

Beob.  154.  Fed.  Ruysch,  Thesaurus  anatomicus  octavus.  No.  53. 
Amstelodami,  1727,  p.  17. 

Schaf  mit  stark  entwickelter  Clitoris  und  mit  Fettklappen  an  den  Lippen 
der  Scheide,  so  dass  sie  Hoden  vortäuschten.  (Es  kann  sich  nicht  um 
einen  Hermaphroditen  handeln.) 

Beob.  155.  Abram  Konr.  Boerhave,  (Enkel  von  Herrmann),  Historia 
anatomica  ovis  pro  hermaphrodito  habiti.  Novi  Comment.  Acad. 
Petropolit.     Petropoli,  1730.     Anni  1747  et  48.    T.  I,  p.  317,  Tab.  IX. 


Fälle  von  Hypospadie  bei  4  Tieren  mit  geteiltem  Scrotum,  in  das  die 
Hoden  spät  herabstiegen.     Memoria  erudita. 

Beob.  156.  Albert  v.  Haller,  De  hermaphroditis;  an  dentur?  Com- 
mentarius.     Comm.  soc.  E,.    Göttingensis.     1752.     T.  I,  p.  LVII. 

Ziege  mit  einer  für  einen  Penis  zu  kleinen  Clitoris,  mit  Präputium. 
Er  war  spiralig  gebogen  mit  zwei  Corp.  cavernosa.  Darunter  war  eine  sehr 
enge  Vulva,  durch  welche  eine  Sonde  bald  die  Blase,  bald  einen  langen 
Kanal  zwischen  Eectum  und  Scheide  erreichte,  der  sich  in  zwei  teilte 
(Uterushörner)  und  sich  in  zwei  Hoden  fortsetzte,  die  an  der  Stelle  der 
Ovarien  lagen. 

Beob.  157.  Carrere,  Description  d'un  äne  pretendu  herm- 
aphrodite.  Mem.  de  l'acad.  R.  des  sc.  de  Paris,  1773.  Collect,  des  mem.  etc. 
Paris,  1787,  T.  XV,  p.  320. 

Beob,  158.  Antonio  Penchienati,  Observ.  sur  quelques  pretendus 
hermaphrodites.  Mem.  de  l'acad.  de  Turin,  1793.  T.  X.  (T.  V  des 
Mem.  A.  1790-91),  p.  18 

Zwei  Fälle  von  Hypospadie,  der  eine  bei  einem  Pferde,  Der  dritte 
Fall  betraf  ein  Beispiel  von  Ekstrophia  vesicae,  die  nicht  zum  Hermaphro- 
dismus  gehört. 

Beob.  159.  Borkhausen,  Beschreibung  eines  merkwürdigen 
Schafzwitters.  Ehein.  Mag.  zur  Erweit,  der  Naturk,  Griessen,  1793. 
Bd.  1. 

Beob.  160.  Everard  Home,  An  account  of  the  dissection  of 
an  hermaphrodite  dog,  to  which  are  prefixed  some  obser- 
vations  on  hermaphrodites  in  general.  Philos.  transact.  of 
London,  1799.     P.  I,  p.  158,  Tab.  IV. 

Eine  Hündin  ohne  Zitzen,  die  niemals  erotische  Neigungen  gezeigt 
hatte,  zeigte  eine  regelmässige  Vulva  mit  grosser  Clitoris,  unter  der  sich 
die  Urethra  öffnete.  Bei  der  Sektion  fand  man  ein  die  Vagina  darstellendes 
ligamentöses  Gewebe,  das  sich  in  zwei  feine,  nicht  durchbohrte  Stränge 
fortsetzte,  die  sich  zu  zwei  an  der  Stelle  der  Ovarien  liegende  Körper  be- 
gaben, aber  von  zweideutiger  Natur  waren  (ebenso,  wie  die  Stränge),  denn 
sie  waren  zu  klein  und  ohne  Struktur,  um  für  Hoden  gehalten  zu  werden, 
und  zu  unvollkommen,  um  als  Ovarien  zu  gelten. 

Beob.  161.  Carlo  Anselmi  (Prof.  in  Turin),  Genisse  hermaphrodite. 
Mem.  de  l'ac.  E.  des  sc.  (1805—1808).  Turin,  1809,  p.  103.  Avec 
planche. 

Kalb  mit  rudimentärem  im  Präputium  verborgenem  Penis.  Scrotum 
und  Hoden  fehlten,  während  die  Ductus  deferentes  vorhanden  waren  und  in 
die  Blase  mündeten.  Es  fehlte  jede  Spur  von  weiblichen  Organen,  so  dass 
es  sich  nach  des  Verf.  Meinung  um  ein  unvollkommenes  Männchen 
handelte. 

Beob.  162.  D.  Reuss,  Eep  ertorium  hermaphroditi.  Göttingen, 
1813.     Vol.  X,  p.  227. 

Sammlung  von  bibliographischen  Anzeigen  von  bei  Tieren  gemachten 
und  in  den  Actis  academicis  publizierten  Beobachtungen. 


Beob.  163.  Fed.  Jacoby,  De  mammalibus  hermapliroditis, 
alterno  latere  in  sexum  contrarium  vergentibus.  Berolini, 
1818. 

Beob.  164.  Vincenzo  Stellati  (Prof.  in  Neapel),  Atti  del  E.  istit. 
d'  incoraggiamento.     Napoli,  1822.     Vol.  III,  con  tav. 

Eine  Ziege  hatte  einen  unter  dem  Schwanz  umgekehrt  liegenden  Penis, 
ohne  Urethra  und  mit  einem  2  Zoll  langen  Corpus  cavernosum  versehen. 
Das  Scrotum  fehlte,  die  Hoden  lagen  parallel  am  Abdomen  unter  der  Brust, 
die  beiden  Can.  deferentes  endigten  an  den  Seiten  der  Scheide  ohne  Münd- 
ung, von  den  Cowper'schen  Drüsen  umgeben.  Einen  Zoll  unter  dem  Penis 
befand  sich  die  Öffnung  der  Vulva  (mit  der  normalen  Mündung  der  Urethra), 
die  sich  in  die  Scheide  und  den  Uterus  fortsetzte.  Es  fanden  sich  fallo- 
pische  Trompeten,  aber  ohne  Franzen;  die  Ovarien  fehlten.  Daher  war  eine 
fruchtbare  Begattung  nicht  möglich,  weder  aktiv  noch  passiv. 

Beob.  165.  J.  J.  Virey,  Note  sur  un  cheval  repute  herm- 
aphrodite.  Journ.  complem.  du  dict.  des  sc.  med.  Paris,  1823.  T.  XV, 
p.  140—142. 

Ein  Pferd  mit  Vulva,  mit  nach  hinten  gewendetem  Penis,  ohne  äussere 
Hoden,  mit  männlichen  Instinkten. 

Beob.  166.  Mayer  (Prof.  in  Bonn),  Sur  les  conformations  herm- 
aphrodites.  Journ.  für  Chir.  und  Augenheilk.  T.  VIII,  H.  2,  p.  194, 
—  Bullet,  des  sc.  med.  par  le  baron  de  Ferussac.  Paris,  1827, 
T.  X,  p.  15. 

Er  bringt  4  Beobachtungen:  1.  Ein  Ochse  mit  Hypospadie,  mit 
Hoden,  mit  Scheide,  mit  Uterus  bicornis,  der  durch  die  Trompeten  mit  den 
Hoden  in  Verbindung  steht.  2.  Ein  Hund,  ähnlich  wie  vorige  Beobachtung. 
3.  Ein  lebender  Mensch  mit  Hypospadie,  vorherrschendem  männlichen 
Typus.  Bei  ihm  war  das  Vorhandensein  weiblicher  Organe  nicht  aus- 
geschlossen. 4.  In  der  Leiche  eines  Jünglings  von  18  Jahren  fand  der 
Verf.  einen  Penis,  ein  leeres  Scrotum,  eine  Urethra,  sowohl  in  Verbindung 
mit  der  Blase  als  mit  der  Scheide,  die  sich  in  den  Uterus  fortsetzte.  Der 
Blasenhals  war  von  der  Prostata  umgeben.  Rechts  befand  sich  ein  kleiner 
Körper,  wie  ein  Hode. 

Beob.  167.  Carlo  Mondini  (Bologna),  De  hermaphroditis.  Mem. 
inedita  riassunta  da  Medici.  (Vita  di  Carlo  Mondini,  scritta  da 
Michele  Medici.)     Bologna,  1830,  2.  edit.  p.  59. 

Ein  Schaf  von  dem  Aussehen  eines  Widders  urinierte  nicht  durch  den 
Penis,  sondern  durch  eine  Spalte  am  Perineum.  Bei  der  Sektion  fand  der 
Verf.  alle  dem  Männchen  zukommenden  Organe,  aber  der  Penis  war  nicht 
durchbohrt,  die  Urethra  öffnete  sich  ins  Perineum. 

Beob.  168.  E.  F.  Gurlt,  Hermaphrodisia,  Lehrb.  der  path. 
A  n  a  t.     Berlin,  1832,  p.  183.  —  Pseudo-Hermaphr.  f emininus,  p.  193. 

Beob.  169.  Is.  G.  St.  Hllaire,  Des  anomalies.  Paris,  1836,  T.  II, 
p.  139.    BruxeUes,  1837,  T.  II,  p.  101. 

Eeiche  Bibliographie  der  Fälle  von  echtem  und  falschem  Hermaphro- 
dismus  bei  Tieren. 


—    90    — 

Beob.  170.  H.  Meckel,  ÜberdenGeschlechtsapparateiniger 
hermaphroditischen  Tiere.   Müller's  Arch.  für  Anat.  und  Physiol. 

Eine  wichtige  Studie  über  Teratologie  bei  Tieren. 

Beob.  171.  P.  Rayer,  Note  sur  un  cas  de  faux  h.ermaph.ro- 
disme  choz  un  belier.  Gaz.  med.  de  Paris,  184:8.  Ser.  3,  T.  III,  p. 
352—54. 

Beob.  172.  v.  Leuckart,  Das  Weber'sche  Organ  und  seine 
Metamorphosen.    Illustr.  med.  Zeit.  München,  1852,  H.  2. 

Bei  Lämmern  von  männlichem  Geschlecht  fand  er  Uterus  und  Scheide. 

Beob.  173.  Rayer,  Cas  d'hermaphrodisme  complexe.  Comptes 
rend.  dela  soc.  debiol.  1854,  p.  112.  —  Gaz.  med.  de  Paris,  1854, 
No.  1. 

Stier  mit  dem  männlichen  komplizierten  Hermaphrod.  von  Is.  G.  St. 
Hilaire. 

Beob.  174.  Spiegelberg,  Über  die  Verkümmerung  der  Geni- 
talien (angeblich)  verschieden  geschlechtlicher  Zwillings- 
nachbarn. Zeitschr.  für  rat.  Mediz.  1860.  Ser.  3,  Bd.  X,  No.  1—2.  — 
Cannstatts  Jahresb.  1861,  IV,  9-16.     No.  85. 

Wenn  die  Zwillingskälber  männlich  sind,  ist  eins  davon  oft  ein  Her- 
maphrodit. 

Beob.  175.  Antonio  Demarchl,  Intorno  ad  un  ermafrodito. 
Giorn.  di  med.  veterin.  prat.     Torino,  1861,  A.  IX,  p.  425. 

Es  handelte  sich  um  ein  Pferd. 

Beob.  176.  Nicola  Chicoli,  Caso  di  ermafrod.  femineo.  Atti 
della  Soc.  d'  Acclimaz.    Palermo,  1862.    T.  2,  No.  1.    Mit  AbbUd. 

Weiblicher  innerer  Pseudo-Hermaphrodismus  bei  einer  Ziege. 

Beob,  177.  F.  Monaco,  Un  caso  di  pseudo-ermaf r odismo  in 
un  bovino.    L'Arch.  di  Veterin.    Napoli,   1870.    Ser.  II,  A.  III,  p.  337. 

Ein  Kalb  von  14  Monaten,  das  einzige  überlebende  von  einer  Drillings- 
geburt, zeigte  einen  Penis  von  der  Grösse  des  Endes  des  kleinen  Fingers; 
er  befand  sich  unter  dem  Anus  in  horizontaler  Richtung  zur  Achse  des 
Körpers,  mit  ein  Avenig  nach  oben  gerichteter  Glans.  Die  Urethra  befand 
sich  an  der  oberen  Seite  des  Penis  mit  Öffnung  am  Ende.  Das  Präputium 
war  übermässig  entwickelt  und  vulvaähnlich  gebildet.  Keine  Spur  von 
Eutern,  nur  zwei  kleine  Strichel  an  der  gewöhnlichen  Stelle.  Das  Scrotum 
fehlte,  aber  bei  der  Untersuchung  entdeckte  man  zwei  Hoden  in  den 
Weichen. 

Bei  der  Sektion  fand  man  vollständige  männliche  Organe,  nur  die 
Samenbläschen  waren  stark  entwickelt,  und  der  männliche  Uterus  zeigte 
eine  knotige  Gabelung,  die  Uterushörner  darstellend,  die  denselben  Lauf 
verfolgten,  wie  die  Can.  deferentes. 

Beob.  178.  Antonio  Bossotto,  Ermafroditismo  in  un  vitello. 
n  med.  Veterin.  Torino,  1871.    A.  VI,  Ser.  3,  p.  337. 

Ein  Kalb  von  3  Monaten  zeigte  keine  Spar  von  Scrotum  und  trug 
längs  der  Rhaphe  des  Perineums   eine   längliche   fleischige  Erhöhung,   eine 


—     91     — 

kleine,  vollkommea  geschlossene  Vulva  darstellend.  Die  Euter  waren  gut 
entwickelt,  und  in  der  Regio  hypogastrica,  unmittelbar  vor  den  Eutern, 
sah  man  ein  echtes,  langhehaartes  Präputium. 

Bei  der  Sektion  fand  man  Ovarien  und  einen  gut  entwickelten,  mit 
Müssigkeit  gefüllten  Uterus,  mit  fallopischen  Trompeten  versehen,  der  sich 
in  eine  weite,  kurze  Scheide  öffnete.  Über  dieser  lag  die  Blase,  deren 
Ureteren  eng  an  der  Oberfläche  des  Uterus  festhingen.  Am  hinteren  Ende 
der  Vagina  fand  man  eine  enge  Urethra,  die  zu  dem  kleinen,  5  cm  langen 
Penis  gehörte.  Die  Scheide,  statt  sich  in  die  Vulva  zu  öffnen,  setzte  sich 
in  diese  Urethra  fort.  Hoden  fehlten.  Das  Kalb  war  nicht  als  ZwiUing 
gehören. 

Diese  Beschreibung  ist  sehr  unvollständig. 

Beoh.  179.  Gaetano  Gaddi,  Sopra  diversi  casi  d'  ermafrodismo 
nei   suini.     Gazz.   med.  veterin.   Milano,  1875,  A.  V,  p.  150.     Con  tavole. 

Ein  Schwein  hatte  eine  Hernie  in  der  linken  Weiche  zugleich  mit 
einem  Hoden,  und  in  der  rechten  lag  der  Hode  unter  der  Haut.  Innerlich 
am  Scrotum  befestigt  stand  ein  kleiner,  nach  hinten  gewendeter  Penis 
hervor,  der  zwei  Kanäle  zeigte :  einen  oberen,  die  Urethra,  und  einen 
unteren,  ähnlich  einem  Beutel  mit  blindem  Ende.  Von  der  Blase,  die  keine 
Samenbläschen  zeigte,  ging,  wie  gewöhnlich,  die  Urethra  aus,  der  die 
Prostata  fehlte,  und  die  in  die  Can.  deferentes  und  die  Vagina  mündete. 
Letztere  setzte  sich  in  einen  zweihörnigen  Uterus  fort.  Der  Verf.  schweigt 
über  die  Ovarien.  Dieses  Schweinchen  war  von  einer  Sau  geboren,  die 
schon  andere  Junge  mit  ähnlichen  Missbildungen  zur  Welt  gebracht  hatte. 

Beob.  180.  G.  Generali  und  E.  Sertoli,  Di  un  pseudo-ermafro- 
ditismo  in  una  capra.  Arch.  di  medic.  veterinaria.  Milano,  1876,  Vol.  1, 
p.  22.    Con  2  tavole. 

Die  Ziege  hatte  äusserlich  Genitalien  von  weiblichem  Aussehen  und 
Euter.  Ausserdem  war  der  innere  weibliche  Apparat  vollständig.  Aber  sie 
besass  auch  Hoden  (ohne  Spermatozoen),  D.  deferentes,  Samenbläschen  und 
eine  Art  Penis,  der  aus  der  Vulva  hervorkam. 

Beob.  181.  L.  Corvini,  Caso  di  apparente  ermaf roditismo 
osservato  in  un  somaro.  Arch.  di  med.  veterin.  Milano,  1877,  T.  II, 
p.  28—34. 

Beob.  182.  F.  Schnopfhagen,  Hermaphrodismus  verus  bila- 
teralis  hei  einer  Ziege.  Med.  Jahrb.  der  k.  k.  Gesellsch.  der  Ärzte  in 
Wien,  1877.    Bd.  II,  p.  341.     Taf.  VII. 

Echter  Hermaphrodismus  bei  einer  Ziege. 

Beob.  183.  Lehmann,  Zwitterbildung  bei  einem  Rinde.  Preuss. 
Mitt.  1880.  p.  66.  —  V.  Jahresber.  für  1880,  V.  I,  p.  711. 

Beob.  184.  Sanson,  Sur  un  nouveau  cas  de  malformations 
des  Organe s^genitaux  chez  une  vache  jumelle  d'un  tauroau. 
Bull.  Soc.  centr.  de  med.  veterin.     A.  1881.     T.  IV,  p.  103. 

Beob.  185.  F.  Negrini,  Sopra  un  caso  di  pseudo-ermaf rodi- 
tismo  in   un   capretto.     Clin.  Veterin.     Milano,   1883.     A.    IX,   No.  6. 


Beob.  186.  v,  Kölliker,  Über  Zwitterbildungen  bei  Säuge- 
tieren. Sitzangsber.  der  physik.  med.  Ges.  zu  Würzburg.  A.  1884,  p.  85. 
Sitz.  24.  Mai  1884. 

Schwein  mit  männlichem  Typus.  Zweihörniger  Uterus.  Samenbläschen, 
Hoden,  Penis  atrophisch. 

Beob.  187.  Reuter,  Ein  Beitrag  zur  Lehre  vom  Hermaphro- 
dismus.  Vcrh.  der  phys.  med.  Ges.  zu  Würzburg.  N.  F,  1885,  Bd.  XIX, 
No.  2. 

Zuerst  fasst  er  die  Geschichte  des  Hennaphrodismus  zusammen,  dann 
beschreibt  er  drei  von  derselben  Sau  geborene  Schweine,  von  denen  das 
letzte  vollkommener  Hermaphrodit  war,  mit  vollkommen  entwickelten  Ovarien 
und  Hoden. 

Beob.  188.  Spengel,  Hermaphrodismus  bei  Amphibien.  Biol. 
Centralbl.  1885,  Bd.  IV. 

Beob.  189.  Stecker,  Pseudo-Hermaphrodismus  masculinus 
externus  beim  Rinde.  Tagebl.  d.  50.  Vers.  Deutscher  Naturf.  und  Ärzte 
1886,  p.  331. 

Beob.  190.  A.Johne,  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Hermaphro- 
dismus masculinus.  Deutsche  Zeitschr.  für  Tiermediz.  Leipzig,  1887, 
Bd.  XIII,  p.  178. 

Beob.  191.  A.  Stricker,  Pseudo-Hermaphrodismus  masculinus 
beim  Binde.  Arch.  f.  wiss.  und  prakt.  Tierheilk.  Berlin,  1887,  Bd.  XIII, 
p.  95. 

Beob.  192.  R.  Edelmann,  Über  Pseudo-Hermaphrodismus  com- 
pletus  masculinus.  Arch.  für  wiss.  und  prakt.  Tierheilk.  1888.  Bd.  XIV, 
H.  4  u.  5,  p.  309. 

Der  Fall  betraf  ein  Pferd. 

Beob.  193.  Pütz,  Ein  Fall  von  Hermaphrodismus  verus  uni- 
lateralis  beim  Schwein.     Deutsche  Zeitschr.  für  Tiermed.  1889,  Bd.  15. 

Beob.  194.  Mario  Condorelli-Francavilla  (Assistent  am  zoolog.  Instit.  in 
Rom),  Lo  Spallanzani.     1891,  A.  29,  p.  136. 

Pseudo-Hermaphrodismus  beim  Widder. 

Beob.  195.  C.  Pistor,  Ein  F  all  von  Pseudo-Hermaphrodismus 
masculinus   completus  beim  Schwein.    München,  1892. 

Beob.  196.  Guicliard,  Hermaphrodisme  chez  un  belier.  Journ. 
de  med.  veterin.     Lyon,  1892,  Ser.  3,  Vol.  XVII,  p.  144. 

Diagnose :  Monorchides  Männchen,  mit  Atrophie  und  Hypospadiasis  des 
Penis  und  bedeutender  Entwickelung  des  Uterus  nach  links,  dem  jedoch  die 
Ovarien  beiderseits  fehlen. 

Ein  Merinoschaf,  ausnahmsweise  ohne  Hörner,  hatte  einen  einzigen 
Hoden  im  Scrotum  und  eine  Perinealspalte,  in  deren  oberem  Teile  der  Ein- 
gang zur  Urethra  war,  ohne  Prostata,  der  Penis  war  atrophisch  und  erschien 
ebenfalls  am  oberen  Teile  der  Spalte.  Bei  der  Sektion  fand  man  einen 
Uterus,   mit   einer   Trompete,   aber  kein.  Ovarium   am   linken  Hörne.     Das 


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rechte  Hörn  war  atrophisch.  Der  Uterus  setzte  sich  in  die  Scheide  fort, 
die  an  ihrem  Ursprung  blind  war.  In  der  Urethra  (nahe  am  Punkte  der 
Fortsetzung  der  Scheide)  mündeten  die  Can.  deferentes,  mit  dem  Unter- 
schiede, dass  der  rechte  Kanal  von  dem  erwähnten  Hoden  entsprang,  während 
der  linke  blind  vom  Lig.  latum   ausging. 

Beob.  197.    L  Guinard,  Precis  de  Teratologie.    Paris,  1893,  p.  280 
Wichtige  Sammlung  von  neuen  Fällen   von  Pseudo-Hermaphrodismus, 
sowohl  beim  Menschen,  als  bei  einigen  Haustieren,  die  auch  die  gerichtliche 
Medizin  interessieren  können. 

Beob.  198.    La  Valette  St.  George,    Zwitterbildung  beim  kleinen 
Wassermolch  (Salamandra).     Arch.  für  mikrosk.  Anat.  1895,  Bd.  XLV. 


—     94    — 

Die  vorstehende  Abbildung  und  die  sich  darauf  beziehende  Beobachtung 
gehören  zum  II.  Teil  dieser  Arbeit  über  Hermaphrodismus  und  speziell  zu 
dem  Art.  IV  über  ungewisses  Geschlecht  beim  Lebenden. 


A.  Filippi  (Firenze),  Uomo  o  donna.  (Virginia  Mauri,  später  genannt 
Zepthe  Akaire  aus  Tunis),  LoSperimentale,  Firenze,  1881,  Anno  XXXV, 
T.  47,  p.  536.  —  Manuale  di  medicina  legale.  Milano,  1896,  Vol.  1, 
Nota  1,  p.  123.     Con  4  fig. 

A.  Zuccarelli,  L'  anomalo.     Napoli,  1892,  A.  V,  p.  78. 

G.  Bergonzoli  (Pavia),  Di  un  caso  d'  ermafr oditismo  f  emminile 
esterno.     Bull,   scient,  Pavia,  Marzo  1893,  A.  XV,  No.  1,  p.  9. 

G.  Ravaglia  (Bologna),  Conferenza.  La  Rassegna  med.  Bologna, 
1896,  A.  IV,  No.  7,  p.  7. 

A.  Bruch,  Ein  Hermaphrodit.  Nebst  Bemerkimgen  von  R.  Vir- 
cho  w.  Berliner  med.  Gesellsch.  2.  Febr.  1898.  —  Berl.  klin.  Wochenschr.  1898, 
No.  8,  p.  177. 

C.  Taruffi,  Un  gedruckte  Beobachtung  vom  Jahre  1896  mit 
Abbild,  von  Ravaglia. 

Virginia  Mauri,  geboren  in  Rom  im  Jahre  1859,  erzählte  folgendes.  Sie 
hatte  zwei  Schwestern  am  Leben  und  war  mit  16  Jahren  schon  menstruiert. 
Zuerst  fühlte  sie  Neigung  zu  Männern,  so  dass  sie  zweimal  schwanger 
wurde,  obgleich  der  Coitus  ihr  Schmerzen  verursachte.  Die  Schwangerschaft 
erreichte  ihr  Ende  nicht,  sondern  wurde  jedesmal  durch  Abort  unterbrochen. 
In  der  Folge  habe  sie  auch  Neigung  zu  Frauen  gefühlt. 

Mit  20  Jahren  war  Virginia  188  cm  hoch,  ihre  Beine  waren  kurz  im 
Verhältnis  zum  Rumpf.  Ihre  Haut  war  überall  brünett,  ausser  an  der  Brust, 
wo  sie  weiss  war.  Ihre  Behaarung  war  schwarz,  wie  auch  die  Haare  des 
Gesichts  und  des  Pubes.     Die  Brüste  und  die  Stimme  waren  männlich. 

Als  Virginia  im  Jahre  1896  nach  Bologna  kam,  hatte  sie  schwarzen, 
ziemlich  dichten  Bart,  lange  Haare  von  derselben  Farbe.  Sehr  wichtig  war 
es,  dass  Dr.  Ravaglia  während  ihres  Aufenthaltes  in  der  Stadt  die  Men- 
struation bestätigte. 

Virginia  hatte  unter  dem  Pubes  einen  vorstehenden,  fleischigen  Cylinder, 
der  im  schlaffen  Zustande  5^2  cm  mass,  mit  Eichel  und  Vorhaut  und  mit 
der  Andeutung  eines  Frenulums  versehen  war.  (Siehe  Abbildung.)  Dr.  Ra- 
vaglia erfuhr,  dass  ursprünglich  die  Glans  an  der  Haut  des  Cylinders  fest- 
hing, und  dass  ein  Chirurg  das  zusammengezogene  Gewebe  an  der  Stelle 
des  Frenulums  quer  durchschnitten  hatte.  Auf  diese  Weise  konnten  sich 
die  Teile  verlängern,  und  man  erkannte  das  Fehlen  des  Kanals  der  Urethra, 


—    95    — 

indem   nur   eine  Furche    mit  glatter  Oberfläche   und   einigen  blinden  Ver- 
tiefungen übrig  blieb. 

Unter  dem  fleischigen  Cylinder  zeigten  sich  die  Labia  majora,  zwischen 
denen  auch  die  L.  minora  kenntlich  waren,  sowie  nach  oben  die  Mündung 
der  Urethra.  Zwischen  diesen  Labien  drang  man  leicht  in  die  Vagina  ein 
und  erreichte  mit  dem  Finger  das  Collum  uteri.  Aber  man  vermochte 
weder  Hoden  noch  Ovarien  zu  finden,  weder  in  den  Schamlii3pen,  noch 
in  den  Weichen.  Die  Untersuchung  durch  das  Eectum  wurde  nicht  ge- 
stattet. 


Zweiter  Teil. 
Der  klinische  Hermaphrodismus. 

Äusserer  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Erster  Abschnitt. 

Feminismus  i). 

(Der  feminierte  Mann.) 

Unter  den  verschiedenen  Formen  der  nutritiven  Degradation, 
die  sich  am  Äusseren  des  Organismus  zeigen,  giebt  es  eine  sehr 
gewöhnliche  und  zu  jeder  Zeit  sehr  bekannte,  die  von  den 
Ärzten  wenig  beachtet  wurde,  weil  sie  eine  sekundäre  Er- 
scheinung ist,  die  an  und  für  sich  weder  der  Pathologie,  noch 
der  Klinik,  noch  der  tierischen  Biologie  angehört.  Diese  De- 
gradation hat,  wenn  sie  einen  hohen  Grrad  erreicht,  neuerlich 
den  Namen  Feminismus  erhalten;  wenn  sie  dagegen  in  sehr 
geringem  Grade,  also  leicht  und  teilweise  auftritt,  bleibt  sie 
meist  unbemerkt,  falls  nicht  das  degradierte  Kind  eine  offen- 
bare Ähnlichkeit  mit  der  Mutter,  der  Tante  oder  der  Gross- 
mutter aufweisst  und  es  sich  nicht  um  einen  nach  vielen 
Brüdern  geborenen  Sohn  handelt:  dann  rührt  diese  Erscheinung 
von  erblichen  Verhältnissen  innerhalb  des  physiologischen  Be- 
weises her. 

Die  geringe  praktische  Wichtigkeit,  die  man  gewöhnlich 
diesen  Anomalien  beilegt,  haben  die  nötigen  Studien  zur  Ab- 
fassung einer  geeigneten  Monographie  verzögert.  Höchstens 
können    wir   wiederholen,    dass    die    ersten  Nachrichten   über 


^)  Die   ia    diesem  Abschnitt  angeführten  Beobachtungen  gehören  alle 
zu  Note  2. 


—    97    — 

feminierte  Männer  den  Eunuclien  und  kastrierten  Sängern 
(Kontraalten)  entnommen  wurden.  Bei  den  Tieren  erhielten 
wir  die  ersten  Nachrichten  von  den  Pflegern  ausgewählter 
Eassen  und  dann  von  den  Tierärzten  durch  jene  Verstümme- 
lung, die  Varro  Kastration  genannt  hat.  Schon  früher  hatte 
Aristoteles  diesen  Zustand  gekannt  und  auch  bemerkt,  dass 
er  eine  Verwandlung  eines  Mannes  in  ein  Weib  darstellt 
(wenigstens  nach  der  Übersetzung  des  Griechen  Gaza:  Execta 
omnia  mutantur  in  foeminam)i)  und  daraus  entnahm  er  eine 
Lehre  über  den  Ursprung  des  geringeren  oder  schwachen  Ge- 
schlechts (siehe  Note  1). 

Aristoteles  führte  kein  Wort  für  die  auf  die  Kastration 
folgenden  Erscheinungen  ein,  aber  die  italienischen  Schrift- 
steller der  Renaissance  und  die  späteren  nannten  infemminiti 
oder  effemminati  solche  Männer,  die  von  Natur  oder  durch  Er- 
werbung weibische  (donnesco)  (s.  Crusca)  Sitten  oder  Gesinn- 
ungen haben.  Es  giebt  kein  Beispiel,  dass  diese  Benennungen 
auf  Tiere  angewendet  worden  wären.  Erst  im  Jahre  1864 
schrieb  Marzuttini,  ein  ausgezeichneter  Arzt  in  Udine,  in  Be- 
zug auf  eine  seiner  Beobachtungen,  „die  Kastration  verweibischt 
(infemminisce)  die  wilden  Tiere"  (s.  Note  2,  Beob.  7). 

Später  fühlten  die  Franzosen  das  Bedürfnis,  dieselben  Er- 
scheinungen mit  einem  Worte  anzuzeigen,  welcher  Art  auch 
ihre  Ursache  sein  mochte,  und  der  erste,  der  diese  Lücke  aus- 
füllte, war,  wie  es  scheint,  Faneau  de  la  cour  (Paris  1871), 
der  seine  These  betitelte  „Du  feminisme  et  de  l'infantilisme 
chez  les  tuberculeux";  von  den  letzteren  untersuchte  er  35  unter 
Inspiration  des  Prof.  Lorain.  Er  hatte  das  Glück,  dass  die 
beiden  Worte  schnell  in  Frankreich  angenommen  und  dann,  wie 
gewöhnlich,  auch  in  Italien  nachgesprochen  wurden  (Imoda  und 
Ferranniui).  Wir  werden  jedoch  fortfahren,  uns  des  Wortes 
„verweiblichen"  (infemminire)  zu  bedienen,  und  werden  es  auch 
anwenden,  wenn  die  obengenannten  Charaktere  sich  nicht  nur 
in  den  Gewohnheiten,    sondern   auch   im   Organismus   äussern; 


^)  Theodore  Gaza,  Flüchtling  aus  dem  griechischen  Reich,  wurde  von 
Nicolo  V.  beauftragt,  die  Bücher  des  Aristoteles  „über  die  Tiere"  ins 
Lateinische  zu  übersetzen,  die  er  dann  Sixtus  IV.  dedizierte.  Ich  kenne  nur 
die  Pariser  Ausgabe  von  1533,  wo  der  obige  Ausspruch  im  Index  des 
Lib.  V,  cap.  7,  ZeUe  61  steht.     (S.  Note  1  u.  2.) 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  7 


doch  werden  wir  jedesmal  hinzufügen,  ob  sie  sich  beim  Men- 
schen, oder  bei  Tieren  gezeigt  haben.  Dies  ist  nötig,  weil  in 
unserer  Zeit  gewisse  Schriftsteller  mit  theatralischem  Gebahren 
das  Wort  Feminismus  auch  solchen  "Weibern  beigelegt  haben, 
die  einige  ihrer  moralischen  und  intellektuellen  Eigenschaften 
übertrieben  haben. 

Wenn  wir  jetzt  zu  den  häufigsten  Eigenschaften  übergehen, 
welche  deutlich  und  physisch  verweiblichte  Männer  zeigen, 
müssen  wir  vorausschicken,  dass  wir  die  zu  allgemein  ausge- 
sprochene Behauptung  Meige 's')  nicht  annehmen  können,  dass 
diese  nämlich  nach  Überwindung  der  Pubertät  eine  Entwicke- 
lungs-Umkehrung  der  sekundären  Greschlechtscharaktere  zeigen. 
Man  kann  diese  Entwickelung  wohl  zugeben,  aber  nicht  unbe- 
schränkt, denn  die  Veränderungen  selbst  sind  zahlreich  und 
verschiedenartig,  und  jede  kann  ausbleiben,  während  andere  un- 
gewöhnliche hinzukommen. 

Wenn  man  die  auf  das  Gesicht  und  die  Glieder  beschränkten 
feministischen  Ähnlichkeiten,  die  wir  physiologische  nennen 
wollen,  bei  Seite  lässt,  und  dagegen  die  Veränderungen  der 
ErnähruDg  an  einem  mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Teile 
des  Körpers  betrachten,  die  von  einem  bald  offenbaren,  bald 
verborgenen  pathologischen  Zustande  der  Eltern  herrühren, 
können  wir  annehmen,  dass  man  gewöhnlich  bei  Männern  nach 
der  Pubertät  folgende  Veränderungen  antrifft:  Kopf  und  Körper 
sind  mehr  oder  weniger  von  geringerer  als  Mittelgrösse;  die 
Ernährung  und  der  Panniculus  carnosus  sind  spärlich;  Gesichts- 
züge fein  und  zart;  die  Haare  im  Gesicht,  in  der  Achselhöhle 
und  am  Pubes  sind  spärlich  oder  fehlen;  die  Kopfhaare  braun- 
blond, oder  rötlich,  frühzeitig  grau  oder  grauweiss;  die  Stimme 
weiblich  ohne  vorstehende  Schilddrüse;  Intelligenz  massig, 
Charakter  sanft,  mit  schwachen  Geschlechtsinstinkten. 

Wenn  wir  jetzt  zu  den  Abweichungen  von  diesen  Charak- 
teren kommen,  bemerken  wir,  dass  das  Gesicht  nicht  blass, 
sondern  voll  und  rosig  sein  kann  (Ferrannini)^),   aber  früh 


^)  Henry  Meige,  L'infantilisme ,  feminisme  et  les  hermaphrodites 
autiques.  —  L' Anthropologie,  Paris,  1895.    T.  XIV,  No.  3,  p.  257. 

2)  Gr.  Eummo  und  L.  Ferrannini,  Prof.  in  Palermo,  Geroderma 
genito-distrofico.  La  riforma  med.  Napoli,  1897,  3  Aug.  —  II  policlinico, 
Koma,  1898.    A.  V,  No.  8,  p.  227. 


—    99    — 

die  Zeichen  des  Alters  annimmt  (Brouardel).  Wir  bemerken 
ferner,  dass,  statt  mager,  der  Verweiblichte  fett  mit  Neig- 
ung zur'  Obesität  sein  kann  (ein  Beispiel  davon  sahen  wir 
auf  der  Strasse  an  einem  kaum  mannbaren  Burschen)  und  dass 
die  Grösse  nicht  nur  eine  mittlere,  sondern  kleiner  sein  kann,  ja 
bisweilen  mehr  oder  weniger  hoch,  wie  in  den  Fällen  von 
Godard,  Marzuttini  und  Hallopeau  (s.  Beob.  6,  7,  31). 
Es  kann  auch  vorkommen,  dass  die  Stimme  nicht  hoch  ist, 
sondern  den  Klang  derjenigen  eines  erwachsenen  Mannes  hat 
(Niecolin i,  s.  Beob.  32).  Weniger  selten  sind  dann  die  Fälle, 
in  denen  die  Christoe  des  Beckens  nach  aussen  vorstehen 
(weibliches  Becken),  wo  der  Thorax  schmal,  die  Hände  klein 
sind,  und  der  weibliche  Gang  nicht  selten  Gelegenheit  zum 
Spott  giebt.  Um  solche  Abweichungen  zu  erklären,  muss  man 
zur  Anamnese  greifen,  d.  h.  zu  den  Charakteren  der  Eltern  der 
Verweiblichten. 

Wir  sahen  schon  anderwärts,  als  wir  von  den  unteren 
Graden  der  menschlichen  Natur  sprachen,  dass  man  bei  den 
Völkern  gewöhnlich  sowohl  eine  Maximal-  als  Minimalgrösse 
findet,  die  nach  der  geographischen  Lage  etwas  verschieden 
ist,  und  sprachen  auch  von  einer  ausserordentlichen  maximalen 
(Kiesenwuchs)  und  minimalen  (Zwerghaftigkeit)  Statur.  Ausser- 
dem haben  wir  beobachtet,  dass  man  die  geringste  Grösse  der 
gewöhnlichen  Statur  im  Mittel  für  jetzt  zu  1350  mm  annehmen 
kann,  so  lange  die  Beobachtungen  nicht  weiter  ausgedehnt  und 
überall  sorgfältig  wiederholt  worden  sind.  Wenn  man  dieses 
Mass  annimmt,  muss  man  festsetzen,  dass  die  Mikrosomie  von 
da  an  beginnt,  um  bis  zum  Nanismus  herabzugehen,  für  den  im 
allgemeinen  die  Höhe  eines  Meters  festgesetzt  ist,  und  in  sehr 
seltenen  FäUen  noch  weniger.  Wenn  diese  letzten  Fälle  bei 
Verweiblichten  noch  nicht  eingetreten  sind,  und  wenn  es  anderer- 
seits wahr  ist,  dass  man  bei  ihnen  meistens  eine  ziemlich  kleine 
Statur  antrifft,  so  dass  man  sie  unter  1350  mm  ansetzen  muss,  was 
wir  selbst  bestätigt  haben,  so  muss  man  annehmen,  dass  die 
Mikrosomie  eine  häufige  Eigenschaft  der  Verweiblichung  ist. 

Andere  Charaktere  sind  bei  beiden  teratologischen  Zu- 
ständen gleichförmig.  So  finden  wir  die  Armut  an  Haaren  am 
Pubes  und  an  den  anderen  Stellen,  die  sie  zu  besitzen  pfiegen, 
die  Blässe  und  frühzeitige  Greisenhaftigkeit,  die  sich  besonders 


-    100    - 

im  Gesichte  zeigen,  das  selbst  eine  erdig-gelbliche  Farbe  an- 
nehmen kanni).  Aber  die  Mikrosomie  im  kleinsten  G-rade 
(Zwergenwuchs)  besitzt  ausser  der  Kleinheit  noch  andere  Eigen- 
schaften. 

Wir  haben  schon  im  Jahre  1889  bemerkt  2),  dass  bei  Mikro- 
somie Veränderungen  im  Skelett  vorkommen,  die  man  jetzt  zum 
grossen  Teil  mit  denen  der  Eunuchen  vergleichen  kann,  abge- 
sehen von  der  Statur  und  der  Grösse  des  Schädels.  Wir  be- 
obachteten auch  dieselben  Veränderungen  bei  Hirnaffektionen, 
wie  bei  gewöhnlichem  Idiotismus,  bei  Mikrocephalie  und  bei 
einem  kretinartigen  Idioten 3),     Hier  folgt  der  Vergleich: 


Mikrosomie  (Taruffi). 

Kopf  gross  im  Vergleich  mit 
der  Kürze  des  Körpers;  der 
Vorderarm  und  das  Bein  sind 
ausser  Verhältnis  mit  dem  Ober- 
arm und  dem  Schenkel.  Im 
allgemeinen  ist  jedoch  die  un- 
tere Gliedmasse  im  Mittel  zu 
kurz  für  die  Statur.  Sehr  kleine 
Mikrosomen  zeigen  ferner  ein 
Fortbestehen  der  kindlichen 
Form  mit  der  zugehörigen 
Stimme,  die  sich  bald  mit  den 


Eunuchen  (Guinard). 

Die  Eunuchen  sind  gewöhn- 
lich gross,  der  Thorax  ist  kurz, 
aber  Arme  und  Beine  sehr 
lang*),  der  Humerus  verhält- 
nismässig kurz,  Radius  und 
Cubitus  lang  und  schwach.  Die 
Knochen  der  Hand  sind  lang 
und  schmal,  so  dass  die  Hand 
schmal  ist.  Die  Knochen  der 
Beine  sind  schwach,  Tibia  und 
Fibula  übermässig  lang,  so  auch 
die  Phalangen  und  Metatarsen 


^)  Für  die  erdig-gelbliche  Farbe  hat  Prof.  Ferrannini  das  neue 
Wort  Geroderma  eingeführt.  Er  beobachtete  sie  bei  einem  Manne  mit  halb 
atrophischen  Hoden,  daher  er  das  Beiwort  „dystrophisches  Kind"  (genito- 
distrofico)  beifügte.  Doch  liefert  er  von  diesem  Falle  und  einigen  anderen, 
kaum  angedeuteten,  keine  hinreichende  Beschreibung.  La  Eiforma  med. 
NapoH,  1897,  3  Aug. 

2)  C.  Taruffi,  Storia  deUa  Teratologia,  T.  V,  p.  456.  —  Micro- 
somia,  Bologna,  1889. 

^)  Ders.,  Über  einen  kretinoiden  Idioten.  Mem.  della  Acc.  R.  de  sc.  di 
Bologna,  1883,  Ser.  4,  T.  V,  p.  253. 

^)  E.  Godard,  Eecherches  teratologiques  sur  l'appareil  seminal  de 
Fhomme.    Paris,  1860.  —  De  Amicis,  1883,  Constantinopoli,  Paris,  1887. 


—    101    — 


Mikrosomie  (Taruffi). 

Zügen  der  Reife  verbindet,  so 
dass  noch  junge  Männer  das 
Gesicht  von  Greisen  und  erdig- 
gelbliche Hautfarbe  zeigen. 


Eunuchen  (Guinard). 

(Lortet)i).  Die  Schultern 
bleiben  schmal,  nicht  selten 
entwickeln  sich  die  Brüste  wie 
bei  den  "Weibern  2).  Der  Eunuch 
behält  die  Stimme  des  Kindes. 


Indem  wir  zur  Verweiblichung  und  ihren  Varietäten  zu- 
rückkehren, müssen  wir  die  Aufmerksamkeit  auf  einige  Altera- 
tionen von  verschiedener  Art  lenken,  die  sehr  häufig,  um  nicht 
zu  sagen  allgemein  und  von  grösster  Wichtigkeit  sind,  weil 
man  sie  nicht  sowohl  als  Charaktere,  sondern  vielmehr  als  die 
gewöhnlichsten  ersten  Ursachen  der  besprochenen  Degradation 
betrachten  kann.  Diese  Alterationen  haben  ihren  Sitz  in  den 
männlichen  Geschlechtsorganen,  und  besonders  in  den  Hoden, 
dem  Penis  und  den  Samenwegen.  Ihre  Formen  lassen  sich  auf 
zwei  zurückführen,  nämlich  auf  Hypomorphie  und  Fehlen  der 
Organe  (Hypoplasie  und  Aplasie).  Aber  unabhängig  von  den 
verschiedenen,  von  den  örtlichen  Alterationen  angenommenen 
Formen,  hat  Laurent  mit  Eecht  im  Jahre  18943)  ^[q  y^r- 
weiblichten  Männer  zu  den  Pseudo- Hermaphroditen  gerechnet, 
und  diese  Annäherung  verdient  Lob,  denn  die  männlichen  Or- 
gane machen  einen  Teil  der  geschlechtlichen  Verdoppelung  aus 
und  die  weiblichen  Charaktere  im  übrigen  Teile  des  Körpers 
den  anderen  Teil,  so  dass  bei  Alteration  des  einen  der  beiden 
Teile  der  Pseudo -Hermaphrodismus  nicht  ausgeschlossen  wird. 

Die  häufigsten  Alterationen  der  Geschlechtsteile  finden  in 
den  Hoden  statt,  indem  diese  bald  fehlerhaft  sind,  bald  fehlen, 
bald  ausserhalb  ihres  natürlichen  Platzes  liegen.  Dagegen  sind 
die  Mängel  des  Penis  selten  (allein  oder  zugleich  mit  denen 
der  Hoden),  sowie  die  der  Samenwege.  Wenn  man  alle  Miss- 
büdungen  summiert,  erhält  man,  wie  schon  Aristoteles  be- 
merkt und  die  Viehzüchter  jeder  Zeit  sich  zu  Nutzen  gemacht  haben, 
den  Beweis  für  eine  kausale  Beziehung  zwischen  den  Hoden  und 


^)  L  ort  et,   Presentation  d'un   squelette  d'eunuque.     Soc.  de  med.  de 
Lyon,  16  Mars,  1896.  —  P  0  n  c  e  t ,  Influence  de  la  castration  sur  le  developpement 
du  squelette.    Congr.  de  l'Assoc.  frang.  pour  l'avanc.  des  sc.    Le  Havre,  1877. 
2)  Guinard,  1897.    (Osserv.  cit.  p.  485.) 
^)  E.  Laurent,  Les  bisexues  etc.    Paris  1894,  p.  175. 


—     102    — 

gewissen  an  der  Oberfläche  des  Körpers  mehr  oder  weniger 
sichtbaren  Charakteren,  sowie  für  physische  und  moralische 
Veränderungen  bei  dieser  Art  des  Hermaphrodismus.  Hier  folgt 
das  numerische  Eesultat  der  Beobachtungen. 

f  Hypoplasie  (Beob.  3,  12,  13,  14,  15,  17, 

23,  25,  26) 9  Fälle 

Anorchidie  (Aplasie)   (Beob.  2,  6,  7,  11, 

16,  18,  19,  20,  23) 9      „ 

(Im  Falle  23  fehlte  nur  ein  Hode.) 

Hode  im  Abdomen  (Beob.  4, 

19?,  25,  27)    ...     .      4      „ 
(19,    23,    25   sind   wieder- 
holt.) 
In  den  grossen  Schamlippen 

(Beob.  9,  10)  ...  .  2  „ 
Penis,  Hypoplasie  (Beob.  1,  2,  5,  11)  ...  .  4  „ 
Penis  und  Hoden,  Hypoplasie  (Beob.  8)    .     .     .      1      „ 


Hoden 


.  Kryptorchie< 


Summa    29  Fälle 
Wiederholt      3      „ 
Bleiben     26  Fälle 


Über  das  numerische  Verhältnis  zwischen  Verweiblichung 
und  Gynäkomastie  sehe  man  die  betreffende  Tabelle. 

Das  Gesetz  der  Korrelation,  das  aus  obiger  Tabelle  her- 
vorgeht, erlaubt  auch  zu  beobachten,  wie  selten  die  Ausnahmen 
bei  diesem  Gesetze  sind,  und  dies  erhöht  seine  Wichtigkeit; 
denn  die  organischen  Erscheinungen,  zu  denen  mehrere  Koeffi- 
zienten beitragen,  bleiben  oft  aus,  oder  werden  auf  verschie- 
dene Weise  verändert.  Wir  haben  nur  den  Fall  von  Borelli 
(Beob.  18)  gefunden,  bei  dem  die  Hoden  gross  waren,  und  den 
von  Lerebouillet  (Beob.  14),  bei  dem  die  Verweiblichung 
erworben  und  durch  beiderseitige  Orchitis  verursacht  war, 
worauf  Gynäkomastie  und  Atrophie  der  Hoden  folgte.  Endlich 
erwähnen  wir  den  wichtigen  Fall  von  Eezzonico  (Beob.  10), 
der  ein  Beispiel  von  erworbener  Gynäkomastie  liefert,  worauf 
Infantilismus  und  Hypertrophie  der  Brüste  folgte,  die  dann 
nach  7  Jahren  von  selbst  heilte.  Aber  der  Verf.  hat  keine 
Veränderung  der  Geschlechtsorgane  angegeben. 


—    103    — 

Ebenso  selten  sind,  die  Fälle  von  Fehlen  des  Penis.  Wir 
kennen  nur  den  von  Facen,  bei  dem  die  Glans  mit  dem 
Meatus  urinarius  vorhanden  war,  es  fehlte  die  Vorhaut  und  der 
Penis,  so  dass  die  Glans  sitzend  war  und  sich  nicht  verlängern 
konnte  (Beob.  9),  und  den  anderen  Fall  von  Jones  (Beob.  11). 
"Weniger  selten  sind  dagegen  die  Anomalien  der  Samenwege. 
Ein  schönes  Beispiel  wurde  von  Marzuttini  (Beob.  7)  publi- 
ziert, bei  dem  nicht  nur  die  Hoden  fehlten,  sondern  auch  das 
Verumontanum  und  die  Samenöffnungen. 

In  dem  Fall  von  Binet  (Beob.  21)  war  die  Prostata  klein 
und  die  Samenbläschen  bestanden  aus  blossen  Divertikeln, 
während  der  Utriculus  prostaticus  stark  entwickelt  war.  Neuer- 
lich sind  von  Anatomen  und  Chirurgen  mehrmals  mangelhafte 
Prostatas  in  Verbindung  mit  Alterationen  der  Testikel  gesehen 
worden,  und  Launoisi)  hat  die  Beziehungen  zwischen  diesen 
beiden  Organen  wissenschaftlich  bestätigt.  Es  ist  auch  bemerkt 
worden,  dass  bei  einseitiger  Kryptorchie  und  Aplasie  gewöhn- 
lich der  entsprechende  Lappen  der  Prostata,  und  diese  bei 
bilateraler  Läsion  der  Hoden  ganz  atrophisch  ist  (s.  Guinard,  1.  c, 
p.  480). 

Unter  den  Anomalien  der  Samenwege  führen  wir  den  Fall 
von  Fischer  (Beob.  2)  an,  bei  dem  die  beiden  D.  deferentes 
blind  endigten.  Ebenso  verdienen  Erwähnung  die  drei  von 
De  Matteis  gesehenen  Brüder,  die  sämtlich  an  Hypospadie 
litten.  Diese  Beobachtung  führt  uns  dazu,  auf  einen  seltsamen 
Unterschied  in  der  Häufigkeit  der  Hypospadie  bei  männlichen 
Pseudo-Hermaphroditen  aufmerksam  zu  machen,  denn  bei  diesen 
fanden  wir  14:mal  unter  68  Fällen  Hypospadie 2), 


Infantilismus. 

Wir  dürfen  nicht  vergessen,  dassFaneau  dem  Titel  seiner 
These  den  Namen  „Infantilismus"  hinzugefügt  hat,  um  Kinder 
zu  bezeichnen,    die,   nachdem   sie   Jünglinge   und  Männer   ge- 

^)  Lauüois,  Castration  et  atrophie  de  la  prostate.  Assoc.  frang.  pour 
l'avancem.  des  sc.  Caen,  1894. 

2)  Mem.  della  E.  Acc.  delle  Sc.  dell  Istit.  di  Bologna,  1899.  Ser.  5, 
T.  VII,  Note  3,  p.  740.  Beob.  4,  8,  12,  14,  16,  18,  19,.  20,  22,  23,  25, 
44,  56.  —  Vgl.  p.  64  ff. 


—     104    — 

worden  sind,  das  Gepräge  der  Kindheit  beibehalten.  Wir 
müssen  hinzufügen,  dass  die  Erscheinung  zu  jeder  Zeit  als 
richtig  erkannt  worden  ist,  und  dies  erklärt  es,  warum  das 
neue  Wort  günstig  aufgenommen  wurde:  Fere^),  Barety^), 
Brouardel^)  u.  And.  Wir  bemerken  jedoch,  dass  die  Ärzte  immer 
geglaubt  haben,  die  Erscheinung  sei  die  Folge  von  verschiede- 
nen krankhaften  Ursachen,  die  meist  angeboren  seien,  wie 
Phthisis,  Scropheln,  Eachitis  und  allen  chronischen  Krankheiten, 
welche  die  Eltern  schwächen,  so  dass  Kinder  geboren  werden, 
die  entweder  die  eiofachen  Charaktere  des  Infantilismus  zeigen 
(also  mit  somatischer  Hypoplasie),  oder  mit  diesen  Charakteren 
das  Erbe  der  elterlichen  Krankheiten  verbinden. 

Wenn  man  diesen  Unterschied  annimmt,  vermeidet  man 
nicht  die  klinische  Schwierigkeit,  den  Infantilismus  von  der 
Verweiblichung  (Infeminismus)  zu  unterscheiden,  denn  von 
Kindheit  an  beginnend  (abgesehen  von  den  Geschlechtsorganen) 
ist  er  eine  Degradation,  die  bei  beiden  Geschlechtern  bis  zur 
Pubertät  eintritt,  ja  man  kann  annehmen,  dass  der  Infantilis- 
mus dem  Feminismus  vorhergeht.  Wenn  junge  Mädchen  das 
kindliche  Aussehen  beibehalten,  unterscheidet  man  sie  nicht 
sicher  von  Knaben,  ausser  durch  die  Verschiedenheit  der  Ge- 
schlechtsteile. Man  kann  auch  nicht  sagen,  dass  der  Infanti- 
lismus sich  durch  Aplasie  der  Brüste  unterscheide,  denn  an 
vergleichenden  Beobachtungen  hierüber  fehlt  es  ganz.  Beim 
Manne  hat  man  dem  Fehlen  des  Barts  und  der  Hypoplasie  der 
Geschlechtsteile  grossen  Wert  beigelegt,  aber  diese  beiden 
Charaktere  sind  auch  bei  dem  Infeminismus  häufig,  wie  auch 
bei  beiden  Zuständen  Missbildungen  der  männlichen  Geschlechts- 
organe sehr  häufig  sind.  Daher  ist  es  ziemlich  schwer,  nicht  nur  ein 
klinisches  Urteil  in  dieser  Beziehung  abzugeben,  sondern  auch 
einen  wesentlichen  Unterschied  zwischen  den  beiden  Degra- 
dationen festzustellen. 


1)  Ch.  Pere,  Contribution  ä  l'etude  des  equivoques  des  caracteres 
sexuels  accessoires.    Eevue  de  med.  1.  Juillet  1893. 

^)  Barety ,  De  rinfantilisme,  du  senilisme,  du  feminisme,  da  masculinisme 
et  du  facies  scrofuleux.     Nice  med.  1876. 

^)  Brouardel,  Type  infantile.  Gaz.  des  hopit.  18.  Janvier  1887, 
p.  59.  Bei  einem  Individuum  (er  sagt  nicht,  ob  es  ein  Päderast  war)  von 
25  Jahren  fand  er  eine  rudimentäre  Prostata,  Fehlen  der  Musculi  ischio- 
und  bulbo-cavernosi,  einen  kleinen  Penis  und  ein  sehr  enges  Becken. 


—    105    — 

Meige  gab  im  Jahre  1895  die  Beschreibung  einiger  Arten 
von  erblicher  Degradation  des  Organismus,  aber  in  Bezug  auf 
den  Infantilismus  änderte  er  sie  auf  folgende  Weise  ab:  ein 
physisch-moralischer  Zustand,  bei  dem  man  eine  Entwickelungs- 
Hemmung  der  Geschlechtsorgane,  massige  Grösse  (abgesehen 
von  verschiedenen  Fällen  von  bedeutendem  Wachstum),  Mangel 
an  Behaarung  am  Pubes  und  in  den  Achselhöhlen,  dünne  und 
rauhe  Stimme  und  endlich  einen  dem  kindlichen  ähnlichen 
Geisteszustand  antrifft  (wie  ich  es  bei  einem  kretin artigen 
Idioten  beobachtet  habe)  i).  Der  Verf.  schweigt  über  den  Habitus 
des  Körpers,  und  sagt  nur,  dass  bei  der  weiblichen  Pubertät 
das  Anschwellen  der  Brüste  fehlt^).  Dann  fügte  Laurent^) 
zu  den  Charakteren  des  Infantilismus  ausser  der  kleinen  Ge- 
stalt die  Magerkeit  und  die  Zartheit  hinzu  und  erklärte,  die 
Entwickelungshemmung  der  Geschlechtsteile  bestehe  in  Klein- 
heit des  Penis  und  der  Hoden,  so  dass  sie  denen  eines  Kindes 
glichen. 

Endlich  stellt  Fournier  jun.*)  den  Infantilismus  zu  den 
Wirkungen  der  erblichen  Syphilis,  und  schreibt  dieser  folgende 
Charaktere  zu:  Langsames  Wachstum  der  Statur,  der  Glieder, 
Zartheit  der  Person,  verspätetes  Laufen,  Sprechen  und  Er- 
scheinen der  Zähne,  deren  Krone  oft  erodiert  ist.  Wie  die  frühe- 
ren Autoren  legt  er  der  Hypoplasie  der  Hoden  und  des  Penis  grosse 
Wichtigkeit  bei.  In  Bezug  auf  das  Geschlecht  nimmt  Four- 
nier an,  dass  bei  den  Weibern  die  Menstruation  spät  oder 
garnicht  erscheint  und  dass  die  Männer  wenig  oder  gar  keine 
Haare  im  Gesicht  haben. 

Fournier  jun.  hat  auch  20  Beobachtungen  hinzugefügt, 
welche  nicht  gerade  Fälle  von  erblicher  Sj^philis  mit  der  be- 


^)  C.  Taruffi,  Interno  ad  un  idiota  cretinoide.  —  Mem.  della  E. 
Accad.  delle  sc.  delF  Istit.  di  Bologna.  —  Sess.  del  23.  Dec.  1883.  Ser.  4, 
T.  V,  p.  253.     Con  tavola. 

2)  H.  Meige,  L'Infantilisme,  etc.  —  L' Anthropologie ,  Paris  1895. 
T.  XIV,  No.  3,  p.  257.  Idem,  Suite,  No.  4,  p.  422.  —  Idem,  Infantilisme 
dans  la  femme.  —  Nouvelle  iconogr.  de  la  Salpetriere,  1895,  No.  4. 

3)  E.  Laurent,  Les  bisexues,  Paris,  1894,  p.  175.  Er  vergleicht  die 
intellektuellen  Fähigkeiten  der  Infantilisten  mit  denen  des  Weihes  und  be- 
richtet, dass  in  Paris  die  passiven  Paederasten  von  Profession  sich  aus 
solchen  Individuen  rekrutieren,  wofür  er  diverse  Beispiele  bringt. 

^)  Edmond  Fournier,  L'Heredo-syphilis.     Paris,  1898,  p.  7. 


—    106    — 

kannten  Beschaffenheit  betreffen,  sondern  Fälle  von  dystrophi- 
schen Erscheinungen,  deren  syphilitischer  Ursprung  aus  ätiolo- 
gischen Daten  und  aus  der  Summe  der  negativen  Charaktere 
geschlossen  oder  geahnt  wurde.  Die  Kenntnis  dieser  Gruppe 
von  Affektionen,  deren  Wesen  oft  durch  die  Therapie  bestätigt 
worden  ist,  macht  sowohl  dem  Vater,  wie  dem  Sohne  Four- 
nier  grosse  Ehre,  die  auf  diese  Weise  die  Ätiologie  des  In- 
fantilismus bereichert  haben.  In  Beziehung  auf  den  Unterschied 
zwischen  den  beiden  vermuteten  Arten  von  Dystrophie,  wieder- 
holen wir,  dass  ihre  Ähnlichkeit  mit  einander  sehr  gross  ist; 
denn  wenn  wir  von  den  20  Beobachtungen  die  Weiber  und  die 
Kinder  vor  der  Pubertät  ausschliessen,  bleiben  vier  FäUe  übrig 
(Beob.  12,  22,  24,  27),  bei  denen  es  zweifelhaft  ist,  ob  der  In- 
fantilismus nur  durch  mangelnde  Ernährung,  oder  vielmehr 
durch  erbliche  Syphilis  entstanden  ist. 

Wenn  man  in  vielen  Fällen  den  menschlichen  Feminismus 
als  eine  mit  angeborener  Anomalie  der  männlichen  Greschlechts- 
teile  verbundene  Erscheinung  erklären  kann,  wonach  er  nicht 
nur  zu  dem  äusseren  Pseudo-Hermaphrodismus,  sondern  auch 
zur  Teratologie  gehört,  so  haben  ihn  die  Ärzte  in  anderen 
Fällen  von  chronischen  spezifischen  Krankheiten  abgeleitet,  wie 
Syphilis,  Scropheln  u.  s.  w.,  welche  die  Ernährung  der  Eltern 
schädigen,  oder  ungenügend  machen.  So  ist  der  Feminismus 
bei  den  Nachkommen  eine  zusammengesetzte,  wenig  bekannte 
Erscheinung,  die  wegen  ihres  grossen  wissenschaftlichen  Inter- 
esses besonders  in  Kinderspitälern  studiert  zu  werden  verdiente. 
Aber  es  giebt  ausserdem  eine  grosse  Zahl  von  Fällen,  derent- 
wegen man  sich  weder  an  die  Teratologie,  noch  an  die  Patho- 
logie wenden  kann,  und  die  wir  physiologische  nennen  wollen: 
sie  werden  durch  die  Ähnlichkeit,  besonders  im  Gesicht,  zwischen 
Mutter  und  Sohn  geliefert.  Diese  Erscheinung  gehört  aus- 
schliesslich der  Vererbung  an  und  hat  keine  medizinische 
Wichtigkeit.  Spezifische  Studien  fehlen  ganz  und  wegen  der 
Folgen  befinden  wir  uns  in  demselben  Falle,  wie  bei  der  Gynä- 
komastie,  über  welche  die  beobachteten  Thatsachen  für  jetzt 
keine  theoretische  Aufstellung  erlauben. 


107     — 


Grynäkomastie  i). 

Bei  Beschreibung  des  Feminismus  haben  wir  absichtlich 
unterlassen,  von  der  Gynäkomastie  zu  sprechen,  also  von  dem 
Vorkommen  weiblicher  Brüste  bei  Männern,  denn  (trotz  der 
Verwandtschaft,  der  Ähnlichkeit  und  der  gemeinschaftlichen 
Komplikationen)  rühren  diese  beiden  Formen  des  äusseren 
Pseudo-Hermaphrodismus  nicht  immer  von  derselben  Ursache 
her  und  sind  nicht  immer  von  denselben  Umständen  begleitet, 
wie  entzündliche  Vorgänge,  Neuralgien,  spezielle  Infektionen, 
die  man  bei  Hyperplasie  der  Brustdrüse  antrifft,  daher  wir  uns 
entschlossen  haben,  getrennt  davon  zu  sprechen  2). 

Das  Erscheinen  weiblicher  Brüste  beim  Manne  wird,  ob- 
gleich nicht  sehr  selten,  erst  zu  Anfang  des  7.  Jahrhunderts 
p.  C.  von  Paulus  von  Aegina  berichtet,  der  ein  Operations- 
N^erfahren  lehrte,  um  diese  Missbildung  zu  entfernen 3).  Dieses 
Verfahren  wurde  später  von  dem  Perser  Ali  Abbas  gegen 
Ende  des  9.  Jahrhunderts  und  von  Abulcasi,  der  in  der  Nähe 
von  Cordova  lebte  4),  wieder  erwähnt.  Man  gelangt  zum  16.  Jahr- 
hundert, ehe  man  einen  Chirurgen  findet,  der  wieder  von  dieser 
Operation  spricht,  und  dieser  Chirurg  war  Fabricius  ab  Acqua- 
pendentes),  dem  bald  andere  folgten,  die  mehr  oder  weniger 


1)  Die  in  diesem  -Artikel  angeführten  Beobachtungen  gehören  immer 
zu  Note  3,  mit  Ausnahme  der  wenigen  Fälle,  in  denen  auf  Note  2  oder  4: 
verwiesen  wird. 

2)  Diese  Trennung  zweier  FäUe,  die  oft  gleichförmige  Charaktere  haben, 
hat  uns  natürlich  dahin  geführt,  bald  dieselben  Thatsachen,  bald  dieselben 
Betrachtungen  vorzubringen. 

^)  Paulus  Aegineta,  Opera,  Basileae,  1556.  Lib.  VI,  cap.  46,  p.  225. 
—  De  turgentibus  mammis  in  viris.  Quemadmodum  in  foeminis,  ita  etiam 
in  maribus  circa  pubertatis  tempus  mammae  aliquantulum  inturgescunt. 
Verum  plerisque  rursus  subsidunt.  In  quibusdam  vero  initio  sumpto  auges- 
cunt,  adipe  subnascente.  Haec  itaque  res,  cum  effoeminatae  naturae  oppro- 
brium  afferat,  chirurgiam  merito  requirit. 

*)  Genaue,  neuere  Nachrichten  über  diese  beiden  arabischen  Autoren 
finden  sich  bei  Häser,  Geschichte  der  Medizin,  Jena,  1875,  Bd.  1,  p.  598.  — 
B.  Schuchardt,  Langenbecks  Arch.    Berlin,  1884,  Bd.  31,  p.  83. 

^)  Opera  chirurgica.    Padua,  1635,  Pars  1,  cap.  30,  p.  200,  in  4**. 


-     108    — 

vollständig  der  Greschichte  der  Kranken  und  den  Ausgang  der 
Operationen  erzählten.  Aber  wir  müssen  bis  auf  unsere  Zeit 
weitergehen,  um  eine  wissenschaftliche  Arbeit  zu  finden,  die  nicht 
nur  die  Klinik,  sondern  auch  die  Anatomie  und  Physiologie 
des  besprochenen  Organs  in  Betracht  zieht.  Diese  Arbeit 
Wurde  im  Jahre  1866  von  W.  Gruberi)  mit  aller  Sorgfalt 
ausgeführt;  doch  erschöpfte  er  weder  den  Gegenstand,  noch  fand 
er  neue  Ansichten. 

Man  darf  nicht  vergessen,  dass  vor  dem  Meisterwerke 
dieses  berühmten  Anatomen  besonders  Langer2)  und  andere 
Mikroskopiker  den  Bau  und  die  Entwickelung  der  Brustdrüsen 
behandelt  haben,  aber  Grub  er  fügte  zu  den  eigenen  Unter- 
suchungen über  normale  Anatomie  Beobachtungen  über  abnorme 
Sekretion  der  Milch  auch  bei  Gynäkomastie  hinzu,  und  was  das 
wichtigste  ist,  er  führte  noch  andere  FäUe  an,  mit  denen  Fehler 
der  Geschlechtsorgane  kompliziert  waren,  wie  Epispadie,  Hy- 
pospadie  und  Hermaphrodismus  transversus.  Die  grösste  Auf- 
merksamkeit verdient  jedoch  der  Fall  eines  Gynäkomasten  ohne 
die  gewöhnlichen  Komplikationen. 

Grub  er  wagte  übrigens  nicht,  über  die  beschriebenen 
Thatsachen  irgendwelche  Betrachtungen  anzustellen,  weder  im 
allgemeinen,  noch  im  besonderen.  Einer  solchen  Zurückhaltung 
befleissigte  sich  aber  der  junge  Olphan^)  in  seiner  These  von 
1880  nicht,  in  der  er  (mit  wenig  Genauigkeit)  über  14  Fälle 
berichtet,  worunter  einige  noch  unbekannte;  er  zog  aus  diesen 
Thatsachen  viele  willkürliche,  sogar  von  den  Klinikern  ange- 
nommene Schlüsse.  Diese  Kühnheit  wurde  jedoch  von  seinen 
Nachfolgern  nicht  angenommen.  Schuchardt^)  beschränkte 
sich  im  Jahre  1882  darauf,  das  Verzeichnis  der  Thatsachen  in 
Bezug  auf  die  abnorme  Sekretion  der  Milch  wieder  herzustellen 


^)  über  die  männliche  Brustdrüse  und  über  Gynäkomastie.  Mem.  de 
l'acad.  de  St.  Petersbourg,  1866,  Ser.  7,  T.  X,  No.  10,  mit  Abbildung. 
Jahresber.  für  1866,. Bd.  I,  p.  12  (4). 

2)  Über  den  Bau  und  die  Entwickelung  der  Milchdrüsen  bei  beiden 
Geschlechtern.  Denkschr.  der  K.  Akad.  der  Wiss.  Wien,  1852,  Bd.  III, 
Abt.  2,  p.  25r 

^)  Ettore  Olphan,  Gynecomastie,  etc.    These,  Paris,  1880. 

^)  B.  Schuchardt,  Über  die  Vergrösserung  der  männlichen  Brüste. 
Langenbecks  Arch.    Berlin,  1884,  Bd.  31,  p.  59. 


—    109    — 

und  zu  erweitern.  Über  die  Gynäkomastie  brachte  er  38,  zum 
grossen  Teil  sclion  bekannte  Beobachtungen  zusammen,  leistete 
aber  einen  grossen  Dienst  durch  Anführung  einiger  ganz  unbe- 
kannter. Er  enthielt  sich,  ebenso  wie  G-ruber,  aller  allge- 
meinen Betrachtungen.  Später  wurden  wertvolle  Abhandlungen 
veröffentlicht,  die,  von  einigen  Original -Beobachtungen  aus- 
gehend, die  Monographien  verbesserten  (Lerebouillet,  Lau- 
rent). 

Im  Jahre  1894  versuchten  wir,  ohne  die  Schrift  von 
Schuchardt  zu  kennen,  dieselbe  Arbeit  in  der  Absicht,  an  einige 
vergessene  italienische  Autoren  zu  erinnern;  wir  fanden  nur 
bei  36  derselben  einige  klinische  Angaben  i). 

Bei  Analysierung  der  angeführten  Arbeiten  wird  man 
veranlasst,  einerseits  die  bedeutenden,  nützlichen  Fortschritte, 
auf  der  anderen  die  nicht  geringen,  übrig  gebliebenen  Lücken 
und  die  schwer  zu  beantwortenden  Fragen  zu  erkennen.  Die 
einfachste  derselben  betrifft  die  grössere  oder  geringere  Häufig- 
keit der  Gynäkomastie,  denn  wenn  man  aUe  von  den  Autoren 
angeführten  Beobachtungen  zusammenzählt,  erhält  man  eine  be- 
deutende Zahl;  wenn  man  aber  alle  mehrfach  aufgezählten  ab- 
zieht, schmilzt  die  Summe  stark  zusammen,  wie  wir  an  den 
67  Fällen,  die  wir  hier  anführen  werden,  nachw^eisen  können. 
Diese  enthalten  als  Zugabe  nur  einige  übersehene  und  die 
neuerlich  publizierten;  aber  von  den  früheren  müssen  wir  acht 
Fälle  von  falscher  Gynäkomastie  abziehen  (s.  weiter  unten 
Neoplasmen);  in  anderen  Fällen  wurde  Fetthypertrophie  mit 
Drüsenhypertrophie  verwechselt,  wie  es  Cloquet  geschah, 
welcher  bekannte  (E.  Ac.  med,,  1828),  Fettgewebe  statt  der 
einfachen  Hypertrophie  gefunden  zu  haben.  Trotzdem  bringt 
Olphan  diesen  Fall  zu  den  Gynäkomasten.  Wir  werden 
hier  jedoch  die  traumatischen  und  kongestiven  Gynäkomastien, 
sowie  die  Mastodynien  einbegreifen. 

Um  einige  Daten  zu  gewinnen,  die  diese  Beobachtungen 
der  Wirklichkeit  nahe  bringen  können,  haben  wir  die  offiziellen 
Berichte  über  den  physischen  Zustand  der  Rekruten  in  einer 
gewissen  Zahl  von  Jahren  durchsucht,  aber  auch  in  dieser  Be- 
ziehung haben  wir  nur  eine  kurze  Notiz  von  Puech  über  die 


1)  C.  Taruffi,  Storia  deHa  teratologia.   Bologna,  1894,  T.  VII,  p.  521. 


—    110    — 

französischen  Konscribierten  gefunden,  die  ohne  die  Stütze  der 
relativen  Dokumente  ist;  die  Notiz  giebt  einen  Konscribierten 
auf  15000  ani).  Dieses  Resultat  ist  etwas  grösser,  als  wir  es 
für  Italien  in  drei  Jahren  gefunden  haben  (1875,  76  und  77), 
nach  Berichten  des  Generals  Torre  über  788318  Rekruten, 
unter  denen  sich  32  Gynäkomasten  befanden.  Wenn  wir  eine 
Proportion  bilden,  erhalten  wir  einen  Fall  von  Drüsen-Hyper- 
trophie unter  24635,  also  weniger,  als  Puech;  aber  wenn  wir 
die  französischen  und  italienischen  Berichte  für  eine  grössere 
Zahl  von  Jahren  durchsehen,  werden  sich  die  beiden  Resultate 
wahrscheinlich  einander  näher  kommen. 

Aus  den  59  übrigen  Beobachtungen,  ohne  die  örtlichen 
oder  entfernten  Komplikationen  auszuschliessen,  folgte,  dass 
die  Gynäkomastie  in  der  Gegenwart  weiblicher  Brüste  bei 
Männern  in  derselben  Form,  mit  demselben  Bau  und  mit  der 
gleichen  Dauer  besteht.  Es  giebt  jedoch  Fälle  von  leichten 
Verschiedenheiten  der  Struktur  und  der  Hautoberfläche,  und 
bisweilen  auch  der  Menge  des  Fetts  und  des  Bindegewebes 
(Israel,  Beob.  64).  Bei  dem  Manne  bildet  die  Hyperplasie  der 
Mamma  in  weiblicher  Gestalt  ohne  Zweifel  einen  Charakter, 
der  dem  männlichen  Geschlechte  widerspricht,  so  dass  der 
Mann  mit  Verdoppelung  der  Geschlechtscharaktere  begabt  ist. 
Laurent  hat  Recht,  wenn  er  diese  Individuen  zu  den  Bi- 
sexuellen rechnet;  wir  aber  betrachten  sie  als  zu  der  Klasse 
der  äusseren  Pseudo-Hermaphroditen  gehörig,  und  so  finden  sie 
endlich  eine  Stelle  im  teratologischen  System. 

Aus  den  angeführten  Beobachtungen  folgt  ferner,  dass  die 
Gynäkomastie  meistens  bilateral  ist  und  sich  nur  bisweilen  auf 
einer  einzigen  Seite  findet.  Seltener  findet  man  überzählige 
Brüste  oder  Brustwarzen  beim  Menschen,  und  wir  haben  im 
Jahre  1881  11  derartige  Fälle  aufgezählt  2). 


1)  Alb.  Puech,  Les  mammelles.    Paris,  1876,  Ch.  VI,  p.  101. 

2)  C.  Taruffi,  Storia  della  teratologia.  Bologna,  1881,  T.  IV, 
p.  335.  Mammelle  sopranumerarie  nell'  uomo.  Note  6,  Beob.  17,  p.  335. 
Petrequin.  Ein  Mann  mit  drei  Brüsten  hatte  5  Kinder,  von  denen  drei 
Knaben  eine  überzählige  Papille  unter  der  rechten  Brustwarze  hatten,  und 
zwei  Mädchen  mit  überzähliger  Brustwarze  auf  der  rechten  Seite.  — 
Beob.  26.  K 1 0  b  ,  J.  Brustwarze  auf  dem  Deltamuskel.  —  Beob.  30,  31.  Puech 
beschreibt  zwei  Männer,  von  denen  der   eine   eine  überzählige  Brustdrüse 


—   111  — 

Endlich  ist  die  Gynäkomastie  sehr  selten  erblich,  denn 
wir  kennen  nur  drei  Fälle  davon.  Der  erstere  von  Bedor 
betrifft  zwei  gleich  affizierte  Brüder  (Note  3,  Beob.  6),  der 
zweite  von  Handuside,  der  ebenfalls  zwei  Brüder  beschrieb, 
die  nicht  nur  Gynäkomasten,  sondern  auch  Polymasten  waren 
(Beob.  40).  Der  dritte  Fall  gehört  Laurent i),  der  einen  Vater 
mit  anormalen  Hoden  beschrieb,  der  im  25.  Jahre  Vergrösserung 
der  Brüste  zeigte.  Er  hatte  einen  Sohn  mit  Hyperplasie  der 
Mamma,  der  im  Alter  von  drei  Jahren,  und  einen  zweiten, 
der  an  Peritonitis  starb.  Am  merkwürdigsten  aber  war  ein 
dritter  Sohn,  der  mit  nussgrossen  Brüsten  geboren  wurde;  in 
seinem  neunten  Jahre  waren  sie  so  gross  wie  Mandarinen. 

Wenn  wir  jetzt  zu  der  Beschaffenheit  der  hypertrophischen 
Brüste  beim  Manne  kommen,  müssen  wir  mit  den  anderen  Autoren 
wiederholen,  dass  sie  sich  nicht  von  jener  der  Weiberbrüste 
unterscheiden,  denn  bei  Gynäkomastie  bleibt  die  Haut  glatt, 
von  normaler  Farbe  und  schmerzt  nicht  bei  Berührung,  aber 
wir  glauben  nicht,  einen  Verlust  an  Feinheit  wahrzunehmen, 
wie  Laurent  angiebt,  wenn  nicht  ein  bedeutender  Unterschied 
von  dem  homologen  Teile  vorhanden  ist.  Wir  haben  allerdings 
Beispiele,  in  denen  das  Venennetz  durchscheint  und  die  Warze 
bläulich  ist,  die  Grösse,  die  Konsistenz  und  das  körnige  Gefühl 
bei  der  Berührung  sind  nach  dem  Alter  und  der  Dauer  der 
Anomalien  verschieden,  denn  die  Grösse  ist  zuerst  die  einer 
Mandarine,  erreicht  dann  den  Umfang  einer  Orange  und  zuletzt 
den  des  Kopfes  eines  ausgetragenen  Fötus.  Dann  kann  das 
Organ  mehr  oder  weniger  hängend  werden  (Petrequin, 
Beob.  28). 

Was  den  Bau  der  Hypertrophie  der  Mamma  betrifft,  so 
erklärte  Langer  im  Jahre  1852  (s.  Beob.  21),  dass  dabei  kein 
pathologischer  Prozess  vorliege,   sondern  eine  üppige  Verzwei- 


unter  der  rechten  Brustwarze  hatte,  der  andere  unter  der  linken  Mamma 
eine  Brustwarze  mit  Areole.  —  Beob.  34.  Bartels.  Ein  Mann  hatte  eine 
überzählige  Brustwarze  unter  der  linken  Brustwarze.  —  Note  7,  Beob.  10. 
Fracois  et  Bradin.  Jeder  von  ihnen  sah  einen  Mann  mit  4  Brüsten. 
—  Beob.  21,  22,  27,  29,  33.  In  allen  5  Fällen  waren  am  Thorax  zwei 
überzählige  Warzen. 

1)  B.  Laurent,  De  l'heredite  des  gynecomastes.    Ann.  hyg.  publ.  et 
med.  legale.    1890,  p.  43. 


—     112    — 

gung  der  Milchgänge,  und  wenn  ein  örtlicher  Zerfall  (risoluzione) 
eintrete,  erkenne  man  die  Üppigkeit  nicht  mehr.  Dieses  Re- 
sultat ist  sehr  unsicher;  dagegen  geschieht  es  öfter,  dass  die 
Zunahme  des  Tumors  einen  Stillstand  erfährt,  bei  dem  Schau- 
mann  fand,  dass  das  Glewebe  sich  nicht  von  dem  des  Normal- 
zustandes unterschied. 

Selten  ist  die  Hypertrophie  der  Mamma  beim  Manne  von 
Milchsekretion  begleitet;  wir  finden  sie  nur  viermal  unter  59 
Fällen  angegeben  (Beob.  2,  Schur  ig;  Beob.  5,  Ansieux; 
Beob.  26,  Nelaton;  Beob.  38,  Paventa).  Bei  dem  Manne 
ohne  Anomalie  ist  diese  Sekretion  mehrmals  angetroffen  wor- 
den, und  unter  den  Sammlern  von  Beispielen  haben  wir  schon 
Grub  er  und  Schuchardt  genannt.  Jetzt  fügen  wir  unseren 
eigenen  Namen  hinzu,  da  wir  im  Jahre  1894  über  14  meist 
alte  Fälle  berichtet  haben.  Zum  Nutzen  derjenigen,  die  ihre 
Untersuchungen  auch  auf  die  Milchsekretiou  Neugeborener  aus- 
dehnen wollen,  bemerken  wir,  dass  schon  1824  Monteggiai) 
die  heute  vergessene  Lehre  vortrug,  diese  Sekretion  sei  die 
Folge  der  Unterbindung  der  Nabelarterien.  Er  erklärt  auch 
die  Fälle,  in  denen  diese  Sekretion  spät  eintrat,  und  schreibt 
sie  wiederholtem  Saugen  zu. 

Bei  Neugeborenen  findet  sich  nicht  nur  Milchsekretion, 
sondern  auch  Schwellung  der  Mamma.  Eiberi  sah  im  Jahre 
1837  ein  Kind  von  anderthalb  Monaten,  das  auf  jeder  Seite 
eine  kugelige,  elastische,  schmerzlose  Geschwulst  von  der  Grösse 
einer  mittleren  Orange  und  von  natürlicher  Farbe  hatte.  Bei 
Druck  tröpfelte  aus  der  Warze  eine  milchige  Flüssigkeit,  und 
bei  Wiederholung  des  Drucks  nach  13  Tagen  verschwanden  die 
Tumoren  und  die  Drüsen  wurden  klein  und  gesund 2). 

Wir  haben  angegeben,  dass  die  Gynäkomastie  bisweilen 
nur  eine  einzige  Mamma  betrifft.     Dass   dies  nicht  häufig  ist, 


1)  Die  Lehre  von  G.  B.  Monteggia  wurde  von  L.  Brera  in  seinem 
Griorn.  di  med.  pratica,  Padova,  1814,  Vol.  V,  p.  424  vorgetragen.  Er  fügte 
den  Titel  der  Arbeit  hinzu:  Saggio  fisiologico  sopra  1'  uso  delle  mammelle 
nei  maschi.  Istit.  delle  sc.  di  Milano,  1814.  Es  ist  uns  nicht  gelungen,  im 
Vol.  II  von  1814—15  diese  Arbeit  zu  linden,  oder  diesen  Mangel  zu 
erklären. 

2)  A.  Eiberi  (Kliniker  in  Turin),  Eepert.  delle  sc.  fis.  med.  1837.  — 
Eegnoli  e  Eanzi,  Lez.  di  med.  operat.  e  di  patol.  chir.  Firenze,  1850> 
Vol.  IV,  p.  479.  —  Eiberi,  Opere  minori,  Torino,  1851.    T.  I,  p.  117. 


—    113    — 

kann  man  daraus  schliessen,  dass  sie  nur  17  mal  unter  59  Fällen 
vorkommt.  Wenn  man  nun  diese  17  Fälle  untereinander  ver- 
gleicht, ergeben  sich  einige  Umstände  von  verschiedener  Wich- 
tigkeit. Der  erste  betrifft  die  verschiedene  Häufigkeit  des 
Ortes  der  Hypertrophie  der  Mamma.  Denn  von  der  rechten 
Seite  des  Thorax  liegen  elf  Beispiele  vori),  während  man  auf 
der  linken  nur  sieben  zählt 2),  Dazu  fügen  wir  den  von  Eez- 
zonico  erzählten  Fall  eines  13jährigen  Knaben,  dessen  linke 
Mamma  infolge  eines  Faustschlags  über  1  cm  hervorragte;  in 
seinem  20.  Jahre  war  die  Geschwulst  fast  verschwunden  3). 
Dieser  Unterschied  kann  verschwinden,  wenn  die  Zahl  der  Be- 
obachtungen zunimmt,  wenn  sie  aber  fortbesteht,  ist  sie  uner- 
klärlich. Ein  anderer  bemerkenswerter  Umstand  bezieht  sich 
auf  das  Alter  des  Subjekts,  denn  die  Erscheinung  ist  meistens 
zur  Zeit  der  Pubertät  eingetreten,  selten  vorher.  So  sah  Cou- 
tagne  (Beob.  36)  ein  Kind  von  10  Jahren  mit  Hypertrophie 
rechts,  Laurent  einen  13jährigen  Burschen.  Dagegen  be- 
schrieben Nelaton  (I.e.)  und  Bruant*)  zwei  von  23  Jahren 
und  Laugier  einen  von  26.  Eine  einseitige  Gynäkomastie 
kann  auch  mit  einem  Krebs  verwechselt  werden,  ein  Irrtum, 
der  zuerst  von  Syme  1837  bei  der  klinischen  Untersuchung 
begangen  und  eingestanden  wurde  (1.  c).  Nach  der  Amputation 
erkannte  er  den  Bau  der  Brustdrüse. 

Aus  der  Untersuchung  der  17  Fälle  ergiebt  sich  noch  ein 
anderer  Umstand   von   grosser  Bedeutung,    dass    nämlich   bei 


^)  Die  rechtsseitige  Gynäkomastie  ist  gesehen  worden  von  Syme  im 
J.  1838  (The  Edinburgh  med.  and  surgical  Journal,  1838),  von  Cruveilhier 
(Beob.  23),  von  N.  N.  (Beob.  31),  von  Peters  (Beob.  33),  von  Coutagne 
(Beob.  36),  von  Labbe  (Beob.  41),  von  Morgan  (Beob.  43),  von  Puech 
(Beob.  45),  von  Wagner  (Beob.  58),  von  Bruant  (Beob.  Note  1)  und  von 
Ssawitzky  (Beob.  62). 

2)  Die  Gynäkomastie  zur  Linken  ist  gesehen  vrorden  von  Ansieux 
(Beob.  5),  von  Hoffmann  (Beob.  25),  von  Nelaton  (Beob.  26),  von  Poot 
(Beob.  35),  von  Laugier  (Beob.  39),  von  Olphan  (Beob.  53). 

^)  Ant.  Rezzonico,  Ann.  univ.  di  med.  Milano,  Marzo  1861,  Vol. 
199,  p.  60.  —  C.  Taruffi,  Storia  etc.  Vol.  VII,  Beob.  7,  p.  258. 

.  ^)  Bruant,  Gaz.  med.  de  Lyon,  6  Mars  1884.  —  Ein  Offizier  von 
23  Jahren  mit  regelmässigen  Geschlechtsfunktionen  bemerkte  seit  3  Monaten 
eine  Schwellung  der  rechten  Mamma,  die  zunahm  und  bei  Reibung  der 
Kleider  schmerzte.  Die  Drüse  war  hart,  von  der  Grösse  eiaes  Hühnereies 
und  man  unterschied  viele  Lappen. 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  8 


—    114    — 

12  Fällen  Alterationen  der  G-esclilechtsteile  ganz  fehlten,  was, 
wie  wir  glauben,  mit  dem  Befund  bei  bilateraler  Gynäkomastie 
in  "Widerspruch  steht,  bei  der  Hypoplasie  dieser  Organe  die 
Eegel  ist.  Die  fünf  zur  einseitigen  G-ynäkomastie  gehörigen 
Fälle  wurden  von  Bedor  (Beob.  6),  von  Nelaton  (Beob.  26), 
von  Laugier  (Beob.  39),  von  Olphan  (Beob.  53)  und  von 
Schaumann  (Beob.  63)  beschrieben.  Dieser  Unterschied  der 
Zahlen  ist  von  bedeutender  negativer  ätiologischer  Wichtigkeit, 
weil  man  in  den  12  übrigbleibenden  Fällen  von  einseitiger 
Gynäkomastie  die  Ursache  weder  der  Missbildung  des  Penis, 
noch  der  Hoden,  noch  der  Urethra  zuschreiben  kann,  sondern 
einen  anderen  Umstand  aufsuchen  muss. 

Wenn  wir  bedenken,  dass  in  der  Pubertätszeit  und  der 
darauf  folgenden  die  Jünglinge  zu  körperlichen  Übungen  geneigt 
sind,  was  sie  Stössen  und  Stürzen  aussetzt,  lässt  sich  ver- 
muten, dass  dadurch  Anschwellungen  der  Brustdrüsen  entstehen 
können,  wie  Coutagne  (Beob.  36)  und  Wagner  (Beob.  58) 
bewiesen  haben,  und  wie  es  ähnlich  mit  der  einseitigen  Ele- 
phantiasis der  Weiberbrust  geschieht  i).  Aber  in  allen  anderen 
Fällen  schwiegen  die  Autoren  über  die  Ursachen,  und  nur 
Nelaton  (Beob.  26)  schloss  jede  Hypothese  aus.  Wenn  wir 
aber  daran  erinnern,  dass  zwei  negative  Thatsachen  sich  ver- 
binden, nämlich  das  Fehlen  der  angeborenen  Anomalien  des 
sekundären  Feminismus  der  Geschlechtsteile  und  das  Fehlen 
anderer  Ursachen,  gewinnt  unsere  Hypothese  eine  neue  Stütze. 
Auf  jeden  Fall  bilden  diese  15  Fälle  eine  eigene  Gruppe  von 
Gynäkomasten,  bei  der  es  sich  nicht  um  einen  teratologischen, 
sondern  um  einen  krankhaften  Vorgang  handelt,  was  den  äusseren 
Pseudo-Hermaphrodismus  nicht  ausschliesst,  sondern  nur  die  Bil- 
dungsweise desselben. 

Wenn  wir  zur  bilateralen  Gynäkomastie  übergehen,  stossen 
wir  sogleich  auf  eine  Schwierigkeit,  die  der  Vervollständigung 
der  Geschichte  unseres  Gegenstandes  schadet,  nämlich,  dass 
wir  nicht  die  sieben  Beobachtungen  von  den  39,  die  wir  noch 
zu  prüfen  haben,  benutzen  können,  denn  wir  haben  uns  weder 


1)  C.   Taruffi,    Storia  etc.    1894.    T.    VII,    p.    248:    Meclianische 
Wirkungen. 


—    115    — 

Beschreibungen,  noch.  Auszüge  i)  verschaffen  können  und  bei 
vier  anderen  Beobachtungen  waren  die  Angaben  so  unvoll- 
kommen, dass  wir  nicht  entscheiden  konnten,  ob  die  Gynäko- 
mastien  einfach  oder  kompliziert  waren 2),  so  dass  unsere  Prü- 
fung sich  auf  32  Fälle  beschränkt. 

Ehe  wir  von  diesen  sprechen,  müssen  wir  vorausschicken, 
dass  es  bilaterale  Hypertrophien  der  Mamma  von  einfachster  Form 
giebt,  also  ohne  Komplikationen  in  anderen  Organen,  wie  die 
Fälle  von  Eve  (Beob.  24)3),  von  Bertherand  (Beob.  27)*), 
von  Scheiber  (Beob.  44)5)  und  von  Schmit  (Beob.  54)6),  der 
zwei  Fälle  von  Gynäkomastie  ohne  bemerkbare  Ursache  beob- 
achtete. Zu  denselben  Fällen  kann  man  auch  die  von  Petre- 
quin  (Beob.  28)  und  die  beiden  Rekruten  Paulickys  (Beob. 
57)  rechnen,  bei  denen  Normalzustand  der  Geschlechtsorgane 
vorhanden  war,  sowie  die  Beobachtung  von  Hoffmann,  bei  der 
die  Gynäkomastie  remittierend  war,  im  16.  Jahre  entstand  und 
im  Mannesalter  verschwand  (Beob.  25).  In  dieser  Gruppe  von 
bilateralen  Gynäkom asten  finden  sich  nicht  die  Charaktere  der 
physischen  (Feminismus)  und  moralischen  Degradation  (Ar- 
mut des  Intellekts  und  Gedächtnisschwäche),  die  ihnen  Lau- 
rent 7)  im  allgemeinen  zuschreibt. 

Im  Bezug  auf  die  Komplikationen  der  Gynäkomastie  ist 
es  zweckmässig,  sie  in  zwei  voneinander  ziemlich  verschiedene 
Serien  zu  teilen.  Einige  Individuen  mit  bilateraler  Gynäko- 
mastie litten  an  pathologischen  Alterationen  der  hypertrophi- 
schen Drüsen  selbst.  In  anderen  Fällen  hatte  zwar  die  Hyper- 
trophie die  gewöhnliche  Beschaffenheit,  aber  es  fanden  sich 
zugleich  Anomalien  anderer  Organe  und  Gewebe.  Auch  jede 
der  beiden  Serien  verdient  besondere  Aufmerksamkeit:  so  ent- 
hält die  erste  zwei  symptomatisch  verschiedene  Charaktere,  die 


^)  Die  Fälle,  deren  Eiazelheiten  wir  nicht  kennen,  gehören  Knaff 
(Beob.  13),  Fernandes  (Beob.  52)  und  Schmit  (Beob.  54). 

^)  UnYoUkommene  Berichte  wurden  geliefert  von  Cloquette  (Beob.  9), 
Petrequin  (Beob.  28)  Krieg  (Beob.  48)  und  Ssawitzky  (Beob.  62). 

3)  P.  F.  Eve,  s.  Beob.  24.  .1854. 

^)  Bertherand,  Gaz.  med.  1856. 

5)  Scheiber,  Beob.  44,  1875. 

^)  Beobachtung  angeführt. 

'^)  Laurent,  Les  bisexues.    Paris,  1894,  p.  87  und  100. 


—    116    — 

sich,  bisweilen  miteinander  verbinden.  Der  ersten  geben  wir 
den  alten  Namen  Mastitis,  oder  besser  Gynäkomastie  mit 
Hyperämie  in  verschiedenem  Grade,  und  die  zweite  nennen 
wir  Mastodynie,  oder  besser  örtliche  Schmerzen  in  einer  hyper- 
trophischen Brustdrüse. 

Die  Fälle  von  einfacher  Mastitis  sind  selten.  Alb  er s^) 
sah  im  Jahre  1843  einen  13jährigen  Burschen  mit  Anschwell- 
ung der  Brustdrüsen  mit  chronischem  Verlauf,  die  zuerst  heilte 
und  dann  wieder  erschien.  Der  Verf.  hatte  ähnliche  Fälle  ge- 
sehen und  nannte  die  Affektion  Mastitis  pubescentium  virilis. 
Brian t  publizierte  später  einen  Fall  von  bilateraler  Entzündung 
der  Brustdrüsen  mit  wechselnden  Schmerzen  2),  Aber  wir  haben 
die  Krankengeschichte  nicht  prüfen  und  so  den  Grad  der  Ent- 
zündung sowie  die  anderen  Umstände  nicht  beurteilen  können. 
Zu  dieser  Gruppe  gehört  wahrscheinlich  der  Fall  von  Leisrink 
(Beob.  42),  bei  dem  im  14.  Jahre  eine  schmerzhafte  Schwellung  mit 
heisser  Haut  an  beiden  Organen  und  Fieber  eintrat;  das  selt- 
samste war,  dass  das  Fieber  nach  7  Tagen  verschwand  und 
mehrmals  wiederkehrte,  wobei  sich  die  Brüste  in  platte,  sehr 
empfindliche  Scheiben  verwandelten. 

Die  Bestimmung,  ob  man  im  konkreten  Falle  die  Hyper- 
plasie des  subcutanen  Bindegewebes  den  Entzündungen  oder 
den  Neubildungen  zurechnen  müsse,  halten  wir  für  eine  Ord- 
nungsfrage (di  ordinamento);  wir  werden  sie  hyperplastische 
Entzündung  nennen;  und  dann  erweitert  sich  diese  kleine 
Gruppe  von  Fällen  von  Gynäkomastie  und  umfasst  auch  die, 
bei  denen  die  hypertrophischen  Brüste  hart  anzufühlen  sind, 
und  zu  ihnen  gehört  auch  der  Befund  von  Krieg  (Beob.  48), 
bei  dem  nämlich  die  peripherischen  Milchgänge  solid  geworden 
sind  und  die  Enden  der  Acini  unkenntlich  machen. 

Wir  fügen  hinzu,  dass  die  Verhärtung  der  Mamma,  selbst 
wenn  die  Hyperplasie  von  örtlichen  Schmerzen  begleitet  ist, 
auch  bei  einseitiger  Gynäkomastie  eintritt,  wovon  Hoff  mann 
ein  Beispiel  geliefert  hat.  Er  sah  (Beob.  25)  ein  junges  Mäd- 
chen von  17  Jahren,  dereu  linke  Mamma  voll  harter  Knoten 
und  bei  Druck  schmerzhaft  war.     Ein   anderes  Beispiel  wurde 


^)  J.  F.  A 1  b  e  r  s ,  Corresp.-Blatt  rliein.  und  westf äl.  Ärzte,  1843,  No.  IL 
2)  Briant,  Beob.  37,  1868. 


—    117    — 

von  Coutagne  angeführt  (Beob.  36),  in  dem  die  Mastitis  die 
Folge  eines  Faustschlags  auf  die  rechte  Mamma  war,  und  ein 
drittes  Beispiel  gehört  Bruant  ani).  Auch  von  anderen 2) 
wurden  traumatische  Ursachen  angegeben,  und  dies  erhöht  die 
Wahrscheinlichkeit,  dass  die  Mastiten,  besonders  die  einseitigen, 
durch  mechanische  Einwirkung  verursacht  werden.  Die  schmerz- 
hafte Hypertrophie  des  Bindegewebes  tritt  auch  bei  bilateraler 
Gynäkomastie  auf  und  Leiserink  beobachtete  einen  Fall,  bei 
dem  der  Schmerz  intermittierend  war  (Beob.  42). 

Die  Mastodynic  kann  sich  mit  Hyperplasie  der  männlichen 
Brüste  verbinden,  in  einer  oder  in  beiden,  ohne  dass  sie  ent- 
zündet scheinen.  Ein  Beispiel  wurde  im  Jahre  1813  von 
Villen euve  (Beob.  7)  geliefert,  mit  einem  Manne,  bei  dem  in 
seinem  30.  Jahre  die  Brüste  ausserordentliche  Grösse  erreichten, 
zugleich  mit  lebhaften  Schmerzen.  Dann  erzählte  Be au  (Beob. 
18)  von  einem  16jährigen  Jüngling,  bei  dem  die  Brüste  ange- 
schwollen seien,  mit  einzelnen,  ohne  Grund  eintretenden  Stichen. 
Später  erzählte  Cruveilhier  (Beob.  23)  von  einem  23jährigen 
Manne,  bei  dem  die  rechte  Mamma  so  schmerzhaft  wurde,  dass 
sie  amputiert  werden  musste.  Aber  schon  Syme  (1.  c.  1838) 
hatte  eine  vergrösserte  Mamma  entfernt,  die  er  wegen  lanzi- 
nierender  Schmerzen  für  krebsig  hielt,  während  die  anatomische 
Untersuchung  drüsigen  Bau  nachwies. 

Diese,  wenn  auch  wenigen  Fälle,  werfen  eine  ziemlich 
schwierige,  ätiologische  Frage  auf,  denn  man  kann  wohl  an- 
nehmen, dass  entzündliche,  besonders  chronische  Vorgänge  die 
Schmerzen  verursachen,  zumal  wenn  die  Nerven  durch  Ver- 
dickung der  Scheiden  komprimiert  werden ;  aber  wenn  kein 
Anzeichen  für  diese  Hypothese  vorliegt,  sei  es  uns  erlaubt, 
gegen  unsere  Gewohnheit  eine  andere  aufzustellen.  Wir  haben 
zwei  Jahre  lang  an  akuten  Neuralgien  gelitten:  die  erste  war 
ein  Rückfall  der  Krankheit  von  Morton^)  im  linken  Fusse; 


^)  Bruant,  Gaz.  med.  de  Lyon,  6  Mars,  1884:. 

^)  Leon,  Hypertrophique  du  sein  chez  Fhomme.  Arcli.  de  med.  rurale. 
Paris,  1879,  T.  31,  p.  213. 

^)  Der  erste  von  dem  Verf.  erlittene  Fall  wurde  von  ihm  selbst  publi- 
ziert unter  dem  Titel:  Zwei  Fälle  von  Mor tonscher  Krankheit.  Arch.  di 
Ortoped.  Milano,  1897,  A.  XIV,  No.  1.  In  diesem  Falle  enthielt  er  sich  der 
Äusserung  einer  eigenen  Meinung  über  die  Ursache,  denn  diese  war  schlecht 


—    118    - 

der  zweite  sass  im  linken  Tibialis  anterior.  Bei  beiden  konnte 
ich  mich  der  nächsten  Ursache  versichern,  nämlich  eines  kalten 
Luftstroms,  der  direkt  mein  schwitzendes  Bein  traf,  so  dass 
ich  nicht  zweifle,  dass  es  sich  um  eine  rheumatische  Ursache 
handelte.  Der  Analogie  nach  halte  ich  dieselbe  Ursache  bei 
Mastodynie  für  möglich,  denn  der  Mann  setzt  sich  leicht  bei 
offener  Brust  Temperaturwechseln  aus. 

Wir  kommen  jetzt  zu  der  zweiten  Reihe  von  Kompli- 
kationen, nämlich  zu  den  mit  anderen  Anomalien  oder  gewöhn- 
lichen Krankheiten  verbundenen  Grynäkomastien,  und  schreiten 
sogleich  zu  der  Betrachtung  der  verhältnismässig  häufigen  und 
wissenschaftlich  besonders  wichtigen  Thatsache,  welche  die  an- 
geborenen oder  erworbenen  Fehler  der  G-eschlechtsorgane  be- 
trifft. Von  solchen  Fehlern  ist  es  uns  gelungen,  20  Fälle  zu 
sammeln,  ohne  die  zu  zählen,  die  spezieller  dem  äusseren 
männlichen  Hermaphrodismus  angehören,  mit  dem  wir  uns 
anderwärts  beschäftigt  habend).  Wir  haben  die  20  Fälle  in 
folgender  Tabelle  zusammengestellt,  um  die  bald  sehr  häufigen, 
bald  sehr  seltenen  Umstände  hervorzuheben. 

(Siehe  TabeUe  I  auf  Seite  120  und  121.) 

Ein  auf  den  ersten  Blick  sehr  auffallender  Umstand  ist 
das  jugendliche  Alter  der  von  Gynäkomastie  Befallenen,  denn 
fast  immer  waren  sie  nicht  über  30  und  nicht  unter  21  Jahre 
alt.  Dies  erklärt  sich  dadurch,  dass  die  Individuen  Land-  oder 
See-Eekruten  waren  und  fast  niemals  den  Anfang  des  Übels 
angaben.  Als  einziges  Mal  haben  wir  diese  Nachricht  bei 
einem  Burschen  von  16  Jahren  gefunden  (Beob.  3).  Auch  die 
Profession  der  jungen  Männer  vor  dem  Militärdienst  wird  nicht 
angeführt. 

Die  männlichen  Geschlechtsorgane  zeigten  in  obigen  20 
Beobachtungen  Alterationen,    die  im   allgemeinen  zu  den  Ent- 


beobachtet  und  zweifelhaft.  Der  hier  erwähnte  Kückfall  trat  im  J.  1898 
ein  und  wurde  nicht  publiziert,  obgleich  er  es  wegen  des  glücklichen  Heil- 
versuchs  mit  Methyl- Sali cylat  verdiente. 

^)  Die  von  uns  publizierten  Fälle  von  männlichem  Pseudo-Hermaphro- 
dismus  haben  wir  angeführt.  S.  Tabelle  I.  Beob.  59  u.  67.  S.  hier  Gruber 
und  Taruffi.  S.  die  gegenwärtige  Arbeit,  I.Teil,  Über  Hermaphrodismus 
p.  41  und  63.  Mem.  della  E.  Accad.  delle  sc.  del  istit.  di  Bologna,  1899. 
T.  VII. 


—    119    — 

wickelungshemmimgen  (Hypoplasien)  gehören,  was  mit  der  Hyper- 
plasie der  Mamma  in  Widerspruch  steht,  während  die  Altera- 
tionen selbst  von  einander  nach  Sitz  und  Art  verschieden 
waren.  So  finden  wir  unter  den  20  Fällen  sieben,  bei  denen 
Hoden  und  Penis  zugleich  litten,  bei  neun  betraf  die  Hyper- 
plasie nur  die  Hoden,  und  in  drei  Fällen  war  nur  der  linke 
Ho  de  ergriffen. 

Aus  der  betreff.  Tabelle  folgt,  dass  die  Gynäkomastie  selten 
von  UnvoUkommenheit  des  Penis  allein  begleitet  ist,  denn  da- 
für liegen  nur  die  Beispiele  von  Durham,  Grruber  (Beob.  30 
und  34)  und  Charvot  (Beob.  61)  vor,  und  wir  fügen  jetzt 
den  ausserordentlichen  Fall  von  Fenolio  im  Jahre  1842  hin- 
zu i).  Dieser  sah  einen  Soldaten  mit  zwei  Brüsten,  ähnlich 
denen  einer  Jungfrau,  mit  zweiteiligem,  die  Hoden  enthaltendem 
Scrotum,  mit  einem  durch  eine  kleine  Drüse  dargestellten  Penis 
und  darunter  liegender  Öffnung  der  Urethra 2).  Endlich  sind  unter 
den  20  Fällen  zwei  mit  chirurgischer  Hypospadie  (d.  h.  von 
mittlerem  Grad),  (Beob.  26  und  64,)  und  ein  Fall  von  Epispa- 
diasis  mit  geteiltem  Scrotum  (Beob.  34). 

Wir  bemerken  in  Bezug  auf  das  männliche  Glied,  dass 
Vorhandensein  von  nur  drei  Fällen  von  Gynäkomastie  mit 
Hypoplasie  des  Penis  nicht  den  Schluss  erlaubt,  die  Entwicke- 
lungshemmung  sei  eine  seltene  Erscheinung.  Wir  haben  seit 
18943)  16  Fälle  unter  18  gesammelt,  bei  denen  der  Penis 
fehlte  oder  rudimentär  war  (ohne  die  Fälle  mitzuzählen,  in 
denen  die  Mängel  des  Penis  mit  denen  der  Hoden  verbunden 
waren),  was  übrigens  natürlich  ist,  da  es  sich  entweder  um  Neu- 
geborene, oder  um  Knaben  vor  der  Pubertät  handelte,  und  die 
Fälle  selbst  beweisen  auch,  dass  die  UnvoUkommenheit  der 
Genitalien  eine  hyperplastische  Eeaktion  in  den  Brustdrüsen 
hervorzubringen  vermag.  In  Note  2  der  gegenwärtigen  Arbeit 
haben  wir  weitere  vier  Fälle  gesammelt,  mit  dem  einzigen 
Unterschied,    dass  mit  ihnen  Feminismus  verbunden  war ;  dabei 


^)  Fenolio  (Torino),  Singolare  deformitä  delle  parti  genitali  d'  un. 
soldato.  Giorn.  delle  sc.  med.  Torino,  1844,  Vol.  VIII,  p.  301.  —  Taruffi, 
Storla  etc.     Bologna,  1894,  T.  VII,  Beob.  5,  p.  264. 

2)  C.  Taruffi,  Storla  etc.    Bologna,  1894.   Beob.  2,  3,  4,  p.  268— 69. 

^)  Taruffi,  Un  caso  d'  agenosomia.  Mem.  della  E.  Acc.  delle  sc. 
deU'  istit.  di  Bologna,  1894.     Ser.  5,  T.  IV,  p.  82. 


120    — 


Tabelle  I.     Grynäkomastle  mit 


Autoren 

Beob. 

Jahr 

Alter 

Hoden  und  Penis 

Eenauldin 

3 

1797 

24  Jahre 

bedeutende  Hypoplasie 

E.  Home 

4 

1799 

23  Jahre 

Hypoplasie 

H.  Bedor 

6 

1812 

Rekrut 

— 

Lieber 

10 

1834 

Siehe  Gruber 

Hypoplasie 

Holtr  op 

14 

1840 

19  Jahre 

— 

John   Gorham 

17 

1846 

junger  Matrose 

^ 

C.  Weber 

20 

1852 

21  Jahre 

Hypoplasie 

Nel  at  on 

26 

1856 

Mann 

Hypoplasie 

D  ur  h  am 

30 

1859-60 

25  Jahre 

Hoden  normal 

W.  Grub  er 

34 

1866 

18  Jahre 

— 

L.  Lerebouillet 

46 

1877 

23  Jahre 

— 

M,  L.  J  a  g  0  t 

47 

1877 

28  Jahre 

—    . 

Lambert 

49 

1877 

28  Jahre 

— 

Ch.  Liegeois 

50 

1877 

25  Jahre 

— 

E.   Olphan 

53 

1880 

17  Jahre 

— 

S.  Pozzi 

59 

1885 

Jüngling 

männl.  äusserer 
Pseudo-Hermaphrodism. 

C  h  a  r  V  0  t 

61 

1891 

junger  Soldat 

Hypoplasie  der 
Hoden  und  des  Penis 

H.   Schaumann 

63 

1894 

19  Jahre 

— 

E.  Laurent 

66 

1894 

25  Jahre 

männl.  äusserer 
Pseudo-Hermaphrodism. 

G.  Natalucci 

67 

1899 

24  Jahre 

— 

1 


Anhang  zn 

Gynäkomastie  mit  äusserem 
W.  Gruber.    Die  männliche  Brustdrüse  und  über  Gynäkomastie.   Mera. 
de  l'ac.  Imp.  de  Sc.  de  St.  Petersbourg.    VII.  Serie,  T.  X,  10,  1866. 
Ders.     Gynäkomastie  mit  Hypospadie  in  hohem  Grade.    No.  7. 
Ders.     Gynäkomastie  mit  seitlichem  Hermaphrodismus.     No.  8. 


121 


Hypoplasie  der  Oeschleclitsorgane. 


Hoden 

Penis 

Urethra 

Eigentum  li  chkeiten 

Feminismus 





— 

Ursprung  v.  16  Jahr. 

Feminismus 

— 

— 

— 

— 

Feminismus 

Atropliie  der 

zugleich  mit  seinem 

Hoden 

Bruder 

Hypoplasie 

— 

Syphilis 

— 

Atrophie, 
bedeutend,  rechts 

— 

— 

Fall  auf  den  Eücken 

— 

. 

— 

Beob.  26 
mit  Hypospadie 

— 

Feminismus 

— 

kurz  und  klein 

— 

— 

Feminismus 

— 

Penis  atrophisch, 
Scrotum  geteilt 

Epispadie 

— 

— 

hedeut.  Atrophie 

— 

— 

Mumps 

Feminismus 

linker  Ho  de 
atrophisch 

— 

— 

Blennorrhagie 

— 

linker  Hode  klein 

— 

— 

— 

— 

Atrophie  beider 

— 

— 

— 

— 

linker  Hode 

ziemlich  klein 

_ 

Mumps 



— 

— 

Kryptorchie 
mit  Hypospadie 

— 

Feminismus 

Hoden  klein 

— 

— 

— 

— 

Tabelle  I. 

männlichemPseudo-Hermaphrodismus. 

C.  Taruffi,  Storia  deUa  teratologia,  etc.    Vol.  VII,  p.  251,  1894. 
Ders.      Gynäkomastie    mit    transversalem    Hermaphrodismus.     Beob. 
No.  6. 

Ders.    Gynäkomastie  mit  Hermaphrodismus.    No.  3. 


-    122    — 

hatten  alle  das  Alter  von  27  Jahren  überschritten,  ja  der  eine 
war  46  Jahre  alt  (Beob.  5,  9,  16,  18).  Endlich  führen  wir 
den  FaU  von  Rizet  ani)  über  einen  infeminierten  Soldaten 
mit  sehr  kleinem  Penis,  Tenorstimme  und  weiblichen  Instinkten, 
ohne  andere  Eigentümlichkeiten. 

Indem  wir  jetzt  zu  anderen  Umständen  übergehen,  die  der 
Gynäkomastie  vorausgehen,  wollen  wir  noch  einmal  unsere 
Aufmerksamkeit  auf  die  mechanischen  Ursachen  bei  der 
bilateralen  Gynäkomastie  richten,  nachdem  wir  schon  wahre 
und  wahrscheinliche  Beispiele  solcher  Ursachen  hei  einseitiger 
Hyperplasie  der  Mamma  bei  normalen  Hoden  angeführt  haben. 
Wir  haben  schon  in  der  Note  an  die  Fälle  von  Galliet  (Beob. 
19)  und  Grub  er  (Beob.  34)  erinnert,  und  werden  in  Note  4 
(Beob.  1)  den  schönen  Fall  von  Curling  besprechen,  von  einem 
Soldaten,  der  nach  Verwundung  im  Nacken  und  an  der  Stirn 
von  Atrophie  des  Penis  und  des  rechten  Hodens  befallen  wurde 
und  alle  geschlechtlichen  Neigungen  verlor.  Weiterhin  werden 
wir  den  Fall  von  Martin  erwähnen,  in  dem  die  Hoden  in  der 
Jugend  amputiert  wurden  und  das  Individuum  nachher  Hyper- 
plasie der  Mamma  zeigte. 

Jetzt  werden  wir  drei  andere  Fälle  anführen,  die  noch  selt- 
samer sind,  als  die  vorigen.  Lau  gier  2)  sah  einen  Mann  ohne 
linken  Hoden,  welcher  dann  Hypertrophie  der  Mamma  derselben 
Seite  bekam.  Thomson  (Beob.  12)  erzählt:  ein  Mann  fiel  auf 
die  Brust,  und  nach  einigen  Wochen  schwollen  seine  Brust- 
drüsen an  mit  bläulicher  Areole,  zu  gleicher  Zeit  wurden  seine 
Hoden  atrophisch  und  der  Geschlechtstrieb  verschwand.  Selt- 
sam ist  auch  der  Fall  von  Gorham  (Beob.  17)  von  einem 
Matrosen,  der  nach  Verwundung  am  Rücken  infolge  eines  Falles 
unfähig  zur  Arbeit  wurde;  dann  trat  ungleiche  Atrophie  der 
Hoden  und  Anschwellung  der  Brüste  ein. 

Diese  Fälle  würden,  auch  wenn  sie  von  einer  genügenden 
Beschreibung  begleitet  wären,  immer  schwer  zu  erklären  sein. 


^)  Eizet,  Eecueil  de  med.  et  de  chir.  milit.    Paris,  1862. 

2)  M.  Laugier,  Monorchidie-hypertrophie  mammaire.  Beobachtung 
publiziert  von  Le  Den  tu.  Des  anomalies  du  testicule.  Paris,  1869, 
p.  102. 


—    123    — 

Dasselbe  lässt  sich,  von  dem  Falle  von  Beclere  sagend),  der 
eine  akute  Orchitis  bei  einem  15jährigen  Burschen  beobachtete, 
ohne  Anschwellung  der  Parotiden,  während  eine  Epidemie 
von  Mumps  herrschte;  dabei  wurden  vorher  drei  seiner  Ge- 
fährten von  Mumps  befallen,  und  gleichzeitig  auch  eine  seiner 
Schwestern. 

Wenn  solche  Fragen  noch  immer  schwer  zu  beantworten 
sind,  dürfen  wir  uns  nicht  wundern,  wenn  wir  an  die  Zeit 
denken,  wo  die  berichteten  Fälle  dem  Grebiete  der  Wissenschaft 
noch  nicht  angehörten. 

Mit  Übergehung  der  Beschreibung  des  Hippokrates  von 
der  Epidemie  von  Mumps,  gelangen  wir  bis  zum  Jahre  1573, 
um  die  deutliche  Beschreibung  einer  gleichen  Epidemie  in 
Bologna  durch  den  Chronikschreiber  Rinieri  zu  erreichen 2). 
Später  wurden  gleiche,  aber  besser  geschriebene  Nachrichten 
in  Italien  mehrmals  gegeben.  Wir  führen  nur  die  aus  der 
Romagna  vom  Jahre  1753  an,  denn  in  demselben  Jahre  trug 
Tommaso  Laghi^)  der  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Bologna 
einen  Bericht  vor,  der  für  klassisch  erklärt  wurde,  und  von  dem 
wir  folgende  Zeilen  anführen:  „Fuerunt  autem  permulti,  quibus 
tumor  a  parotidibus,  quod  mirum  sane  videri  possit,  ad  scrotum 
transiens  testiculos  infestabat,  interdum  unum,  nonnunquam 
ambos"  etc. 4)  ....  pag.  118:  „nemo  ante  pubertatem  ex  in- 
flatis  parotidibus  innaturalium  suorum  tumorem  incidit,  nuUus 
propemodum  senex,  maxime  quod  illi  aetati,  si  paucos  excipias, 
morbus  ex  toto  pepercit". 

^)  Beclere,  OrcMte  ourlienne  d'emblee  saus  tumefaction  desgland.es 
salivaires.  Soc.  med.  des  hopit.  Seance  27  Mai  1898.  —  La  Sem.  med.  Paris, 
1898,  p.  267. 

2)  V.  E,  i  n  i  e  r i ,  Diari  deUe  cose  piü  notabile  seguite  nella  cittä  di  Bologna, 
dair  anno  1520  al  1613 ;  mss.  nella  biblioteca  della  E.  Universitä  di  Bologna. 
T.  I,  p.  77.  —  A.  Corradi,  Annali  delle  epidemie  etc.  Parte  II,  dal  1501 
al  1600.  Mem.  della  soc.  med.  cMr.  di  Bologna.  1867—76,  Vol.  VI,  fasc.  4, 
p.  872. 

^)  T.  L  agil i  (aus  Bologna),  Historia  epidemica  constitutionis,  in  qua 
Parotides  seroso-glutine  tumentes  redduntur,  cum  peculiaribus  symptomatibus, 
quaeque  constitutio  ineunte  anno  1753,  Bononiae  contingit.  Comment.  instit. 
Bonon.  Tom.  V,  p.  I,  Comp.  65,  Opusc.  p.  117—18. 

^)  Diese  Stelle  genügt,  um  die  Behauptung  Lerebouillets  zurück- 
zuweisen (Beob.  46),  dass  nämlich  Murat  schon  im  Jahre  1803  angegeben 
habe,  bei  einer  Epidemie  von  Parotidis   komme  Atrophie  der  Hoden  vor. 


—    124    — 

Ausserdem  teilte  Laglii  mit,  dass  auf  die  epidemische 
Krankheit  eine  Orchitis  folgen  könne,  sobald  der  Kranke  die 
Pubertät  überschritten  habe,  und  andere  Autoren,  worunter 
Borsierii),  der  dieselbe  Epidemie  in  Faenza  im  Jahre  1753 
beschrieb,  haben  bei  solchen  Epidemien  die  Behauptung  Laghis 
bestätigt.  Drei  Jahre  später  beobachtete  auch  Hamilton  von 
Edingburgh  zwei  Fälle  von  Orchitis  bei  Erwachsenen  infolge 
einer  epidemischen  Parotitis  2),  und  dies  wurde  später  auch  von 
anderen  beobachtet.  Wir  bedauern,  nicht  finden  zu  können, 
wo  der  Autor  behauptet  hat,  die  Metastase  könne  bei  Mumps 
auch  auf  andere  Organe  stattfinden,  um  so  mehr,  als  V  all  ei  x  3) 
versichert,  Hamilton  führe  einige  günstige  Fälle  an;  aber  nie- 
mand hat  später  diese  Wanderung  bestätigt. 

Nach  den  Beobachtungen  von  Laghi  verdienen  besondere 
Erwähnung  die  des  trefflichen  Schotten  Curling  (1843 — 55), 
welche  sich  nicht  gerade  auf  die  Gynäkomastie  beziehen,  aber 
auf  einen  Umstand,  der  ihr  bisweilen  vorhergeht,  nämlich  die 
Atrophie  der  Hoden.  Curling  sammelt  einige  sehr  wichtige 
Thatsachen  (s.  Note  4),  aus  denen  er  schliesst,  dass  die  Ge- 
schlechtsinstinkte  und  die  Atrophie  der  Hoden  die  Folge  von 
Läsionen  des  Gehirns  sind,  und  leitet  daraus  her,  dass  die 
Funktionen  dieser  Organe  vom  Gehirn  abhängen.  Er  fügt 
hinzu,  dass  die  Physiologen  nicht  verfehlen  werden,  die 
Schnelligkeit  zu  bemerken,  mit  welcher  die  Atrophie  in  einigen 
Fällen  auf  die  Kopfwunde  folgt  und  den  Grad,  den  sie  erreicht, 
u.  s.  w. 

Soviel  wir  wissen,  haben  die  Physiologen  niemals  die 
nötigen  Untersuchungen  angestellt,  sondern  das  sehr  bequeme 
System  angenommen,  über  diese  und  andere  sehr  schöne  Fragen, 
die  Zeugung  betreffend,  zu  schweigen. 

Ein  weiterer  Fortschritt  wurde  in  Bezug  auf  die  Wirkung 
der  Atrophie  und  der  Exstirpation  der  Hoden  gemacht.  Riberi 
erzählt  schon  18534),  er  habe  in  der  Leiche  eines  Mannes,  dem 
er  vor  sieben  Jahren  einen  Hoden  amputiert  hatte,  während  der 


^)  Gr.  Borsieri  (Arzt  in  Faenza),   Institutiones   medicinae   practicae, 
Mediolani,  1785,  T.  III,  p.  296. 

2)  Hamilton,  Phil,  trans.  Edinb.,  1756,  Vol.  II,  Art.  9,  p.  59. 

^)  Valleix,  Guide  du  medecin  praticien.    Paris,  1860,  T.  III,  p.  551. 

^)  A.  Riberi,  Opera  minori.     Torino,  1851,  Vol.  I,  p.  106. 


—    125    — 

andere  schon  seit  lange  atrophisch  war,  die  Prostata  atrophisch 
gefunden.  Bei  einem  anderen,  dem  er  vor  9  Jahren  in  zwei 
Zeiten  die  Hoden  amputiert  hatte,  fand  er  8  Jahre  später  bei 
Untersuchung  durch  das  Rectum  fast  keine  Spur  der  Prostata 
mehr,  obgleich  er  sie  vor  der  ersten  Operation  rund  und  deut- 
lich erkennbar  angetroffen  hatte.  Le  Eoi  d'Etiolles  berichtet 
ebenfalls  über  einen  Fall  von  Atrophie  der  Prostata,  die  auf 
Amputation  beider  Hoden  gefolgt  war. 

Die  Anwendung  der  Kastration  zur  Heilung  der  Ver- 
grösserung  der  Prostata  wurde  in  den  letzten  Jahren  wieder 
aufgenommen  und  erlangte  eine  gewisse  Beliebtheit,  besonders 
in  England  und  Amerika.  Launois  bemerkte  im  Jahre  1884 
bei  Experimentaluntersuchungen  an  Hunden,  dass  auf  Kastration 
Atrophie  der  Prostata  folgte.  White  bestätigte  1893  diese 
Thatsache  nicht  nur  für  Tiere,  sondern  wendete  sie  auf  die 
menschliche  Chirurgie  an,  geleitet  durch  die  Idee,  es  bestehe 
Identität  zwischen  der  hypertrophischen  Prostata  und  den 
Fibromyomen  des  Uterus,  denn  wie  dieses  Organ  nach  der  Ab- 
tragung der  Ovarien  atrophisch  wird,  so  muss  auch  die  Pro- 
stata nach  Resektion  der  Hoden  atrophisch  werden.  Wegen 
weiterer  chirurgischer  Anwendungen  verweisen  wir  auf  die 
chirurgischen  Handbücher  i). 

Später  beobachtete  man  einen  noch  engeren  Zusammen- 
hang zwischen  diesen  Organen,  denn  wenn  nur  ein  Hode  atro- 
phisch oder  verstümmelt  wird,  wird  auch  nur  die  Mamma  der- 
selben Seite  hyperplastisch,  undLaugier^)  hat  1869  ein  schönes 
Beispiel  dafür  von  der  linken  Seite  angeführt;  aber  was  die 
Priorität  betrifft,  so  schreibt  Lerebouillet  die  erste  hierher 
gehörige  Beobachtung  G üb  1er  zu,  die  nicht  veröffentlicht 
wurde,  und  zwei  andere  seinen  Schülern  Rendu  und  Lang- 
lois,  die  in  einer  These  mit  ganz  anderem  Titel  gesammelt 
wurden  3). 

^)  V.  ßocliet,  Traite  de  la  dysurie  senile  et  de  ses  diverses  com- 
plications.  Paris,  1899,  p.  365.  —  F.  Durante,  Trattato  di  patologia  e 
terapia  chixurgica.     Eoma,  1899,  Vol.  III,  p.  1046. 

2)  M.  Laugier,  MonorcMdie-Hypertropliie  mammaire.  Nicht  bekannt 
gemachte  Beobachtung,  publiziert  von  LeDentu.  Des  anomalies  du  testi- 
cule.    Paris,  1869,  p.  102. 

^)  Collette,  Sur  une  forme  d'arthropathie.  These  inaugur.  Paris, 
1872. 


—    126    — 

Zu  diesen  seltsamen  Thatsachen  kommt  noch  eine  Beob- 
achtung, die  mit  ihnen  in  einem  gewissen  Gegensatze  steht, 
dass  nämlich  Haustiere,  wie  die  Hunde,  die  während  einer 
Mumps-Epidemie  unter  den  Menschen  an  Parotitis  leiden,  nicht 
der  Orchitis  und  noch  viel  weniger  der  Anschwellung  der  Euter 
unterworfen  sind.  Diese  Thatsache  wurde  von  Hertwigi)  be- 
obachtet und  von  Vacchetta^)  bestätigt.  Auch  Laveran^) 
bezweifelt  eine  Beobachtung  von  Busquet  (einem  Militärarzt), 
dass  eine  Hündin  an  einer  dem  Mumps  gleichwertigen  Parotitis 
erkrankt  sei. 

Wir  erwähnen  zuletzt  noch  einige  Beobachtungen,  die  in 
den  letzten  Jahren  zusammengekommen  sind,  aber  die  Er- 
klärung der  obigen  Erscheinungen  nicht  besonders  fördern. 
Malassez^)  sah  1876,  dass  die  Architis  infolge  von  Mumps  nur 
parenchymatös  ist,  mit  schnellem  Verlauf  und  nachfolgender 
Sklerose,  während  die  syphilitische  interstitiell  ist.  Letzerich^) 
besäte  im  Jahre  1895  Kartoffeln  mit  Blut  und  Urin  von  Mumps- 
Kranken  und  sah  Kolonien  von  Bacillen  entstehen,  die  er  für 
spezifisch  für  die  Infektion  hielt.  Michaelis^)  fand  in  der 
Flüssigkeit  des  Stenon sehen  Ganges  und  in  einem  periparoti- 
dischen  Abszesse  eine  grosse  Menge  von  Diplokokken,  kleiner 
als  der  Gonokokkus,  und  nicht  auf  Tiere  überimpfbar. 

Nachdem  wir  gezeigt  haben,  dass  die  Anomalien  der  Ge- 
schlechtsorgane nach  der  Pubertät  oft  von  Gynäkomastie  be- 
gleitet sind,  so  dass  wir  annehmen,  die  ersteren  seien  die  Ge- 
legenheitsursache der  zweiten,  werden  wir  jetzt  sehen,  dass  sie 
oft  von  Feminismus  begleitet  sind,   mit  der  Bemerkung,   dass 


1)  C.  H.  Hertwig,  Praktisches  Handbuch  der  Chirurgie  für  Tierärzte. 
3.  Aufl.    Berün,  1874. 

2)  Vacchetta,  La  chirurgia  speciale  negli  animali  domestici.  Pisa, 
1887,  Vol.  I,  p.  114  und  Vol.  III,  p.  499. 

^)  De  la  transmissibilite  des  oreillons  de  l'homme  au  chien.  Acad.  de 
med.  Seance  du  5  Oct.  1897.  —  La  sem.  med.  1897,  p.  365. 

^)  Malassez  beiP.Eeclus:  Du  tubercule  du  testicule  et  de  rorchite 
tuberculeuse.     These  de  Paris,  1876. 

^)  L.  Letzerich,  Le  bacille  des  oreillons,  Allgem.  med.  centr.  Zeit. 
1895.  —  La  sem.  med.  Paris,  1895,  p.  395. 

^)  Michaelis  und  Bein  (Berlin),  Des  microbes  des  oreillons.  Soc. 
de  med.  Berlinoise  20  Mars  1897.     La  sem.  med.  Paris,  1897,  p.  123. 


—    127    — 

wir  hier  auf  die  nutritive  und  formelle  Degradation  des  Indi- 
viduums hinweisen,  und  nicht  auf  die  ph^^^siologische  Ähnlich- 
keit von  mütterlicher  Seite.  Um  die  Häufigkeit  dieser  Ver- 
bindung mit  Gynäkomastie  festzustellen,  findet  man  die  Schwierig- 
keit, dass  bei  den  alten  Beobachtungen  der  lymphatische  Habitus 
oft  in  verschiedenem  Sinne  verstanden  wird,  aber  man  kann 
aus  dem  Zusammenhange  schliessen,  dass  man  das  meinte,  was 
man  jetzt  Feminismus  nennt,  und  noch  im  Jahre  1862  ge- 
brauchte Rizet  den  Ausdruck  mit  dieser  Bedeutung  in  einem 
Falle  von  Aplasie  des  Penis.  Aus  allem  diesen  kann  man 
schliessen,  dass  die  mit  Gynäkomastie  verbundene  physische 
Degradation  häufiger  ist,  als  man  nach  den  veröffentlichten 
Beobachtungen  schliessen  kanni). 

(Siehe  Tabelte  n  auf  Seite  128  und  129.) 

Aus  dieser  Tabelle  sieht  man  sogleich,  dass  die  Gynäko- 
mastie in  der  Regel  mit  geschlechtlichen  Missbildungen  ver- 
bunden Ist,  seien  sie  angeboren  oder  erworben.  Wenn  man  die 
einzelnen  Beobachtungen  betrachtet,  schliesst  man,  dass  die 
Hyperplasie  der  Mamma  nicht  die  Gelegenheitsursache  der  ge- 
nannten Degradation  sein  kann,  sondern  dass  die  Missbildung 
der  Geschlechtsorgane  das  ursprüngliche  ist.  Wir  haben  schon 
aus  Tabelle  I  gesehen,  dass  diese  Missbildungen  die  einzige 
Ursache  des  Feminismus  und  seltener  der  Hyperplasie  der 
Mamma  sind.  Godard2)  berichtet,  dass  bei  einem  Unteroffizier 
infolge  einer  doppelten  syphilitischen  Orchitis  Feminismus 
und  später  Gynäkomastie  eintrat,  und  Martin^)  sah  einen 
Mann,  der  beim  Platzen  einer  Haubitze  Penis  und  Hoden  ver- 
lor, aber  leicht  genas.  Aber  bald  verlor  er  den  Bart,  der 
Klang  der  Stimme  änderte  sich  und  die  Brüste  wurden  hyper- 
trophisch. So  bleibt  bei  den  Fällen  von  Gynäkomastie  nur  die 
Frage  zu  beantworten:  wie  und  wann  üben  die  äusseren  Ge- 
schlechtsorgane diesen  doppelten  Einfluss  aus? 

Ehe  wir  auf  weitere  Untersuchungen  über  die  Gynäkomastie 
verzichten,    die    auf   Hypoplasie    der    Geschlechtsorgane   folgt. 


^)  Diese  Folgerung  stimmt  zu  dem,  was  wir  den  statistischen  Eekruten- 
rollen  entnommen  lialjen. 

^)  Godard,  Reclierches  sur  l'appareü  seminal  de  1'h.omme,  1866 
p.  66. 

3)  E.  Martin,  Gaz.  ]iel)dom.  1877,  p.  591. 


—    128    — 


Tal)elle  n.    Feminisiiius 


Autoren 

Jahr 

Noten  und 

Alter  des 

Deformität  der 

Beobachtungen 

Kranken 

Hoden  und  des  Penis 

Renauldin 

1797 

Note  3,  Beob. 

3 

24 

starke  Hypoplasie 

Home 

1799 

Note  3,  Beob. 

4 

23 

starke  Hypoplasie 

Weber 

1852 

Note  3,  Beob. 

20 

21 

starke  Hypoplasie 

Curling 

1854 

Note  4,  Beob. 

5 

59 

— 

D  u  r  li  a  ni 

1859—60 

Note  3,  Beob. 

30 

25 

— 

Caff  e 

1866 

— 

— 

— 

J.  Jones 

1871 

Note  2,  Beob. 

11 

Mann 

— 

L  i  e  g  e  0  i  s 

1877 

Note  3,  Beob. 

50 

25 

— 

Lerebouillet 

1877 

Note  3,  Beob. 

46 

23 

— 

Er.   Martin 

1877 

Beob.  im  Teste 

junger 
Soldat 

— 

Przewoski 

1881 

Note  3,  Beob. 

55 

23 

— 

B  0  r  e  1 1  i 

1882 

Note  2,  Beob. 

18 

27 

Aplasie 

Polaillon 

1887 

Note  2,  Beob. 

24 

31 

— 

T  a  r  u  f  f  i 

1890 

Note  2,  Beob. 

27 

24 

— 

Urdi 

1874 

Note  2,  Beob. 

12 

50 

— 

Scbaumann 

1894 

Note  3,  Beob. 

63 

19 

— 

P  0  z  zi 

1885 

Note  3,  Beob. 

59 

puberer 
Jüngling 

männlicher  Pseudo- 
Hermaphrodismus 

Laurent 

1894 

Note  3,  Beob. 

65 

21 

Hypoplasie 

lind  Gynäkomastie. 


129    — 


Deformität 
der  Hoden 

Deformität 
des  Penis 

Deformität 
der  UretMa 

Feminismus 

Gynäkomastie 

Einzelheiten 

— 

— 

— 

Feminismus 

Gynäkomastie 

— 

—  . 

— 

— 

Feminismus 

Gynäkomastie 

— 

— 

— 

Hypospadie 

Feminismus 

Gynäkomastie 

— 

— 

— 

— 

— 

Gynäkomastie 

— 

— 

kurz  u.  klein, 
Hoden  normal 

— 

Feminismus 

Gynäkomastie 

—  ' 

Anorchidie 

Hypoplasie 

— 

Feminismus 

— 

— 

Erbsengross 

— 

— 

Feminismus 

Gynäkomastie 

— 

starke  Atrophie 

— 

— 

Feminismus 

Gynäkomastie 

nach  Mumps 

A-mputation  der 
ausser.  Organe 

— 

Incontinentia 
urinae 

nacMolgender 
Feminismus 

Gynäkomastie 

— 

unbekannt 

— 

- 

Femimsmus 

Gynäkomastie 

— 

— 

— 

— 

Feminismus 

Gynäkomastie 

— 

AnorcMdie 

— 

— 

Feminismus 

— 

— 

doppelte 
KryptorcMe 

— 

— 

Feminismus 

— 

— 

ein  Hode 
rudimentär 

— 

— 

Feminismus 

Gynäkomastie 

— 

KryptorcMe 

— 

Hypospadie 

Feminismus 

Gynäkomastie 

— 

— 

— 

— 

Feminismus 

—     , 

— 

Feminismus 

Gynäkomastie 

Taruffi,  Hermaphrodismus. 


—     130    — 

müssen  wir  daran  erinnern,  dass  sowohl  die  erbliche,  ^Is  die 
erworbene  Syphilis  mit  oder  ohne  Atrophie  der  Hoden,  und  die 
blennorrhagische  Orchitis  bisweilen  dem  Feminismus  und 
seltener  der  Gynäkomastie  vorhergehen.  Da  die  Krankheits- 
geschichten von  Syphilis  zahllos  sind,  haben  wir  nur  wenige 
Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand  angestellt,  aber  diese 
wenigen  reichen  hin,  um  dieses  Vorkommen  zu  beweisen. 

Wir  haben  schon  die  Beobaclitungen  von  Lewin  und  Edm. 
Fournier  (Note  2,  Beob.  13,  23,  25)  über  Vererbung  mit  In- 
fantilismus (Dystrophie)  und  in  einem  Falle  mit  massiger 
Aplasie  der  Geschlechtsorgane  angeführt.  Zu  diesen  Beispielen 
fügen  wir  den  Bericht  von  Hallopeau  (Note  2,  Beob.  33)  über 
einen  15  jährigen  Burschen,  der  wahrscheinlich  an  erblicher 
Sj^philis  litt  und  sehr  kleine  Organe  und  hyperplastische  Brüste 
zeigte.  Er  hatte  auch  Geschwüre  ohne  Angabe  des  Sitzes. 
Erwähnen  wir  endlich  noch  den  Bericht  Godards  über  einen 
Unteroffizier  (Note  3,  Beob.  32),  der  an  Syphilis  litt,  worauf 
Orchitis  folgte.  Der  Verf.,  der  den  Kranken  nach  zwei  Jahren 
sah,  fand  ihn  mit  atrophischem  Penis  und  Hoden;  sein  Körper 
war  feministisch  geworden.  Aber  er  sagt  nicht  deutlich,  ob 
die  Brüste  sich  vergrössert  hatten. 

Bisher  haben  wir  über  die  Hyperplasie  der  männlichen  Brust- 
drüsen gesprochen,  wir  haben  jedoch  noch  einige  Nachrichten 
über  Hyperplasie  anderer  Organe  hinzuzufügen,  welche  die 
Gynäkomastie  vortäuschen.  Man  könnte  dies  Pseudo-Gynä- 
komastie  nennen,  wodurch  zuweilen  Missverständnisse  hervor- 
gerufen werden. 

Luigi  Porta,  Kliniker  in  Pavia,  amputierte  gegen  das 
Jahr  1837  einem  Manne  den  Stiel  der  rechten  Mamma,  welche 
die  Gestalt  einer  langen  Gurke  angenommen  hatte,  während 
die  linke  weniger  gross  war.  Bei  Untersuchung  des  Tumors 
fand  der  Chirurg  nur  Übermass  von  Bindegewebe i).  Olphan 
erklärte  für  Fibrome  den  Inhalt  zweier  orangengrosser,  harter 
Brüste  bei  einem  Manne  ohne  Fehler  an  den  Hoden.  Diesen 
Befund  würde  man  wahrscheinlich  oft  antreffen,  wenn  man  die 


^)  Petrequin,  Fragments  d'un  voyage  medical  en  Italic.  Gaz.  med. 
Paris,  1837.  —  C.  Taruffi,  Storia  deUa  teratologia.  Bologna,  1894,  T.  VII, 
Beob.  3,  p.  257. 


-    131    — 

Berichte  der  chirurgisclien  Kliniken  durchsähe.  Weniger  häufig 
ist  die  Hyperplasie  des  Fettgewebes,  denn  beim  Manne  haben 
wir  sie  nur  bei  der  Beobachtung  Cloquetsi)  angetroffen,  der 
einen  Krankenwärter  sezierte,  dessen  Gynäkomastie  aus  Fett- 
gewebe bestand.  Diese  Seltenheit  steht  in  Übereinstimmung  mit 
dem,  was  bei  der  Hyperplasie  der  Weiberbrust  stattfindet  2), 
bei  denen  Lipome  vorkommen,  die  hypertrophische  Brüste  vor- 
täuschen. Wir  können  einige  Fälle  von  echten  oder  wahr- 
scheinlichen Lipomen  an  der  Oberfläche  verschiedener  Körper- 
teile hinzufügen,  die  man  für  Brüste  gehalten  hat,  und  die  bei 
Weibern  vorkamen. 

Bartolino  sah  im  Jahre  1688  eine  Frau,  die  auf  dem 
Kücken  eine  Mamma  ohne  Warze  hatte  und  zweifelte  nicht 
daran,  dass  es  wirklich  dieses  Organ  sei 3).  Im  Jahre  1875 
erhielten  wir  die  Leiche  einer  Dementen,  die  eine  accessorische 
Brustdrüse  hatte.  Auf  der  zweiten  falschen  Rippe  rechts  sass 
ein  weicher  Tumor  mit  allen  Eigenschaften  dieses  Organs,  aus- 
genommen, dass  die  Warze  glatt  und  ohne  Pigment  war.  Die 
Untersuchung  zeigte,  dass  es  sich  um  ein  subcutanes,  an 
fibrösem  G-ewebe  armes  Lipom  handelte.  Zu  gleicher  Zeit 
beobachtete  Raggi  (Note  3,  Beob.  56)  im  Irrenhause  einen 
maniakalischen  Jüngling,  der  ein  Weib  zu  sein  glaubte,  weil 
seine  Brüste  angeschwollen  waren  und  Milch  auströpfeln  Hessen, 
während  die  Geschlechtsorgane  normal  waren.  Nach  einem 
Jahre  begannen  bei  ihm  sowohl  die  Veränderungen  der  Brüste, 
als  die  psychischen  Erscheinungen  zu  schwinden *). 

Man  findet  endlich  in  der  Litteratur  einige  Beobachtungen 
ohne  anatomische  Untersuchung,  die  nicht  zu  schliessen  erlauben. 


^)  J.  Cloquet,  Acad.  de  medic.  Paris,  1828. 
2)  Taruffi,  Storia  etc.,  1894,  T.  VII,  p.  244. 

^)  T.  Bartolino,  MisceUanea  curiosa  academiae  naturae  curiosorum  etc. 
Annus  secundus  (MDCLXXI)  Francofurti  et  Lipsiae,  1688.  Beob.  72,  p.  133. 
—  Taruffi,  Storia  etc.  B.  1881,  T.  IV,  p.  335. 

"*)  Obgleich  wir  nicht  geneigt  sind,  eine  genetische  Beziehung  zwischen 
echter  uüd  falscher  Gynäkomastie  und  Geisteskrankheiten  anzunehmen,  dürfen 
wir  doch  nicht  verschweigen,  dass  erstere  auch  bisweilen  bei  Hypochondri- 
schen, Hysterischen  und  verschiedenen  Neuropathischen  aufgetreten  ist.  Bei- 
spiele sind  gesammelt  worden  von  Magnan  (Commun.  faite  ä  la  soc. 
med.-psychologique.  Seance  du  2  Fevr.  81887.  —  Arch.  de  neurol.  Mai  1888, 
T.  in,  p.  416)  und  von  Laurent  (Les  bisexues,  Paris,  1894,  p.  25). 

9* 


-    132    — 

ob  die  NeubilduDg  eine  überzählige,  heterotopiscbe  Mamma  oder 
ein  von  der  Brust  entferntes  Lipom  war.  Dieser  Zweifel  wurde 
schon  von  Haller i)  ausgesprochen,  und  wir  wiederholen  ihn 
bei  dem  Falle  von  Kl  ob  (Note  3,  Beob.  29).  Er  beschrieb 
einen  Mann  mit  einem  einer  im  Fettgewebe  begrabenen  Brust- 
warze ähnlichen  Tumor  auf  dem  Deltamuskel.  Derselbe  Zweifel 
kann  auch  bei  der  Beobachtung  von  Hiller  (Note  3,  Beob.  16) 
eintreten;  sie  betrifft  einen  kachektischen  Jüngling  von  17  Jahren, 
dessen  Mutter  und  Tante  krebskrank  waren,  und  bei  dem  die 
erdfarbenen  Mammae  anschwollen.  Was  einen  anderen  Fall 
von  Gynäkomastie  mit  Geschwulst  des  Nebenhoden  betrifft,  den 
Galliet2)  im  Jahre  1850  beschrieben  hat,  so  würde  heute  nie- 
mand zweifeln,  dass  die  Mamma  von  metastatischem  Krebs  er- 
griffen war. 


^)  A.  Hall  er,  Elementa  physiologiae.    Lib.  XXVIII,  Bernae,  1765,  p.  4. 

2)  Galliet,  Sur  deux  cas  de  coincidence  de  developpement  anormal 
de  la  jnammelle  chez  l'liomme  avec  uue  tumeur  de  l'epididyme.  Comptes 
rend  de  la  soc.  de  biologie.  Fevr.  1850.  —  Gaz.  med.  de  Paris  4  Mai  1850. 
Ser.  3,  No.  45,  p.  351. 


Noten  zu  dem  zweiten  Teile. 

Der  klinische  Hermaphrodismus. 
Note  1. 

Aristoteles,  De  geDeratione  animalium,  Lib.  V,  cap.  VII, 
lin.  60.     Interprete  Theod.  Gaza.    Parisiis,  1533. 

Tauri autem  omnium  nervis  continentur,  quapropter  cum  aetate 

florent,  robustiora  sunt,  minus  enim  compacta  nervataque  sunt,  quae  minora 
natu  adhuc  sunt.  Item  recentiorum  nervi  nondum  intenduntur:  senescen- 
titim  jam  laxantur,  quam  ob  rem  ad  motum  quoque  sunt  imbecilliora,  sed 
potissimum  tauri  nervosi  sunt :  et  eorum  cor  ita  constat.  Itaque  contentiorem 
eam  obtinent  partem,  qua  spiritum  movent,  quasi  fidiculam  intentam,  talem 
cordis  bubuli  esse  naturam  signiflcatur,  yel  eo  osse,  quod  in  nonnullis 
gignitur,  ossa  enim  naturam  nervorum  requirunt.  Execta  omnia  in 
foeminam  mutantur,  et  quoniam  vires  nervosae  in  suo  originali  principio 
laxantur,  similem  foeminis  mittunt  vocem,  laxatio  vero  similis  fit. 

Aristoteles,  De  animalium  historia,  Lib.  VIII,  cap.  II,  pag.  20. 
Opera  omnia,  Vol.  III,  p,  147.    Parisiis,  1854.    Firmin  Didot. 

Horum  (animalium)  autem  omnium  natura  videtur  quasi  distorta  esse, 
quo  etiam  modo  mascula  quaedam  foeminina  oriuntur,  et  in  sexu  foemineo 
masculina  facie :  et  enim  animante,  adeptae  parvis  in  membris  differentiam, 
multum  diJEferre  totius  natura  corporis  yidentur.  Hoc  evidens  est  in  exectis : 
pusilla  namque  particula  mutilata,  mutatur  in  foeminam  animal:  igitur 
manifestum  est,  in  primordia  concretione  immutata  magnitudinis  ratione 
parte  quadam  minutissima,  si  principii  dignitatem  habeat,  fieri  vel  foeminam, 
vel  marem:  illa  autem  penitus  sublata,  neutrum.  Itaque  secundum  utrum- 
que  modum  tam  terrestre,  quam  aquatile  fieri  contingit  animal,  pusiilis 
mutatis  membris,  ita  ut  alia  evadant  terrestria,  alia  aquatilia.  Atque  borum 
quidem  alia  in  neutram  partem  vergunt,  alia  autem  in  utramque,  propterea 
quod  in  constitutione  generationis  quandam  partem  praeceperunt  materiae, 
e  qua  victum  parant;  quod  enim  secundum  naturam  est,  expetitur  ab  omni 
animali,  sicut  jam  dictum  est. 

Aristoteles,  Opera  omnia.  Vol.  III.  Parisiis.  Firmln  Didot  ed.  1854. 
De  generatione  animalium,  L.  I,  cap.  II,  p.  321,  lin.  15. 

In  genere  etiam  exsangui  discrimen  maris  et  foeminae  est,  quibus  haec 
sexus   oppositio   data   est.     Differunt  forma  inter  se  partes  ad  coitum  dele- 


-    134    — 

gatae  in  sanguineo  genere;  sed  animadvertendum  est,  si  principium 
exiguum  immutetur,  multa  ex  iis  quae  principium  insequuntur  simnl 
immutari  solere.  Patet  h.oc  in  exectis,  quibus,  parte  genitali  tantum  cor- 
rupta,  tota  fere  forma  usque  eo  commutatur,  ut  aut  foeminae  esse  videantur, 
aut  parum  abesse,  tamquam  non  qualibet  sui  corporis  parte,  aut  potentia 
animal  sit  foemina  aut  mas.  Constat  igitur  principium  guoddam  manifesto 
esse  marem  ac  foeminam:  itaque  multa  simul  immutantur,  quum  animal 
immutatur,  quatenus  foemina  aut  mas  est,  quasi  principium  dimoveatur. 


Note  2.    Äusserer  Pseudo-Hermaphrodismus. 

A.    Feminismns  beim  Manne. 

Beob.  1.  Gius.  de  Mattheis,  Arzt  in  Eom.  Sopra  un  apparente 
cambiamento  di  sesso  negliindividuid'unainterafamiglia. 
Eoma,  1805.  —  Effemeridi  clin.  med.  dell'  anno  1804,  Semester  2.  Milano, 
1805,  p.  92. 

In  einer  Bauernfamilie  nahe  bei  Eom  wurden  4  Töchter  geboren,  von 
denen  eine  sich  verheiratete  und  Kinder  hatte,  aber  die  andern  drei  änderten, 
als  sie  erwachsen  waren,  ihren  Habitus  und  verwandelten  sich  in  Männer. 
Alle  drei  hatten  einen  Penis  von  der  Grösse  des  kleinen  Fingers,  wenn 
er  im  höchsten  Grade  der  Erektion  war,  die  Öffnung  der  Urethra  befand 
sich  an  seiner  Wurzel,  das  Scrotum  war  in  zwei  Beutel  geteilt;  sie  hatten 
wenig  Bart  und  waren  von  kleiner  Gestalt. 

Eine  ähnliche  Thatsache  ist  aufgezeichnet  im  Journ.  de  la  Soc.  med. 
d'emulat.  Vol.  V,  p.  150.  Hier  wird  von  5  Schwestern  erzählt,  die  im 
Alter  der  Pubertät  alle  zu  Brüdern  wurden. 

Beob.  2.  A.  Fischer  (Boston),  The  amer.  journ.  of  med.  sc. 
PhUadelphia,  1838.  Vol.  XXIII,  p.  352.  —  London  med.  Gaz.  Vol.  XXVIII, 
p.  817. 

Ein  Buchhalter  von  45  Jahren,  der  an  Pneumonie  starb,  hatte  eine 
weibliche  Stimme  und  keinen  Bart ;  in  der  Leiche  fand  man  das  Scrotum 
klein,  schlaff  und  ohne  Hoden.  Die  Tunica  vaginalis  communis  war  beider- 
seits normal ;  über  diese  verbreitete  sich  der  Cremaster,  und  der  Samenstrang 
fand  sich  wie  gewöhnlich,  aber  von  geringer  Dicke.  Die  D.  deferentes 
waren  auf  beiden  Seiten  von  gewöhnlicher  Dicke  und  gingen  am  Ende  des 
Samenstranges  in  einen  Blindsack  aus. 

Beob.  8.  Giraldes,  Atrophie  des  organes  genitaux  chez  un 
homme.  Comptes  rend.  sc.  la  soc.  de  biol.  Paris  1854—55.  Ser.  2, 
Tom.  I,  p.  111. 

Ein  36 jähriger  Mann  vom  Aussehen  eines  Eunuchen  hatte  einen  3  cm 
langen  Penis  und  sehr  kleine  Hoden.  Bei  der  Sektion  fand  man  das  Klein- 
Mrn  klein  im  Verhältnis  zum  Grosshirn. 


—    135    — 

Beob.  i.  E.  Ä.  Pech,  Auswahl  einiger  seltener  und  lehr- 
reicher Fälle,  beobachtet  in  der  chirurg.  Klinik  zuDresden. 
Dresden,  1858.     Mit  8  Tafeln. 

Angeführt  von  Herrmann,  weil  er  das  Beispiel  eines  Mannes 
liefert,  der  das  äussere  Aussehen  eines  Weibes  hatte. 

Beob.  5.  Kl.  Curling,  Undeveloped  sexual  organs  of  a  male 
adult.     Transact.  path.  soc.     London,  1859—60.     T.  XI,  p.  137, 

In  der  Leiche  eines  Mannes  von  46  Jahren  von  weiblichem  Aussehen 
fand  der  Verf.  den  Penis  sehr  klein,  wie  den  eines  fünfjährigen  Kindes. 
Auch  das  Scrotum  war  klein,  enthielt  aber  Hoden. 

Beob.  6.  E.  Godard,  Becher ches  teratologiques  sur  l'appa- 
reil  seminal  de  l'homme.     Paris,  1860,  p.  84,  pl.  V  et  VI. 

Im  Hosp.  de  la  Charite  in  Paris  starb  ein  Ciseleur  von  61  Jahren  an 
einem  Herzleiden.  Er  war  von  Körper  und  Charakter  schwach,  ohne  Bart, 
von  weiblichem  Aussehen.  Er  liebte  die  Spirituosen  und  war  oft  betrunken. 

Die  Leiche  mass  175  cm,  hatte  blond  und  weiss  gemischte  Haare, 
rötliche  in  den  Achselhöhlen  und  am  Pubes.  Der  Penis  war  von  der 
Grösse  des  kleinen  Pingers.  Das  Scrotum  fehlte  ganz,  an  seiner  Stelle  war 
die  Haut  leicht  gefaltet  und  Hess  die  Ehaphe  sehen.  Die  Leistenkanäle 
waren  leer.  Auch  im  Abdomen  und  im  Becken  suchte  man  Hoden  und 
Nebenhoden  umsonst.  Die  D.  deferentes  waren  je  l^/a  mm  dick,  entsprangen 
von  der  Prostata  etwas  gewunden,  liefen  um  die  Blase  herum  und  ver- 
wandelten sich  in  ein  Filament,  das  im  Peritoneum  der  Inguinalgegend 
endigte.  Die  Samenbläschen  waren  weniger  voluminös,  als  die  D.  deferentes, 
und  die  D.  ejaculatorii  gut  angelegt.  Die  Blase  hatte  ein  Divertikel  der 
Schleimhaut. 

Beob.  7.  G.  B.  Marzuttini  (Udine),  Uomo  nato  senza  testicoli 
morto  a  78anni.  Gazz.  med.  ital.  delle  prov.  Venete.  Padova,  1864, 
T.  VII,  p.  51. 

Ein  Graf  von  Spilimbergo,  von  hoher  Gestalt,  war  mit  78  Jahren 
noch  kräftig,  während  er  weiblichen  Typus  und  Ausdruck  mit 
weisser,  zarter  Haut  zeigte.  Die  Glieder  waren  lang,  das  Temperament 
nervös.  Der  Kopf  war  verhältnismässig  klein,  mit  glattem  Hinterkopf,  leb- 
haften Augen,  ohne  Spur  von  Bart  und  ohne  Haare  in  den  Achselhöhlen 
und  am  Pubes.  Er  war  ohne  Adamsapfel,  die  Brust  nach  unten  stark  ent- 
wickelt, wie  bei  Frauen  und  das  Becken  weit. 

Er  war  geschwätzig  mit  scharfer,  weiblicher  Stimme,  neugierig, 
flüchtig  und  furchtsam  wie  ein  Mädchen.  Er  liebte  Gesellschaft,  Frivolitäten, 
Kinder  und  begnügte  sich  mit  platonischer  Liebe. 

Im  Alter  von  78  Jahren  erkrankte  er  mit  trockenem  Husten,  Fieber, 
unregelmässigem  Puls  und  Ödem  der  Beine,  das  bald  in  Anasarca  überging, 
und  starb  nach  einmonatlicher  Krankheit  am  29.  Nov.  1829  unter  den  Er- 
scheinungen eines  Herzleidens. 

Bei  der  Sektion  fand  man  das  Kleinhirn  verhältnismässig  klein,  die 
Brüste  stärker  als  beim  Manne  und  die  Warze  ziemlich  vorragend,  die 
grossen  Trochanteren  weiter  voneinander  entfernt  als  beim  Manne,  das  Herz 


—    136    — 

liypertrophisch ,  Sklerose  an  den  Semilunarklappen,  Kalkinkrnstationen 
längs  der  ganzen  Aorta.  Man  fand  die  Nieren  vergrössert  mit  engem 
Becken.  Im  Abdomen  fehlten  die  Hoden,  die  Arteriae  und  Venae  sper- 
maticae  und  die  Samenbläschen.  Ebenso  fehlten  in  dem  leeren  Scrotum 
Hoden  und  Samenstränge;  das  männliche  Glied  war  von  natürlicher  Länge 
und  Form;  der  Urethra  fehlten  das  Vera  montanum  und  die  Ostia  seminalia. 

Beob.  8.  Brouardel,  Sur  un  cas  d'atrophie  des  organes  geni- 
taux  de  Thomme.    Bull.  soc.  anat.  de  Paris,  1864.     T.  XXXIX,  p.  547. 

Ein  Mann  von  32  Jahren,  mit  dem  Aussehen  einer  alten  Frau  und 
Atrophie  der  Geschlechtsorgane. 

Beob.  9.  Jac.  Facen  (Fonzasco,  prov.  di  Belluno),  Gazz,  med.  ital. 
prov.  Venete.     Padova,  1865,  A.  VIII,  p.  297.     Appendice, 

Verf.  besuchte  einen  Mann  von  30  Jahren  von  Aussehen  und  Gestalt 
einer  Frau.  Er  hatte  eine  Eichel  mit  Meatus  urinarius,  aber  Vorhaut  und 
Penis  fehlten,  so  dass  die  Eichel  sitzend  war  und  unfähig,  sich  zu  ver- 
längern, als  wäre  sie  eine  Clitoris.  Sie  ähnelte  dieser  um  so  mehr,  als  an 
den  Seiten  zwei  Nymphen  herabstiegen.  Auch  Labia  majora  waren  vor- 
handen mit  Hoden  und  Samensträngen.  Von  einer  Vulva  war  keine  Spur. 
Der  Mann  war  geneigt,  zu  heiraten,  hatte  Ejakulationen  und  dann  wurde 
die  Glans  hart.    Er  hatte  also  nur  das  äusserliche  Aussehen  einer  Frau. 

Beob.  10.  Ant.  Rezzonico,  Ann.  univ.  di  med.  e  chir.  Milano,  1867, 
Vol.  CXCIX,  Marzo,  p.  60. 

Verf.  sah  einen  Knaben  von  Como,  13  Jahre  alt,  mit  ungenügender 
körperlicher  Entwickelung,  so  dass  er  einem  Kind  von  8  Jahren  glich.  Seine 
linke  Mamma  ragte  4  cm  vor,  war  indolent,  fleischig  und  beweglich.  Er 
schrieb  die  Vergrösserung  einem  starken  Stoss  zu,  den  er  als  Kind  erhalten 
hatte.  Der  Verf.  sah  den  Burschen  wieder,  als  er  20  Jahre  alt  war,  und 
fand  seine  körperliche  Entwickelung  wenig  gebessert,  aber  die  Mamma  war 
fast  ganz  verschwunden. 

Beob.  11.  J.  Jones,  Singular  and  distressing  case  of  mal- 
form ation  of  genital  organs.  Med.  Eecord.  New  York,  1871,  T.  VI, 
p.  198. 

Ein  Mann  ohne  Bart  mit  weiblichem  Habitus ;  Penis  ^/4  Zoll  lang,  sonst 
gut  gebildet.  Scrotum  sehr  klein,  ohne  Hoden.  Die  Untersuchung  durch  das 
Rectum  brachte  kein  Licht. 

Beob.  12.  Urdy,  Note  sur  un  cas  remarquable  d'anorchidie.  Gaz, 
höpit.  1874,  No.  8,  p.  58. 

Ein  Mann  von  50  Jahren  hatte  normalen  Penis ;  das  Scrotum  war  rechts 
ohne  Hoden  und  Samenstrang  und  ähnelte  einer  blossen  Hautfalte;  links 
enthielt  das  Scrotum  ein  Rudiment  des  Hodens  von  der  Grösse  einer  kleinen 
Mandel.  Den  Samenstrang  dieses  Hodens  fühlte  man  kaum.  Die  Prostata 
fühlte  man  durch  das  Rectum.  Die  Erektion  war  leicht  und  vollständig; 
keine  Ejakulation  beim  Coitus.  Während  der  Nacht  hatten  bisweilen  Erek- 
tionen statt  mit  Ausfluss  einer  zähen  Flüssigkeit,  die  Urdy  nicht  mikro- 
skopisch untersucht  hat.  Der  Habitus  des  Kranken  war  ganz  weiblich,  er 
hatte   glatte   Wangen   mit   leichtem   Flaum   auf  der  Oberlippe.     Der  ganze 


—    137    — 

Körper   war   bis   auf   den   Pubes   unbehaart,   die    Brüste    gross    wie    grosse 
Orangen,  die  Stimme  kräftig  und  von  hohem  Klang. 

Im  Alter  von  17  Jahren  fingen  ihm  die  Brüste  an  zu  schwellen  und 
sonderten  reichlich  Milch  ab,  so  dass  sein  Hemd  fortwährend  durchnässt 
war.  Diese  Milchsekretion  dauerte  ununterbrochen  bis  zum  24.  Jahre,  dann 
in  Zwischenräumen  von  2 — 3  Monaten  8—10  Tage  lang  und  hörte  endlich 
nach  und  nach  zwischen  dem  35.  und  40.  Jahre  auf.  In  dieser  letzten  Zeit 
wurde  der  feine  Flaum  auf  der  Oberlippe  deutlicher. 

Beob.  13.  G.  Lewin,  Über  Syphilis  hereditaria  tarda  mit 
Krankendemonstration.  Berliner  klin.  Wochschr.  1876,  No.  2  u.  3. 
—  Ed.  Fournier,  Stigmates  dystrophiques.   Paris,  1898,  p.  13,  Beob.  16. 

Syphilitische  Eltern  eines  18  jährigen  Jünglings.  Er  hatte  Hutchinson- 
sche  Zähne,  interstitielle  Keratitis,  Zerstörung  des  Gaumensegels,  Hyper- 
ostosen an  beiden  Tibien,  Infantilismus  (im  Sinne  Fournier s),  das  Aus- 
sehen eines  Kindes  von  ungefähr  10  Jahren,  keine  Behaaning,  Hoden  wie 
ein  Zwerg,  ohne  Erektionen   oder  Pollutionen. 

Beob.  14.  Lerebouillet,  Contribution  äl'etude  des  atroph ies 
t  esticulair  e  s  et  des  hypcrtrophies  mammaires,  observees 
ä  la  suite  de  certaines  orchites.  (Gynecomastie  et  feminisme).  Gaz. 
hebd.  de  med.  et  de  chir.    Paris,  1877. 

Ein  kräftiger  Soldat,  22  Jahre  alt,  wurde  4  Monate  von  Mumps  ohne 
Fieber  befallen,  und  4  Tage  darauf  folgte  doppelte  Orchitis.  Die  Krank- 
heit nahm  schnell  ab,  die  Geschwulst  der  Parotiden  verschwand,  und  nach 
20  Jahren  wurden  die  Hoden  atrophisch  und  so  klein  wie  eine  Bohne. 
Das  Gesicht  blieb  ohne  Bart  und  nahm  weibliches  Aussehen  an,  die 
Potentia  virilis  verschwand,  und  gleichzeitig  entwickelten  sich  die  Brüste 
durch  Hypertrophie  der  Lappen  und  nicht  durch  Zunahme  des  Fettgewebes ; 
die  Haut  war  von  einem  Venennetze  durchzogen.  Penis  normal,  Pubes 
reichlich  behaart. 

Beob.  15.  C.  Liegeois,  Atrophie  testiculaire.  Feminisme.  Ibid. 
1877,  No.  38,  p.  605. 

Ein  Soldat  hatte  wenig  Bart  am  Kinn,  sehr  kleine  Hoden  und  ent- 
wickelte Brüste,  wie  beim  Weibe. 

Beob.  16.  L  J.  Renauldin,  Sur  une  conformation  particuliere. 
Mem.  soc.  med.  d'emulat.  .  Paris,  1878,  p.  241. 

Jüngling  von  24  Jahren,  beide  Brüste  entwickelt  wie  beim  Weibe, 
weibliche  Stimme,  kindliches  Gesicht,  bartlos.  Der  Penis,  von  der  Grösse 
eines  kleinen  Tuberkels,  erreichte  bei  Erektion  1^2  Zoll  Länge,  und  die 
Hoden  waren  von  der  Grösse  der  Haselnüsse. 

Beob.  17.  Lambert,  Gynecomastie  bilaterale.  These.  Paris, 
1878—79.     S.  Olphan,  Gynecomastia  1880,  p.  74. 

Jüngling  von  21  Jahren,  kleine  Statur,  fettleibig,  rundliche  Formen, 
Weiberstimme,  Becken  normal.  Testikel  von  der  Grösse  einer  Olive,  Penis 
normal,  ohne  Geschlechtstrieb. 


—    138    — 

Beob.  18.  Diod.  Borelli  (Napoli),  Incompleto  sYÜuppo  degli 
organi  sessuali.  Griorn.  intern,  delle  sc.  med.  Napoli,  1881,  Ser.  2, 
T.  III,  p.  434. 

Ein  Mann  von  27  Jahren  mit  Sumpfkachexie,  ohne  Haare  am  Pubes 
oder  im  Gesicht,  hatte  einen  kleinen,  nicht  erektionsfähigen  Penis,  Hoden 
von  der  Grösse  einer  kleinen  Olive  und  Weiberstimme. 

Beob.  19.  Przewoski,  Gynaecomastia.  Gaz.  lekarska,  No.  4  u.  5. 
Warschau.  —  Jahresber.  für  1881,  Bd.  1,  p.  282. 

Ein  23  jähriger  Tagelöhner  zeigte  bilaterale  Gynäkomastie  von  normaler- 
Grösse  und  drüsigem  Bau,  er  hatte  alle  Charaktere  des  Feminismus  mit 
Einsclüuss  der  Beschaffenheit  des  Larynx  und  der  Peritonealfalten  des  kleinen 
Beckens.  Der  Verf.  machte  die  Sektion,  und  der  Berichterstatter  spricht 
nicht  von  den  Hoden. 

Beob.  20.  Jlart  de  Riaz,  Un  jeune  homme  sans  testicules. 
Ann.  med.  psychol.  Paris,  1882,  Ser.  6,  T.  VII,  Annee  20. 

Ein  Bursche  ohne  Haare,  ohne  körperliche  oder  moralische  Kraft, 
schweigsam,  führte  ein  sitzendes  Leben  voll  Langeweile  ohne  Wünsche,  ohne 
Geschlechtstrieb;  die  Scherze  seiner  Genossen  belästigten  ihn.  Sein  Zustand 
vmrde  bei  der  Aushebung  bekannt.  Er  hatte  wenig  Haare  am  Pubes,  der 
Penis  war  einen  Zoll  lang,  kleinfingerdick,  das  Präputium  haftete  an  der 
Glans  fest,  die  von  der  Grösse  einer  Erbse  war.  Das  Scxotum  wurde  durch 
schwache  Hautfalten  gebildet,  ohne  Hoden  oder  Samenstränge. 

Beob.  21.  Ä.  P.  Binet,  Infantilisme.  Progres  med.  1884,  21  Juin. 
Ann.  des  malad,  des  organes  genit.-urin.     Paris,  1884,  T.  II,   p.  516. 

Kind  von  10  Jahren  mit  'wenig  entwickelten  äusseren  Geschlechtsteilen, 
mit  sehr  kleiner  Prostata,  aus  blossen  Divertikeln  bestehenden  Samenbläs- 
chen, während  die  Can.  deferentes  und  der  Utriculus  prostaticus  stark  ent- 
wickelt waren. 

Beob.  22.  Sam.  Pozzi,  Pseudo-Hermaphrodisme.  Mem.  de  la 
soc.  de  biol.  Paris,  1885,  p.  26,  Beob.  2.  Mit '  2  Figuren.  (Siehe  Taruffi, 
Memorie  della  E.  Acad.  delle  sc.  del'  istit.  di  Bologna,  1899, 
Ser.  5;  T.  VII,  p.  745,  Beob.  49).    Vgl.  pag.  72,  Beob.  49. 

Beob.  23.  Edm.  Fourniej*,  Op.  citat.  p.  11,  Beob.  7,  Ann.  de  dermatol. 
et  de  syphil,  1885. 

Ein  Jüngling  von  19  Jahren  mit  erblicher  Syphilis  hatte  Narben  um 
den  Mund  und  an  den  Lenden,  Hyperostosen  am  Femur  und  geschwollene 
Milz  und  Leber.  Der  Habitus  war  ganz  kindlich.  Behaarung  fehlte,  sehr 
kleiner  Penis,  Monorchidie,  Hode  klein.     Grösse  1,30  m. 

Beob.  24.  Polaillon,  Herrn  aphrodism  e  neu tre.  Ann.  des  malad,  des 
org.  genito-urin.     Paris,  1887,  T.  V,  No.  9,  p.  566. 

Ein  Mann  von  31  Jahren,  ohne  Bart,  mit  weiblicher  Stimme  und  Ha- 
bitus, hatte  einen  rudimentären  Penis  und  ein  kleines  geschrumpftes  Scrotum. 
Bei  der  Sektion  fand  man  keine  Spur  von  Hoden,  D.  deferentes  und 
Samenstrang. 

Beob.  25.  Edm.  Fournier,  Opera  citata,  p.  11,  Beob.  8.  Ann.  de 
dermat.  et  de  Syphil.  1899. 


—    139    — 

Jüngiing  von  19  Jahren,  Sohn  syphilitischer  Eltern.  Erosion  und  Miss- 
bildiing  der  Zähne,  rechte  Hornhaut  opak,  Tibia  säheiförmig,  Exostose  am 
Gaumen,  viele  Narben  auf  der  Haut,  auffallender  Infantilismus ;  Glieder  selir 
zart,  Penis  sehr  klein.  Grösse  1,36  m.  Der  Yerf.  schreibt  diese  Charaktere 
dem  Infantilismus  zu. 

Beob.  26.  E.  Neuhaus,  Ein  seltener  Fall  von  Aplasie  der 
Hoden.    Diss.     Kiel,  1890,  S.  9,  mit  Tafel. 

Jüngling  von  21  Jahren,  Sohn  eines  Grünkrämers,  erhängte  sich,  nach- 
dem er  mehreren  Personen  seine  Absicht,  sich  zu  töten,  mitgeteilt  hatte. 
Er  hatte  ein  Jahr  vorher  drei  Personen  nacheinander  erzählt,  sein  Vater 
habe  ihn  zweimal  kastriert,  einmal,  als  er  noch  sehr  klein,  das  zweite  Mal, 
als  er  10  Jahre  alt  war. 

Die  Leiche  war  wohlgenährt,  ohne  Haare  im  Gesicht  oder  in  der 
Achselhöhle  und  mit  nur  wenigen  zerstreuten  am  Pubes.  Der  Penis  war  so 
gross  wie  ein  Finger,  mit  enger  Vorhaut.  Das  Scrotum  war  sehr  klein  und 
konnte  die  Hoden  nicht  enthalten;  einige  blonde  Haare  sah  man  am  Pubes; 
aber  man  fand  keine  Narbe.  Die  Mammae  waren  klein,  ungefähr  thaler- 
gross.  Innerlich  fand  man  die  Can.  deferentes  sehr  klein ;  rechts  fehlte  der 
Hode  ganz,  und  links  fand  sich  ein  Rudiment  des  Nebenhodens  und  des 
Hodens  in  länglicher  Gestalt.  Wegen  dieser  Umstände  (und  aus  anderen 
Gründen)  verwarf  der  Verf.  die  Wahrheit  der  Erzählung  des  Selbstmörders. 

Beob.  27.    C.  Taruffi,  Osservazione  inedita  del  1890. 

Ein  21:  Jahre  alter  Maler  hatte  das  Aussehen  eines  Kindes,  war  klein, 
schmächtig,   blass,    ohne  Bart,   mit  blonden  Haaren,    die  bald  grau  wurden. 

Dieser  Zustand  reizte  seine  Kameraden  zum  Spott ;  sie  hielten  ihn  für 
einen  Kastraten,  obgleich  er  eine  ziemlich  männliche  Stimme  hatte,  ohne 
Vorstehen  der  Schilddrüse.  Er  war  massig  intelligent,  daher  er  nur  Kopien 
von  berühmten  Gemälden  ausführen  und  junge  Leute  im  Zeichnen  unterrichten 
konnte.  Als  er  alt  wurde  fing  er  an,  Zeichen  von  Verfolgungswahn  zu 
geben,  die  mit  den  Jahren  stärker  wurden.  Zuletzt  hatte  er  im  Jahre  1890 
einen  Schlaganfall  und  starb  im  Hospitale.  Die  Sektion  wurde  nicht  gemacht, 
aber  man  erfuhr  von  den  Ärzten,  das  Scrotum  sei  klein  und  leer  gewesen; 
sie  glaubten,  es  handele  sich  um  Kryptörchie. 

Beob.  28.  Sam.  Pozzi,  De  l'hermaphrodisme.  Gaz.  hebdom.  de 
med.  et  de  chir.     Paris,  1890,  No.  30,  p.  351,  fig.  2. 

Darstellung  der  äusseren  Gesclüechtsteile  eines  Jünglings  mit  Hyper- 
trophie des  Frenulums  des  Präputiums  in  Gestalt  einer  Verlängerung  längs 
der  Ehaphe  des  Scrotums  und  des  Perineums.  Es  hatte  von  Anfang  an 
eine  zweispaltige  Fonn  mit  einem  Spalt  dazwischen,  welcher  die  Ränder 
der  Labia  minora  vortäuschte.  Ausserdem  waren  die  Brüste  entwickelt, 
wie  bei  einem  Weibe,  der  linke  Hode  war  atrophisch  und  im  Leistenringe 
zurückgeblieben. 

Beob.  29.  Werther  (Dresden),  Infantilisme  de  la  moitie  supe- 
rieure  du  corps,  contrastant  avec  uneelongation  excessive 
des  membres  inferieurs.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1891.  —  Four- 
nier  Fils,  Stigmates  heredo-syphilitigues,  1898,  p.  135. 


—    140    — 

Er  bericlitct  über  die  seltsame  Beobachtimg  und  auch  die  Abbildung 
handelt  von  einem  16jährigen  Jüngling. 

Beob.  30.  V.  Krafft-Ebing,  Psicopatia  sessuale.  Übersetzung  aus 
dem  Deutschen.     Rom,  1891,  p.  252. 

Mann  von  30  Jahren,  der  ursprünglich  schlank,  zum  Spiel  mit  Kindern 
geneigt,  mit  weiblichen  Neigungen  war.  Mit  17  Jahren  hatte  er  keinen 
unabhängigen  Charakter  und  war  ein  grosses  Kind  geblieben.  Er  hatte 
Neigung  zur  Malerei,  aber  keine  Beharrlichkeit,  und  zog  weibliche  Beschäf- 
tigungen vor.  Als  er  älter  wurde,  nahm  er  entschieden  weibliche  Gestalt 
und  Haltung  an.  Er  hatte  jedoch  im  22.  Jahre  Beziehungen  zu  Frauen, 
aber  da  er  sich  ermattet  fühlte,  gab  er  sie  auf,  und  bemerkte,  dass  er  viel- 
mehr Neigung  zu  Männern  habe,  und  Verf.  glaubt,  er  habe  Beziehungen  zu 
ihnen  gehabt. 

Derselbe  fand,  sein  Körper  habe  weibliche  Bildung,  weil  die  äusseren 
Geschlechtsteile  wenig  entwickelt  waren  und  der  linke  Hode  sich  im  Leisten- 
kanal befand.  Sein  Mons  veneris  war  fettreich  und  vorstehend,  und  wenig 
behaart.  Die  Stimme  war  hoch,  ohne  männlichen  Charakter.  Die  Pollutionen 
waren  selten  und  pathologisch  geworden,  weil  sie  ohne  wollüstige  Gefühle 
verliefen. 

Beob.  31.  Hallopeau,  Feminisme  chez  ungeant.  La  Sem.  medic. 
1899,  15  Fevr.  p.  53. 

Ein  Mann  von  38  Jahren,  1,85  m  hoch  und  ohne  Bart  zeigt  die  Charaktere 
des  Feminismus.  Sein  Larynx  steht  wenig  vor,  die  Brüste  sind  stark  ent- 
wickelt (Durchmesser  7  cm) ;  der  Querdurchmesser  des  Beckens  ist  viel 
grösser,  als  der  des  Thorax,  und  das  Gesäss  stark  vorstehend.  Die  Hoden 
sind  von  der  Grösse  einer  Haselnuss  und  der  Penis  ist  sehr  klein.  Dennoch 
vollzieht  der  Eiese  den  Coitus  ungefähr  zweimal  in  der  Woche.  Im  7.  Jahre 
hatte  er  eine  Phlebitis  der  Schenkelvene,  die  eine  starke  Erweiterung  der 
Scrotalvene  hinterliess. 

Beob.  32.  Nicolini  (Galatz),  Feminisme  chez  un  adulte.  La 
Sem.  med.  1899,  15  Mars,  p.  87. 

Ein  25  Jahre  alter  Bäcker,  1,75  m  hoch,  mit  weiblichem  Äusseren, 
weisser,  feiner  Haut,  gut  entwickeltem  Unterhautgewebe,  ohne  Bart  im  Ge- 
sicht und  mit  wenig  Haaren  am  Pubes,  hatte  einen  Klang  der  Stimme  ähn- 
lich dem  eines  erwachsenen  Mannes.  Der  Durchmesser  der  Brüste  betrug 
8—9  cm.  Penis  und  Scrotum  waren  normal,  während  die  Hoden  nicht  grösser 
waren,  als  ein  Taubenei.  Der  Mann  erklärte,  er  habe  nur  alle  5 — 6  Monate 
geschlechtliche  Neigungen. 

Beob.  33.  Hallopeau,  Feminisme  et  Syphilis  hereditaire. 
La  Sem.  medic.  1899.    15.  Nov.,  p.  389. 

Ein  Bursche  von  15  Jahren  hatte  stark  entwickelte  Brüste,  während 
Penis  und  Hoden  äusserlich  klein,  waren  die  Muskeln  wenig  entwickelt,  und 
das  subcutane  Gewebe  war  sehr  fettreich.  Er  hatte  Geschwüre  von  syphi- 
litischem Charakter,  die  mit  Jodkalium  und  örtlicher  Anwendung  von 
Sublimat  heilten.     Er  hatte  deutliche  Missbildungen  der  Zähne. 


■  —    141     — 

Beob.  34.  Ou^ttrociocchi  (Eom),  Tre  c  asi  di  femminismo  e  gine- 
comastia.  BoUet.  della  Soc.  Lancisiana  degli  Osped.  di  Roma,  1899. 
(Rendic.  Accad.  Eoma,  1899.)     An.  19,  fasc.  I,  p.  219—21. 

Verf.  beobachtete  drei  Eekruten.  (zwei  Abessinier  und  einen  Eömer) 
von  riesigem  Äusseren,  mit  weiblichen  Brüsten  und  männlichen  Geschlechts- 
teilen, aber  von  geringer  Grösse.  Der  Verf.  giebt  weder  Maasse,  noch  Ver- 
gleiche mit  anderen  Körpern  an,  fügt  aber  hinzu,  dass  der  Apparat  regel- 
mässig funktionierte. 


Note  3.    B.  (xyuäkomastie. 

Beob.  1.  Paulus  Aegineta,  Chirurgia.  (Griechischer  Text  mit 
französischer  Übersetzung.)     Paris,  1855,  p.  213. 

Hypertrophie  der  Brustdrüsen  beim  Manne. 

Beob.  2.  M.  Schurig  (Dresden),  Syllepsiologia  etc.  Dresden, 
1731,  p.  319,  ff. 

Wo  er  von  der  Schwangerschaft  spricht,  führt  er  viele  Fälle  von 
Vätern  an,  die  ihre  eigenen  Kinder  gesäugt  haben. 

Beob.  3.  Renauldin,  Mem.  de  la  soc.  med.  d'emulat.  Vol.  I, 
1797;  1802,  p.  397,  2me  edit.  —  Dict.  des  sc.  med.  T.  XXX,  Paris,  1818. 
Art.  MammeUe.  p.  378. 

Ein  Kärrner  von  24  Jahren  hatte  ähnliche  Brüste,  wie  die  Weiber. 
Femer  waren  seine  Schultern  hoch,  seine  Brust  schmal,  die  Stimme  weib- 
lich, das  Gesicht  kindlich;  der  Bart  fehlte.  Die  Geschlechtsteile  unter- 
schieden sich  von  denen  anderer  Männer  nur  durch  ihre  äusserste  Kleinheit. 
Das  Becken  war  breit,  der  Pub  es  hoch  mit  wenig  Behaarung,  die  nur  in  den 
Achselhöhlen  vorhanden  war. 

Die  Vergrösserung  der  Brust  begann  mit  16  Jahren,  und  später  floss 
aus  ihnen  eine  milchartige  Flüssigkeit  aus;  diese  Sekretion  dauerte  bis  zu 
seinem  20.  Jahre.     Seine  Neigungen  waren  ganz  männlich. 

Beob.  4.  E.  Home,  Phil os.  Trans a ct.  of  London,  1799,  P.  2,  No.  X, 
p.  65. 

Verf.  sah  einen  Seesoldaten  von  23  Jahren,  ohne  Bart,  mit  Brüsten, 
so  gross  wie  die  einer  Frau  von  demselben  Alter.  Er  zeigte  Neigung  zur 
Fettleibigkeit,  mit  sehr  feiner  Haut  für  einen  Mann  und  dicken,  kleinen 
Händen.    Er  hesass  geringe  Intelligenz  und  Körperkraft. 

Der  Pubes  war  mit  Fett  bedeckt  wie  der  Mons  Veneris,  der  Penis 
äusserst  klein  und  nicht  erektionsfähig.  Die  Hoden  waren  nicht  grösser, 
als  die  eines  Fötus.    Er  hatte  keine  Neigung  zu  Weibern. 

Beob.  5.    Ansieux,  Sur  quelques  cas  rares  observes  sur  des- 
conscrits.     Joum.     de    med.    de    Corvisart.     Paris,    1807,    T.    XIV, 
p.  262.     Angeführt  von  I.  G.  St.  Hilaire. 

Bei  einem  Eekruten  fand  sich  die  Hypertrophie  nur  auf  der  linken 
Seite,  aus  der  jede  Woche  eine  Flüssigkeit  austrat,  die  das  Hemd  gelb 
färbte. 


-     142     - 

Beob,  6.  H.  Bedor,  Notice  physiologiquesur  unindividu 
masculin  ayant  des  mamelles  et  inhabile  ä  la  generation. 
Journ.  de  med.  chir.  pharm.  Paris,  1812,  T.  XXV,  p.  171—75.  Gaz.  med. 
de  Paris,  1836,  No.  44,  p.  689. 

Der  Verf.  hatte  schon  1812  einen  jungen  Kekruten  beschrieben,  der 
weibliche  Brüste  hatte  und  wegen  Atrophie  der  Hoden  unfähig  zur  Zeugung 
war.    Der  Eekrut  hatte  einen  Bruder  mit  derselben  Anomalie. 

Der  Verf.  teilt  mit,  er  habe  drei  weitere  Eekruton  mit  Gynäkomastie 
gefunden,  von  lymphatischem  Temperament  und  untauglich  zum  Militär- 
dienst, weil  die  gewöhnlichen,  auf  der  Brust  geschlossenen  Uniformen  einen 
unerträglichen  Druck  ausüben  würden.  Nur  einer  der  genannten  hatte 
Atrophie  der  Hoden  und  ausserdem  Hypospadie,  und  keiner  wusste  davon, 
dass  in  seiner  Familie  die  Gynäkomastie  erblich  sei. 

Beob.  7.  L.  Villeneuve,  Gynecomastie.  Dict.  sc.  med.  Paris,  1813. 
T.  XIX,  p.  591. 

Verf.  erzählt  zwei  Fälle,  wovon  der  zweite  einen  Mann  von  60  Jahren 
betrifft.  Dieser  war  Vater  mehrerer  Söhne  und  hatte  von  Jugend  auf 
ziemlich  starke  Brüste  gehabt,  aber  als  er  30  Jahre  alt  war,  wurden  sie 
ausserordentlich  gross,  besonders  die  rechte,  mit  lebhaften  Schmerzen,  die 
sich  durch  Anwendung  von  Cicuta  stiUen  Hessen. 

Beob.  8.  A.  Villeneuve,  Gynecomastie.  Dict.  en  60  volumes. 
Paris,  1817.     T.  XIX,  p.  590. 

Er  bringt  zwei  eigene  Beobachtungen  und  die  vorhergehenden 
Geschichten.    Wahrscheinlich  ist  es  derselbe  Autor. 

Beob.  9.    Cloquette,  Nouv,  Bibl.  med.  1828,  T.  I,  pag.  429. 

Ein  Krankenwärter  im  St.  Louis-Hospital  in  Paris  hatte  eine  so  grosse 
Brustdrüse,  wie  ein  AVeib.' 

Beob.  10.  Lieber,  Caspers  Wschr.  für  die  gesamte  Heilk. 
Berlin,  1834,  p.  124.    (Siehe  Grub  er.) 

Beob.  11.  Fr.  Torri,  Giorn.  dei  letterati  di  Pisa.  Sett.  Ott. 
1836,  No.  89. 

Ein  Mann  von  48  Jahren  war  mit  einem  dunkelroten  Fleck  in  der 
rechten  Mammagegend  geboren,  der  im  Alter  von  6  Jahren  anschwoll,  eine 
weiche,  elastische,  schmerzlose  Geschwulst  bildend.  Dann  wuchs  der  Tumor 
allmählich,  so  dass,  als  der  Mann  das  genannte  Alter  erreichte,  die  Masse 
enorm  gross  geworden  war.  Prof.  Regnoli  wurde  konsultiert,  und  urteilte, 
es  handele  sich  um  Elephantiasis  der  Mamma,  denn  der  Tumor  war  teigig, 
die  Haut  von  natürlicher  Farbe  und  das  Gewicht  verhältnismässig  geringer, 
als  der  Umfang.  Torri  führte  die  Amputation  aus  und  fand  in  dem  Tumor 
eine  ausserordentliche  VermehruDg  des  Fetts,  stellenweis  dicht  oder  weich 
und  ölig;  er  diagnostizierte  den  Tumor  für  ein  Lipom. 

Beob.  12.  H.  Thomson,  Preternatural  enlargement  in  a 
man;  eunuchs  and  ther  peculiarities.  Lancet,  London,  1837. 
T.  I,  p.  356. 

Ein  Mann  von  40  Jahren  fiel  bei  einem  Kampf  auf  die  Brust.  Nach 
einigen   Wochen    schwollen    seine    Brüste     an    wie    die    einer    Frau    mit 


—    143    — 

einer  Areole  und  einem  bläulichen  Venennetz.  Zugleich  wurde  der  rechte 
Hode  fast  ganz  atrophisch,  der  linke  nahm  um  die  Hälfte  ah  und  der  Mann 
yerlor  den  Geschlechtstrieb. 

In  derselben  Sitzung  der  Westminster-Gesellschaft  (1837)  berichtete 
Bergess,  einem  Manne  seien  infolge  Einnehmens  einer  grossen  Menge 
von  Jod  die  Hoden  atrophisch  geworden  und  die  Brüste  stark  ange- 
schwollen. 

Beob.  13.  Knaff,  Ein  Fall  von  Gynäkomastie.  Med.  Jahrb.  des 
kais.  kön!  österr.  Staates.     Wien,  1840.     T.  XXI,  p.  198. 

Wir  kennen  die  Einzelheiten  nicht. 

Beob.  U.  Holtrop,  Schmidts  Jahrb.  d.  ges.  Med.  Bd.  XXXI, 
p.  56,  1840. 

Ein  Grenadier  von  19  Jaliren  hatte  syphilitische  Geschwüre  gehabt, 
und  begann  an  leichten  epileptischen  Anfällen  zu  leiden,  dann  klagte  er 
über  Schmerz  in  den  Hoden.  Bei  der  Untersuchung  fand  man  die  Hoden 
atrophisch,  und  zugleich  die  Brüste  so  stark  entwickelt,  dass  sie  denen 
einer  Frau  glichen. 

Beob.  15.  J.  F.  Albers,  Correspdbl.  rhein.  und  westf.  Ärzte. 
1843,  No.  13. 

Der  Verf.  sah  einen  Burschen  von  15—17  Jahren  mit  entzündlicher 
Schwellung  der  Brustdrüsen  mit  chronischem  Verlauf,  die  sich  periodisch 
wiederholte.  Der  Verf.  nannte  diese  Affektion  „mastitus  pubescentium 
virilis". 

Beob.  16.  Hiller,  Hypertrophie  der  Mammae,  neben  erb- 
lichem Brustcirrhus  der  weiblichen  Glieder  derselben 
Familie.  Preuss.  Vereinszeit.  1844,  No.  43.  —  Schmidts  Jahrb.  1845, 
Bd.  45,  p.  320.  —  B.  Schuchardt,  Über  Vergrösserung  der  männl. 
Brüste.  —  Langenbecks  Arch.  Bd.  31,  p.  76. 

Ein  Jüngling  von  17  Jahren,  Sohn  einer  an  Brustkrebs  gestorbenen 
Mutter  und  NefEe  von  Tanten,  mit  schmerzhaften,  verdächtigen  Knoten  in 
den  Brüsten,  zeigt  kachektisches  Aussehen  mit  erdfarbiger  Haut  und  ver- 
grösserten  Brüsten.  In  der  Fettkapsel  bemerkte  man  den  Drüsenkörper  mit 
dem  grössten  Durchmesser  von  1^/4  Zoll. 

Beob.  17.  John  Gorham,  Gase  of  extraordinary  development 
of  the  mammae  of  the  human  adult.  London  med.  Gaz.,  Vol.  II, 
London,  1846,  July.  —  W.  J.  Gorringe,  Verletzung  des  Rückens  mit 
darauffolgender  Vergrösserung  der  Brüste  und  Schwinden 
der  Hoden.  Provinc.  med.  and  surg.  journ.,  T.  III,  p.  18,  1846.  — 
B.  Schuchardt,  Über  die  Vergrösserung  der  männlichen  Brüste. 
Langenbecks  Arch.  Bd.  31.     Berlin,  1884,  p.  73,  74. 

Ein  gut  gebauter  Fischer  fiel  während  des  Militärdienstes  und  ver- 
wundete sich  am  Rücken.  G  0  r  h  a  m  erzählt  eingehend  die  Art  des  Falles 
und  die  Polgen,  die  den  Soldaten  ganz  zum  Dienst  unfähig  machten. 
Gor  ringe  sah  dann  den  Kranken  im  J.  1840  und  fand  die  Brüste  sehr 
gross  und  den  rechten  Hoden  fast  verschwunden,  während  der  linke  von 
halber  Grösse  war ;  der  Kranke  hatte  die  Erektion  und  den  Geschlechtstrieb 


—    144    — 

verloren.    Der  Umfang  der  Brust  betrug  14  Zoll,  der  Querdurclimesser  7  Zoll, 
die  Höhe  6  Zoll. 

Beob.  18.  Beau,  Developpement  feminin  des  seins  chez  un 
jeune  hemme.     Gaz.  des  hopit.  1849,  No.  140,  p.  568. 

Jüngling  von  16  Jahren  mit  gleichraässig  vergrösserten  Brüsten.  Breite 
6  cm,  Höhe  5  cm,  Struktur  lobulär.  Die  Warze  ragte  wenig  vor  und 
sonderte  keine  Milch  ab.  Wechselnde  Stiche  ohne  Ursache  in  den  Brüsten, 
die  bisweilen  nach  Berührung  entstanden.  Die  Geschlechtsteile  waren  ohne 
Anomalien. 

Beob.  19.  Gailiet,  Sur  deus  cas  de  coincidence  de  deve- 
loppement anormal  de  la  mamelle  chez  l'homme  avec  une 
tumeur  de  l'epididyme.  Comptes  rend.  de  la  soc.  de  biol.  Fevr  1850.  — 
—  Gaz.  med.  de  Paris,  1850,  Ser.  3,  p.  351.     Mai  4,  No.  65. 

Wahrscheinlich  handelte  es  sich  um  Krebs,  sowohl  am  Nebenhoden, 
als  an  der  Mamma. 

Beob.  20.  C.  Weber,  Normwidrige  Entwickelung  beider 
Brustdrüsen  bei  einem  Manne.  Zeitschr.  der  d.  chirurg.  Ver. 
Magdeburg,  1852,  T.  V,  p.  336. 

Ein  Bombardier  von  sehr  hoher  Gestalt  verliess  das  Soldatenleben  im 
Alter  von  18  Jahren.  Zwischen  dem  21.  und  22.  Jahre  nahmen  seine  Brüste 
an  Grösse  zu,  so  dass  sie  Weiberbrüsten  ähnlich  wurden.  Er  hatte  die 
Stimme  eines  Kastraten,  wenig  entwickelte  Hoden  und  einen  sehr  kleinen 
Penis,  so  dass  er  zum  Coitus  wahrscheinlich  unfähig  war. 

Beob.  21.  C.  Langer,  Über  den  Bau  und  die  Entwickelung 
der  Milchdrüse  bei  beiden  Geschlechtern.  Denkschr.  der  k. 
Ak.  der  Wiss.  Bd.  III  (mathem.-naturw.  Klass).  Zweite  Abt.,  p.  25  u.  36, 
Taf.  VII,   Fig.  16—29.  Wien,  1852. 

Anatomische  Beschreibung  mit  Theorie  über  die  Gynäkomastie. 

Beob.  22.    J.  A.   Laworie,   Gase  of  acute  hypertrophy  ofthe, 
mammae     in     an    adult.      Glasgow    med.    journ.    1853 — 54.      Tom.    I, 
p.  20—24.    Einzelheiten  unbekannt. 

Beob.  23.  Cruveilhier,  Traite  de  i'anatomie  descriptive. 
3me  edit.    Paris,  1854,  T.  III,  p.  730,  Note  1. 

Im  J.  1850  sah  Verf.  einen  Mann  von  25  Jahren,  bei  dem  im  Alter 
von  21  Jahren  sich  die  rechte  Mamma  vergrösserte,  und  4  Jahre  lang  so 
schmerzhaft  wurde,  dass  der  Kranke  Exstirpation  verlangte. 

Beob.  24.  P.  F.  Eve,  Hypertrophy  ofthe  male  mammae 
removed.    NashviUe  journ.  of  med.  sc.  1854.    T.  VII,  p.  454. 

Beob.  25.  J.  Hoffmann,  ZurPathologie  der  männlichenBrust- 
drüsen.     Inaug.-Diss.     Giessen,  1855. 

Einem  Burschen  von  16 — 17  Jahren  schwoll  in  kurzen  Zwischenräumen 
die  linke  Mamma  an,  die  Warze  richtete  sich  auf,  sezernierte  aber  nicht, 
mit  gut  pigmentierter  Areola;  bei  Druck  war  sie  schmerzhaft.  Sie  war 
voll  harter  Knoten.  Wenn  man  ein  Purgans  gab,  oder  eine  Pollution  ein- 
trat, verschwand  die  Geschwulst.  Auch  nach  mehreren  Jahren,  als  der 
Tumor  verschwunden  war,  konnte  man  einen  bohnengrossen  Körper  fühlen; 
auf  der  rechten  Seite  fühlte  man  keinen  Körper. 


—    145    — 

Beob.  26.  Nelaton,  Hyi^ertrophie  doulourense  de  la  glande 
mammaire  chez  iin  homme.  Gaz.  des  hopit.  Paris,  1856.  T.  XXIX, 
p.  126.  —  Elements  de  pathologie  cMrurgicale.    Paris,  1857.     T.  IV. 

Verf.  fand  die  Gynäkomastie  in  Verbindung  mit  Hypospadiasis  und 
Atrophie   der   Geschlechtsteile.     Er  sah   auch  Fälle   ohne   diese  Alteration. 

Beob.  27.  Bertherand,  Des  tumeurs  du  sein  chez  l'homme. 
Gaz.  med.  de  Paris,  1857.     No.  14. 

Ein  Bursche  von  16  Jahren,  Onanist,  mit  übergrossen  Geschlechts- 
teilen. Die  Brüste  hatten  sich  seit  4  Jahren  vergrössert,  ohne  stark  ent- 
wickeltes Fettgewebe. 

Beob.  28.  Petrequin,  Anatomie  topographique  chirurgicale. 
Paris,  1843,  p.  231,  l^e  edit.  1857,  2me  gdit. 

Verf.  sah  in  Pavia  einen  Mann  von  48  Jahren,  dessen  Brüste  herab- 
hingen, wie  lange  Flaschen,  wie  bei  den  Weibern  der  Hottentotten. 

Beob.  29.  i.  M.  Klob,  Zeitschr.  der  k.  k.  Gesellsch.  der  Ärzte 
in  Wien.     1858,  No.  52. 

Verf.  beschreibt  den  Fall  eines  Mannes  von  34  Jahren,  der  auf  der 
linken  Schulter,  und  zwar  auf  dem  Deltamuskel  einen  kegelförmigen  Tumor 
hatte,  ähnlich  einer  im  Panniculus  adiposus  begrabenen  Brustwarze.  Das 
Drüsengewebe  der  Brüste  war  von  der  Grösse  einer  Linse. 

Beob.  30.  Durham,  Peculiarities  of  the  genitalorgans,  and 
extraordinär y  development  of  the  mammae  in  a  male  sub- 
ject.     Transact.  of  pathol.  soc.    London,  1859 — 60.     T.  XI,  p.  163. 

Ein  Mann  von  25  Jahren  hatte  das  Aussehen  eines  Kindes.  Der  Penis 
war  kurz  und  klein  (Verf.  spricht  nicht  vom  Scrotum)  mit  normalen  Hoden 
und  deutlichen  Nebenhoden. 

Beob.  31.  N.  N.,  Gynecomasia  in  a  young  boy.  Med.  Times 
and  Gaz.  London,  1860. 

Knabe  von  13  Jahren,  ziemlich  kräftig,  der  seit  6  Monaten  in  der 
rechten  Mamma  einen  faustgrossen,  schmerzlosen,  beweglichen  Tumor  hatte ; 
dieser  wurde  für  eine  Hypertrophie  der  Drüse  erklärt,  worin  man  die  Läpp- 
chen unterscheiden  konnte. 

Beob.  32.  E.  Godard,  Sur  l'appareil  .seminal  de  l'homme. 
Paris,  1860,  p.  66. 

Ein  kräftiger  Jüngling  wurde  im  J.  1840  unter  die  Jäger  von  Orleans 
aufgenommen.  Im  J.  1843  wurde  er  syphilitisch,  und  1844  bekam  er  eine 
doppelte  syphilitische  Orchitis,  die  bei  der  gewöhnlichen  äusseren  und  inneren 
Behandlung  nicht  nur  verschwand,  sondern  auch  Atrophie  der  Hoden  nach 
sich  zog,  die  1846  von  Bohnengrösse  waren.  Ferner  verlor  der  Kranke  die 
Erektionen  und  Samenentleerungen,  und  der  Penis  kehrte  zu  der  Grösse 
des  Glieds  eines  7  jährigen  Kindes  zurück.  Zugleich  nahmen  seine  Körper- 
formen weiblichen  Charakter  an.  (Verf.  spricht  nicht  ausdrücklich  von  Ver- 
grösserung  der  Brüste.) 

Beob.  33.    D.  C.  Peters,  Hypertrophy  of  the  mämmar  glands 
in  a  soldier.     Amer.  med.  Times.  New  York,  1863,  T.  VI,  p.  96. 
Taruffi,  Hermaphrodisnms.  10 


—    146    — 

Ein  Soldat  hatte  nur  auf  einer  Seite  Gynäkomastie.  Er  war  ein  kräf- 
tiger Mann.     Schuchardt,  der  diesen  Fall  citiert,  sagt  weiter  nichts. 

Beob.  34.  W.  Gruber,  Gynäkomastie  mit  Hypospadie  und 
geteiltem  Scrotum.  Mem.  de  FAc.  imp.  des  sc.  de  St.  Petersbourg. 
Ser.  7,  T.  X,  No.  10,  Nota  3,  1866.  (Siehe  Taruffi,  Storia.  T.  VII,  p.  265. 
Beobachtung  ohne  Nummer.) 

Ein  Rekrut  von  18  Jahren,  hatte  grosse,  volle ,  bewegliche  Brüste. 
Der  Penis  war  atrophisch,  mit  einer  kurzen  Urethralrinne  am  Rücken.  Am 
Mons  Veneris  fühlte  man  die  Symphysis  pubis,  aus  ligamentösem  Gewebe 
gebildet.  Das  Scrotum  war  in  zwei  Hälften  geteilt,  die  das  Aussehen  der 
weiblichen  Labia  majora  hatten,  und  jede  enthielt  einen  deutlichen,  beweg- 
lichen Hoden.     Übrigens  war  das  Individuum  wohl  gebildet. 

Beob.  35.  Foot,  Remarks  on  Gynecomasia.  Dublin  journ.  of 
med.  sc.  May  1866,  p.  451. 

Knabe  von  14  Jahren  mit  Hypertrophie  der  linken  Mamma,  aber  ohne 
Entwickelungshemmung  der  Geschlechtsteile  und  ohne  Feminismus. 

Beob.  36.  Coutagne,  Hypertrophie  de  la  mammelle  droite 
d'origine  traumatique.     Gaz.  med.  de  Lyon,  1867,  No.  5. 

Bei  einem  10  jährigen  Knaben  war  3  Monate  nachdem  er  einen  Faust- 
schlag auf  die  rechte  Brustwarze  erhalten  hatte,  die  Mamma  angeschwollen, 
so  dass  sie  der  eines  erwachsenen  Mädchens  glich.  Mann  fühlte  einige 
Drüsenläppchen  im  Zustande  regelmässiger  Hyperplasie  und  die  Brustwarze 
war  etwas  schmerzhaft. 

Beob.  37.  T.  Briant,  Gases  of  disposesinthe  breast  of  a 
male.     Lancet,  9  Febr.  1868. 

Hypertrophie  (bilaterale)  der  Mamma  mit  Entzündung  und  stechenden 
Schmerzen. 

Beob.  38.  Fr.  Paventa,  Giern,  della  R.  Acc.  di  Torino,  1869, 
Ser.  3,  Vol.  VIII,  p.  310. 

Eine  Frau  von  26  Jahren  gebar  bei  ihrer  zweiten  Niederkunft  einen 
Knaben  mit  stark  entwickelten  Brüsten,  von  der  Grösse  einer  halben  Orange. 
Man  fühlte  die  Drüsenmasse,  die  bei  Druck  einige  Tropfen  einer  weisslichen, 
serösen  Flüssigkeit  entleerte,  mit  allen  Eigenschaften  der  Milch.  Auch  die 
Brustwarze  war  stark  entwickelt. 

Beob.  39.  Laugier,  M.  Monorchidie.  Hypertrophiemammaire. 
—  A.  Le  Dentu,  Des  anomalies  du  testicule.    Paris,  1869,  p.  102. 

Ein  Kommissionär  von  kräftigem  Körperbau,  26  Jahre  alt,  stellte  sich 
vor.  Seine  linke  Mamma  war  nach  und  nach  sehr  gross  und  etwas  schmerz- 
haft geworden.  Sie  war  in  allen  Stücken  der  einer  Frau  ähnlich;  wenn 
man  die  Warze  zusammendrückte,  entleerten  sich  einige  Tropfen  seröser 
Flüssigkeit.  Der  Mann  war  monorchid  auf  derselben  Seite,  weil  der  Hode 
nicht  herabgestiegen  war. 

Beob.  40.  P.  D.  Handuside,  Edinburgh.  Quadruple  mammae  oc- 
curring  in  two  adult  brothers.  Journ  of  anat.  and  physiol. 
Nov.  1870. 


—    147    — 

Verf.  bringt  die  Geschichte  einer  Familie  mit  5  Kindern,  von  denen 
zwei  Gynäkomasten  und  Polymasten  waren. 

Beob.  41.     Labbe,  Gaz.  des  hopit.  1870,  No.  12,  p.  46. 

Die  rechte  Mamma  hatte  einen  angeborenen  Tumor,  der  im  Alter  von 
5  Jahren  die  Grösse  eines  Hühnereis  erreicht  hatte,  umschrieben  und  re- 
sistent in  der  Gegend  der  Brustwarze.  Im  12.  Jahre  fing  er  an,  langsam 
zu  wachsen  und  eine  gelbe  Flüssigkeit  in  regelmässigen  Zwischenräumen  ab- 
zusondern (von  15  Tagen  bis  zu  einem  Monat).  Als  er  22  Jahre  alt  war, 
hatte  die  Mamma  eine  Grösse  erreicht,  wie  gewöhnlich  bei  einer  Frau,  ohne 
Veränderung.  Die  Geschlechtsteile  waren  im  Alter  von  15  Jahren  regel- 
mässig entwickelt,  und  verhalten  sich  auch  jetzt  normal. 

Beob.  42.  Leiserink  (Hamburg),  Über  die  Entzündung  der 
Mammae  bei  jungen  Männern.  Deutsche  Zeitschr.  für  Chirurg.  1874, 
Bd.  IV,  p.  19. 

Ein  kräftiger  Bursche  von  14  Jahren,  von  gesundem  Vorleben,  wurde 
von  Schmerzen  an  den  Brüsten  ergriffen,  die  in  platte  Scheiben  verwandelt 
waren,  mit  heisser,  sehr  empfindlicher  Haut.  Später  schwollen  die  Achsel- 
drüsen an.  Es  trat  leichtes  Fieber  ein  mit  Verlust  des  Appetits,  das  zur 
Bettruhe  zwang.  Nach  5  Tagen  verschwand  das  Fieber  mit  Besserung  an 
den  Brüsten.  Aber  nach  8  Tagen  kehrte  das  Fieber  zurück,  worauf 
wieder  eine  Pause  folgte,  und  diese  Intermittenzen  wiederholten  sich  mehrere 
Male  ohne  bedeutende  Veränderung.  Zuletzt  verhinderte  die  vollständige 
Entwickelung  des  Körpers  (so  zu  sagen)  neue  Anfälle. 

Beob.  43.  Morgan,  Gase  of  abnormal  development  of  the 
right  breast  in  a  Seaman  at  the  age  of  puberty.  Lancet, 
Lo^idon,  1875,  Vol.  II,  p.  767. 

Ein  Matrose  mit  rechtsseitiger  Gynäkomastie  seit  der  Pubertät. 

Beob.  44.  S.  H  Scheiber  (Bukarest),  Einige  angeborene  Ano- 
malien, beobachtet  im  p  athol.  Instit.  zuBukarest.  Med.  Jahrb. 
von  S.  Steriker,  Wien,  1875,  p.  261,  No.  7.     Mit  zwei  Abbild. 

Ein  Mann  von  45  Jahren  hatte  hypertrophische  Brustdrüsen  und  starb 
an  einer  Blutung.  Er  hatte  gut  gebildete  Geschlechtsteile,  und  die  Brüste, 
von  verschiedener  Grösse,  waren  nicht  symmetrisch  gestellt. 

Beob.  45.  Albert  Puech,  Les  m  am  m  eil  es  et  leurs  anomalies. 
Paris,  1876,  p.  162. 

Ein  Jüngling  von  16  Jahren  litt  an  schmerzhafter  Mastitis  der  rechten 
Seite  mit  Anschwellung.  Nach  einem  Monat  begann  auch  die  linke  Drüse 
anzuschwellen,  und  trotz  der  angewendeten  Mittel  erreichten  nach  zwei 
Jahren   beide  Mammae   dieselbe  Grösse,   wie  die  eines  gleich  alten  Weibes. 

Beob.  46.  L.  Lerebouillet,  Contributionäl'etudedesatrophies 
testiculair e s  et  des  hypertrophies  mammaires  ohservees  ä 
la  suite  de  certaines  orchites.  (Gynecomastie  feminine.)  Gaz. 
hebdom.  1877,  No.  34,  p.  533. 

1.  Hypertrophie  der  rechten  Mamma,  ohne  Anomalie  der  Geschlechts- 
organe, aufgetreten  im. Alter  von  23  Jahren. 

10* 


—    148    — 

2.  Eia  22 jähriger  Soldat,  gut  gebaut  und  kräftig,  litt  seit  4  Monaten 
an  Mumps,  der  in  4  Tagen  verschwand.  Darauf  erschien  doppelte  Orchitis, 
die  den  Umfang  der  Hoden  verdreifachte.  Diese  begannen  nach  30  Tagen 
atrophisch  zu  werden  und  wurden  so  klein,  wie  Bohnen.  Dagegen  fingen 
die  Brüste  an  zu  schwellen,  und  bald  nachher  fühlte  man  in  ihnen  eine 
Drüse  mit  hypertrophischen  Lappen  und  sah  ein  subcutanes  Venennetz.  Der 
Bart  fehlte.  Aber  der  Penis  blieb  normal,  während  der  Geschlechtstrieb 
sich  verlor. 

Beob.  47.  Wl.  L.  Jagot  (Angers),  Developpement  considerable 
des  glandesmammaires,  coincidant  avecl'atrophiedutesti- 
cule  gauche.  Gaz.  hebdom.  de  med.  et  de  chir.  Paris,  14  Sept.  1877,  No.  31. 
Die  Beobachtung  wird  von  Laurent  angeführt,  Les  bisexues,  p.  88. 

Ein  Mann  von  28  Jahren,  dessen  rechter  Hode  im  Alter  von  23  Jahren 
ins  Scrotum  herabstieg,  während  der  linke  immer  von  der  Grösse  einer 
Olive  war.     Er  hatte  an  Blennorrhagie  gelitten. 

Beob.  48.  Krieg,  Ein  Fall  von  Gynäkomastie.  Württemb.  med. 
Korrespondenzblatt.     1877.     Bd.  47,  p.  75. 

Einseitige  Hypertrophie,  mit  soliden  Milchgängen  an  der  Peripherie. 
Die  varicösen  Enden  der  Acini  fehlten. 

Beob.  49.  Lambert,  These.  Gaz.  hebd.  de  med.  et  de  chir. 
14.  Sept.  1877. 

Ein  Mann  von  28  Jalu'en,  Arbeiter  in  einer  Giesserei,  mit  männlichem 
Habitus,  breiter  Brust,  voluminösen  Brustdrüsen,  die  in  horizontaler  Lage 
5  cm  von  der  Brust  vorstanden,  und  deren  Drüsen-Acini  fühlbar  waren. 

Das  Scrotum  enthielt  beide  Hoden ;  der  rechte  war  normal  und  im 
Alter  von  23  Jahren  herabgestiegen,  der  linke  von  der  Grösse  einer  kleinen 
Olive,  glatt  und  hart.  Er  war  niemals  grösser  gewesen,  wie  der  Kranke 
sagte ;  Nebenhode  und  Samenstrang  waren  wohlgebildet ;  die  Erektion  er- 
folgte regelmässig. 

Beob.  50.  Ch.  Liegeois,  Atrophie  testiculaire,  feminisme. 
Gaz.  hebd.  de  med.  et  de  chir.     Paris,  21.  Sept.  1877,  No.  38,  p.  605. 

Ein  kräftiger  Soldat  von  25  Jahren,  1,64  m  hoch,  litt  an  bedeutender 
Atrophie  der  Hoden.  Er  litt  niemals  an  Mumps,  noch  an  Orchitis.  Der 
Penis  war  normal,  aber  die  Hoden  waren  von  Erbsengrösse,  ohne  Eja- 
kulationen, doch  fand  Erektion  statt.  Der  Pubes  war  behaart  und  leichter 
Bart  bedeckte  Kinn  und  Oberlippe.  Die  Brüste  waren  wie  die  eines  Weibes, 
also  hart  und  fest  mit  bräunlicher  Areole  und  grosser  Warze. 

Beob.  51.  Leon,  Hypertrophie  traumatique  du  sein  chez 
l'homme.    Arch.  de  med.  navale.     Paris,  1879.     T.  33,  p.  213. 

Beob.  52.  Pulido  y  Fernandes,  Lactamia  paterna  y  gineco- 
mastia.  Indip.  med.  Barcelona,  1879—1880.  Vol.  VI,  p.  305,  Vol.  VII, 
p.  12. 

Nicht  untersuchte  Beobachtung. 

Beob.  53.  Ettore  Olphan,  Sur  la  gynecomastie.  These,  Paris, 
1880,  p.  53,  Beob.  3. 


—    149     — 

Ein  Bursche  von  17  Jahren,  Hutmacher,  gut  entwickelt,  hatte  Brüste 
von  der  Grösse  der  Orangen,  vom  Thorax  durch  eine  Furche  abgegrenzt, 
in  denen  man  die  Acini  der  Drüse  fühlte.  Diese  Hypertrophie  hatte  sich 
in  8  Monaten  entwickelt. 

Beide  Hoden  waren  ins  Scrotum  herahgestiegen ;  der  rechte  war 
grösser  als  gewöhnlich,  der  linke  sehr  klein,  der  Nebenhode  aber  nicht  im 
Verhältnis  atrophisch.  Der  Penis  war  von  gewöhnlicher  Grösse.  Der 
Kranke  hatte  lebhaften  Geschlechtstrieb. 

Beob.  54.  Schmit,  Deux  cas  de  gynecomastie,  developpes 
Sans  cause  appreciable.  Kecueil  de  Mem.  de  med.  milit.  etc.  Paris, 
1881.     Ser.  3,  T.  XXXVIT,  p.  690-92. 

Beob.  55.  Przewoski,  Gynaecomastia.  Gaz.  Cekarska,  No.  4,  5. 
Poln.  Jahresb.  für  1881.    Bd.  I,  p.  282. 

Bilaterale  Gynäkomastie  mit  Feminismus,  ohne  Behaarung,  bei  einem 
Tagelöhner  von  23  Jahren. 

Beob.  56.  Antigono  Raggi,  Dirett.  del  Manie,  di  Voghera.  Aber- 
razioni  del  sentimento  sessuale  in  un  maniaco  ginecomaste. 
Ann.  univ.  di  med.  e  chir.     Vol.  259.     Milano,  1882,  p.  289. 

Ein  25 jähriger  Mann  aus  Jesi  wurde  1875  ins  Irrenhaus  von  Bologna 
gebracht.  Es  waren  keine  Angaben  über  sein  früheres  Leben  vorhanden. 
Er  war  maniakalisch  und  hatte  die  Halluzination,  er  sei  ein  Weib,  weil  er 
stark  vergrösserte  Brüste  hatte,  aus  denen  Milch  tröpfelte.  Im  Jahre  1876 
fing  er  an,  sich  zu  bessern,  der  Gedanke,  dass  er  ein  Weib  sei,  wurde 
weniger  hartnäckig,  indem  die  Milchsekretion  abnahm  und  zuletzt  ver- 
schwanden beide  Dinge. 

Der  Verf.  bemerkt,  dass  die  Geschlechtsteile  keine  Anomalie  zeigten, 
und  das  Individuum  keinen  Erregungen  an  den  Geschlechtsteilen  unter- 
worfen war. 

Beob.  57.  Aug.  Paulicky,  Über  kongenitale  Missbildungen. 
Zeitschr.  etc.  München,  1882,  p.  222.  —  Schuchardt,  Langenbecks 
Ar  eh.    Bd.  31,  p.  82.    1884. 

Zwei  Rekruten  mit  Gynäkomastie,  ohne  Fehler  an  den  Geschlechts- 
teilen, wurden  vom  Dienste  befreit. 

Beob.  58.  A.  Wagner,  Ein  Fall  von  Gynäkomastie  (dextri 
lateris).  Virchows  Arch.  Bd.  101,  p.  385.  Berün,  1885.  Mit 
Taf.    VII. 

Bei  einem  21jährigen  Töpfer  begann  im  Alter  von  16  Jahren  die 
rechte  Mammargegend  bedeutend  anzuschwellen,  schmerzte  bei  Berührung, 
und  man  schrieb  dies  dem  Druck  zu,  den  dieser  Teil  von  dem  Stricke  erlitt, 
mit  dem  der  Bursch  bei  seinem  Geschäft  einen  Wagen  zog. 

Der  Thorax  war  rechts  breiter  als  links,  die  Mamma  hatte  weibliches 
Aussehen  angenommen;  sie  war  an  der  Basis  12  cm  breit.  Nach  dem  Ge- 
fühl zu  urteilen,  enthielt  sie  echtes  Drüsengewebe.  Die  Areole  hatte  einen 
Durchmesser  von  3,5  cm  und  die  Warze  war  gut  entwickelt.  Links  da- 
gegen bewahrte  die  Mamma  den  männlichen  Charakter,  die  Areole  hatte 
2,5  cm  Durchmesser,   und   die  Warze   war  weniger  entwickelt.     Es  fehlten 


—    150    - 

Anomalien  oder  andere  Affektionen  des  Hodens,  Skrofulöse,  sowie  Anzeichen 
des  sogenannten  Feminismus  der  Kastraten. 

Beob.  59.  Sam.  Pozzi  (Paris),  Note  sur  deux  cas  de  pseudo- 
hermaplirodisme.     Mem.  soc.  de  biol.     Paris,  1885,  p.  24. 

Ein  Individuum  von  männlichem  Habitus,  den  Weibern  zugeneigt,  war 
als  Weib  gekleidet.  Es  hatte  eine  Vulva  mit  grossen  und  kleinen  Scham- 
lippen; Zeichen  von  Menstruation  fehlten.  Ausserdem  hatte  es  zwei 
eiförmige  Körper  in  den  grossen  Schamlippen  und  nächtliche  Pollutionen, 
in  denen  man  keine  Spermatozoon  fand.  Sein  Penis  war  5  cm  lang,  hatte 
ein  Präputium  und  vollkommene  Hypospadie.  Der  Meatus  urinarius  war 
in  der  Spalte  der  Vulva  verborgen,  durch  welche  man  zu  einem  kleinen 
halbmondförmigen  Hymen  gelangte.  Man  fand  weder  Vagina,  noch  Uterus, 
noch  Ovarien. 

Beob.  60.  Magnan,  Gynecomaste  debile,  qui  presente  des 
acces  delirantes.     Arch.  d6  neurol.     Mai  1888,   T.  IIT,  p.  416. 

Ein  Mann  von  30  Jahren  hatte  von  Kindheit  an  Krämpfe,  studierte 
die  schönen  Künste,  und  wurde  ein  erträglicher  Porzellanmaler ;  aber  zugleich 
wurde  er  reizbar,  unsicher  in  seinen  Bewegungen,  mit  Halluzinationen 
und  mit  Verfolgungswahn.  Bei  der  Untersuchung  im  J.  1885  fand  man 
bedeutende  Atrophie  der  Hoden,  kleinen  Penis  mit  grosser  Glans.  Seine 
Brustdrüsen  waren  von  der  Grösse  einer  Mandarine,  die  Warze  klein.  Der 
Larynx  ragte  wenig  vor,  die  Stimme  war  weiblich,  die  Behaarung  blond. 

Beob.  61.     Charvot,  Mumps.     Semaine  med.  Paris,  18  Mars  1891. 

Ein  junger  Soldat  bekam  nach  Mumps  eine  doppelte  Orchitis.  Seine 
Hoden  wurden  atrophisch  und  schwanden  bis  zur  Bohnengrösse.  Er  verlor 
den  Geschlechtstrieb  und  wurde  impotent.  Bald  fingen  die  Brüste  an  zu 
schwellen  und  erreichten  die  Grösse  einer  Orange,  mit  bläulicher  Entwicke- 
lung  der  Areole. 

Beob.  62.  S.  Ssawitzky,  Ein  Fall  von  stark  entwickelten 
Brustdrüsenbei  einem  Manne.  (Gynäkomastie).  Wratch.,  1893,  No  48. 
(Russisch). 

Beob.  63.  H.  Schaumann,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Gynäko- 
mastie. Würzburger  Verhandl.  1894.  Bd.  XXVIII,  p.  1.  —  Jahresber.  für 
1894.     Bd.  I,  p.  438  (3). 

Jüngling  von  19  Jahren  mit  Hypospadiasis,  Hoden  im  Leistenkanal 
und  weiblichem  Habitus.  Der  Verf.  hat  viele  Beispiele  gesammelt  und  glaubt 
nicht,  man  könne  die  drüsige  Struktur  einer  normalen  Mamma  von  der  einer 
gynäkomastischen  unterscheiden. 

Beob.  64.  Eug.  Israel,  Zwei  Fälle  von  Hypertrophie  der 
männlichen  Brustdrüse.  Berlin,  1894.  Diss.  inaug.  Jahresber.  für 
1894.    Bd.  I,  p.  438  (2). 

Der  Verf.  beschreibt  die  gynäkomastischen  Brüste  zweier  Jünglinge, 
die  Bergmann  operiert  hatte,  und  findet  das  Bindegewebe  stark,  das 
Drüsengewebe  massig  vermehrt.  Er  bemerkt ,  dass  für  ähnliche  Fälle 
wenige  mikroskopische  Beobachtungen  vorliegen. 


—     151     — 

Beob.  65.     Em.  Laurent,  Les  bisexues.    Paris,  1894,  p.  29. 

Ein  21  jähriger  Vagabund,  an  Gefängnisse  gewöhnt,  mit  dem  Aussehen 
eines  16  jährigen  Burschen,  hatte  weibliche  Formen,  kleinen  Kopf,  massige 
Grösse,  und  einige  Haare  an  der  Oberlippe.  Seine  Haut  war  weiss  und 
zart,  viel  mehr  als  die  der  Männer  desselben  Alters,  mit  feiner  Stimme,  wie 
die  eines  13jährigen  Mädchens.  Sowohl  die  erste,  als  die  zweite  Zahnung 
traten  verspätet  ein.  Der  Penis  war  kurz,  die  Hoden  klein,  der  Cremaster 
kontraktil,  mit  häufigen  Erektionen.  Die  Brüste  endlich  hatten  die  Grösse 
von  Orangen  und  waren  entwickelt  wie  bei  einem  15jährigen  Mädchen. 

Beob.  66.  Em.  Laurent,  Les  bisexues.  Paris,  1894,  p.  78.  Mit 
Tafel. 

Ein  junger  Mann  von  25  Jahren,  der  niemals  krank  gewesen  war,  miss- 
brauchte den  Alkohol.  Er  hatte  keinen  Bart,  weisse  zarte  Haut,  wie  die 
eines  Weibes,  sanfte  Stimme,  war  1,5  m  gross.  Im  Alter  von  12—13  Jahren 
begannen  seine  Brüste  zu  schwellen,  und  wuchsen  so,  dass  sie  in  seinem 
15.  Jahre  fast  die  Grösse  des  Kopfes  eines  Fötus  erreichten.  Durchscheinend 
zeigten  sie  ein  bläuliches  Venennetz.  Man  fühlte  eine  drüsige  Masse  von 
der  Grösse  einer  Orange.  Der  Penis  war  kurz  (2  cm).  Unter  dem  Penis 
befanden  sich  zwei  Falten,  welche  die  Labia  majora  der  Vulva  in  rudimen- 
tärem Zustande  vortäuschten.  Die  Hoden  waren  so  gross  wie  Sperlingseier. 
Die  Onanie  lieferte  jetzt  kein  Sperma.  Der  Mann  versicherte,  er  voll- 
ziehe den  Coitus  einmal  wöchentlich.  Keine  Neigung  zur  Geschlechts- 
umkehrung. 

Beob.  67.  Gius.  Natalucci,  Un  caso  di  ginecomastia.  Opusculo 
in  8  0.     Civitanova  —  Marche,  1899. 

Ein  Holzhacker  von  24  Jahren,  1,64  m  hoch,  mit  wenig  entwickeltem 
Haarwuchs,  sehr  kleinen  Hoden,  kaum  von  Erbsengrösse.  Obgleich  er  der 
Masturbation  ergeben  ist,  hat  er  keine  Ejakulation  von  Samen.  Seine  Brüste 
sind  stark  entwickelt  und  zeigen  folgende  Maasse : 

rechts     links 
Durchmesser  an  der  Basis  cm        9  8 

Höhe  auf  der  Brustwarze  „  5  4^/2 

Umfang  „         24        22 


Note  4.     Fälle  von  Znsammeiiliang  zwischen  der  Cereliro- 
spinal-Achse  und  den  Hoden,    gesammelt  von  Curling. 

Beob.  1.     Baron  Larrey,  Mem.  de  chir.  milit.    Paris,  1812,  p.  262. 

Ein  Soldat  wurde  durch  eine  Kugel  verwundet,  welche  die  Protuberantia 
occipitalis  inferior  streifte.  Nach  der  Heilung  wurden  die  Hoden  atrophisch, 
der  Penis  zog  sich  zurück  und  wurde  inaktiv. 

Derselbe  Autor  erzählt,  dass  ein  Säbelhieb  einem  kräftigen  Manne  den 
ganzen  konvexen,  vorspringenden  Teil  des  Hinterhaupts  abtrennte  und  die 
Dura   mater   entblösste.     Dieser  Mann   verlor    Gesicht   und  Gehör   auf  der 


—    152    — 

lechten  Seite,  und  nach  15  Tagen  hatten  sich  seine  Hoden  bedeutend  ver- 
kleinert, ja  der  linke  war  nur  noch  bohnengross. 

Beob.  2.  C.  Lallemand,  (Montpellier),  Des  pertes  seminales 
involontaires.    Paris,  1836,  Vol.  II,  p.  41. 

Ein  Mann  von  30  Jahren  hatte  einen  Säbelhieb  in  den  Nacken  erhalten, 
und  infolge  davon  versehwand  bei  ihm  der  Geschlechtstrieb  ganz,  die  Erek- 
tionen hörten  auf  und  die  Hoden  wurden  atrophisch. 

Beob.  3.  Th.  Curling,  Practical  treatise  on  the  diseases  of 
the  testis,  etc.    London,  1843—55.    Trad.  fran§.  Paris,  1857,  p.  78. 

Beob.  4.     Curling,  1.  c.  p.  78. 

Ein  Mann  von  30  Jahren,  schon  seit  2  Jahren  gelähmt  wegen  einer 
Wunde  im  mittleren  Teüe  der  Dorsalgegend,  hatte  gesunde  Hoden,  (der  eine 
wog  8  Gramm,  der  andere  einige  Centigramm  weniger),  die  aber  keine 
Spermatozoen  enthielten. 

Beob.  5.    Curling,  1.  c.  p.  73. 

Ein  59  jähriger  Mann,  Vater  vieler  Kinder,  im  Dienste  der  Königin 
von  Spanien,  fiel  beim  Überspringen  eines  Grabens  nach  rückwärts,  wobei 
er  sich  am  Hinterteile  des  Kopfes  verletzte,  und  erhielt  ausserdem  einen 
Säbelhieb  auf  die  Stirn.  Nach  2^2  Jahren  kehrte  er  geheilt  nach  England 
zurück,  verlor  aber  seine  Männlichkeit.  Der  rechte  Hode  war  atrophisch 
geworden  von  Bohnengrösse,  und  der  linke  hatte  sich  ebenfalls  verkleinert. 
Der  Schädel  erschien  am  Hinterkopfe  etwas  abgeplattet,  und  am  Thorax 
waren  zwei  Weiberbrüste  entstanden. 


Zweiter  Teil. 
Der  klinische  Hermaphrodismus. 

Äusserer  Pseudo-Hermaphrodismus. 

Zweiter  Abschnitt. 
Iiivirilismus  (Tirago). 

Kapitel  I.    Anordnung. 

Unter  dem  Worte  Virilismus  verstehen  wir  die  angeborene 
Entwickelung  eines  oder  mehrerer  Teile  eines  Weibes  mit 
physischen  oder  funktionellen  Eigenschaften,  die  denen  des 
Mannes  ähnlich  sind.  Die  physischen  Charaktere  erkennt  man 
gewöhnlich  an  dem  Äusseren  des  Körpers,  während  man  die 
Abhängigkeit  der  funktionellen  von  den  Nervencentren  aus  der 
Beobachtung  schliesst,  indem  die  auf  verschiedene  Weise  mit- 
einander in  Verbindung  stehenden  mechanischen,  nervösen  oder 
psychologischen  Handlungen  bedeutend  an  Energie  zugenommen 
haben.  Weiber  mit  solchen  Entwickelungsanomalien  sind  nicht 
besonders  selten,  und  wurden  früher  mit  verschiedenen  Namen 
bezeichnet,  wie  Heroinen,  Pittrici,  Weise  (sapienti),  Amazonen, 
Viragines  und  Tribaden. 

Da  jedoch  diese  Ausdrücke  weder  einen  bestimmten  oder 
konstanten  Sinn  haben,  noch  alle  Formen  des  physischen  In- 
virilismus,  noch  alle  Fälle  der  dynamischen  Erscheinungen  um- 
fassen, hat  man  besser  für  die  klinischen  Verhältnisse  geeignete 
Namen  gesucht,  die  aber  im  allgemeinen  die  Bedürfnisse  der 
Wissenschaft  nicht  befriedigen.  Doch  zur  Unterstützung  der 
Nosologie   war   es   nötig,   sich   an    gewisse   Eigenschaften   der 


—    154    — 

Anomalien  zu  halten,  und  auf  diese  "Weise  ist  es  gelungen, 
zwei  Typen  des  Invirilismus  zu  unterscheiden:  den  einen,  der 
sich  auf  physische  und  anatomische  Veränderungen  eines  Teils 
bezieht,  und  den  andern,  bei  dem  die  äussere  Form  nicht  ver- 
ändert ist,  sondern  nur  die  Funktion  eines  oder  mehrerer  Teile, 
die  von  noch  unbestimmten  Nervencentren  abhängen. 

Diese  beiden  Typen  lassen  sich  ihrerseits  wieder  in  mehrere 
Arten  trennen.  So  gehört  zu  dem  ersten  Typus  zunächst  eine 
Art,  bei  der  die  Form  und  der  Bau  des  vermänulichten  Organs 
im  wesentlichen  erhalten  ist,  aber  nicht  die  Eichtung  und  Aus- 
dehnung einiger  Linien  desselben,  so  dass  die  G-estalt  wenig 
verändert  ist.  Beispiele  dieser  Art  werden  oft  durch  mehr 
oder  weniger  übertriebene  Abänderungen  geliefert,  welche  die 
äusseren  Organe  zeigen.  Die  zweite  Art  begreift  die  Fälle,  in 
denen  die  Form  wenig  verändert  ist,  wohl  aber  der  Bau  der 
Weichteile,  denn  die  Cutis  ist  alteriert,  oder  das  subcutane 
Gewebe  ist  infiltriert,  bald  mit  sarkomatösen  Fettzellen,  bald 
mit  Lymphnetzen,  so  dass  Hypertrophie  des  Teils  entsteht,  die 
man  gewöhnlich  Elephantiasis  nennt.  Diese  Art  findet  man 
besonders  an  den  Gliedern,  und  wenn  sie  noch  im  Anfang  ist, 
kann  man  sie  auch  Pseudo-Invirilismus  nennen.  Nun  bleibt 
noch  die  Betrachtung  des  dritten  Typus  übrig,  der  Fälle  um- 
fasst,  die  man  als  psychopathische  Erscheinungen  betrachten 
kann,  und  die  ein  besonderes  Kapitel  erfordern;  so  gross  ist 
ihre  Verschiedenheit  von  dem  ersten  Typus. 

Zwischen  der  ersten  und  zweiten  Art  des  ersten  Typus 
des  Invirilismus  findet  sich  oft  ein  ätiologischer  Unterschied, 
denn  wenn  nur  eine  Alteration  der  Form  des  Organs  vorliegt, 
ist  diese  oft  erblich;  ja  in  Fällen,  wo  dies  nicht  zutrifft,  hat 
Darwin  1)  latente  Charaktere  der  Voreltern  angenommen,  die 
nach  mehreren  Generationen  wieder  erschienen  sind.  Wir  ver- 
schieben unser  Urteil  über  diese  Hypothese  auf  eine  passende 
Gelegenheit  und  führen  hier  zunächst  eine  andere  theoretische 
Ansicht  über  die  Analogien  der  ersten  Art  an  (Veränderungen 
der  Form  des  Organs),  die  im  Widerspruch  zu  dem  Geschlechts- 


1)  eil.  Darwin  ,  De  la  Variation  des  animaux,  etc.    Paris,  1868.    T.  II, 
53. 


—    155     — 

Charakter  der  Person  stehen.  Denn  wenn  wir  die  Fälle  be- 
trachten, in  denen  das  Auftreten  männlicher  Eigenschaften  bei 
einem  Weibe  stattfindet,  sehen  wir  eine  ähnliche  Verbindung 
entstehen,  wie  die  bei  Pseudo-Hermaphrodismus  eintretende, 
die  die  Annahme  erlaubt,  dass  der  schon  aus  der  Embryologie  i) 
bekannte  Vorgang  demjenigen  ähnlicli  ist,  der  heutzutage  für  den 
echten  Hermaphrodismus  angenommen  wird. 

Solche  Angaben  machen  Jedoch  nicht  die  Grrundlagen  einer 
Monographie  aus;  man  muss  vielmehr  vorher  die  Charaktere 
des  Invirilismus  feststellen,  dann  wird  man  diese  neue  Art  des 
Hermaphrodisiims  rechtfertigen  können.  Aber  hier  müssen  wir 
bemerken,  dass  noch  kein  Kliniker  sich  mit  diesem  Gegen- 
stande beschäftigt  hat,  vielleicht  weil  er  zu  keinem  Zweige  der 
Medizin  gehört,  und  nur  wenige  Anatomen  haben  die  Körper- 
form behandelt,  die  bei  unserem  Gegenstande  in  Betracht 
kommt.  Von  diesen  verdient  nur  der  berühmte  Wrisberg^), 
Anatom  in  Göttingen,  Erwähnung,  der  im  Jahre  1806  den  von 
den  Lateinern  angenommenen  Ausdruck  wieder  zu  Ehren  ge- 
bracht hat.  Das  Erstaunlichste  ist,  dass  er  schon  damals  diese 
Anomalie  zu  der  Gruppe  der  Hermaphroditen  stellte,  und  als 
eine  analoge,  aber  dem  feministischen  Habitus  entgegengesetzte 
Erscheinung  betrachtete s).  Er  entnahm  diese  Bezeichnung  aus 
sechs  Beobachtungen,  die  er  aber  nicht  beschrieb,  sondern  in 
zehn  Schlüsse  fasste,  von  denen  jedoch  einer  die  anatomische 
Beschreibung  enthält. 

Die  von  Wrisberg  aufgestellten  allgemeinen  Charaktere 
sind: 

1.  Hohe,  schlanke  Gestalt,  Hals  und  Glieder  lang. 

2.  Haut  oft  weiss  und  glänzend,  aber  etwas  hart  und  ge- 
spannt, Augen  matt,  Gesicht  mehr  traurig  als  heiter,  Iris  und 
Haare  meist  dunkel  und  massig  lang;  auch  der  Bart  ist  ziem- 


^)  J.  Kollmanu,  Lehrbuch  der  Entwicklungsgeschickte  des  Menschen. 
Jena,  1898,  p.  414.  Fig.  245.  —  C.  A.  Eevelli,  Perche  si  nasce  maschi 
0  femmine?    Bullet,  delle  sc.  med.  Bologna.    Bologna,  1900,  agosto,  p.  773. 

^)  H.  A.  Wrisberg,  Commentatio  de  singulari  genitalium  deformitate 
in  puero  hermaphrodito,  etc.  Göttingae ,  1806 ,  cum  tabula.  —  Commen- 
tationum  medici  argumenti  etc.     Ibid.  1800,  p.  504. 

^)  C.  Taruffi,  Infemminismo.  Mem.  della  E.  Acc.  delle  sc.  del  istit. 
di  Bologna.     T.  VIII,  p.  415  e  444.    Nota  II. 


—    156    — 

lieh   deutlich  und  wird  im  reifen  Alter  so    dicht,   dass   er   oft 
geschoren  werden  muss. 

3.  Stimme  tief,  männlich,  tönend  und  stark. 

4.  Geneigtheit  zum  Nachdenken  und  zur  Spekulation,  nicht 
zum  Schwatzen,  geschwätzige  Weiber  werden  geflohen. 

5.  Widerwillen,  bisweilen  Hass  gegen  weibliche  Beschäfti- 
gungen, bis  zur  Abneigung,  darüber  zu  sprechen.  Viragines 
weisen  mit  Abscheu  obscöne  Eeden,  weibliche  Spiele,  Unter- 
haltungen über  Geschlechts-  und  Liebesverhältnisse,  über 
Schwangerschaft,  Geburt  u.  s.  w.  zurück. 

6.  Brüste  klein,  dünn,  platt,  von  einander  entfernt  auf 
dem  M.  pectoralis  stehend.  Clitoris  meist  verlängert  und  vor- 
ragend. 

7.  Die  Beschreibung  des  Falles,  in  dem  die  Sektion  ge- 
macht wurde,  folgt  unten. 

8.  Die  Menstruation  fehlt  gewöhnlich.  Wenn  die  Be- 
schwerden der  Plethora  uterina  überwunden  sind,  fliesst  das 
Blut  sparsam  und  unregelmässig.  Dagegen  Neigung  zu  Fluor 
albus,  zu  Kachexie  und  Phthisis,  so  dass  diese  Frauen  selten 
ein  hohes  Alter  erreichen. 

9.  Unfruchtbarkeit  häufig.  Wenn  die  Frauen  Kinder  haben, 
sind  sie  selten  fähig,  sie  zu  säugen,  weil  ihre  Brüste  klein  sind. 
Sie  verschmähen  die  ehelichen  Freuden  und  verwerfen  den 
Coitusi). 

10.  Ausser  den  Menstruations- Störungen  sind  sie  auch 
Fehlern  der  Geschlechtsteile  und  Verdauungskrankheiten  unter- 
worfen. 

Die  bei  No.  7  angekündigte  anatomische  Untersuchung  ist 
folgende: 

Wrisberg  erzählt:  eine  Frau  von  40  Jahren,  die  niemals 
verheiratet  war  und  an  Phthisis  nervosa  starb,  war  niemals 
regelmässig  menstruiert.  Bei  der  Sektion  (die  Körpergrösse 
wird  nicht  erwähnt)  fand  er  den  Uterus  so  klein,  dass  er  kaum 
dem  eines  10jährigen  Kindes   gleich  kam,   mit  kleiner  Höhle, 


1)  Wrisberg,  (1.  c.)  sagt  (p.  542:  lubentius  conjugium  recusant  et 
coitum  respuunt.  —  Meckel  (s.  unten)  übersetzt  .  .  .  Abneigung  gegen 
Beischlaf  und  keinen  weiblichen  Geschlechtstrieb  und  Stimme. 


-    157    — 

aber  von  regelmässiger  Gestalt.  Die  Ligamenta  rotimda  zeigten 
sehr  dichte  Muskelfasern.  Die  fallopischen  Trompeten  waren 
klein  und  eng,  die  Ovarien  sehr  klein;  man  konnte  in 
ihnen  nur  wenige  und  kleine  Graafsche  Bläschen  erkennen, 
und  die  benachbarten  Teile  waren  klein  und  zart.  Die  Gegen- 
wart des  kindlichen  Uterus  wäre  ein  sehr  wichtiger  Charakter, 
zur  Erklärung  einiger  Eigenschaften,  die  oft  den  Invirilismus 
begleiten. 

Diese  Charaktere  wurden  mit  geringer  Veränderung  und 
ohne  Kritik  von  J.  F.  Meckeli)  im  Jahre  1816  angenommen 
und  angeführt,  und  verdienen  um  so  mehr  anerkannt  zu  werden, 
als  Wrisberg  nicht  nur  die  physischen  Haupteigenschaften  der 
Viragines  aufgezählt,  sondern  auch  ihre  unterscheidenden  mora- 
lischen Eigentümlichkeiten,  sowohl  die  positiven,  als  die  nega- 
tiven, angeführt  hat.  Trotzdem  hat  der  angeführte  Autor  das 
Unrecht  begangen,  nicht  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass 
sein  Symptomenbild  viele  Ausnahmen  erfährt,  wie  die  psychisch- 
geschlechtlichen Störungen,  und  dass  es  einiger  Zusätze  und 
Einschränkungen  in  Bezug  auf  die  Gruppierung  der  angegebe- 
nen Charaktere  benötigt.  Aber  niemand  hat  daran  gedacht, 
dieses  Bild  zu  verbessern,  ausser  Krafft-Ebing,  der  die  Vira- 
gines mit  sexueller  Perversion  hinzufügte  (wovon  wir  später 
sprechen  werden)  und  Meige  im  Jahre  18952),  der  eine 
Varietät  der  erblichen  Entartungen  unter  dem  Namen  Infanti- 
lismus einführte.  Dabei  sprach  er  auch  (oberflächlich)  von 
Invirilismus,  ohne  Wrisberg  zu  erwähnen. 

Die  Charaktere,  die  wir  den  Viragines  Wrisbergs  hinzu- 
fügen wollen  (mit  den  geschlechtlichen  Psychopathien  werden 
wir  uns  später  beschäftigen),  müssen  den  Fällen  entnommen 
werden,  in  denen  die  Änderungen  der  Gestalt,  der  Grösse,  auf 
einen  äusseren  Teil  des  Organismus  beschränkt  ist,  ohne  dass 
wesentliche  anatomische,  und  noch  weniger  funktionelle  Alte- 
rationen hinzukommen,  sondern  nur  solche,  die  sich  auf  die 
Ästhetik  des  Teils  beziehen,  z.  B.  in  den  Organen  des  Gesichts 


^)  J.  F.  Meckel,  Handbucli  der  patliologischen  Anatomie.  Leipzig, 
1816,  Bd.  II,  201. 

2)  H.  Meige,  L'infantilisme  etc.  — L'Anthropologie  etc.  Paris,  1895. 
T.  XIV,  No.  3,  p.  536. 


—    158    - 

(Fälle,  die  gewöhnlich  mit  dem  Namen  „Elephantiasis"  be- 
zeichnet werden).  Die  Beispiele  dieser  Art  findet  man  in  den 
Abhandlungen  über  Teratologie,  Chirurgie,  oder  besser  in  den 
Monographien  über  Krankheiten  der  Nase,  der  Ohren,  des  Kinns 
u.  s.  w.  Wir  bemerken  jedoch,  dass  wir  bei  vieljährigen  Unter- 
suchungen über  die  Anomalien  kein  Beispiel  beim  Weibe  ge- 
funden haben,  so  dass  wir  dadurch  weiterer  Untersuchungen 
hierüber  überhoben  sind. 

Mit  noch  mehr  Grund  können  wir  es  unterlassen,  eine 
zweite  Gruppe  von  Charakteren  zu  sammeln,  nämlich  Beispiele 
von  Hypertrophie  der  äusseren  Organe  mit  Aussehen  von  In- 
virilismus,  während  das  Gewebe  dem  einer  Neubildung  ähnlich 
ist,  besonders  wenn  mehr  oder  weniger  hervorstehende  Knoten 
oder  Tumoren  vorhanden  sind,  welche  die  Natur  der  Neubildung 
verraten.  Diese  zweite  Art  des  Invirilismus,  die  oft  Vorläuferin 
der  Elephantiasis,  des  Lipoms  i),  oder  des  Sarkoms  ist,  kann 
man  besser,  wie  wir  oben  sagten,  als  Pseudo-lnvirilismus  betrach- 
ten, der  zu  Lebzeiten  des  Individuums  nicht  immer  leicht  zu  diag- 
nostizieren ist.  So  haben  wir  ein  Fräulein  von  ungefähr  18  Jahren 
gekannt,  deren  rechter  Arm  mit  der  Hand  seit  mehreren  Jahren  so 
stark  verdickt  war,  dass  er  den  Umfang  des  linken  Vorderarms  im 
Mittel  um  ungefähr  1  cm  übertraf.  Die  Haut  des  rechten  Arms 
war  übrigens  weiss,  blass,  und  halb  durchscheinend,  mit  ge- 
schwollenem, nachgiebigem  Unterhautgewebe;  die  Funktion  des 
Gliedes  und  der  Finger  war  nicht  gestört. 

Diese  Art  der  Hypertrophie  ist  nicht  so  selten,  wie  die 
vorhergehende,  und  kommt  auch  beim  Manne  vor,  bei  dem  sie 
verschiedene  Namen  erhalten  hat,  je  nach  dem  Sitz  und  der 
Natur   der  Neubildung,   so   dass   man,   wenn   man   die   Namen 


^)  Wir  haben  in  unser  Museum  im  J.  1882  folgendes  Beispiel  einer 
lipomatösen  Hypertrophie  aufgenommen:  Gius.  E,uggi,  angeborene  Hyper- 
trophie der  3  ersten  Zehen  des  linken  Fusses,  mit  Lipomatose  des  Innern 
Teils  des  Fusses.  Exartikulation  der  drei  hypertrophischen  Zehen.  Heilung. 
Bellet,  delle  sc.  med.  Bologna,  1882.  Ser.  VI,  vol.  IX.  —  Die  Lipomatose 
machte  nicht  nur  den  Fuss  hypertrophisch,  sondern  zeigte  auch  äusserlich 
drei  den  beiden  grösseren  Zehen  entsprechende  Tumoren  und  hing  inner- 
lich an  den  Sehnen  dieser  Zehen  fest.  Die  amputierten  Teile  wurden  dem 
Prof.  Taruffi  zugeschickt,  um  in  seinem  pathologisch-anatomischen  Museum 
aufgestellt  zu  werden. 


-     159    — 

kennt,  leicht  in  den  Abhandlungen  die  Haupt -Beispiele  findet, 
so  die  Fälle  von  Verlängerung  des  Kinns  (cranio-progenio),  die 
bald  Wirkung  angeborener,  bisweilen  ererbter  Zustände,  bald 
erworbener  Krankheiten  ist.  Um  die  aufgezählten  Charaktere 
klarer  zu  stellen,  fügen  wir  hinzu,  dass  die  sowohl  dem 
Invirilismus ,  als  den  Viragines  im  Sinne  Wrisbergs  zuge- 
hörigen bald  vereinzelt,  bald  vielfach  sind,  und  in  beiden  Fällen 
einen  der  Zustände  (termini)  des  Pseudo-Hermaphrodismus  aus- 
machen können;  aber  es  ist  auch  zu  bemerken,  dass  nicht  alle 
einfachen  oder  neoplastischen  Hypertrophien  den  genannten 
Terminus  darstellen,  denn  nicht  alle  einfachen  Hypertrophien 
täuschen  den  Infantilismus  vor,  und  dasselbe  lässt  sich  von  den 
neoplastischen  Hypertrophien  sagen. 

Um  die  Anordnung  zn  stände  zu  bringen,  war  es  nötig, 
alle  Stellen  zu  bestimmen,  an  denen  der  Invirilismus  auftreten 
kann,  aber  es  genügt,  die  Teile  anzudeuten,  an  denen  er  vor- 
kommt. Fonssagrivesi)  bemerkte,  dass  die  Anatomen  die 
Unterschiede  zwischen  Mann  und  Weib  in  den  sekundären 
Teilen  des  Körpers  nicht  anzugeben  pflegten,  ihre  Beschreibungen 
auf  die  Geschlechtsorgane  beschränkten  und  den  Anthropologen 
gewisse  Unterschiede  im  Skelett  überliessen.  Wenn  es  der 
Mühe  wert  wäre,  alle  Fälle  aufzuzählen,  in  denen  ein  oder 
mehrere  sekundäre  Teile  die  des  Mannes  nachahmen,  müssten 
wir  in  eine  Menge  von  Einzelheiten  eingehen,  die  an  den  all- 
gemeinen Charakteren  des  Invirilismus  nichts  ändern.  Daher 
können  wir  sie  übergehen. 

Kapitel  II.     Weibliche  Makrosomie. 

Der  erste  von  Wrisberg  bei  den  Viragines  aufgestellte 
Charakter  war  die  hohe  Statur,  die  wir  Makrosomie  nennen 
wollen,  wie  in  einigen  anderen  Fällen  2),  und  wir  freuen  uns, 
gerade  von  ihr  beim  Invirilismus  sprechen  zu  müssen,  nicht 
nur  weil  sie  ein  auffallender  Charakter  ist,  sondern  auch  weil 
man  noch  Unterschiede  machen  muss  je  nach  den  Fällen,    die 


^)  J.  B.  F.  Fonssagrives  (Prof.  in  Montpellier),  Education  physique 
des  jeunes  Alles.     Montpellier.     Paris,  1869. 

2)  C.  Taruffi,  Della  macrosomia.  Ann.  univ.  di  med.  e  chir.  Müano, 
1879,  Aprile.    Vol.  247,  p.  339. 


—    160    — 

übrigens  einander  sehr,  nahe  stehen,  d.  h.  zu  ähnlichen,  aber 
dem  Grad  nach  wesentlich  verschiedenen  Erscheinungen  ge- 
hören (s.  Note  1,  Beob.  1,  2,  3). 

Bei  Betrachtung  der  gesammelten  Beobachtungen  stossen 
wir  sogleich  auf  zwei  sehr  bemerkenswerte  Beispiele  von 
Körpergrösse,  was  nicht  über  die  Häufigkeit  dieser  Erscheinung 
täuschen  darf,  denn  zunächst  haben  wir  alle  Beobachtungen 
von  mittlerer  Wichtigkeit  übergangen;  denn  diese,  da  sie  ohne 
Vergleich  die  häufigsten  sind,  stören  die  Illusion. 

Diese  beiden  Beispiele  sind  zwei  Schwestern  von  reifem 
Alter,  Grundbesitzerinnen,  und  durch  ihr  riesiges  Aussehen 
bekannt.  Die  Grössere  misst  1,78  m,  die  Kleinere  1,75  m. 
Beide  waren  immer  unverheiratet  und  zeigten  niemals  Neigung 
weder  zur  Ehe,  noch  zum  Umgang  mit  Kindern,  und  am 
wenigsten  zum  Weibergeschwätz.  Ihre  Eltern  waren  von  hoher 
Statur,  und  sie  hatten  nur  einen  Bruder,  der  noch  grösser  war 
als  sie,  was  jedoch,  im  Verhältnis  seines  Geschlechts  zu  dem 
der  Frauen,  durchaus  proportioniert  war. 

Alle  drei  Geschwister  beschäftigten  sich  mit  Vorliebe  mit 
Ackerbau  und  mit  der  persönlichen  Behandlung  der  Zugpferde, 
welche  die  Schwestern  allein  leiteten;  ihre  Kleider  waren  mit 
männlichen  untermischt,  ihre  Gesundheit  immer  vorzüglich.  Es 
ist  bemerkenswert,  dass  sie  stets  ein  so  zurückhaltendes  Be- 
tragen beobachteten,  dass  ihre  Ärzte  niemals  erfahren  konnten, 
wie  es  mit  ihren  Geschlechtsbeziehungen  stehe,  ausgenommen, 
dass  man  erfuhr,  bei  der  grösseren  Schwester  habe  die  Men- 
struation im  Alter  von  49  Jahren  aufgehört,  wobei  sie 
immer,  was  am  auffallendsten  ist,  die  weibliche  Stimme  be- 
hielt. 

Ausser  diesen  beiden  Fällen  kennen  wir  eine  Dame,  die, 
gesund  und  kräftig,  das  Alter  von  81  Jahren  erreichte.  Sie 
ist  183  cm  hoch,  18  cm  mehr  als  das  mittlere  Maximum  der 
Bologneser  Frauen  (1870).  Von  Jugend  auf  war  sie  eine  ge- 
schickte Reiterin  und  Liebhaberin  von  ermüdenden  körperlichen 
Spielen.  Ihr  Gesicht  ist  länglich,  das  Aussehen  männlich,  die 
Gestalt  schlank,  ausser  Verhältnis  zur  Grösse,  ohne  die  Eleganz 
des  weiblichen  Habitus.  Ihre  Menstruation  war  regelmässig 
und  hörte  im  Alter  von  36  Jahren  auf.  Sie  war  Mutter  eines 
Sohnes  von  hoher,   aber  nicht  riesenhafter  Gestalt,   der   nicht 


—    161    — 

lange  lebte.  Diese  Dame  fühlte  keinen  Widerwillen*  gegen  das 
männliche  Geschlecht,  wie  es  hei  einigen  Viragines  vorge- 
kommen ist.  Dieser  Fall  ist  jedoch  unvollständig;  ihm  fehlen  die 
Hauptcharaktere  des  In  viril  ismus,  und  wir  können  ihn  als  ein 
Beispiel  von  Macrosomia  gracilis  betrachten,  die  auch  bei 
Männern  nachgewiesen  ist.  Später  werden  wir  das  Verfahren 
erklären,  durch  welches  wir  das  „gewöhnliche  Maximum"  der 
Frauen  festgestellt  haben. 

Aus  der  Beschreibung  der  ersten  beiden  Frauen  überzeugt 
man  sich  leicht,  dass  sie  ein  schönes  Beispiel  des  riesigen 
weiblichen  Invirilismus  darstellen,  das  zur  Makrosomie  gehört ; 
aber  eine  so  glückliche  Gelegenheit  hat  sich  nicht  zum  zweiten 
Mal  gefunden,  denn  seit  1880  fanden  wir  nur  eine  181  cm  hohe 
25  jährige  Bologneserin,  die  kein  Zeichen  einer  Yirago  darbot  i). 
Wir  fügen  dagegen  einen  vierten  Fall  hinzu  (s.  Note  1, 
Beob.  3),  bei  dem  die  Körpergrösse  eioen  schwer  zu  lösenden 
Zweifel  erregt,  nämlich,  ob  er  das  nötige  Maximum  erreicht,  um 
den  Charakter  des  Invirilismus  zu  begründen.  Dieser  FaU  be- 
trifft ebenfalls  eine  unverheiratete  Landbesitzerin  aus  der  Um- 
gegend von  Bologna. 

Sie  hat  niemals  Kinder  gehabt,  obgleich  sie  früher  der  Ehe 
zugeneigt  war.  Ihre  Höhe  beträgt  168  cm.  Kopf,  Thorax  und 
Becken  sind  gut  entwickelt  und  im  Verhältnis  zu  einander,  aber 
der  Busen  ist  vorstehend.  Sie  ist  von  schlanker  Gestalt  und 
die  unteren  Glieder  sind  sehr  dünn.  Aber  was  das  wichtigste 
ist,  sie  hat  einen  Bart  im  Gesicht,  auf  der  Oberlippe,  am 
Sternum  und  in  den  Achselhöhlen,  und  rasiert  das  Gesicht 
sorgfältig.  Die  Behaarung  fehlt  am  Schamberg,  doch  sind  die 
äusseren  Geschlechtsteile  regelmässig,  Haare  und  Augen  sind 
schwarz  und  der  Hals  ist  so  dick,  dass  man  den  Larynx  kaum 
sehen  kann;  dennoch  ist  die  Stimme  männlich. 

Sie  hat  sich  immer  trefflicher  Gesundheit  erfreut  und  ein 
nüchternes,  regelmässiges  Leben  geführt;  ihr  Charakter  ist 
heiter  und  ihre  Intelligenz  ungewöhnlich. 

Ehe  wir  ein  Mittel  aufsuchen,  um  wenigstens  vorläufig 
eine  Grenze  für  die  Körpergrösse  festzustellen,  die  den  Inviri- 
lismus charakterisiert,  dürfen  wir  nicht  verschweigen,  dass  FäUe 


1)  Taruffi,  Storia  della  teratologia,  T.  V,  p.  363. 
Taruffi,  Hermaphrodismus.  11 


—    162    — 

mit  wichtigen  Kennzeichen  der  sogenannten  Viragines  vor- 
kommen, bei  denen  die  Körpergrösse  zweifelhaft  ist,  wie  im 
vorigen  Falle.  Dieser  Zweifel  verschwindet  auch  in  den  Augen 
des  Volkes,  wenn  dieser  Charakter  negativ  ist.  Wir  kennen 
eine  unverheiratete  Dame  von  ungefähr  50  Jahren,  die  niemals 
Neigung  zur  Ehe  gezeigt  hat  und  niemals  krank  war.  Sie  ist 
152  cm  hoch,  also  steht  ihre  Grösse  dem  Minimum  der  mittleren 
Höhe  des  Weibes  nahe.  Von  der  Pubertät  an  zeigte  sie  schwarze 
Haare  auf  der  Oberlippe,  die  später  einen  wirklichen  Schnurr- 
bart bildeten,  so  dass  sie  der  Schicklichkeit  wegen  jede  Woche 
abrasiert  werden  mussten.  Ihre  Konstitution  ist  kräftig,  die 
Glieder  sind  gut  entwickelt  und  ihre  Stimme  steht  zwischen 
dem  Klang  der  beiden  Geschlechter.  Sie  ist  sehr  thätig  bei 
Besorgung  der  häuslichen  Geschäfte  und  bei  der  Leitung  einer 
zahlreichen  Familie,  die  sie  nach  dem  Tode  ihrer  Mutter  sehr 
geschickt  regiert  hat.  Letztere  war  grösser  als  ihre  Tochter 
und  immer  ganz  gesund,  während  der  Mann  etwas  zart,  164  cm 
hoch  war,  mit  schwarzen  Haaren  und  ziemlich  jung  starb. 

Bei  derselben  Dame  finden  sich  ausserdem  einige  be- 
merkenswerte ätiologische  Umstände.  Sie  hat  niemals  Schwe- 
stern gehabt,  sondern  fünf  Brüder,  von  denen  die  beiden 
älteren  von  mittlerer  Grösse  sind  und  nichts  besonderes  auf- 
weisen. Die  drei  jüngeren  sind  kleiner  als  das  arithmetische 
Mittel  der  Bologneser  (nämlich  169  cm;  sind  also  um  17  cm 
grösser  als  die  Schwester),  sie  messen  zwischen  163  und 
164  cm.  Die  beiden  jüngsten  zeigen  dieselbe  Konstitution 
wie  ihre  Schwester;  sie  haben  einen  sehr  üppigen  schwarzen 
Bart  und  schwarze  Haare.  Sie  wetteifern  mit  der  Schwester 
an  Thätigkeit  und  leben  einträchtig  in  der  Familie. 

Aus  der  Geschichte  dieser  unverheirateten  Frau  können 
wir,  auch  ohne  andere  ähnliche  Beispiele  anzuführen,  nützliche 
Lehren  ziehen.  Vor  allem,  dass  eine  Frau  einen  Bart  im  Ge- 
sicht, kräftige  Glieder  mit  einer  Muskelthätigkeit,  wie  sie 
Männern  eigen  ist,  Abneigung  gegen  die  Ehe  und  geistige 
Fähigkeit  zeigen,  und  doch  eine  zahlreiche  Familie  geschickt 
leiten  kann,  obgleich  ihre  Grösse  geringer  ist  als  das  arithmetische 
Mittel  der  Frauen  von  Bologna  (1549  mm).  Man  kann  also  in 
diesem  Falle  nicht  von  Makrosomie  sprechen,  sondern  muss 
die  absolute,  allgemeine  Wichtigkeit  derselben  verwerfen,  doch 


—    163    — 

bleiben  noch  die  anderen,  von  Wrisberg  angegebenen  Haupt- 
charaktere  der  Viragines  übrig.  Die  zweite  Lehre  besteht 
darin,  dass  diese  Frau  in  Bezug  auf  die  Grösse  ein  Beispiel 
von  naher,  wenn  auch  nur  teilweiser  Vererbung  darbietet,  denn 
sie  hatte  nur  einen  kleinen  Vater  mit  schwarzen  Haaren,  und 
die  drei  jüngeren  Brüder  waren  für  ihr  Greschlecht  ebenfalls 
klein  (5  cm  unter  dem  arithmetischen  Mittel),  ohne  von  anderen 
Eigenschaften  von  geringerer  Wichtigkeit  zu  sprechen.  So 
kann  auch  die  direkte  Vererbung  merkliche  Unterschiede 
zwischen  den  Brüdern  aufweisen,  und  es  können  Charaktere 
der  Virago  ohne  Makrosomie  vorkommen. 

Wenn  man  die  Makrosomie  bei  Frauen  feststellen  will,  die 
zum  Invirilismus  gehören,  muss  man  zur  persönlichen  Anthro- 
pometrie  seine  Zuflucht  nehmen,  also  zu  der  Körpergrösse  einer 
grösseren  Zahl  derselben,  um  sie  mit  der  gewöhnlichen  Statur 
anderer  Weiber  derselben  Gegend  zu  vergleichen.  Leider 
kennen  wir  die  Grösse  der  invirilierten  nicht,  und  noch  weniger 
die  derjenigen,  die  es  nicht  sind.  Unter  diesen  giebt  es  jedoch 
eine  Ausnahme,  denn  60  Frauen  von  Bologna  wurden  im  Jahre 
1881  von  meinem  früheren  Assistenten  Dr.  Peli  gemessen. 
Aus  diesen  Messungen  entnehmen  wir,  dass  die  mittlere  arith- 
metische Grösse  1549  mm  beträgt i)  und  nur  selten  die  des 
Mannes  erreicht.  Wir  übergehen  hier  die  ausnahmsweisen 
Maximalgrössen,  die  sich  am  häufigsten  bei  krankhaften  Kon- 
stitutionen finden,  und  von  denen  wir  ein  Beispiel  bei  der  183  cm 
grossen  Frau  angeführt  haben. 

Wenn  wir  die  im  allgemeinen  über  den  Gigantismus  ge- 
machten Studien  betrachten,  können  wir  wahrnehmen,  dass  der- 

^)  Gius.  Peli,  Delle  misure  del  corpo  nei  bolognesi  etc.  —  Mem. 
della  E.  Accad.  delle  sc.  del  istit.  di  Bologna,  1881.  Ser.  4,  T.  II,  p.  421. 
—  Taruffi,  Storia  della  Teratologia,  Bologna,  1880.  T.  V,  p.  363,  364 
e  434.  —  Wir  haben  in  der  Vergangenheit  die  physiologische  Grösse  der 
anthropologisch  bekannten  Völker  in  drei  Gruppen  geteilt:  kleinste,  mittlere 
und  grösste.  Die  kleinste  Statur,  die  der  Buschmänner,  schwankt  zwischen 
1350  und  1400  mm.  Die  unter  diesem  Mass  stehenden  haben  wir  Zwerge 
oder  Mikrosomen  genannt.  Die  mittlere  Grösse  der  Weiber  wurde  von 
Dr.  Peli  an  60  Frauenleichen  gemessen;  daraus  folgt,  dass  die  beiden 
äussersten  Zahlen  1445  und  1670  mm  betragen ,  das  Mittel  also  1549,  das 
Maximum  1670.  Man  muss  also  in  Bologna  über  1670  mm  grosse  Weiber 
als  riesig  betrachten,  während  sie  um  276  mm  kleiner  sind,  als  das  Maximum 
der  Männer  (1946  mm). 

11* 


—    164    — 

selbe  niclit  einen  gleicMörmigen  Typus  mit  gleichen  Zuständen 
und  gleichen  Gelegenheitsursachen  darstellt,  und  darum  wurden 
schon  einige  besonders  deutliche  Varietäten  unterschieden,  z.  B. 
die  athletische,  die  schlanke  Makrosomie,  die  Akromegalie  mit 
Degeneration  der  Glandula  pituitaria,  etc.  Neuerlich  haben  die 
Geburtshelfer  beobachtet,  dass  die  meisten  sterilen  Frauen  von 
hoher  oder  junonischer  Gestalt  sind,  während  die  mittelgrossen 
oft  erstaunliche  Fruchtbarkeit  zeigen  i).  In  Bezug  auf  die  inviri- 
lierten  Weiber  können  wir  schliessen,  dass  auch  die  bei  ihnen 
vorkommende  Makrosomie  ihre  Varietäten  hat,  sowohl  in  Bezug 
auf  den  Grad  und  die  Qualität,  als  auf  die  Übereinstimmung 
ihrer  Attribute,  und  wir  schliessen  besonders  die  schlanke  Ma- 
krosomie aus,  die  bei  Frauen  mit  dem  Aussehen  von  Viragines 
häufig  vorkommt.  .  Aber  wir  wiederholen  es,  dass  es  an  Beob- 
achtungen fehlt,  um  einen  numerischen  Vergleich  zwischen 
jenen  Graden  anzustellen.  Aus  den  an  den  Bologneser  Frauen 
genommenen  Massen  können  wir  schliessen,  dass  die  168  cm 
hohe  Frau  (Note  1,  Beob.  3)  über  dem  arithmetischen  Mittel 
steht,  aber  das  Maximum  nicht  erreicht. 

Kapitel  III.     Einfache  Hypertrichosis  bei  dem  Weibe. 

Man  hat  immer  gewusst,  dass  Frauen  im  Alter  bisweilen 
Haare  an  der  Oberlippe  und  am  Kinn  zeigen,  und  auch  Aristo- 
teles erwähnt  es,  indem  er  bemerkt,  dass  dies  mit  dem  Auf- 
hören der  Menstruation  eintritt^).  Diese  Erscheinung  ist  jedoch 
zu  gewöhnlich  und  unschädlich  und  beeinträchtigt  nur  die 
weibliche  Schönheit,  so  dass  wenige  Ärzte  sich  damit  beschäftigt 
haben.  Nur  vereinzelte  Geschichtschreiber  und  die  Chronisten 
haben  einige  merkwürdige  Fälle  erwähnt,  die  von  Licetus^) 
und  Aldrovandi  (Note  2,  Beob.  2)  gesammelt  worden  sind. 
Während  der  Eenaissance  haben  einige  Arzte  weitere  Beob- 
achtungen von  behaarten  Weibern  veröffentlicht,  die  an  Einzel- 
heiten und  ätiologischen  Untersuchungen  sehr  arm  und  von 
späteren  Autoren  bis  zu  unserer  Zeit  wiederholt  worden  sind 

^)  Prof.  G.  E.  Curatulo  und  Dr.  L.  Tarulli.  La  secrezione  interna 
delle  ovaie.    Eom,  1896,  p.  69. 

^)  Aristoteles,  Historia  animalium,  L.  III,  Cp.  11,  lin.  35.  Interpr. 
Theod.  Gaza. 

^)  Fortun.  Licetus,   De  Monstris.    Amstelodami,  1665.    Cap.   45. 


—    165    — 

(Stricker,  v.  Siebold  [Note  2,  Beob.  35]  und  F.  Rotlie)i), 
ohne  jedoch  eine  Zahl  anzugeben,  die  auf  die  wahrscheinliche 
Häufigkeit  der  Hypertrichose  oder  auf  die  sie  begünstigenden 
Umstände  zu  schliessen  erlaubte. 

Häufigkeit.  Von  den  von  den  Bibliophilen  angeführten 
Fällen  ist  es  uns  gelungen,  nur  56  zusammenzustellen,  die  von 
einigen  Nachrichten  begleitet  sind  (ohne  die  von  uns  zufällig 
angetroffenen  zu  zählen);  aber  nicht  alle  befriedigen  die  Be- 
dürfnisse der  Wissenschaft.  Zum  Beispiel  wäre  es  von  nicht 
geringer  Wichtigkeit,  die  Häufigkeit  der  Fälle  von  angeborener 
Hypertrichose  zu  kennen,  ferner  der  zwischen  dem  Erscheinen 
und  Verschwinden  der  Menstruation  aufgetretenen,  und  endlich 
das  Alter  der  Weiber  zu  erfahren,  bei  denen  Hypertrichose  be- 
standen hat.  Ebenso  wichtig  ist  die  Kenntnis  der  früheren, 
gleichzeitigen  und  sekundären  Zustände  des  Haarwuchses.  Wir 
können  diese  Fragen  wegen  Mangelhaftigkeit  der  Dokumente 
nicht  genügend  beantworten.  Wir  können  ähnliche  Fälle  von 
pathologischem  Ursprung  von  den  teratologischen  absondern, 
welche  Frauen  beleidigen,  die  Viragines,  von  uns  invirilitische 
und  neuerdings  von  Brandt  arrhenoide  genannt  worden  sind^). 
Dieser  Ausdruck  ist  für  Tiere  vorzuziehen,  denn  er  bedeutet 
einem  Manne  „ähnlich",  aber  schliesst  die  Idee  der  Frau 
nicht  ein. 

Einer  dieser  pathologischen  Ausschläge  ist  der  Naevus 
pilosus,  denn  hier  handelt  es  sich  nicht  bloss  um  behaarte 
Flecken,  sondern  um  eine  Hautkrankheit,  die  durch  dunkle 
Pigmentierung,  Hypoplasie  der  Gefässhäute  und  des  Chorions, 
bisweilen  in  warziger  Form  charakterisiert  wird.  Diese  Flecken 
sind  bald  vereinzelt  und  ziemlich  gross,  bald  mehr  oder  weniger 
klein,  meist  zahlreich,  über  den  Rumpf  und  die  Beine  zerstreut. 
Sie  finden  sich  sowohl  bei  dem  Weibe,  als  beim  Manne.  Wir 
haben  hier  das  seltene  Beispiel  eines  Naevus  am  Arm  eines 
Mannes  angeführt  (Note  2,  Beob.  7)  und  ein  anderes,  sehr 
seltenes,  im  Gesicht,   das  wir  im  Museum  aufbewahren  (Präp. 


^)  F.  Eothe,  Untersuchungen  über  die  Behaarung  der  Frauen.  Diss. 
Berün,  1894. 

2)  A.  Brandt,  (Prof.  in  Charkow),  Ueber  die  Arrhenoidie  in  ihrer 
Beziehung  zum  Herrn aphrodismus.  Zeitschr.  für  wiss.  Zool.  1896,  Bd.  48, 
p.  175. 


—    166    — 

No.  1545).  Diese  wenigen  anatomischen  Beispiele  genügen,  um 
die  Hanptunterschiede  zwischen  der  teratologischeu  Hypcr- 
trichosis  und  den  Muttermalen  zu  kennzeichnen,  letztere  wer- 
den von  den  Dermatologen  mit  Recht  als  Hypertrophien  des 
Pigments  betrachtet.  Daher  streichen  wir  aus  der  Zahl  der 
ersteren  diese  Flecken,  die  zu  den  Naevi  pilosi  gehören  (Beob. 
15,  18,  25,  34,  37)1),  obgleich  sie  von  grosser  klinischer  Wichtig- 
keit sind,  indem  Frauen  kurz  nach  der  Hochzeit  zur  Scheidung 
genötigt  worden  sind. 

Eine  andere  Gruppe  von  Fällen  von  Hypertrichose  wird 
charakterisiert  durch  ein  haariges  Chioma  an  einer  Stelle,  die 
man  heterotopisch  nennen  kann  im  Vergleich  mit  dem  normalen 
Sitze  der  Haare,  nämlich  in  der  Sacro-Lumbargegend,  und  dies 
findet  sich  bei  beiden  Geschlechtern.  Diese  Missbildung  ist  mit 
Recht  Spina  bifida  occulta  genannt  worden  (Cripto-mero-schisi 
Taruffi)2),  Sie  ist  von  Virchow  im  Jahre  1875  und  von 
Rizzoli  im  Jahre  1877  s)  ausführlich  beschrieben,  der  sie  deut- 
lich darstellte,  und  dann  von  anderen  geschildert  worden.  Im 
Jahre  1891  fügten  wir  den  zwölf  in  der  Litteratur  gesammelten 
einen  neuen  Fall  hinzu,  und  von  da  an  waren  wir  überzeugt, 
dass  die  Hypertrichose  in  diesem  Falle  eine  zusammengesetzte 
Erscheinung  ist,  die  wohl  sekundär  auf  Spina  bifida  folgt,  und 
rechneten  sie  nicht  zu  der  einfachen  Hypertrichose,  denn  diese 
pflegt  bei  Männern  nicht  ausserhalb  der  Gegenden  vorzukommen, 
die  für  die  Haare  bestimmt  sind.  Daher  konnte  man,  wie 
Realdo  Colombo  bemerkt,  keine  Behaarung  an  der  Fusssohle 
und  an  der  Handfläche  sehen  (Note  2,  Beob.  2)  und  ebenso- 
wenig in  der  Lumbo-Sakralgegend. 

Nachdem  wir  die  Zahl  unserer  Beobachtungen  auf  51  be- 
schränkt haben,  können  wir  versichern,  dass  diese  in  vier  Jahr- 
hunderten zusammengebrachte  Zahl  keine  richtige  Vorstellung 
von  der  Häuflgkeit  der  einfachen  Hypertrichose  giebt,  denn  es 


^)  H.  Hildebrand,  Ueber  abnorme  Haarbildung  bei  Menschen.  Schriften 
d.  phys.-ökon.  Ges.   Jahrg.  XIX.  Kgsb.,  1877.    M.  2  Abb. 

2)  C.  Taruffi,  Storia  della  teratologia,  T.  VI,  p.  244.  —  Spina 
bifida  occulta.     Bologna,  1891. 

^)  Fr.  Eizzoli,  Tumore  idro-rachidiano  congenito  alla  regione  lom- 
bare  a  guisa  di  coda  formata  da  una  lunga  chioma,  curato  e  guarito.  Bollet. 
delle  sc.  mediche.    Bologna,  1877.    Vol.  XXIII,  p.  401.    Con  figura. 


—    167    — 

genügt  zu  sagen,  dass  neuerlicli  ein  einziger  Spezialist  mit 
Elektrolyse  110  Kranke  an  diesem  Übel  behandelt  hati).  Aus 
unseren  51  FäUen  können  wir  jedoch  durch  Analogie  entnehmen, 
welche  Lebensalter  am  meisten  von  der  Affektion  betroffen 
wurden ;  sie  erlauben  nämlich,  wenn  nicht  das  wirkliche  Alter, 
so  doch  jenes  festzustellen,  in  dem  deri^rzt  das  Hautleiden  unter- 
sucht hat,  und  auf  diese  Weise  wenigstens  die  Fälle  zu  unter- 
scheiden, die  vor  oder  nach  der  Menstruation,  und  auch 
nach  dem  Ende  der  Menstruation  vorgekommen  sind. 
Diese  Methode  ist  das  Mittel,  das  uns  erlaubt,  ein  Re- 
sultat zu  erhalten,  sobald  wir  die  von  den  Physiologen  an- 
gegebenen Data  annehmen,  nämlich  das  mittlere  iVlter  des 
Eintritts  der  Menstruation  zwischen  dem  14.  und  16.  Jahre, 
und  ihre  Dauer  von  30  Jahren,  also  bis  zum  45.  Jahre  (Zawer- 
thal)2).  Wir  wissen  wohl,  dass  sie  in  manchen  Fällen  früher 
oder  später  eintritt,  als  in  diesem  mittleren  Alter.  Es  genügt 
hier  an  den  Fall  von  Lesser  zu  erinnern,  betreffend  ein  Kind 
von  3  Jahren  mit  allgemeiner  Hj^pertrichose,  reifen  Geschlechts- 
teilen und  ziemlich   entwickelten  Brüsteu    (Note  2,  Beob.  48). 

Die  über  die  Dauer  der  Menstruation  gegebenen  Mittel- 
zahlen stimmen  nicht  mit  den  bei  anderen  europäischen  Frauen 
gefundenen  überein;  wir  erwähnen  hier  die  von  Winckel^)  bei 
deutschen  Frauen  erhaltenen  Zahlen.  Er  sagt,  die  Menstruation 
beginne  im  Mittel  mit  15  Jahren  und  höre  im  Alter  von 
48  Jahren  auf,  dauere  also  33  Jahre.  Er  erwähnt  auch,  dass 
L.  Mayer  in  seiner  Statistik  angiebt,  wenn  bei  den  deutschen 
Frauen  die  Menstruation  verfrüht  eintrete,  sie  länger  dauere, 
als  wenn  sie  später  erscheint;  er  stellt  folgende  Proportion  auf: 
33  :  6  =  27  :  3  Jahren.  Aber  wie  auch  die  Endpunkte  liegen, 
es  giebt  überall  drei  Perioden:  eine  anti-menstruale,  eine  inter- 
menstruale  und  eine  post-menstruale :   die  der  Menopause. 

Wenn  wir  die  in  unserer  Note  2  angeführten  Fälle  be- 
trachten, finden  wir  16  Fälle  vor  der  Menstruation,  die  wieder 


^)  L.  Brorq,  Cent-dix  malades  atteints  d'Hypertrichosis ,  traites  par 
l'electrolyse.    Ann.  de  dermatol.  1897.     No.  8,  9. 

2)  Zawerthal,  Enciclopedia  medica  italiana.  Art.  Mestruazione. 
MUano,  Aprile  1863,  p.  583. 

^)  Win  ekel,  (Prof.  in.  Münclien) ,  Lehrbuch  der  Frauenkrankheiten. 
Leipzig,  1886,  p.  547. 


—    168    — 

unterschieden  werden  können  in  drei  Fälle  bei  Neugeborenen 
(Beob.  13,  20,  22),  in  vier  von  2  bis  3  Jahren  (Beob.  18,  39, 
48,  51),  in  sechs  von  6  bis  13  Jahren  (Beob.  7,  8,  26,  27,  40, 
42  und  44)  und  endlich  drei  Fälle,  bei  denen  sich  das  Alter 
nicht  bestimmen  lässt  (Beob.  10,  13,  16).  "Wenn  man  nun 
fragt,  ob  unsere  erste  Gruppe  von  anti-menstrualer  Hyper- 
trichose auch  für  angeboren  gelten  könne,  antworten  wir,  dass 
wir  es  zum  Teil  annehmen  können,  da  wir  schon  drei  Beob- 
achtungen angeführt  haben.  Erstlich  ist  die  Sache  niemals 
bezweifelt  worden;  schon  im  Jahre  1557  hat  Lycosthenes^) 
einen  ähnlichen  Fall  berichtet,  der  dann  von  den  Chronisten 
des  16.  u.  17.  Jahrhunderts  2)  wiederholt  wird.  Unter  diesen  hat  es 
nicht  an  solchen  gefehlt,  die  ohne  deutlichen  Grund  die  Er- 
zählung der  Thatsache  abgeändert  haben.  Bei  den  anderen  13 
Fällen  ist  der  genannte  Ursprung  nur  virtuell,  denn  man  weiss,  dass 
die  Haarkeime  im  dritten  Monate  des  embryonalen  Lebens  in 
der  Haut  erscheinen,  und  dass  man  an  seinem  Ende  einen 
leichten  Flaum  und  einen  talgartigen  Überzug  erkennt,  und  dass 
die  Haarwurzeln  später  auswachsen  können.  So  erklärt  es  sich, 
dass  die  Hypertrichose  sich  bisweilen  vor  der  Menstruation, 
bisweilen  später  entwickeln  kann,  und  dass  das  Wachstum  auch 
erblich  sein  kann.  Beispiele  wurden  angeführt  von  Aldro- 
vandi,  Gatta,  Beigel  und  Ecker  (Beob.  3,  15,  25,  36). 

Wenn  das  Wachstum  der  Haare  bei  dem  Weibe  Hyper- 
trichose hervorbringt  (und  ebenso  bei  dem  Manne),  findet  sie 
bald   auf  diffuse,  bald  auf  umschriebene  Weise  statt.     Es  ist 


1)  Conr.  Lycosthenes,  Rubeaquensis ,  Chronicon  prodigiorum  ac 
Ostentoriim,  Basileae ,  1557,  p.  445.  Der  Autor  sagt:  „In  Martini  qnarti 
Papae  pontificatu  es  illustri  quadam  foemina  pontificis  necessaria,  natus  est 
puer  villosus  et  in  speciem  nrsi  nnguiculis  armatus,  quo  monstrifico  partu 
permotus  pontifex  omnes  ursorum  imagines,  quae  forte  in  ejus  domo  fuerunt, 
jussit  deleri,  manifesto  argumento  receptae  ab  ea  imaginationis  in  conceptu". 
Vgl.  Welsenburg,  Das  Versehen  der  Frauen.  Leipz.,  1899,  p.  24.  — 
Die  Lanugo  der  Neugeborenen  ist  bekannt  genug  und  wird  auch  bei  Tieren 
angenommen. 

2)  Licetus  Fortunatus,  De  monstris.  Patavii,  1634,  p.  149.  — 
Er  führte  Lycosthenes  an  unter  dem  Namen  Rubeaquensis,  seiner  Vater- 
stadt. Der  Fall  ist  wahrscheinlich  derselbe,  den  Turner  anführt  (Note  2, 
Beob.  13),  bei  dem  der  Name  und  die  Verwandtschaft  des  Papstes  ganz 
falsch  angegeben  sind. 


—    169    — 

kein  Zweifel,  dass  das  diffuse  Wachstum  im  allgemeinen  bei 
Kindern  vorkommt,  also  in  der  vormenstrualen  Periode,  und 
dies  lässt  vermuten,  dass  die  Neubildung  der  Haarscheide  eine 
Folge  der  Umbildung'  des  fötalen  Flaums  ist.  In  der  späteren 
Periode  beobachtet  man  dagegen  gewöhnlich  das  umschriebene 
Wachstum,  und  als  Ausnahme  kennen  wir  nur  den  Fall  von 
Realdo  Colombo,  der  einen  ganz  mit  Haaren  bedeckten 
Spanier  sah,  mit  Ausnahme  des  Gesichts  und  der  Hände,  und 
den  von  Velsch  von  einem  Mädchen,  das  ausser  dem  Körper 
auch  das  Gesicht  mit  blonden  Haaren  bedeckt  zeigte. 

Wenn  wir  nun  zu  der  post-menstrualen  Hypertrichose 
kommen,  so  ist  diese  meistens  umschrieben  und  vorzüglich  auf 
das  Gesicht  beschränkt,  von  dem  sie  sich  bisweilen  auf  das 
Sternum  (Beob.  4,  6,  53),  selten  auf  die  Arme  (Beob.  38,  43), 
auf  den  Eücken  (Beob.  31)  und  endlich  auf  die  Geschlechts- 
teile mit  Hypertrophie  derselben  ausbreitet  (Beob.  19,  49).  Das 
Gesicht  ist  also  die  Anfangsstelle,  wo  das  Wachstum  bisweilen 
die  grösste  Verbreitung  zeigt,  so  dass  es  ganz  mit  langen, 
rauhen  Haaren  bedeckt  erscheint,  wie  der  Kopf  eines  Affen 
oder  Hundes  (Beob.  28,  29).  Dies  hat  Gelegenheit  zu  einem 
trefflichen  Werkchen  gegeben,  mit  dem  Ecker  im  Jahre  1878 
Theodor  v.  Siebold  zu  seinem  Doktorjubiläum  beglückwünschte, 
worin  treue  Abbildungen  der  auffallendsten  Typen  von  be- 
haarten Männern  und  Weibern  dargestellt  sindi). 

Eine  nicht  unwichtige  Frage  betrifft  das  Verhältnis  zwischen 
Hypertrichose  und  Menstruation,  obgleich  die  Dokumente  zahl- 
reich sind.  Wir  haben  schon  gesehen,  dass  die  Hypertrichose 
häufig  vor  der  Pubertät  vorkommt,  also  wenn  die  Menstruation 
bei  dem  Weibe  weder  angefangen,  noch  vollständig  ist,  und 
daraus  geschlossen,  dass  ein  gleiches  Wachstum  sich  auch  nach  der 
Menstruation  fortsetzt;  hier  bemerken  wir,  dass  es  als  seltene 
Ausnahme  auch  während  der  Amenorrhoe  auftreten  kann, 
also  wenn  die  Menses  nach  der  Pubertät  nicht  erscheinen 
(Beob.  12,  16,  29,  53).  Dagegen  kann  die  periodische  Blutung 
durch  vielerlei  Ursachen  unterdrückt  werden.  Eine  erste  Be- 
obachtung wurde  von  Zacchia  im  Jahre  1661  bei  einer  30jähr- 


^)   A.   Ecker,   Über    abnorme   Behaarung    des  Menschen.     22.  April 
1878,  Brannschweig. 


-    170    — 

igen  Frau  angeführt  (Beob.  6)^  und  wahrscheinlich  wird  mau 
in  der  These  von  Burlin  (1.  c.)  viele  andere  ähnliche  Beispiele 
finden.  Endlich  wirft  die  Häufigkeit  der  Hypertrichose  bei 
älteren  Weibern  die  Frage  auf,  ob  die  schon  eingetretene 
Amenorrhoe  eine  gleichzeitige,  durch  das  Alter  bewirkte  Er- 
scheinung ist,  oder  die  Ursache  des  Haarwachstums.  Wir 
glauben  nicht,  dass  sie  die  Ursache  des  Wachstums  ist,  son- 
dern nur  eine  Begleiterscheinung  zu  dem  konstitutionellen  Zu- 
stande einiger  Frauen,  bei  denen  der  venöse  Kreislauf  lang- 
samer wird,  während  die  Haarbälge,  die  keine  Rückbildung 
erfahren  haben,  weiter  wachsen  können. 

Wenn  man  die  Litteratur  ausführlicher  und  gründlicher 
durchsucht,  als  wir  es  thun  konnten,  wird  man  ohne  Zweifel 
Fälle  finden,  bei  denen  dem  Auftreten  der  Hypertrichose  Um- 
stände vorhergingen,  oder  mit  ihr  gleichzeitig  erschienen,  die 
von  der  Menstruation  unabhängig  waren.  Wir  aber  kennen  nur 
drei  seltsame,  für  jetzt  unerklärliche  Fälle.  Der  eine  ist  von 
Turner  (Beob.  23),  der  eine  Frau  sich  in  3  Wochen  mit 
weichem  Flaum  bedecken  sah,  während  sie  an  Brustkrebs  litt. 
Der  zweite  Fall  rührt  von  Brand  her  (Beob.  52)  und  betrifft 
eine  Ehefrau,  die  nach  einer  Geburt  zwei  Monate  lang  an  Metro- 
Peritonitis  krank  lag.  Unterdessen  begannen  auf  dem  Ab- 
domen Haare  zu  erscheinen,  die  sich  bis  auf  die  Glieder  ver- 
breiteten. Später  hatte  sie  einen  Abortus,  und  darauf  folgte 
Sterilität.  Der  dritte  Fall  wurde  von  Zerubin  beschrieben; 
er  ist  ebenso  dunkel  wie  die  vorigen  und  wird  besser  seine 
Stelle  finden,  wenn  wir  von  der  Elephantiasis  der  Clitoris 
sprechen.  Über  den  Fall  von  Brand  ist  zu  bemerken,  dass  er 
seine  Beobachtung  überschrieben  hat:  „Eine  Virago",  was  nach 
dem  Verf.  dasselbe  bedeutet,  wie  „ein  Weib  ohne  andere  Eigen- 
tümlichkeit als  Hypertrichose".  Aber  wir  bemerken,  dass  dieser 
Charakter  allein  eine  sehr  unvollkommene  Idee  von  einer  Virago 
giebt,  derWrisberg,  wie  wir  gezeigt  haben,  10  Charaktere 
zuschrieb;  man  könnte  sie  also  höchstens  eine  Pseudo-Virago 
nennen. 

Wir  wollen  einige  Beispiele  von  nicht  riesenhaften  Vira- 
gines  anführen.  Lanzoni  erzählt,  eine  bärtige  Frau  sei  immer 
amenorrhoisch  und  steril  gewesen,  habe  einen  männlichen  Tho- 
rax und  keine  Brüste  gehabt  (Beob.  12).   In  diesem  Falle  waren 


—    171    — 

nach  unserer  Meinung  zwei  Eigenschaften  hinreichend,  um  In- 
virilismus  anzunehmen.  Ein  anderes  dem  vorigen  sehr  ähn- 
liches Beispiel  wird  von  Jablonsky  geliefert  (Beob.  53),  mit 
dem  Unterschiede,  dass  dieses  Weib  rudimentäre  Brüste  hatte 
und  ihre  Clitoris  3  cm  lang  war.  Ausserdem  spricht  der  Autor 
von  männlichem  Habitus.  Einen  ähnlichen  Fall,  ausserdem  mit 
Hypertrophie  der  Clitoris  und  männlichem  Habitus  werden  wir 
bei  der  Elephantiasis  jenes  Organs  erwähnen.  Wer  die  Mittel 
besitzt,  andere  Geschichten  vollständig  durchzulesen,  kann  die 
Beispiele  von  Viragines  ins  unendliche  vermehren. 

Statt  die  passendste  Ausdehnung  des  Wortes  Virago  zu 
besprechen,  wollen  wir  lieber  auf  eine  wichtigere  Untersuchung 
eingehen,  die  bis  jetzt  nicht  erschöpft  ist.  Wir  meinen  die 
Thatsache,  dass  mit  der  Hypertrichose  oft  ein  abnormer  Zustand 
der  Zähne  und  des  Unterkiefers  verbunden  ist.  Darwin  er- 
zählt, eine  spanische  Tänzerin,  Namens  Julia  Pastrana,  habe 
eine  behaarte  Stirn  und  dichten  Bart  gehabt  und  ausserdem 
im  Ober-  und  Unterkiefer  eine  doppelte  Eeihe  von  Zähnen. 
Ein  Zahnarzt  bildete  die  Form  des  Mundes  nach.  Ausserdem 
bemerkte  Darwin,  dass  das  G-esicht  stark  prognat  und  dem 
der  haarlosen  Hände  ähnlich  seii).  Magitot  (Nota  II,  ibid.) 
bemerkte  dagegen  im  Jahre  1878,  als  er  diese  Kinnlade  im 
Profil  betrachtete,  die  Hypertrophie  des  Alveolarrandes,  der 
den  Prognatismus  vermehrte,  und  behauptete,  es  sei  nur  eine 
Zahnreihe  vorhanden.  Mit  Übergehung  dieses  Streits  beobach- 
tete Beigel  an  zwei  Zwillingen  mit  Hypertrichose  Fehler  an  den 
Spitz-  und  Backzähnen  (N.  2,  Beob.  25).  Ferner  fand  Fürst 
Hypertrophie  des  Unterkiefers  (N.  II,  Beob.  41);  Parreidt 
(Beob.  46)  bestätigte  die  Häufigkeit  der  Missbildungen  der  Zähne, 
und  endlich  Mechelson  (Beob.  44)  brachte  22  Fälle  zusammen, 
und  fand,  dass  bei  12  Anomalien  der  Zähne  vorhanden  waren. 
Die  Untersuchung  über  den  teratologischen  Ursprung  der  Miss- 
bildungen bleibt  also  noch  unentschieden. 

Wir  verzichten  auf  diese  Untersuchung  und  fähren  noch 
andere  Komplikationen  an,  die  jedoch  im  allgemeinen  so  selten 
sind,    dass   sie   keine   Beziehung   zur  Hypertrichose   zulassen; 


^)  Ch.  Darwin,  On  the  origin  of  species  by  means  of  natural  selection. 
London,  1859,  T.  II,  Paris  1868,  T.  TI,  p.  340. 


—    172    — 

daher  wollen  wir  sie  vorläufig  verhältnismässig  zufällige  Kom- 
plikationen nennen.  Unter  46  Fällen  hahen  wir  zweimal  in 
der  ersten  Kindheit  beginnende  Elephantiasis  der  äusseren  Ge- 
schlechtsteile angetroffen,  und  im  zweiten  dieser  Fälle  fing  die 
Menstruation  im  3.  Lebensjahre  an  (Beob.  20,  48).  Kur  einmal 
fanden  wir  Elephantiasis  der  Clitoris  (Beob.  53),  aber  im 
folgenden  Kapitel  werden  wir  sehen,  dass  diese  Anomalie 
ziemlich  häufig  ist,  bald  allein,  bald  in  Begleitung  von  ver- 
schiedenen Zuständen.  Noch  seltenere  Fälle  sind  als  Kom- 
plikation der  Hypertrichose  bei  einem  3  jährigen  Mädchen  ein 
sehr  deutlicher  Zwischenkieferknochen  (Beob.  45);  Mikrocephalie 
bei  einem  12  jährigen  (Beob.  28);  Hypospadie  bei  einem  12 jäh- 
rigen Mädchen  (Beob.  50)  und  Geschlechtsinversion  in  mehreren 
FäUen  (Beob.  42). 

Aus  der  Prüfung  der  angeführten  Thatsachen  folgt,  dass 
weder  Makrosomie,  noch  Hypertrichose  Charaktere  sind,  die 
für  sich  allein  genommen,  als  wesentlich  und  ausschliesslich 
für  den  Invirilismus  betrachtet  werden  können,  denn  der  eine 
oder  der  andere,  oder  beide  können  fehlen,  und  dennoch  können 
Frauen  aus  anderen  Gründen,  die  wir  weiterhin  vorbringen 
werden,  als  Viragines  zu  betrachten  sein.  Aber  die  Körper- 
rösse,  auch  wenn  sie  sehr  bedeutend  ist,  hat  keinen  grossen 
Wert,  wenn  der  Habitus  der  Frau  nicht  mit  ihr  übereinstimmt. 
Dasselbe  lässt  sich  von  der  Hypertrichose  sagen,  die  an  be- 
stimmten Stellen  vorkommen  und  von  bestimmten  Charakteren 
begleitet  sein  muss,  um  von  Invirilismus  reden  zu  kön- 
nen. Was  den  Vorgang  bei  der  Hypertrichose  betrifft,  so 
hat  man  bald  erkannt,  dass  die  Haare  in  der  Kindheit  den 
Charakter  des  Flaums  haben,  später  struppig  werden  und 
sich  in  die  genannten  Gegenden  verbreiten.  Über  das  Wachs- 
tum sagte  schon  Ecker  (1.  c),  der  Vorgang  sei  eine  Wieder- 
holung dessen,  was  nach  der  Geburt  geschieht,  und  die  Hyper- 
trichose unterscheide  sich  davon  nur  durch  die  Zeit,  die  Aus- 
dehnung und  durch  die  Menge  der  Haare,  die  hervorwachsen, 
während  die  Haut  normal  bleibt. 

Nicht  alle  Gelehrten  begnügten  sich  damit,  ihre  Unter- 
suchungen auf  den  Bildungsprozess  der  überzähligen  Haare  zu 
beschränken,  sondern  wollten  ihre  Forschungen  bis  zu  ihrem 
ersten  Ursprünge  fortsetzen.     Darwin  war  es,  der  die  anderen 


—    173    — 

an  Külinheit  übertraf,  denn  er  lässt  den  Menschen  von  behaarten 
Tieren  abstammen  und  betrachtet  den  Bart  als  ein  atavistisches 
Überbleibsel.  Da  dieser  nun  der  Frau  fehlt,  meint  er,  sie  habe 
die  Behaarung  früher  verloren  als  der  Mann  und  betrachtet  die 
Viragines  als  ein  atavistisches  Überbleibsel. 

Bei  den  Weibchen  der  Vögel  können  Arrhenoide  entstehen 
(diesen  Namen  gebraucht  Brandt,  um  männliche  Charaktere 
bei  Weibchen  zu  bezeichnen)  durch  Exstirpation  der  Ovarien 
oder  blosse  Verletzung  des  Ovidukts,  aber  beim  Weibe  ist  dies 
noch  nicht  sicher  beobachtet  worden.  Schon  im  J.  1567  sagte 
Zacchiai),  bei  Frauen  sei  die  Verstümmelung  niemals  gefunden 
worden,  und  jetzt  kann  man  sagen,  dass  sie  vor  der  Pubertät 
niemals  ausgeführt  worden  ist. 

Brandt  begnügt  sich  damit,  das  Auftreten  der  Behaarung 
im  Gresicht  des  Mannes  als  eine  geschlechtliche  Zierde  zu  be- 
trachten, ähnlich  der  Mähne  des  Löwen,  den  Geweihen  des 
Hirsches,  den  Sporen,  Kämmen  und  Zierfedern  der  Vögel,  die 
auch  bei  Weibchen  vorkommen  können,  wenn  auch  schwächer 
als  bei  den  Männchen,  wie  bei  den  Hühnern  mit  Hahnenfedern ; 
bei  alten  Kenntierweibchen  zeigen  sich  Geweihe,  und  bei  den 
Menschen  kann  man  die  Viragines  als  ein  ähnliches  Beispiel 
betrachten.  Diese  Lehre  zeigt  die  Analogie  der  sekundären 
Erscheinungen  bei  beiden  Geschlechtern  in  verschiedenen  Tier- 
klassen, befriedigt  aber  die  Teratogenese  bei  weitem  nicht. 
Trotzdem  nimmt  der  Verf.  die  alte  Meinung  an,  dass  das  Auf- 
treten eines  Schnurrbarts  und  selbst  eines  starken,  borsten- 
artigen Bartes  bei  alten  Weibern  von  dem  Eintritt  des  kritischen 
Alters  herrührt  und  ohne  Zweifel  mit  dem  Aufhören  der  Funktion 
des  Ovariums  zusammenhängt. 

Kap.  4.    Über  Elephantiasis  der  Clitoris. 

Die  Elephantiasis  der  Clitoris  hat  die  Aufmerksamkeit  der 
Ärzte,  der  Renaissance  auf  sich  gezogen.  Varolio  (Bologna) 
(Note  3,  Beob.  2)  teilte  im  J.  1591  mit,  die  Clitoris  erreiche 
bisweilen  die  Grösse  des  Penis,  sei  nicht  durchbohrt,  aber  fähig, 


^)  P  aiil  Zacchia,  Quaestionum  medico-legalium  etc.    Lugduni,  1567, 
T.  1,  p.  184. 


—    174    — 

den  Coitus  auszuführen.  Andere  erklärten  dies  für  eine  Eigen- 
schaft der  Tribaden,  und  diese  Meinung  hat  bis  zur  Mitte  des 
19.  Jahrh.  fortbestanden.  Dagegen  stellte  Ruy seh  im  J.  1727, 
ohne  einen  Grund  anzugeben,  die  Weiber  mit  Hypertrophie  der 
Clitoris  zu  den  Hermaphroditen.  Diese  rein  theoretische  An- 
sicht lässt  vermuten,  dass  diese  Analogie  oder  besser,  dieses  Äqui- 
valent damals  bei  den  Anatomen  gebräuchlich  gewesen  ist;  es 
ist  aber  gewiss,  dass  diese  Ansicht  in  der  Teratologie  bis  zu 
diesem  Jahrhundert  in  Geltung  blieb,  wie  man  aus  dem  Werke 
von  Is.  G.  St.  Hilaire  entnimmt i). 

Bei  der  biologischen  Neubearbeitung  der  Teratologie  wurden 
Nachrichten  über  die  anatomische  Bildung  der  Hottentotten- 
weiber und  über  die  auffallende  Grösse  der  Clitoris  einiger  Affen, 
besonders  während  der  Brunst 2),  beigebracht,  und  zum  Nutzen 
der  anatomischen  Schule  entfernte  Förster  1865  alle  Anomalien 
der  Clitoris  aus  der  Klasse  des  Hermaphrodismus  und  führte 
sie  wie  die  gewöhnlichen  Alterationen  anderer  Organe  in  seiner 
pathologischen  Anatomie  auf.  Diese  Änderung  war  an  sich 
richtig,  aber  nicht,  wenn  das  Weib  ausser  der  Hypertrophie 
der  Clitoris  einige  männliche  Charaktere  zeigt,  wie  Hyper- 
trichose, die  instinktiven  und  moralischen  Neigungen  des  Mannes, 
und  wenn  der  äussere  Habitus  der  Virago  vorhanden  ist.  Daher 
hat  Wrisberg3)  die  Yergrösserung  der  Clitoris  als  einen  häufigen 
Charakter  der  Viragines  und  zum  Hermaphrodismus  gehörig 
dargestellt. 

Um  die  oben  vorgetragenen  Ideen  zu  beurteilen  und  end- 
lich zur  Aufstellung  der  Taxionomie  der  Elephantiasis  der 
Clitoris  bei  den  Viragines  zu  gelangen,  müssen  wir  voraus- 
schicken, dass  wir  unter  dem  Ausdruck  Elephantiasis  alle  Arten 
von  Affektionen  begreifen  werden,  die  dieses  Organ  auf  die 
Dauer  vergrössern.  Später  werden  wir  die  einzelnen  Beob- 
achtungen analysieren,  um  annähernd  die  Zahl,  die  Häufigkeit, 

1)  Is.  G.  St.  Hilaire,  Des  anomalies,  etc.    Paris,  1836,  T.  II,  p.  70. 

")rerd.  Pugger,  De  singulari  clitoridis  in  simiis  generis  Alelis 
magnitudine  et  conformatioiie.     Berolini,  1835,  cum  Tabula. 

^)  H.  A.  Wrisberg,  Commentationum  inedic.  etc.  Göttingae,  1800, 
Vol.  I,  p.  542 — 43.  —  „Viragines  habuerunt  characterem  et  notas  in  paucis 
tantummodo  aliquid  diversitatis  off erentes ,  f ere  omnibus  constantes :  .  .  .  . 
In  genitalibus  externis  longior  plerumque  clitoris  cernitur  admodum  pro- 
minula;  hymen  fere  nihil  diversitatis  ostendebat". 


—    175    — 

den  Ursprung  dieser  Spezies  kennen  zu  lernen,  und  auch  wo- 
möglich ihre  Wirkungen  beim  Lebenden.  Wir  beginnen  diese 
Analyse  mit  der  Hypertrophie. 

Die  einfache  Hypertrophie  ist  von  vielen  Autoren  zu 
allen  Zeiten  erwähnt  worden.  Daher  sind  wir  erstaunt, 
dass  sie  in  40  von  uns  gesammelten  Beobachtungen  nur 
12  mal  vorkommt  (Beob.  1,  3,  4,  8,  9,  10,  24,  36, 
40),  so  dass  sie  bei  weitem  nicht  so  häufig  ist,  als  man 
annahm.  Aber  wir  haben  3  Fälle  von  grossem  Interesse  ge- 
funden. Zwei  beweisen  deutlich,  dass  die  Affektion  angeboren 
sein  kann,  und  in  einem  Falle  hielt  die  Hebamme  das  Mädchen 
für  einen  Knaben  (Beob.  10).  Der  zweite  betrifft  ein  Mädchen 
von  5  Jahren;  Mason  amputierte  die  Glitoris  mit  dem  Ecraseur 
(Beob.  25).  Im  dritten  Falle,  der  von  Tulpio  erzählt  wird, 
kommt  die  Hauptwichtigkeit  der  Klinik  zu,  denn  die  Frau  ver- 
stellte ihr  eigenes  Geschlecht,  gab  sich  für  einen  Soldaten  aus 
und  lebte  dann  als  Tribade,  wofür  sie  grausam  bestraft  wurde 
(Beob.  11).  Aber  der  letzte  Fall  bleibt  dunkel,  wie  die  beiden 
anderen,  denn  wir  kennen  bis  jetzt  keinen  Umstand,  der  den 
angeborenen  Ursprung  der  Hypertrophie  begünstigt. 

Ähnliche  Fälle,  wie  der  von  Tulpio  erzählte,  wiederholten 
sich  trotz  der  grausamen  Strafen  der  Eichter,  und  wurden 
leichter  genommen,  nachdem  der  Anatom  Varolius  die  Wahr- 
scheinlichkeit der  sexuellen  Perversion  angegeben  hatte.  So 
verbreiteten  Dionis  und  Palfino  die  Meinung,  dass  also  ge- 
bildete Weiber  andere  Weiber  missbrauchten  (Note  3,  Beob. 
13,  14).  Andere  glaubten,  die  Häufigkeit  der  Hypertrophie 
hänge  von  Onanie  und  Missbrauch  des  Coitus  ab.  Im  jetzigen 
Jahrhundert  entstand  Zweifel  über  die  Häufigkeit  dieses  Lasters, 
sowie  dass  dies  die  Ursache  davon  sei,  so  dass  Parent-Ducha- 
telet  im  J.  1837  an  6000  in  Paris  eingetragenen  Prostituierten 
untersuchte,  wie  viele  Fälle  von  Hypertrophie  bei  ihnen  vor- 
kämen 1),  und  nur  2  fand,  weshalb  er  diese  Meinung  für  falsch 
hielt.  Aber  in  diesem  Urteil  muss  ein  Irrtum  eingeschlossen  sein, 
denn  man  muss  wissen,  was  Parent  forderte,  um  Hypertrophie 
anzunehmen ;  wir  haben  auch  ein  fast  entgegengesetztes  Urteil 

^)  A.  J.  B.  Parent-Diichatelet,  De  la Prostitution  dans  la  ville  de 
Paris  sous  le  rapport  de  rhygiene  publique  etc.  Paris,  3''^^  edit.  Balliere 
et  fils,  1857,  Vol.  II  in  8». 


—    176    — 

von  Charpyi).  Unter  nur  800  Prostituierten,  besonders  unter 
den  in  Bordellen  lebenden,  und  oft  unter  den  Tribaden,  fand 
er  in  vielen  Fällen  die  Clitoris  bedeutend  entwickelt  und  ver- 
dickt mit  erschlaffter  Vorhaut. 

Wenn  man  dagegen  die  Fälle  von  Hypertrophie  direkt 
sammelt,  wie  immer  der  Zustand  des  Weibes  sei,  dann  fällt  die 
Häufigkeit  sehr  verschieden  aus,  und  diesen  Unterschied  findet 
man  im  allgemeinen  in  der  Litteratur;  aber  eine  Statistik  fehlt 
hierüber  ganz.  Unsererseits  können  wir  nur  die  40  Fälle  über 
die  Anomalien  der  Clitoris  untersuchen,  die  in  Note  3  ge- 
sammelt sind,  und  unter  ihnen  finden  wir  nur  3  Prostituierte 
(Beob.  5,  8,  9).  Die  letzte  von  diesen  wurde  von  Zacchia 
untersucht,  der  die  Clitoris  von  der  Grösse  des  Ringfingers  sah, 
so  dass  sie  den  Coitus  verhinderte.  Man  findet  ferner  drei 
weitere  Fälle,  die  der  Masturbation  zugeschrieben  werden. 
Velpeau  (Beob.  20)  sah  ein  Mädchen  im  Zustande  des  Maras- 
mus infolge  dieses  Lasters.  Eiberi  (Beob.  21)  erzählte,  er 
habe  als  Wirkung  eine  sehr  schmerzhafte  Entzündung  gesehen, 
und  Villarmy  (Beob.  24)  kannte  ein  Mädchen  mit  Elephan- 
tiasis der  Clitoris  und  Nymphomanie. 

Andererseits  kann  man  nicht  abweisen,  was  Baker 
Brown 2)  behauptete,  dass  nämlich  der  physiologische  Reiz  der 
Clitoris,  der  die  Frauen  antreibt,  die  einsamen  Grenüsse  zu 
missbrauchen,  zuletzt  ihre  körperliche  Gesundheit  schädigt  und 
nach  und  nach  zur  Hysterie,  zur  Nymphomanie  und  zuletzt  zur 
Manie  führt,  wogegen  er  die  vollständige  Exstirpation  der 
Clitoris  empfahl.  Aber  dieser  Rat  ist,  nachdem  er  Gelegenheit 
zu  vielem  Streit  gegeben  hatte,  jetzt  ganz  verlassen,  so  dass 
die  Amputation  nur  bei  den  schon  bekannten  Alterationen  an- 
gewendet wird.  Zuletzt  hat  Pozzi^)  behauptet,  aber  ohne 
Beweise  dafür  beizubringen,  die  Hypertrophie  der  Clitoris  trete 
oft  bei  den  der  Onanie  ergebenen  Weibern  infolge  blosser  Ver- 
änderung der  Grösse  auf. 


^)  Charpy,   Des  organes  genito-externes  chez  les  prostitutees.    Ann. 
de  dermat.  et  de  Syphilogr.,  No.  2,  1872. 

2)  Baker   Brown,    Surgical    diseases    of   women.    —   Idem,    On  the 
curability  of  certain  forms  of  insanity.    London,  1866. 

3)  G.  Pozzi,  Gynandrie,  Gaz.  hebdom.  1890,  No.  30,  p.  352. 


-    177    — 

Indem  wir  zu  den  Fehlern  der  Clitoris  als  Ursache  des 
Eeizes  übergehen,  erwähnen  wir  den  Amerikaner  Morris i), 
welcher  beobachtete,  bei  hysterischen  oder  rasenden  (furiose) 
Frauen  sei  die  Clitoris  unvollkommen  oder  unregelmässig  ent- 
wickelt, oder  zeige  Verwachsungen  mit  einer  oder  beiden 
kleinen  Schamlippen;  wenn  man  diese  löse,  komme  die  Frau 
zu  ihrem  ursprünglichen  Charakter  zurück.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit dürfen  wir  auch  die  drei  Beobachtungen  von  Mars 2)  nicht 
verschweigen,  die  er  zugleich  mit  denen  von  Morris  veröffent- 
lichte, und  die  eine  neue  Ursache  des  Eeizes  an  den  Ge- 
schlechtsteilen betreffen.  Es  handelte  sich  um  die  unregel- 
mässige Gegenwart  von  Haaren  in  den  Geschlechtsteilen,  denn 
diese  fanden  sich  in  Menge  auch  an  der  inneren  Seite  der 
Labia  majora  und  erreichten  selbst  die  Clitoris,  sowie  den 
ganzen  Umkreis  des  Yestibulums.  Der  Verf.  sah,  dass  nach 
Wegnahme  der  Haare  der  Pruritus  aufhörte  und  wieder  erschien, 
wenn  diese  wieder  wuchsen.  Darauf  griff  er  zu  chirurgischen 
Mitteln,  um  dauernde  Heilung  zu  erreichen. 

Die  Clitoris  ist,  wie  jedes  andere  Organ,  Missbildungen 
ausgesetzt,  und  die  auffallendste  derselben  ist  die  Längs- 
spaltung, die  ihren  doppelten  Ursprung  bestätigt.  Diese  Miss- 
bildung ist  aber  nicht  häufig,  denn  wir  haben  nur  folgende 
drei  Fälle  von  ihr  gesammelt:  A.  Morpain  sah  die  beiden 
Hälften  der  Clitoris  bis  an  die  Wurzel  getrennt,  und  auch  die 
Labia  minora  waren  nach  oben  getrennt;  die  Frau  war  ohne 
Geschlechtstrieb  (Beob.  21).  F.  G.  He  nie  beobachtete  ein 
17 Jähriges  Mädchen  mit  zwei  Warzen,  welche  die  geteilte 
Clitoris  darstellten  (Beob.  26).  Windle  schliesslich  sah  das 
Organ  bis  zu  seiner  Basis  geteilt,  die  rechte  Hälfte  etwas 
kürzer  als  die  linke  und  mit  doppelter  Eichel  (Beob.  29).  Auch  Neu- 
bildungen und  Degenerationsprozesse  bringen  Deformitäten  hervor, 
aber  ehe  wir  von  diesen  sprechen,  wollen  wir  den  seltsamen  Fall 
von  Fr.  Neugebauer  (Beob.  33)  anführen,  eine'  Verdoppelung 
in  den  Geschlechtsteilen  betreffend,  bei  der  es  zweifelhaft  blieb, 


^)  Morris,  citiert  von  B.  Guisy  in  Athen.  Sur  les  difformites  con- 
genitales, etc.    Le  progres  medical.    Paris,  1896,  A.  XXIV,  p.  371. 

2)  A.  Mars,  Beitrag  zur  Ätiologie  des  Pruritus  vulvae  und  ein  Fall 
von  mittelst  einer  neuen  Operationsmethode  geheiltem  Pruritus  vulvae. 
Cracoviae,  1896,  Jahresbericht  für  1896,  Bd.  II,  p.  550. 

Taruffi,   Hermaphrodismus.  12 


-    178    - 

ob  es  sich  um  zwei  weit  voneinander  entfernt  stehende  Clitoris 
handelte,  von  denen  die  eine  monstruös  war. 

Eine  27  jährige  Jüdin  gebar  glücklich  einen  wohlgebildeten 
Fötus,  aber  die  Mutter  zeigte  eine  seltsame  Anomalie  an  den 
äusseren  Geschlechtsteilen,  obgleich  Vulva  und  Clitoris  normal 
waren.  Nämlich  hinter  der  Vulva,  auf  der  Mittellinie  des  Peri- 
neums, 1  cm  hinter  dem  Frenulum  labiorum,  erhob  sich  ein 
dem  Penis  ähnlicher  Körper,  45 — 52  mm  lang,  mit  Eichel  und 
Vorhaut,  mit  am  Pubes  befestigten  Corp.  cavernosa  und  erek- 
tionsfähig. Es  fehlte  jedoch  der  Meatus  urinarius,  daher  der 
Verf.  zweifelhaft  blieb,  ob  es  ein  rudimentärer  Penis  sei.  Dieser 
FaU.  war  ohne  Zweifel  ein  Beispiel  von  einem  wegen  Mangels 
der  Urethra  und  ungewöhnlicher  Stellung  anormalen  Penis  bei 
einer  fruchtbaren  Frau ;  sie  hatte  also  keine  Analogie  mit  den 
Viragines  mit  doppelter  Clitoris,  und  ebensowenig  mit  den  Bei- 
spielen von  symmetrischem  doppeltem  Geschlecht,  wovon  wir 
zwei  Fälle  angeführt  haben  i),  oder  auch  mit  den  sehr  seltenen 
Erscheinungen  von  sexueller  Heterotopie ,  deren  erster  Fall, 
soviel  wir  wissen,  von  Wolff  im  J.  1883  beschrieben  wurde 
(von  dem  obigen  durch  seinen  Sitz  verschieden),  bei  dem  es 
sich  um  Penis  und  Scrotum  handelte,  die  auf  der  linken  Scham- 
lippe Sassen  2).  Dieses  seltene  Beispiel  von  Heterotopie  ist 
nicht  mehr  das  einzige,  indem  Neugebauer^)  37  Fälle  von 
Verdoppelung  der  äusseren  Geschlechtsteile  anführt.  Bei  den 
37  Fällen  fand  er  28  mal  doppelten  Penis,  3  mal  doppelte  Vulva 
und  6  mal  Heterotopie  der  äusseren  Geschlechtsteile.  In  allen 
37  Fällen  handelte  es  sich  um  gleiches  Geschlecht,  nahe  bei- 
einander. 

Unter  den  40  Beispielen  unserer  Sammlung  haben  wir  nur 
die  folgenden  von  Neubildungen  der  Clitoris  gefunden:  Eodio 
berichtet  über  eine  Hypertrophie  der  Clitoris,  die  in  einen 
haarigen  und  warzigen  Tumor   endete,   den  wir  für   ein   Der- 

1)  C.  Taruffi,  DipliaUus  Gurlt.  —  Mem.  della  R.  Acc.  delle  sc.  del 
ist.  di  Bologna,  1889,  Ser.  4,  T.  IX,  p.  551. 

2)  Idem  —  Ibidem,  1898,  T.  VII,  p.  79.  —  Bei  Anführung  dieses  und 
ähnlicher  Fälle  stellte  Taruffi  die  Gruppe  der  heterotopischen  Parasiten 
auf,  d.  h.  derjenigen  symmetrisch  verdoppelten  Organe,  von  denen  das  eine 
von  einem  Zwüling  herrührt  und  nicht  dem  des  Autositen  homolog  ist. 

3)  Fr.  Neugehauer  (Warschau),  Monatsschr.  für  Geburtsh.  und 
Gynäkol.,  1898,  Jahresber.  für  1898,  Bd.  II,  p.  609. 


—    179    — 

moid  hielten  (N.  3,  Beob.  8);  Schönfeld  über  eine  granulöse 
Geschwulst,  die  man  für  ein  Cancroid  halten  kann  (Beob.  18); 
Mars  hall  über  ein  nussgrosses  Sarkom  (Beob.  31);  Lambret 
hat  aus  der  Litteratur  eine  grössere  Zahl  von  Fällen  zusammen- 
gebracht, wobei  er  nur  die  gutartigen  Tumoren  berücksichtigte 
(Beob.  34).  Von  diesen  trennte  er  31  Tumoren  ab  und  be- 
merkte mit  Beeilt,  die  Fibrome  seien  oft  nicht  von  Hyper- 
trophie geschieden  worden,  weil  die  histologische  Untersuchung 
fehlte.  Dasselbe  sagen  wir  von  den  bösartigen  Tumoren  (Sar- 
kom und  Krebs),  wenn  diese  Untersuchung  fehlt.  Die  Hyper- 
trophie der  Clitoris  kann  sich  auch  mit  Stenose  des  äusseren 
Endes  der  Vagina  und  Vulva  verbinden,  wie  Realdo  Colombo, 
Blondel,  Jacoby,  Beclard-Guinard^)  und  Blanche  ge- 
sehen haben.  Marchand  dagegen  sah  sie  rudimentär,  Solowig 
atretisch  bei  einem  amenorrhoischen  Mädchen  von  21  Jahren 
(Beob.  1,  33,  35,  37,  39,  40).  Endlich  nennen  wir  die  Frau  von 
Gerin  ohne  Uterus  und  ohne  Geschlechtstrieb  (Beob.  25). 

Eine  unerwartete  Verbindung  von  Hypertrophie  der  Clitoris 
mit  Acromegalie  wurde  neuerlich  von  F.  G.  Henle  und  V er- 
st raeten  beobachtet  (Beob.  26,  27).  Es  wäre  jedoch  wünschens- 
wert, dass  diese  Verbindung  bei  ähnlichem  Zusammentreffen 
bestätigt  würde;  einstweilen  erklären  wir,  dass  wir  die  Ein- 
führung der  Benennung  Macrosomia  peripherica  für  Acro- 
megalie nicht  zu  rechtfertigen  brauchen  2). 

Es  ist  bemerkenswert,  dass  die  angeborene  Hypertrophie 
der  Clitoris  (mit  Ausnahme  der  bekannten  Fälle  der  Tribaden) 
selten  von  den  anderen  Charakteren  des  Invirilismus  begleitet 
ist,  wie  die  Hypertrichose  und  der  männliche  Habitus.  Da- 
rum sind  wir  erstaunt,  dass  nur  G.  St.  Hilaire  Häufigkeit  des 
männlichen  Habitus  und  der  tiefen  Stimme  bei  Elephantiasis 
der  Clitoris  annahm.  Unter  unseren  40  Beobachtungen  haben 
wir  nur  folgende  Ausnahmen  gefunden:  Bartholino  sah  eine 
bärtige  Frau  mit  grosser  Clitoris  (N.  3,  Beob.  6),  und  Home 
beschrieb  eine  Afrikanerin  mit  männlicher  Haltung  und  rauher 
Stimme,  während  die  Brüste  entwickelt  waren  (Beob.  17).    Viel 


^)  Beclard-Guinard,   S.  Mem.   della  E.  Acc.   delle  Sc.  del  ist.  dl 
Bologna.     Ser.  V,  T.  VII,  Beob.  81,  p.  748. 

2)  C.  Taruffi,  Storia  della  teratologia,  Bologna,  1899,  T.  V,  p.  299. 

12* 


—     180    — 

interessanter  ist  der  Fall  von  Cassano:  ein  löjähriges  Mäd- 
chen hatte  männliche  Körperform,  das  Gesicht  war  zum  Teil 
mit  Haaren  bedeckt,  aber  ihre  Statur  war  niedrig.  Sie  wurde 
schwanger  und  ergab  sich  nach  der  Geburt  dem  Tribadismus, 
da  ihre  Clitoris  drei  Zoll  lang  war  (Beob.  22).  Ziemlich  be- 
kannt ist  die  Geschichte  der  Maddalena  Lefort,  die  mit  16  Jahren 
150  cm  mass,  mit  Hypertrophie  der  Clitoris,  Atresie  der  Scheide, 
Haaren  auf  der  Oberlippe,  die  sich  im  Alter  von  30  Jahren 
auf  den  Hals  verbreitet  hatten  ^).  Ein  ebenfalls  seltsamer  Fall 
ist  neuerlich  von  Zar  üb  in  beschrieben  worden:  die  Frau 
hatte  männlichen  Habitus,  tiefe  Stimme,  allgemeine  Hyper- 
trichose. Nach  einer  Puerperalkrankheit  entstand  Kahlheit  und 
Hypertrophie  der  Clitoris  (Beob.  30). 

Da  die  Elephantiasis  der  Clitoris  im  allgemeinen  nicht  von 
anderen  Zeichen  des  Invirilismus  begleitet  wird,  und  ihre 
Vergrösserung  nicht  die  anatomischen  Eigenschaften  des  Penis, 
sondern  nur  eine  grobe  Ähnlichkeit  zeigt,  meinen  wir,  man 
müsse  sie,  wie  die  Hypertrichose,  als  einen  Pseudo-Invirilismus 
oder  Pseudo-Hermaphrodismus  betrachten,  der  allein  nicht  den 
Typus  der  Virago  ausmacht,  aber  bewirken  kann,  dass  die  Frau 
zur  Tribade  wird.  Wir  müssen  hier  bemerken,  dass  wir  eine 
Beobachtung  von  Diemerbroeck  (N.  3,  Beob.  12)  eingemischt 
haben,  die  nicht  zu  dieser  Gruppe  der  Anomalien  gehört,  denn 
es  handelte  sich  um  ein  Mädchen  mit  Bart,  mit  einer  Clitoris 
von  der  Grösse  eines  Penis  und  einem  einzigen  Hoden  in  einer 
der  grossen  Schamlippen.  Also  würde  dieser  Fall  eher  zu  den 
männlichen  Pseudo-Hermaphroditen  gehören  2).  Endlich  haben  wir 
bei  der  Elephantiasis  der  Clitoris  noch  zu  erwähnen,  dass  diese 
Anomalie,  als  angeborene  Erscheinung,  früher  von  Euy seh  bei 
einem  Schafe  gesehen  worden  ist 3),  ferner  von  Kudolphi  bei 


^)  Beclard,  Bull,  de  la  faculte,  1815. 

2)  C.  Taruffi,  Memoria  III,  SuU'  ordinamento  della  teratologia. 
Bologna,  1899,  p.  740. 

3)  Fr.  E u y s c h  bewahrte  im  J.  1739  die  Geschlechtsteile  eines  Schafes 
auf,  das  an  der  Stelle  des  Penis  eine  unnatürlich  dicke  und  lange,  aus  der 
Vulva  heraushängende  Clitoris  hatte.  Thesaurus  anat.  VIII,  No.  53,  Amster- 
dam, 1739,  Tab.  II,  p.  17,  Fig.  5. 


—    181    - 

einer  Stute  ^)  und  von  Lecoq  bei  einem  Kalbe  2).    Neuerlich  ist 
es  wahrscheinlich  bei  anderen  Tieren  gesehen  worden. 


Kapitel  V.     Der  psychologische  Invirilismus. 
§  1.    Psychopathie. 

Es  giebt  eine  gute  Zahl  von  klinischen  Fällen,  die  lang- 
sam in  das  Gebiet  der  Phrenologie,  der  Krankheiten  der 
Zeugungsorgane,  und  endlich  in  das  der  Geschichte  der  be- 
rühmten Frauen  eingedrungen  sind.  Nun  haben  die  Ärzte  ver- 
sucht, diese  zum  Teil  verschiedenartigen  Fälle  einander  nahe 
zu  bringen,  aber  das  ist  immer  auf  nicht  geringe,  leicht  vor- 
herzusehende Hindernisse  gestossen.  Der  Kürze  wegen  über- 
gehen wir  die  Schwierigkeiten  und  bringen  vielmehr  die  mehr 
oder  weniger  direkten  Folgerungen  vor,  die  wir  aus  den 
Fällen,  besonders  den  gleichartigen,  gezogen  haben.  Wir  sind 
zu  der  Annahme  gelangt,  dass  dieselben  im  allgemeinen  von 
Veränderungen  der  Nervencentren  abhängen,  und  diese  Wirkungen 
lassen  sich  in  drei  Gruppen  teilen:  1.  Fälle,  in  denen  die  Ner- 
vencentren thätig  auf  die  dem  Willen  unterworfenen  Funktionen 
einwirken;  2.  Fälle,  in  denen  die  edelsten  Fähigkeiten  der 
Intelligenz  sich  zum  verhältnismässig  höchsten  Grade  er- 
hoben haben;  3.  Fälle,  in  denen  speziale  Nervencentren  die  Ge- 
schlechtsfunktionen nicht  bessern,  sondern  stören,  ohne  dass 
gleichzeitig  anatomische  Läsionen  vorhanden  sind. 

Bei  der  ersten  Gruppe  weisen  wir  darauf  hin,  dass  es 
häufig  Frauen  giebt,  die  aus  religiöser  Glut,  aus  Liebe  zur  Fa- 
milie oder  zu  einem  Kinde  zu  edlen  Handlungen  und  grossen 
Opfern  fähig  sind,  so  dass  sie  dem  Manne  gleichkommen ;  aber 
auch  jene  sind  häufig,  die  sich  der  Wollust  und  selbst  laster- 
haften Sitten  ergeben,  so  dass  sie  fähig  sind,  die  Männer  darin  zu 
übertreffen.  Die  Beispiele  dieser  beiden  Zustände  übergehen 
wir,  denn  sie  sind  zu  gewöhnlich;  wir  wollen  nur  bemerken, 
dass  die  geistigen  Leidenschaften  meist  aus  verschiedenen,  mit- 


1)  K.  A.  Kudolphi,  Bemerkungen  aus  einer  Reise  etc.    Berlin,  1804 
bis  1805,  Bd.  1,  p.  79. 

2)  Lecoq,   Journ.   prat.   de  med.  veterin.  par  Dupuy  et  Vatel.,   1827, 
fevrier,  p.  108. 


—    182    — 

einander  verbundenen  Affekten  zusammengesetzt  sind.  Wir 
führen  das  Beispiel  der  Pucelle  d' Orleans  an,  die  sich  allen 
Gefahren  und  Leiden  des  Krieges  und  des  Gefängnisses  aus- 
setzte, um  zugleich  der  Religion,  der  Verteidigung  der  Dynastie 
und  der  Vaterlandsliebe  zu  dienen  (Note  4,  Beob.  1).  Um 
die  Verschiedenartigkeit  solcher  Kombinationen  zu  zeigen,  er- 
innern wir  auch  an  die  Spanierin  Noüa  Alverez,  die  eine  Händ- 
lerin war  und  durch  die  Welt  reiste,  wie  eine  Zigeuneriu,  und 
zugleich  einen  ritterlichen,  oder  besser  kampfesfreudigen  Geist 
voll  Abenteuerlust  hatte.  Daher  wurde  sie  oft  in  Duelle  ver- 
wickelt, worauf  bisweilen  Gefängnis  folgte  (Note  4,  Beob.  2). 
Eine  zweite  Gruppe  von  Frauen,  die  Ehre  ihres  Geschlechts, 
sind  die,  welche  sich  in  den  schönen  Künsten  und  Wissen- 
schaften ausgezeichnet  haben.  Zu  den  ersteren  gehören  die 
Malerinnen  und  Bildhauerinnen,  die  überall  ihren  Wert  gezeigt 
haben,  die  zuerst  in  Italien,  und  zumal  in  Bologna  geblüht 
und  mit  den  tüchtigsten  Künstlern  gewetteifert  haben.  So  wurde 
ProperziaDe'  Rossinach  demi\.rchivio  Gualandis^)  in  Bologna 
im  Jahre  1491  geboren  und  starb  am  29.  Febr.  1530,  wenige  Tage 
vor  der  Krönung  Karls  des  Fünften.  Sie  wurde  unsterblich 
durch  ihre  Skulpturen,  die  sie  vorzüglich  in  S.  Petronio  aus- 
führte und  verdiente  mit  Recht  eine  Büste  und  eine  Inschrift-) 
in  ihrem  Geburtshause  (Via  Ripa  Reno  No.  49,  Bologna).  Später 
werden  wir  Lavinia  Fontana  aus  Bologna  anführen,  die  im 
Jahre  1552  geboren  wurde  und  bedeutende  Gemälde  in  verschie- 
denen Kirchen  Bolognas  hinterliess,  besonders  in  S.  Giacomo 
(N.  4,  Beob.  B). 


^)  M.  A.  Gualandi,  Memorie  risguardanti  le  belle  arti.  Bologna, 
1843,  Ser.  V,  p.  93-96.  Der  Verf.  hat  3  Angaben  über  Properzia  De' 
Eossi  in  dem  grossen  Notariatsarchiv  von  Bologna  gefunden,  aus  denen 
man  entnimmt,  dass  sie  die  Tochter  Gerolamos  und  im  J.  1516  25  Jahre 
alt  war.  Er  giebt  dem  Alidosi  die  Schuld,  dass  Tiraboschi  der  Pro- 
perzia ein  jüngeres  Alter  und  Modena  als  Vaterland  zuschreibt. 
2)  Properzia  De'  Rossis  Inschrift: 

XVI.  Jahrhundert. 
Clara  stirpe  exorta  Propertia  Rossia,  mente 
Clarior,  eduxit  vivos  de  marmore  vultus. 
Hier   ruht  Properzia    De'   Rossi   von    berühmter   Abkunft,    aber 
berühmter  durch  ihren  Geist,  der  dem  Marmor  Leben  einflösste. 


—    183    — 

Endlich  wollen  wir  uns  bei  zwei  weiteren  Bologneser 
Malerinnen  von  grossem  Verdienst  aufhalten,  die  dem  17.  Jahr- 
hundert angehören.  Die  erste  war  Elisabetta  Sirani,  die  in 
Bologna  im  Jahre  1638  geboren  wurde  und  im  Jahre  1665 
starb,  so  dass  sie  nur  26  Jahre  alt  wurde;  was  jedoch  am  meisten 
überrascht,  ist  der  Umstand,  dass  sie  in  so  kurzer  Zeit  so  viele 
wertvolle  Werke  der  Malerei  und  des  Kupferstichs  vollendete: 
Arbeiten,  die  zum  grossen  Teil  in  den  Galerien  und  Kirchen 
Bolognas  aufbewahrt  werden.  Der  frühe  Tod  und  die  Krank- 
heit dieser  wunderbaren  Frau  haben  zu  phantastischen  Erzähl- 
ungen Veranlassung  gegeben,  die  noch  nicht  verschwunden  sind, 
trotz  der  Veröffentlichung  des  Prozesses  (Note  4,  Beob.  4),  Die 
andere  berühmte  Malerin,  namens  Teresa  Muratori  (später 
De  Muratori  genannt),  wurde  im  Jahre  1662  geboren  und  war 
die  Tochter  Robertos,  eines  Professors  der  Medizin.  Sie 
wurde  von  der  Sirani  im  Zeichnen  unterrichtet  und  starb  im 
Jahre  1708,  und  zwei  Jahre  vorher  verzierte  sie  die  ihrem 
Vater  und  ihren  Vorfahren  Francesco  und  Achille,  die  alle 
drei  Professoren  der  Medizin  waren,  errichtete  Inschrift.  Es 
giebt  wenig  Nachrichten  über  das  Leben  Teresas  (Note  4, 
Beob.  5),  wir  wissen  nur,  dass  sich  unter  ihren  vorzüglichsten 
Gemälden  ein  S.  Tommaso  befindet,  den  man  in  der  Kirche 
der  Madonna  di  Galliera  sieht,  und  zu  Füssen  des  Bildes  liegt 
die  Malerin  begraben.  Die  Malereien  um  die  Inschrift  sind 
allegorisch  und  rühmenswert,  aber  durch  die  Zeit  stark  be- 
schädigt, ebenso  wie  das  Aussehen  der  Inschrift,  die  in  der 
oberen  (an  Gedenktafeln  reichen)  Halle  des  alten  Bologneser 
Studio,  genannt  Archiginnasio,  aufbewahrt  wird,  und  zwar  rechts 
vom  Eingang  in  das  anatomische  Theater. 

Italien  hatte  später  auch  das  Glück,  der  Nachfolger 
Griechenlands  zu  werden  durch  Frauen,  die  sich  in  der  Litte- 
ratur  und  in  den  Wissenschaften  auszeichneten.  Allerdings 
blühten  in  Griechenland  besonders  die  Dichterinnen,  während 
in  Italien  die  Frauen  in  der  lateinischen,  griechischen  und  der 
Landessprache,  sowie  in  den  Wissenschaften  Gelehrsamkeit 
erwarben.  Wir  erwähnen  hier  einige  Berühmtheiten,  die  von 
dem  Senat  mit  dem  öffentlichen  Unterricht  beauftragt  wurden; 
aber  noch  seltsamer  war  es,  dass  eine  von  ihnen  im  Jahre  1756  in 
ihrem  Geburtsort  den  Lehrstuhl  der  Anatomie  bestieg,  mit  dem 


—    184    — 

Auftrage  des  Modellierens.  Diese  Frau  war  Anna  Manzolini, 
geborene  Morandi  (Note  4,  Beob.6),  die  durch  ihre  darstellenden 
Arbeiten  so  berühmt  wurde,  dass  sie  das  Lob  des  berühmten 
Physikers  Luigi  Galvani  verdiente  (s.  Citat  zu  Note  4),  wel- 
cher, wie  erzählt  wird,  zugleich  Professor  der  Anatomie  und 
Geburtshilfe  war.  Die  Morandi  verdiente  auch  das  Lob  des 
Physiologen  Michele  Medici  (Note  4,  Beob.  6),  der  ausser 
dem  Bilde  auch  das  Verzeichnis  der  Präparate  ihrer  plastischen 
Nachbildungen  lieferte. 

Wenn  wir  zu  den  Wissenschaften  übergehen,  die  dem 
zarten  Geschlechte  weniger  widerstreben,  nennen  wir  zwei 
junge  Bologneserinnen:  eine  von  ihnen  war  Laura  Bas  si  (Note  4, 
Beob.  7),  eine  sehr  gelehrte  Schriftstellerin,  die  ihre  lateinische 
These  gegen  sieben  Opponenten  und  in  Gegenwart  zweier 
Kardinäle,  Grimaldi  und  Lambertini  (Benedikt  XIV)  in  einer 
Sitzung  verteidigte,  welche  durch  die  darüber  geschriebenen  Briefe 
denkwürdig  geblieben  ist.  Dies  trug  der  Laura  im  Jahre  1732 
den  Lehrstuhl  der  allgemeinen  Philosophie  ein,  und  im  Jahre 
1776  die  Erwählung  zu  einem  Sitz  in  dem  berühmten  Istituto 
delle  Scienze. 

Die  andere  Bologneserin  war  Clotilde  Tambroni  (Note  4, 
Beob.  8),  die,  wie  aus  ihren  Oden  hervorging,  der  griechischen 
Sprache  so  kundig  war,  dass  der  Senat  ihr  im  Jahre  1793  den 
Lehrstuhl  des  Griechischen  übertrug;  später  gehörte  sie  der 
Accademia  benedettina  an.  Da  sie  aber  eine  Frau  von  festem 
Charakter  war  und  an  ihren  Eidschwüren  festhielt,  gab  sie  im 
Jahre  1798  den  Unterricht  auf.  Im  Jahre  1808  gab  ihr  jedoch 
der  Minister  des  Innern  der  Regierung  Napoleons  den  Lehr- 
stuhl wieder,  und  sie  behielt  ihn  bis  zu  ihrem  Tode. 

Zu  jeder  Zeit  war  man  der  Meinung,  die  Frauen  eigneten 
sich  weder  für  Mathematik,  noch  für  Astronomie,  aber  schon 
1748  gab  es  eine  Ausnahme  von  dieser  Regel,  denn  Maria 
Agnesi  aus  Mailand  (Note  4,  Beob.  9)  veröffentlichte  in  diesem 
Jahre  ihre  analytischen  Institutionen,  die  rühmlich  bekannt 
sind,  und  Benedikt  XIV.  berief  sie  nach  Bologna,  um  analytische 
Geometrie  zu  lehren.  Schon  ihr  Vater  hatte  als  Honorar- 
professor diese  Stelle  inne  gehabt.  Wir  wissen  nicht,  ob  andere 
nach  dieser  berühmten  Frau  sich  in  der  Mathematik  Ehre  er- 
worben haben.   Von  Frauen,  die  sich  mit  Astronomie  beschäftigt 


—    185    — 

haben,  können  wir  die  Schwestern  Eustacchio  Manfredis, 
Teresa  und  Maddalena  (Note  4,  Beob.  10)  anführen,  die 
ihren  Bruder  bei  der  Zusammenstellung  der  Ephemeriden  der 
Himmelsbewegungen  unterstützten.  Aber  heute  ist  diese  Lücke 
durch  Prof.  Porro  (Note  4,  Beob.  11)  und  einige  andere  reich- 
lich ausgefüllt  worden;  sie  haben  mehrere,  besonders  in  Amerika 
lebende  Frauen  bekannt  gegeben,  die  sich  mit  der  Durchsicht 
der  Sternphotographien  beschäftigten,  die  Umlaufszeiten  der 
Planeten  berechnen,  oder  besondere,  verschiedenartige  astro- 
nomische Studien  betreiben.  Es  giebt  also  keine  abstrakte 
Wissenschaft,  die  den  Fähigkeiten  des  Weibes  unzugänglich 
wäre,  womit  aber  nicht  gesagt  ist,  dass  sie  an  Fähigkeiten 
dem  Manne  überlegen  sei. 

Wenn  wir  zugeben,  dass  die  weibliche  Intelligenz  der 
männlichen  nicht  überlegen  ist,  aber  mit  ihr  wetteifert  und  ihr 
oft  nahe  kommt,  so  folgt  daraus  nur,  dass  diese  immer  exzep- 
tionelle Thatsache  regelmässig  mit  der  Zunahme  des  Volumens 
und  des  Gewichts  des  Grehirns  verbunden  ist,  so  dass  es  sich 
dem  männlichen  nähert.  Zwar  spricht  Magn  an  i)  neuerlich  von 
einem  weiblichen  Gehirn  in  dem  Körper  eines  Mannes,  und 
umgekehrt,  aber  daraus  folgt  nicht,  dass  die  Höhe  der  Intelli- 
genz von  dem  Gewicht  oder  dem  Geschlecht  abhängt.  Es  ist 
allerdings  wahr,  dass  Cuvier  und  andere  berühmte  Männer  ein 
sehr  grosses  und  schweres  Gehirn  gehabt  haben,  aber  umge- 
kehrt schliesst  dies  nicht  aus,  dass  kleine  Frauen  mit  besonders 
kleinem  Kopf  bisweilen  hohe  Intelligenz  und  feinen  Geist  zeigen, 
je  nach  der  Erziehung,  die  sie  erhalten  haben.  Erst  kürzlich 
habe  ich  bei  einer  Modeneser  Gräfin  ein  Beispiel  davon  ge- 
sehen. 

Wenn  man  fragt,  ob  diese  ungewöhnlichen  Frauen  mit 
psychopathischem  Invirilismus  auch  andere  Eigenschaften  der 
Viragines  besassen,  können  wir  antworten,  dass  es  nicht  be- 
kannt ist,  ob  eine  von  ihnen  riesengross  gewesen,  nur  folgt  aus 
einigen  Biographien  und  vier  Porträts  denen  der  (Properzia  De 
Eossi,  Lavinia  Fontana,  ElisabettaSirani  und  Anna  Manzolini,  geb. 
Morandi),  dass  sie  von  ansehnlicher  Figur  waren  und  ihr  Rumpf 
eine  hohe  Gestalt  anzeigte,   so   dass  man  annehmen  kann,   sie 


^)  Magnan,  Ann.  med.  psychol.    Paris,  1885,  p.  258 


-    186    — 

seien  kräftige  Frauen  von  hohem  Wuchs  gewesen,  aber  nicht 
in  dem  Grade,  dass  sie  zu  Wrisbergs  Viragines  gehörten. 
Die  angeführten  Frauen  zeigten  (was  sehr  seltsam  ist)  wiederholt 
Gleichheit  ihres  Geburtsorts  während  des  16,,  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts, was  wir  an  keinem  anderen  Orte  Europas  angetroffen 
haben;  und  dies  ist  um  so  auffallender,  als  das  Bologneser  Land 
damals  von  dem  päpstlichen  Hofe  regiert  wurde.  Dieses  mehr- 
fache Auftreten  gelehrter  Frauen  an  demselben  Orte  lässt 
mehrere  Erklärungen  zu,  aber  wir  überlassen  es  den  Geschichts- 
schreibern, die  natürlichste  auszuwählen. 

Wenn  wir  dann  fragen,  ob  der  psychopathische  Invirilis- 
mus  bei  den  angeführten  Frauen  erblich  gewesen  sei,  wie  es 
bei  anderen  Missbildungen  der  Fall  ist,  z.  B.  bei  angeborener 
Hypertrophie  der  Nase,  des  Kinns  u.  s.  w.,  so  finden  wir  keinen 
Beweis  dafür.  Wir  glauben,  es  wiederhole  sich  die  an  be- 
rühmten Männern  gefundene  Regel,  dass  ihre  Nachkommen  an 
Intelligenz  ihren  grossen  Vorfahren  nicht  gleichen,  und  dass 
also  bei  beiden  Geschlechtern  das  Wort  Dantes  zutrifft: 

„Selten  erscheint  in  den  Zweigen 

Der  menschliche  Wert  wieder;  dies  ist  der  Wille 

Dessen,  der  ihn  verleiht,  damit  man  ihn  von  ihm  erflehe." 

Diese  Verse  wendete  der  Dichter  auf  Pietro  III,  König  von 
Arragonien  und  Sizilien  an,  der  drei  Söhne  hatte.  Nur  der 
eine,  Alfonso,  der  früh  starb,  hatte  seine  Tugenden  geerbt;  die 
anderen  waren  ausgeartet.  Die  Meinung  Dantes  wurde  später 
von  Macchiavelli  bestätigt  (Note  4,  Beob.  12). 

§  2.    Der  psychisch-sexuelle  Invirilismus. 

Wir  haben  angegeben,  dass  der  physische  und  anatomische 
Invirilismus  bei  der  Frau  nicht  immer  deutliche,  entschiedene 
Kennzeichen  besitzt,  die  ihn  von  gewissen  Krankheiten  unter- 
scheiden. Darum  haben  wir  zu  den  echten  Invirilismen  die 
Pseudo-Invirilismen  hinzugefügt:  wenn  z.  B.  junge  Frauen  ge- 
wöhnlich von  Geburt  an  durch  Oedem  oder  beginnende  sarkom- 
atöse Infiltration  verdickte  Glieder  zeigen,  so  dass  sie  den 
Gliedern  von  Männern  gleichen,   ohne  von  Veränderungen  der 


—    187    - 

Greschleclitsorgane  begleitet  zu  sein  i).  Auch  die  nervösen 
Affektionen  der  Geschlechtsorgane  müssen  wir  in  zwei  Klassen 
teilen,  denn  einige  zeigen  keine  anatomische  Veränderung, 
sondern  nur  sensitive  Störungen  dieser  Organe.  Dagegen  giebt 
es  eine  Gruppe  von  Frauen,  die  neuerlich  beschrieben  wurde, 
bei  denen  die  funktionelle  Störung  der  Geschlechtsorgane  sui 
generis  ist,  wir  meinen  die  Geschlechtsumkehrung,  von  der  wir 
später  sprechen  werden.  Es  giebt  aber  noch  eine  dritte  Gruppe, 
die  sich  durch  Zunahme  der  Thätigkeit  und  Vollkommenheit 
beim  Gebrauche  der  Muskeln,  Nerven  und  Sinne  zeigte,  so 
dass  sie  mit  den  sowohl  durch  physische,  als  intellektuelle 
Fähigkeiten  ausgezeichnetsten  Männern  wetteifern,  wie  wir 
schon  gesehen  haben. 

Wir  kommen  jetzt  zu  den  nervösen  Erscheinungen  an  den 
weiblichen  Geschlechtsteilen  und  bemerken,  dass  diese  ver- 
schiedene Intensitätsgrade  und  verschiedene  Arten  des  Auf- 
tretens aufweisen,  ohne  zufällige  Komplikationen  auszuschliessen. 
Ihre  Varietäten  sind  bald  habitus  eroticus,  bald  Nymphomanie, 
bald  furor  uterinus,  bald  lesbische  Liebe,  bald  Tribadismus  ge- 
nannt worden.  Aber  wenn  wir  sowohl  die  allgemeinen  Be- 
schreibungen, als  die  einzelnen  Geschichten  prüfen,  ünden  wir, 
dass  diese  Ausdrücke  für  ganz  verschiedene  Störungen  (mit  Aus- 
nahme der  lesbischen  Liebe  und  des  Tribadismus)  im  Ganzen 
gleichbedeutend  sind,  denn  die  Alterationen,  auf  die  sie  sich 
beziehen,  sind  einander  ähnlich.  Das  Maximum  der  Störung 
wurde  im  2.  Jahrhundert  von  dem  Griechen  Soranus  Satyriasis 
genannt;  jetzt  wendet  man  diesen  Namen  auf  den  Mann  an, 
während  der  Zustand  beim  Weibe  Nymphomanie  genannt  wird  2). 

Der  griechische  Autor  verdient,  nicht  sowohl  wegen  seines 
Alters,  als  weil  er  den  ersten  Schritt  auf  dem  schwierigen  und 
dunklen  Gebiete  der  Satyriasis  gethan  hat,  dass  wir  das  betreffende 
Stück  in  Übersetzung  wiedergeben,  um  so  mehr,  als  es  nicht  nur 
wenig  bekannt  ist,  sondern  die  erste  Andeutung  von  der  Verwirrung 


^)  Taruffi,  Storia  della  teratologia,  T.  V,  p.  427.  —  Macrosomia 
parziale,  T.  VIII,  513.  —  Elefantiasi  congenita  delle  dita.     1894. 

^)  V.  Schrenck-Notzing  (München).  La  terapia  deUe  malattie  ses- 
siiali.  Übersetzung.  Turin,  1897,  p.  33.  Der  Verf.  beschäftigt  sich  hier 
ausführlich  mit  Satyriasis  und  Nymphomanie. 


-     188    — 

der  Intelligenz  giebt,  die  mit  den  örtlichen  Erscheinungen  an 
den  Geschlechtsteilen  verbunden  ist. 

Ehe  wir  jedoch  dieses  Stück  anführen,  können  wir  nicht 
verschweigen,  dass  verschiedene  Irrenärzte  fortfahren,  einige  kli- 
nische Varietäten  zu  unterscheiden,  ohne  konstante  und  wichtige 
Symptome  anzugeben,  durch  die  sie  sich  von  einander  und  von  ande- 
ren Varietäten  unterscheiden.  Einer  von  ihnen  war  Dr.  F.  Ve- 
nanzioi),  der  die  Charaktere  des  erotischen  Habitus,  oder  besser 
Temperaments  geben  wollte,  indem  er  sagte,  solche  Weiber  hätten 
glänzende  Haut,  rote,  schwellende  Lippen,  gut  entwickelte 
Muskeln  und  Brüste,  w^eites  Becken  und  dicke  Beine.  Wir 
leugnen  nicht,  dass  der  Verf.  eine  Frau  von  dieser  Beschaffen- 
heit gesehen  haben  kann.  Aber  um  seiner  Beschreibung  einen 
Wert  zu  geben,  musste  er  hinzufügen,  in  wievielen  Fällen  Weiber 
mit  erotischem  Temperament  diese  Charaktere  zeigten,  und  in 
wievielen  anderen  Fällen  sie  fehlten. 

Hier  folgt  die  wichtige  Stelle  von  Soranus. 
Über  Satyriasis. 

Sorani  Ephesii  über  de  muliebribus  affectionibus  recensuit 
et  latine interpretatus  estFranciscusZachariasErmerins,  Tra- 
jecti  ad  Ehenum,  apud  Kemink  et  filium,  MDCCCLXIX,  p.  256. 

„Die  Satyriasis  kommt  am  meisten  bei  Männern  vor,  und 
wir  haben  von  ihr  in  den  Büchern  über  akute  Krankheiten 
gesprochen.  Aber  bisweilen  findet  sie  sich  auch  bei  Weibern, 
wie  bei  Männern." 

„Bei  ihr  entsteht  starkes  Jucken  der  weiblichen  Teile  mit 
Schmerz,  so  dass  die  Weiber  beständig  die  Hände  nach  jenen 
Teilen  führen.  Sie  haben  daher  eine  unzähmbare,  mit  Avahrer  Wut 
verbundene  Neigung  zu  Geschlechtsgenüssen.  Wegen  des  Consen- 
sus  zwischen  dem  Uterus  und  den  Hirnhäuten  zeigen  sie  eine  Art 
Störung  der  Intelligenz,  die  ihnen  alle  Scham  nimmt.  Die  dem 
Uterus  benachbarten  Teile  entzünden  sich,  und  die  von  ihnen 
gewünschte  fleischliche  Berührung  derselben  macht  das  Übel 
noch  schlimmer,  denn  der  Same  findet  keinen  Ausweg,  weil  die 
Kanäle  durch  die  Entzündung  undurchgängig  geworden  sind, 
daher  häuft  sich  im  Körper  eine  grössere  Menge  von  Flüssig- 
keit an." 


^)  F.   Venanzio,    Ninfomania.    Enciclop.  med.  ital.    Milano.     (Leider 
ohne  Datiim),  iingefähr  zwischen  1885  und  1890. 


—    189    — 

„Man  muss  dem  Kranken  sogleich  einen  Aderlass  machen, 
die  Menge  der  Speisen  vermindern  und  auf  die  Lenden  und 
den  Pubes  Aufschläge  von  erfrischenden  und  leicht  adstrin- 
gierenden  Stoffen  machen.  Auf  den  Kopf  muss  man  Eosenöl 
(olio  rosaceo)  mit  Essig  ausgiessen,  lauwarmes  Wasser  und 
flüssige  Speisen  zu  sich  nehmen  und  alles  Blähende  und  zum 
Coitus  Eeizende  vermeiden.  Zwei  Tage  nach  dem  Aderlass  auf 
die  Teile  Gurken  auflegen,  ohne  sie  zu  zerschneiden.  Im 
übrigen  die  Behandlung,  die  wir  bei  der  Entzündung  des  Uterus 
angeben  werden." 

Wir  überlassen  es  den  Irrenärzten,  die  obige  Beschreibung 
der  Satyriasis  zu  vervollständigen  und  zu  verbessern.  Uns 
kommt  es  besonders  darauf  au,  noch  heute  die  Hypothese  über 
den  Zusammenhang  zwischen  dem  geschlechtlichen  Leiden  und 
der  Störung  der  Intelligenz  bestätigt  zu  sehen,  und  wir  haben 
in  dieser  Beziehung  keinen  anderen  gefunden  als  Krafft- 
E bin  gl),  der  diese  Beziehung  mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit 
auseinander  gesetzt  hätte.  Er  drückt  sich  so  aus:  Man  muss 
ein  psycho-sexuelles  Centrum  annehmen,  um  die  physiologischen 
(und  pathologischen)  Erscheinungen  zu  erklären,  welches  nur 
ein  Konzentrations-  und  Kreuzungspunkt  der  Nervenbahnen  sein 
kann,  die  zu  den  notorischen  und  sensitiven  Apparaten  der 
Geschlechtsorgane  laufen,  und  die  andererseits  zu  den  Gesichts-, 
Geruchs-  u.  s.  w.  Centren  gehen,  um  dem  Bewusstsein  die  Em- 
pfindungen der  Teile  zuzuführen.  Auf  diese  Weise  bildet  sich 
die  Vorstellung  eines  männlichen  oder  weiblichen  Wesens. 

Diese  Lehre  wird  indirekt  von  Lippemann 2)  bestätigt, 
der  behauptet,  die  geschlechtliche  Wollust  dauere  bei  den 
Tieren  nach  der  Kastration  fort,  und  diese  bringt  auch  den 
Frauen  keine  Erleichterung  bei  nervösen  Leiden  der  Geschlechts- 
organe. In  früherer  Zeit  wurden  diese  Thatsachen  nicht  nur 
nicht  angenommen,  sondern  geradezu  geleugnet,  aber  Kraemer^) 
berichtet,  im  Jahre    1896   habe   eine   Statistik  unter   300  der 


^)  Kraf ft-Ebing,   L'   inversione   sessuale  nell'   uomo   e  nella  donna. 
Eoma,  1897,  p.  99. 

■    2)  0.  Lippemann,  Jahresber.  für  1887.     Bd.  II,  p.  693. 

3)  Contributo  aUa  questione   della  castrazione.     Zeitschr.   für  Psychia- 
trie, H.  1,   p.  52.    —   La  Clinica  moderna.    Firenze,   1896.     Vol.  II,  p.  68. 


—    190    — 

Ovarien  beraubten  Frauen  200  Erfolge  verzeicbnet,  mit  voll- 
kommener Erhaltung  des  weiblichen  Habitus  und  des  Ge- 
schlechtstriebs. Wenn  dieser  Bericht  ferner  bestätigt  wird, 
erhält  man  einen  überzeugenden  Beweis  von  dem  Vorhanden- 
sein und  von  der  Wichtigkeit  des  psycho-sexuellen  Centrums. 
Wir  hofften  auch,  dass  Sektionen  von  Idioten  und  Kretins  ge- 
nauere Kenntnisse  über  dieses  Centrum  brächten;  aber  Studien 
über  diese  Beziehung,  also  vergleichende  Studien  über  die 
Grade  der  Alterationen  des  Gehirns  mit  den  Graden  des  in- 
tellektuellen Verfalls  (sowohl  bei  Idioten,  als  bei  Kretins)  sind 
noch  spärlich  und  einander  widersprechend  i),  während  sie  für 
die  Wissenschaft  von  grossem  Nutzen  sein  würden,  wenigstens 
um  die  Behauptung  Solliers^)  zu  bestätigen,  dass  bei  Idioten 
der  Geschlechtstrieb  gewöhnlich  fehlt,  während  er  bei  Imbecillen 
gewöhnlich  erhöht  und  bisweilen  pervers  ist.  Früher  hielt 
Wenzel  sogar  die  Erzeugung  von  Kindern  für  möglich.  End- 
lich glaubt  man,  dass  kastrierte  Männchen,  so  lange  sie  jung 
sind,  den  Geschlechtstrieb  nicht  plötzlich  und  vollständig  ver- 
lieren, was  wir  selbst  bei  jungen  Ochsen  bestätigt  haben. 

Nachdem  wir  über  die  Gruppe  der  geschlechtlichen  Er- 
scheinungen gehandelt  haben,  die  wir  positiv  nennen  wollen, 
die  also  in  funktionellen,  mehr  oder  weniger  beschwerlichen 
Störungen  der  Geschlechtsorgane  bestehen,  müssen  wir,  um  die 
Besprechung  der  Psychopathien  nicht  unvollständig  zu  lassen, 
die  Anführung  der  Fälle  von  Invirilismus  und  Pseudo-Hermaphro- 
dismus  unterbrechen  und  zu  den  negativen  Erscheinungen  dieser 
Organe  übergehen,  nämlich  zu  den  Apathien  oder  dem  geschlecht- 
lichen Widerwillen.  Diese  sind  von  den  sachverständigen  Ärzten  zu 
der  von  Zac  Chi a  normierten  Impotenz  aus  Kälte  (naturae  fri- 
gidae)  gerechnet  worden,  die  nachKrafft-Eb  in  g  bei  Weibern  häu- 
figer ist  als  bei  Männern;  doch  führt  er  kein  Beispiel  von  Apathia 
congenita  an,  die  er  Anaesthesia  congenita  nennt^).     Dagegen 

^)  Filippi,  Medicina  legale.  Biblioteca  medico-legale.  Milano.  (Ohne 
Datum.)  p.  1457.  —  Luys,  Traite  des  maladies  mentales.  Paris,  1887, 
p.  658.  —  E.  Begis,  Manuel  pratique  de  medecine  legale.  Paris,  1885, 
p.  119. 

2)  P.  Sollier,  Der  Idiot  und  der  Imbecille.  Hamburg  und  Leipzig, 
1891,  p.  75. 

^)  Kraff t-Ebing,  Psychopathia  sexualis.  10.  Aufl.  Stuttgart,  1901, 
p.  48. 


—    191    — 

weisen  wir  auf  einen  schönen  Artikel  des  Prof.  Borri  über 
nervöse  Impotenz  (ohne  Unterscheidung  des  Grades)  hin,  worin 
die  (nur  klinisch  erschlossenen)  Ursachen  dieser  Impotenz 
analysiert  sindi). 

Aber  um  unser  Programm  nicht  allzu  sehr  zu  überschreiten, 
wollen  wir  nur  einige  wenig  bekannte  Beobachtungen  erwähnen, 
die  gewöhnlich  mit  den  zu  der  Teratologie  gehörigen  angeborenen 
Formen  verbunden  sind;  ihr  Einfluss  ist  sehr  dunkel  und  sie 
betreffen  nicht  ausschliesslich  das  weibliche  Geschlecht.  Sie 
sind  um  so  dunkler,  als  keiue  regelmässige  Beziehung  zwischen 
der  Art  der  geschlechtlichen  Anomalien  und  der  funktionellen 
Störung  des  Teils  vorhanden  ist.  Dazu  kommt  noch,  dass  bis- 
weilen eine  teratologische  Ursache  existiert,  die  mechanisch 
wirkt  und  die  Funktion  der  weiblichen  und  männlichen  Organe 
verhindert.  Diese  mechanische  Ursache  ist  die  Gegenwart 
zweier  Penes,  oder  zweier  Vulvae,  die  bald  einander  parallel 
sind2),  bald  übereinander  liegen^),  wovon  Neugebauer  37 
Fälle  in  der  Litteratur  gesammelt  hat. 

Wir  kommen  jetzt  zu  den  negativen  Störungen  der  Ge- 
schlechtsfunktionen und  wenden  unsere  Aufmerksamkeit  der 
geschlechtlichen  Apathie  zu.  Dies  ist  ein  den  Gerichtsärzten 
wohlbekanntes  Übel,  das  sich  bisweilen  mit  Abneigung  gegen 
den  Coitus  verbindet.  Den  Teratologen  ist  es  bekannt,  wenn 
die  Apathie  mit  Missbilduug  der  Geschlechtsteile  verbunden 
ist;  aber  wir  wissen  nicht,  ob  von  diesen  beiden  Arten  die 
Missbildung  der  Geschlechtsteile  verhältnismässig  mehr  oder 
weniger  selten  ist.  Die  geschlechtliche  Apathie,  mit  oder  ohne 
"Widerwillen  gegen  den  Coitus,  ist  nicht  ganz  der  nervösen 
Impotenz  gleich,  denn  es  sind  Fälle  von  dieser  Impotenz  be- 
kannt, während  der  Kranke  den  Geschlechtstrieb  beibehielt; 
auch  von  Frauen  weiss  man,  dass  sie  sich  passiv  dem  Coitus 
hingaben,  ohne  Geschlechtstrieb.  Diese  Erscheinung  fand  man 
bei  einer  Frau,  die  von  T.  Galland  für  hermaphroditisch  ge- 


^)  Prof.  L.  Borri.  Art.  1'  impotenza.  Enciclopedia  medica  del  Val- 
lardi.     (Datum  fehlt.) 

^)  C.  Taruffi,  Due  casi  nella  specie  umana  del  Diphallus  Gurlt. 
Memorie  etc.     Bologna,  25.  Nov.  1888.     Ser.  4,  T.  IX,  p.  551. 

^)  Neugebauer,  37  Fälle  von  Verdoppelung  der  äusseren  Geschlechts- 
teile.    Monatsschrift  für  Gynäkol.  1898,  Bd.  VII,  H.  5. 


—    192    — 

halten  wurde,  und  über  die  Laurent^)  berichtet  hat,  ohne  die 
Sektion  zu  erwähnen.  Es  handelte  sich  um  eine  zweimal  ver- 
heiratete Frau,  die  niemals  zum  Coitus  Neigung,  oder  während 
desselben  wollüstige  G-efühle  gehabt  hatte.  Ein  etwas  ähnliches 
Beispiel,  da  es  sich  um  eine  80 jährige  Frau  handelte,  die 
zweimal  verheiratet  gewesen  war  und  niemals  Geschlechtstrieb 
oder  Wohlgefallen  am  Coitus  gefühlt  hatte,  ist  von  dem  Nea- 
politaner Eicco2)  beschrieben  worden.  In  diesem  Falle  fand 
man  bei  der  Sektion  männliche  Organe,  und  nur  durch  die 
Vagina  wurden  die  weiblichen  vertreten. 

Um  den  vorhergehenden  einige  andere  Beispiele  hinzuzu- 
fügen, erwähnen  wir  den  Fall  von  ItarddeEiaz^),  betreffend 
einen  22jährigen  Jüngling  ohne  Geschlechtstrieb,  mit  weiblichem 
Habitus,  einem  Penis  von  der  Grösse  des  kleinen  Fingers  und 
Scrotalfalten  ohne  Hoden.  Wir  erwähnen  auch  den  Fall  von 
Günther 4),  der  Neigung  zu  keinem  von  beiden  Geschlechtern 
fühlte  und  an  Hypospadie  und  Scrotalspalte  litt.  Wir  lenken 
auch  die  Aufmerksamkeit  auf  folgenden  Fall,  bei  dem  ausser 
der  Apathie  auch  Widerwille  gegen  die  Frauen  vorhanden  war, 
denn  er  wirft  die  Frage  auf,  ob  es  sich  wirklich  um  Herm- 
aphrodismus  handelte.  Blackmann^)  sah  ein  Individuum  von 
36  Jahren  mit  dem  genannten  Widerwillen,  mit  monatlichem 
Blutfluss  aus  der  Urethra,  fallopischen  Trompeten  und  zwei 
drüsigen  Körpern,  die  mit  Ductus  deferentes  versehen  waren; 
ausserdem  fanden  sich  zwei  Tuberkel  (ohne  Follikel),  die  für 
die  Ovarien  gehalten  wurden.  Es  handelte  sich  also  wahrschein- 
lich nur  um  einen  Drüsen-Hermaphroditen,  was  die  allgemeine 


^)  T.  Galland,  ein  in  den  bibliographischen  Noten  nicht  angeführter 
Autor,  der  1894  von  E.  Laurent,  Les  bisexues,  Paris,  1894,  p.  205  ge- 
nannt wird. 

2)  Gius.  Eicco,  MariaArsano.  —  Taruffi,  Memorie  etc.  Bologna, 
1899.    Beob.  9,  T.  VII,  p.  740. 

^)  Itard  de  Riaz.v.  Taruffi,  Intorno  adun  feto  umano  agenosomo. 
Memorie  etc.     Bologna,  1894.    Beob.  2,  Ser.  5,  T.  IV,  p.  85. 

*)  A.  E.  Günther,  Commentarius  de  hermaphroditismo.  Lipsiae, 
1846.  —  Taruffi,  SuU'  ordinamento  della  teratologia,  Memorie  etc.  Bologna, 
1899.     Beob.  12.     T.  VII,    p.    741.     Mit  Tafel.  —  Vgl.  Seite  65.    Beob.   12. 

^)  Blackmann,  On  hermaphroditism,  with  an  account  of  two  remar- 
kable  cases.  1853.  —  Taruffi,  SuU'  ordinamento  della  teratologia.  Mem. 
etc.    Bologna,  1899.    Beob.  14,  T.  VII,  p.  734.  —  Vgl.  Seite  55.    Beob.  14. 


—    193    — 

Meinung  nicht   ausschliesst,   die  Hermaphroditen  seien  sexuell 
indifferent. 

Wir  scMiessen  diese  kurze  Aufzählung  mit  zwei  anderen 
seltsamen  Fällen,  die  wir  mit  den  früheren  den  künftigen  phy- 
siologischen Sachverständigen  zur  Erklärung  übergeben.  Der 
erste  Fall  wurde  voa  Gerin  berichtet i).  Es  handelt  sich  um 
eine  Frau  von  26  Jahren,  mit  weiblichem  Habitus,  Amenorrhoe, 
erektionsfähiger,  36  mm  langer  Clitoris,  die  Widerwillen  gegen 
das  männliche  Geschlecht  hatte,  trotz  ihrer  Beziehungen  zu 
demselben,  und  gegen  Reibungen  an  der  Clitoris  gleichgültig 
war.  Ihre  Scheide  war  9  cm  lang  und  endigte  blind,  ohne. 
Uterus  und  ohae  Ovarien.  Woher  der  Widerwille  gegen  das 
männliche  Geschlecht? 

Der  zweite  Fall  wird  von  Magitot^)  mitgeteilt,  und  be- 
trifft eine  geachtete  und  wohlerzogene  Frau,  die  mit  I71/2 
Jahren  einen  Jüngling  heiratete,  mit  dem  sie  12  Jahre  in  gutem 
Einverständnis  lebte,  obgleich  der  Coitus  niemals  regelmässig 
vollzogen  werden  konnte.  Als  sie  Witwe  geworden  war, 
änderten  sich  ihre  geschlechtlichen  Neigungen  und  sie  hatte 
viele  Liebhaber,  mit  denen  die  geschlechtlichen  Beziehungen 
regelmässig  vor  sich  gingen;  aber  nach  kurzer  Zeit  wurde  sie 
krank  und  starb.  Bei  der  Sektion  fand  man  einen  Penis,  ähn- 
lich dem  eines  zwölfjährigen  Knaben,  mit  Hypospadie,  der  je- 
doch fähig  war,  sich  zu  erigieren  und  Sperma  zu  ejakulieren, 
das  keine  Filamente  enthielt.  Das  Scrotum  war  zweiteilig  und 
jede  Hälfte  enthielt  einen  Hoden.  Innere  weibliche  Organe 
fehlten.  Indem  wir  diese  schwierigen  Fälle  zur  Seite  lassen 
und  uns  wieder  zur  Apathie  wenden,  empfehlen  wir  den  Ge- 
richtsärzten den  schönen  Artikel  von  Schrenck-Notzing^) 
über  die  Ursachen,  welche  die  Impotenz  bei  den  Frauen  be- 
günstigen, worunter  die  Apathie  begriffen  ist;  wir  können  nicht 
länger  von  unserem  Gegenstande  abschweifen. 


^)  Gerin-Rose,   Un   cas  d'hermaphroditisme ,  Gaz.   des   hopit.  1884, 
No.  139.     Soc.  med.  des  hopit.    1884. 

2)  E.  Magitot,  Sur  un  nouveau   cas  d'hermaplirodisme.     Bull,   de  la 
Soc.  d'Antiiropologie.     1881,  p.  487. 

^)  A.  Schrenck-Notzing-,  Die  Suggestionstherapie  etc. 
Taruffi,  Hermaphrodismus,  13 


—    194    — 

§  3.    Sexuelle  Pei'Tersion. 

Die  Liebe  zwischen  Weibern,  wie  zwischen  Männern 
(Päderasten)  ist  zu  allen  Zeiten  vorgekommen,  und  für 
die  Weiber  ist  der  beste  Beweis  die  merkwürdige  Ode 
Sapphos,  durch  welche  der  Ausdruck  „lesbische  Liebe"  ein- 
geführt wurde,  denn  Lesbos  war  das  Vaterland  der  Dichterin. 
Dies  führt  uns  wieder  zum  Invirilismus  zurück,  nur  dass  dieser 
nicht  körperlich  und  anatomisch,  sondern  psychopathischen  Ur- 
sprungs ist.  Ehe  wir  jedoch  geschichtliche  Andeutungen  geben, 
und  eine  Definition  des  Gegenstandes  liefern,  die  sowohl  Männer 
wie  Weiber  umfasst,  erlauben  wir  uns  die  Bemerkung,  dass 
wir  die  Aufzählung  von  Thatsachen  übergehen  können,  obgleich 
sie  die  Basis  der  Besprechung  bildet,  weil  im  letzen  Dezennium 
die  an  Fällen  reichen  Publikationen  über  die  sexuelle  Per- 
version so  zahlreich  waren,  dass  war  unsere  Aufzählung  auf 
vergessene  oder  wenig  bekannte  Beobachtungen  beschränken 
können  (s.  Note  4). 

Die  neueren  Beobachtungen  haben  tüchtigen  Ärzten  Ge- 
legenheit  gegeben,  sie  zu  analysieren,  in  ihrem  verschiedenen 
Auftreten  zu  vergleichen  und  dann  je  nach  den  erhaltenen 
Resultaten  zu  klassifizieren.  Schon  haben  diese  Studien  das 
Erscheinen  mehrerer  Arbeiten  und  wertvoller  Bücher  veranlasst, 
in  denen  neue  Ideen  und  neue  Benennungen  oder  Titel  einge- 
führt werden,  welche  die  Modalität,  oder  den  Ursprung,  oder 
die  sozialen  Folgen  der  Liebe  zwischen  Frauen  betreffen.  Wenn 
man  diese  Benennungen  aufzählt  und  ihren  Ursprung  hinzufügt, 
berührt  man  zugleich  die  Hauptpunkte  dieser  neueren  Gre- 
schichte,  die  ein  neues,  wichtiges  Kapitel  der  Biologie  und  be- 
sonders der  gerichtlichen  Medizin  gebildet  hat.  Dazu  kommen 
die  neuen  Probleme  der  Physio-Pathologie,  denen,  wie  wir 
hoJBfen,  die  Physiologen  endlich  ihre  Aufmerksamkeit  zuwenden 
werden.  Wenn  wir  jetzt  zu  den  Benennungen  und  Definitionen 
übergehen,  bemerken  wir,  dass  schon  vor  40  Jahren  (1860)  ein 
seltsamer  Schriftsteller  auftrat,  ein  Assessor  in  Hannover  und 
sehr  gelehrter  Mann,  aber  ein  schamloser  Lasterhafter,  denn 
er  verlangte,  dass  die  Liebe  zwischen  Individuen  desselben 
Geschlechts  erlaubt  sein  soUe  und  sprach  diese  Idee  bei  mehreren 
Gelegenheiten  unter  dem  Pseudonym   „Numa  Numantius"  aus. 


—    195    — 

während  sein  wahrer  Name  Heinrich  Karl  Ulrichs  war. 
Bei  diesem  Autor  herrschte  auch  der  Gedanke  vor,  den  Ur- 
sprung der  Sodomie  zu  adeln,  und  statt  des  Namens  Päderastie, 
den  die  Griechen  gebrauchten,  nannte  er  sie  Uranismus  (nach 
der  Göttin  Urania)  i),  und  dieses  Wort  wurde  später  in  „Urning" 
verderbt.  Das  Wort  wurde  von  Krafft-Ebing  und  Moll 
verbreitet.  Der  Ursprung  desselben  stammt  von  Plato  (Sym- 
posion, c.  Vin  et  IX),  der  ursprünglich  ein  drittes  Ge- 
schlecht von  Lebewesen  annahm,  das  der  Hermaphroditen,  das 
aus  Mann  und  Frau  zusammengesetzt  wäre,  und  auch  weil 
Uranus  die  Aphrodite  ohne  Mutter  hervorbrachte. 

Westphal,  ein  berühmter  Professor  der  Psychiatrie  in 
Berlin,  stellte  die  Definition  und  die  Benennung  der  Gruppe 
fest,  die  er  von  den  geschlechtlichen  Verirrungen  trennte. 
Guten  Beobachtungen  entnahm  er  eine  Arbeit  mit  dem  Titel: 
„Konträre  Sexualempfindung"  2),  der  dann  in  sexuelle  Per- 
version umgewandelt  wurde,  und  definierte  diese  Yerirrung 
als  eine  angeborene  Erscheinung  der  geschlechtlichen  Em- 
pfindung (der  männlichen  oder  weiblichen),  die  aber  bei 
dem  Kranken  von  dem  Bewusstsein  des  krankhaften  Charak- 
ters dieser  Erscheinung  begleitet  ist.  Von  diesen  beiden 
Symptomen  der  Definition  ist  das  zweite  nicht  angenommen 
worden,  denn  es  giebt  viele  FäUe,  in  denen  die  Leidenden 
sich  nicht  bewusst  sind,  dass  sie  krank  sind.  Später  war 
es  Krafft-Ebing 3),  der  durch  seine  Arbeiten  den  Begriff 
der  konträren  Sexualempfindung  besonders  bereicherte,  so  dass 
es  jetzt  genügt,  die  Wissbegierigen  auf  diese  zu  verweisen,  um 
unvermeidliche  Auszüge  zu  vermeiden.  Daher  führen  wir,  um 
die  Geschichte  zu  vervollständigen,  nur  die  Hauptpunkte  an*). 


^)  K.  H.  U Iridis,  Prometheus.  Leipzig,  1870.  Wegen  weiterer  Nach- 
licliteii  siehe  A.  Moll,  Kontr.  Sexualempfindung,  p.  17  ff. 

^)  K.  F.  Westphal,  Konträre  Sexualempfindung.  Arch.  für  Physio- 
logie.   Berlin,  1869,  Heft  II,  Bg.  1,  p.  109. 

^)  Der  grösste  Teil  der  Lehren  Kr  äff  t-E  bin  gs  findet  sich  in  seinem 
Buche :  Psychopathia  sesualis.  Weitere  Beobachtungen  sind  in  allen  seinen 
Werken  zerstreut. 

^)  Für  eingehende  historische  Nachrichten,  besonders  was  die  kon- 
träre Sexualempfindung  heim  Manne  betrifft,  verweise  ich  auf  A.  Moll, 
„Die   konträre    Sexualempfindung".      Mit   Benutzung    amtl.   Materials    und 

13* 


-    196    — 

Zuerst  hat  er  die  Definition  der  konträren  Sexualempfin- 
dung verbessert,  ohne  zu  übergehen,  dass  sie  angeboren  ist.  Er 
fügt  hinzu,  dass  der  Kranke,  wenn  er  aus  dem  Kindesalter 
tritt,  nur  Neigung  und  psycho  -  sexuelles  Gefühl  für  das  ent- 
gegengesetzte Geschlecht  hat.  Da  nun  die  Erscheinung  sowohl 
bei  Männern  als  Weibern  vorkommt  und  psychologisch  dieselbe 
ist,  hat  Krafft-Ebing  1)  den  Ausdruck  „homosexuell"  ge- 
schaffen ;  daher  nennt  er  homosexuelle  Gefühle  solche  zwischen 
Personen  von  demselben  Geschlecht,  und  wenn  er  ausdrücken 
will,  dass  die  Erscheinung  zwischen  Männern  oder  zwischen 
Weibern  vorkommt,  so  nennt  er  jene  männliche  oder  weibliche 
Urninge.  Wenn  aber  die  Neigung  oder  die  Verbindung  physio- 
logisch ist,  d.  h.  mit  dem  entgegengesetzten  Geschlechte  statt- 
findet, nennt  er  die  Erscheinung  heterosexuell  (zwischen  zwei 
Personen  von  verschiedenem  Geschlecht);  diese  kann  sich 
zwischen  die  Akte  des  Urnings  einschieben,  kann  also  in  un- 
regelmässigen Zwischenräumen  von  einem  mit  der  homosexualeu 
Krankheit  Behafteten  ausgeführt  werden. 

In  betreff  der  medizinischen  Praxis  unternahm  Kr  äff  t- 
Ebing  wichtige  Untersuchungen,  um  den  Ursprung  der  kon- 
trären Sexualempfindung  zu  bestimmen,  bestätigte,  dass  sie  bald 
erworben,  bald  angeboren  ist,  und  teilte  sie  in  zwei  verschie- 
dene Arten.  Nachdem  dieser  erste  und  schwerste  Schritt  ge- 
than  war,  versuchte  er,  die  Grade  einer  jeden  der  beiden  Arten 
zu  zeichnen,  dann  eine  gewisse  Zahl  von  Ursachen  anzugeben 
und  die  Differential  -  Charaktere  aufzustellen,  die  zur  Diagnose 
dienen  können.  Diese  Diagnose  ist  oft  von  grosser  Wichtig- 
keit, bald  um  den  Kurplan  festzustellen,  bald  um  den  Grad 
der  Verantwortlichkeit  des  Kranken  für  die  Ursachen  der 
Krankheit  zu  erkennen.  Um  die  Diagnose  zu  erleichtern,  hat 
der  Autor  vier  Grade  der  erworbenen  konträren  Sexualempfin- 
dung unterschieden.  Aber  ehe  wir  zu  den  Graden  kommen, 
erwähnen  wir,  dass  sich  mit  den  Ursachen  vorzüglich  S ehren ck- 


mit  einem  Vorworte  von  Krafft-Bbing.  Berlin,  Fischer,  1891.  — 
Untersucliangen  über  die  Libido  sexualis.  ibid.  1898.  Sehr  wichtig  für  den 
Unterricht. 

^)  Krafft-Ebing,  Psychopathia  sexualis,  p.   240. 


—    197    — 

Notzingi)  beschäftigt  hat,  der  über  die  Ursachen  der  Onanie 
lind  über  die  anderen  Ursachen  der  konträren  Sexualem- 
pfindung eingehende  Studien  gemacht  hat.  Von  den  von  Kraff t- 
Ebing  angenommenen  G-raden  besteht  der  erste  (symptomatisch) 
in  der  einfachen  konträren  Sexualempfindung,  während  der 
Kranke  diese  Neigung  als  eine  Verirrung  und  als  dem  eigenen 
Geschlechte  widersprechend  beurteilt.  Der  zweite  Glrad  tritt 
ein,  wenn  der  Kranke  das  Gefühl  hat,  er  habe  sein  Geschlecht 
geändert;  so  z.  B.  fühlt  sich  ein  Mann  als  Weib,  selbst  während 
des  Geschlechtsaktes;  der  Verf.  nennt  diesen  Zustand  „Eviratio" 
(entmannt).  Wahrscheinlich  gehören  zu  dieser  Art  jene  Männer, 
die,  wenn  sie  allein  zu  Hause  sind,  sich  elegant  als  Frauen 
kleiden ;  ich  erinnere  mich  des  Falles  eines  Prozessrichters  aus 
meiner  Studentenzeit. 

Besondere  Aufmerksamkeit  verdient  der  folgende  Grad, 
dessen  Wichtigkeit  man  nur  würdigen  kann,  wenn  man  den 
Autor  selbst  zu  Rate  zieht,  wo  er  von  der  Paranoia  spricht  2). 
Eine  Idee  über  diesen  Grad  kann  man  aus  folgender  Geschichte 
entnehmen,  die  der  Verf.  sehr  ausführlich  erzählt,  und  die  die 
Basis  des  dritten  Grades  festlegt.  Übergang  zu  der  paranoischen 
Geschlechtsverwandlung.  Der  Verf.  erzählt,  der  Kranke  sei 
ein  Arzt  gewesen,  und  sagt:  „Als  Kind  hatte  ich  weibliches 
Betragen  und  Aussehen.  Ich  liebte  leidenschaftlich  männliche 
Spiele,  militärische  Übungen,  während  ich  den  Mädchen  aus- 
wich. Im  Alter  von  15  Jahren  verfiel  ich  dem  Laster  der 
Onanie;  aber  wenn  ich  es  ausübte,  schien  ich  mir  aus  zwei 
Teilen  zu  bestehen,  einem  männlichen  und  einem  weiblichen. 
Ich  war  genötigt  zu  heiraten,  und  der  Coitus  gewährte  mir 
keinen  Genuss.  Nach  einigen  Jahren  mit  nervösen  Störungen 
und  Halluzinationen  bekam  ich  Gichtanfälle,  wobei  ich  warme 
Bäder  nahm;  eines  Tages  war  ich  genötigt,  das  Bad  schnell  zu 
verlassen,  da  ich  mich  als  Weib  fühlte  und  weibliche  Be- 
gierden hatte.  Diese  Erscheinung  wiederholte  sich  nach  einer 
starken  Dosis  von  Cannabis  indica,  und  darauf  wurde  ich  sanft 


^)  V.  Schrenck-Notzing  (München),  Suggestionstherapie,  p.  .129 
folgende. 

2)-  Krafft-Ebing,  Lehrbuch  der  Psychiatrie.  Paranoia  primi- 
tiva. 


—    198    — 

und  geduldig,  wie  eine  Frau.  Aber  ich  schlief  wenig  und  hatte 
die  Halluzination,  meine  Geschlechtsteile  seien  die  einer  Frau. 
Glücklicherweise  tröstete  ich  mich  über  meinen  Zustand  durch 
die  Religiosität,  die  ich  immer  bewahrt  hatte,  und  diese  hinderte 
mich,  der  mehrmals  wiederkehrenden  Neigung  zum  Selbstmorde 
zu  folgen."  —  Krafft-Ebing  definiert  den  vierten  und  letzten 
Grad  als  „Paranoische  Geschlechtsverwandlung".  Der  Verf. 
meint,  der  Kranke  sei  zuerst  neurasthenisch  in  Bezug  auf 
die  Geschlechtsorgane,  dann  werde  die  Neurasthenie  allgemein 
im  Sinne  einer  psychischen  Krankheit  bis  zum  Grade  der 
Paranoia,  also  bis  zu  der  Monomanie,  sein  Geschlecht  gewechselt 
zu  haben.  Diese  sehr  seltene  Monomanie  findet  sich  sowohl 
beim  Manne,  als  beim  Weibe. 

Wenn  die  sexuelle  Perversion  angeboren  ist,  hält  sie  der 
Verf.  für  krankhaft,  obgleich  das  Geschlechtsorgan  schon 
differenziert  ist;  aber  das  Individuum  zeigt  eine  seltsame 
Apathie,  ja  Abneigung  gegen  das  andere  Geschlecht,  und  sym- 
pathische Zuneigung  zu  Personen  des  eigenen  Geschlechts.  In 
gewissen  Fällen  zeigt  der  Kranke  sogar  diese  Neigung  durch 
Nachahmung  der  Beschäftigungen  und  der  Kleidung.  Auch 
dieser  Krankheitsprozess  hat  Grade,  d.  h.  verschiedene  Ent- 
wickelungsformen,  die  Krafft-Ebing  auf  folgende  Weise  zu- 
sammenfasst : 

1.  Während  der  homosexualen  Empfindung  zeigen  sich 
Spuren  von  heterosexualen  Gefühlen  (psycho  -  sexualer  Herm- 
aphrodismus). 

2.  Es.  besteht  keine  andere  Neigung,  als  die  zu  dem 
eigenen  Geschlechte  (Homosexualität), 

3.  Das  ganze  physische  Sein  passt  sich  der  abnormen 
Geschlechtsempfindung  an  (Effeminatio  und  Viraginität). 

4.  Die  Körperform  nähert  sich  derjenigen,  welcher  der 
abnormen  Geschlechtsempfindung  entspricht. 

Wenn  man  diese  Grade  und  die  darauf  bezüglichen  Ge- 
schichten mit  denen  der  erworbenen  Homosexualität  vergleicht, 
kann  man  leicht  bemerken,  wie  wertvoll  das  Bestreben  ist, 
diese  beiden  Arten  von  einander  zu  trennen,  also  den  er- 
worbenen psychologischen  Invirilismus  von  dem  angeborenen; 
aber  zugleich  begreift  man  leicht,  wie  gross  die  Schwierigkeit 


—  ige- 
lst, in  der  Praxis  den  sehr  komplizierten  und  veränderlichen 
funktionellen  (nicht  körperlichen)  Charakteren  die  Daten  zu 
entnehmen,  die  diese  beiden  Arten  deutlich  von  einander  unter- 
scheiden lassen.  Daher  ist  es  nicht  zweifelhaft,  dass  dieser 
Punkt  noch  der  Vervollkommnung  bedarf,  die  nur  durch  Bei- 
bringung neuer,  besser  charakterisierter  Beobachtungen  erreicht 
werden  kann. 

Der  Verf.  hat  in  betreff  der  vielen  von  ihm  untersuchten  kli- 
nischen Thatsachen  geschlossen,  dass  man  bei  der  zugleich  patho- 
logischen und  angeborenen  Perversion  einen  erblichen  Zustand 
wahrnehmen  kann,  eine  Belastung,  wie  die  Neueren  sagen,  und 
wenn  solche  Zustände  nach  der  Pubertät  auftreten,  werden  sie 
Krankheitssymptome;  z.  B.  der  bizarre,  romantische  Charakter, 
lebhafte  Leidenschaft  für  Musik  oder  Poesie,  und  bei  Frauen  die 
ausschliesslichen  Träume  von  Frauen,  die  neurasthenischen  oder 
hysterischen  Leiden,  die  beide  oft  durch  Masturbation  unterhalten 
werden.  Zu  den  Ursprüngen  übergehend,  nimmt  der  Autor  an, 
dass  es  in  den  Familien  Individuen  mit  Neurosen,  epileptischen 
Psychosen  und  mit  Anzeichen  von  Degeneration  giebt,  z.  B. 
erblich  syphilitische  i).  Aber  auch  in  dieser  Beziehung  wieder- 
holen wir,  dass  ausführlichere  neue  Beobachtungen  nötig  sind, 
und  da  wir  diese  Aufgabe  nicht  übernehmen  können,  weil  sie 
unsere  Absicht  überschreitet,  überlassen  wir  sie  den  Forschern. 
Als  wir  das  obige  niedergeschrieben  hatten,  bemerkten  wir,  dass 
schon  Casper2)  im  Jahre  1833  behauptete,  die  Päderastie  sei 
oft  eine  angeborene  Neigung.  Neuerlich  hat  MolP)  viele 
Gründe  dafür  angeführt,  dass  die  konträren  Sexualempfindungen, 
die  man  für  erworben  hält,  gewöhnlich  angeboren  sind,  und 
eine  wichtige  Kritik  über  die  Differential- Diagnose  zwischen 
den  beiden  Arten  der  Perversion  vorgebracht,  die  Beachtung 
verdient. 

Wir  haben  die  Charaktere  der  Viragines  nach  Wrisberg 
aufgestellt  und   gesehen,   dass  viele  davon   den  von   uns   dem 


^)  E.  Fournier,  Stigmates  dystropMques  de  Theredo-sypliUis.  Paris, 
1898. 

-)  J.  L.  Casper,  Vierteljahrsschr.   für  gerichtl.  und  öffentl.  Medizin. 
Berlin,  1833. 

^)  A.  Moll,    Die  konträre  Sexnalempfindung,  p.  216  ff. 


—     200     — 

Invirilismus  i)  ziigeschrieljeiieu  entsprecheu,  und  haben  auch  auf 
die  Notwendigkeit  aufmerksam  gemacht,  eine  unterste  Grenze 
für  die  Grösse  der  Viragines  aufzustellen.  Wir  fügen  nun  hin- 
zu, dass  Meckel  das  Wort  Gynandra  als  Synonym  mit  Virago 
annahm^),  und  dass  Krafft-Ebing  bemerkte,  viele  der  ange- 
führten Charaktere  verbänden  sich  bisweilen  mit  der  konträren 
Geschlechtsempflndung.  So  versichert  er,  dass  Unterleib  und 
Geschlechtsteile  dieser  Weiber  weiblich  sind,  während  das  Ge- 
sicht und  die  allgemeine  Form  des  Skeletts  männlichen  Typus 
zeigt.  Aber  er  liefert  weder  hinreichende  anatomische  Angaben 
für  den  Zustand  des  Skeletts,  noch  für  das  arithmetische  Mittel 
der  Körpergrösse. 

Die  Hauptcharaktere,  die  dieser  Autor  bei  den  Gynandren 
angiebt,  sind  folgende.  In  der  Kindheit  liebt  das  Mädchen  die 
Belustigungen  der  Knaben  und  wetteifert  mit  ihnen  bei  ihren 
Spielen.  Sie  liebt  die  weiblichen  Arbeiten  nicht  und  zeigt  sich 
ungeschickt  bei  denselben.  Wenn  sie  älter  wird,  zeigt  sie  die 
Neigungen  einer  Amazone.  Sie  trägt  kurze  Haare  und  kleidet 
sich  gern  als  Mann.  Später  fühlt  sie  sich  den  Frauen  gegen- 
über als  Mann.  Geschlechtliche  Beziehungen  zu  einem  Indivi- 
duum des  anderen  Geschlechts  scheinen  ihr  ganz  unbegreiflich. 
In  vielen  Fällen  begnügen  sich  diese  Frauen  mit  platonischer 
Liebe,  oder  höchstens  mit  lesbischer  Liebe  oder  Masturbation. 
Dann  spricht  der  Autor  von  der  echten  Gynandra  (Mannweib) 
und  sagt,  die  zu  dieser  Art  gehörenden  Weiber  hätten  ähnliche 
körperliche  Beschaffenheit  und  Geschlechtsempfindungen,  wie 
die  Viragines.  Unter  den  körperlichen  Eigenschaften  ist  die 
Ähnlichkeit  der  Stimme,  der  Gesichtstypus  und  die  Bildung  des 
Skeletts  beachtenswert.  Es  g-iebt  auch  wenige,  aber  genügende 
Beobachtungen,  dass  bei  solchen  Weibern  das  Becken,  der 
Gang  und  die  Stellungen  entschieden  männlich  sind,  besonders 
haben  sie  grobe  Züge,  tiefe,  rauhe  Stimme  und  bisweilen  grosse 
Hände  und  Füsse.  In  moralischer  Hinsicht  ist  es  merkwürdig, 
dass  die  Schamhaftigkeit  verschwindet,  wenn  sie  sich  einer 
Person  ihres  eigenen,  und  nicht  des  entgegengesetzten  Ge- 
schlechts gegenüber  befinden. 


1)    Vgl.    p.    4:1. 

^)  Mcckel,    Pathologische  Anatomie.    Leipzig,    1816,   Bd.  II,  p.  200. 


—    201     — 

Was  den  Hermaphrodismus  betrifft,  haben  wir  schon  ange- 
geben, dass  die  bisexuellen  Erscheinungen  bei  den  Viragines 
schon  von  Wrisberg  erwähnt  worden  sind,  und  in  unserer 
Zeit  bemerkte  Casper,  dass  es  Männer  giebt,  die  geschlecht- 
liche Beziehungen  bald  mit  Männern  (homosexual),  bald  mit 
Weibern  (heterosexual)  haben.  Der  Kenntnis  dieser  Erschein- 
ung hat  Krafft-Ebing  ein  Kennzeichen  entnommen,  um  den 
ersten  Grad  seiner  Einteilung  der  angeborenen  konträren  Sexual- 
empfindung festzustellen  (s.  Grad  1,  p.  198).  Er  sagt:  „neben 
der  homosexuellen  Empfindung  sind  Spuren  der  heterosexuellen 
vorhanden",  und  diesen  Zustand  nennt  er  psycho -sexuellen 
Hermaphrodismus.  MolP)  hat  nachgewiesen,  dass  die  Ent- 
fernung der  geschlechtlichen  (heterosexuellen)  Beziehungen 
von  einander  nach  der  Zeit  in  verschiedenem  Masse  variiert, 
und  dass  diese  Varietät  bei  verheirateten  Männern  nicht  be- 
sonders selten  ist,  wenn  bei  ihnen  die  Geschlechtsteile  nor- 
mal entwickelt  sind;  dagegen  kann  die  Abneigung  gegen 
heterosexuelle  Individuen  bedeutend  wechseln. 

In  Betreff  des  Hermaphrodismus  ist  es  zweckmässig,  hier 
zu  erwähnen,  dass  wir  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  dieses 
Wort  gebraucht  haben.  Bei  beiden  Arten  des  Invirilismus 
haben  wir  Gelegenheit  gefunden,  diesen  Ausdruck  anzuwenden, 
zunächst  in  den  Fällen,  in  denen  die  anatomischen  Teile  den 
männlichen  ähnliche  Formen  angenommen  haben,  wie  bei  den 
Viragines,  bei  Hypertrichose,  bei  einfachen  Hypertrophien  der 
Teile  des  Gesichts,  der  Clitoris  und  der  Glieder.  Wir  haben 
aber  seine  Anwendung  unterlassen,  wenn  es  sich  um  falsche 
Hypertrophie,  hervorgebracht  durch  pathologische  Prozesse, 
handelte,  also  wenn  nur  Pseudo-Invirilismus  vorlag.  Wir  haben 
ihn  dann  bei  der  zweiten  Art  der  Perversion  gebraucht,  nämlich 
wenn  die  männlichen  Eigenschaften  aus  den  von  Frauen  aus- 
geführten physischen  oder  moralischen  Handlungen  geschlossen 
werden,  um  zu  erklären,  welche  Handlungen  man  einer  unge- 
wöhnlichen Vollkommenheit   oder   Thätigkeit   der  psychischen 


1)  Über  die  Häufigkeit  der  Fälle  scheint  Moll  nicht  derselben  Meinung 
zu  sein  (1.  c.  p.  305).  Er  sagt,  bei  Weibern  finde  man  alle  Arten  von 
sexueller  Perversion,  aber  am  häufigsten  die  konträre  Sexualempfindung, 
wobei  die  Weiber  sich  am  meisten  von  anderen  Weibern  angezogen 
fühlen. 


—    202    — 

Funktionen  zuschreiben  muss.  Zu  diesen  Handlungen  gehören 
auch  die  psycho-sexuellen,  bei  denen  die  Zunahme  der  Thätig- 
keit  in  eine  Krankheit  ausarten  oder  auch  umkehren  kann 
(konträre  Geschlechtsempfindung).  In  diesem  Falle  nimmt  die 
Perversion  nicht  nur  den  Charakter  des  Pseudo- Hermaphrodis- 
mus  an,  wie  Krafft-Ebing  will,  wenn  dasselbe  Individuum 
geschlechtliche  Verhältnisse  mit  beiden  Geschlechtern  eingeht, 
sondern  auch,  so  oft  eine  Frau  sich  einbildet,  ein  Mann  zu 
sein  und  den  verschiedenen  Graden  der  Homosexualität  ver- 
fällt, denn  auch  dieses  ist  eine  nervöse  Erscheinung,  die  ihr 
thätiges  und  Eeflexcentrum  in  einer  Anomalie  der  Psyche  hat. 

Nachdem  wir  eine  kurze  Übersicht  über  die  Perversion  ge- 
geben haben,  mussten  wir  ein  neues  Verzeichnis  von  Thatsachen 
aufstellen,  das  die  Varietäten  sowohl  der  anatomischen  als 
instinktiven  Charaktere  der  konträren  Geschlechtsempfindung 
enthielte,  um  z.  B.  zu  untersuchen,  wie  oft  beim  Weibe  der 
Invirilismus  sich  auf  den  Thorax  erstreckt  oder  sich  auf  ihn  be- 
schränkt. Obgleich  man  diese  Erscheinung  für  häufig  halten 
kann,  haben  wir  doch  nur  die  folgenden  wenigen  Beispiele  ver- 
zeichnet, da  wir  die  von  Birnbacheri)  gesammelten  Fälle 
nicht  kennen.  Ferner  unterlassen  wir  es,  die  Fälle  von  perineo- 
scrotaler  Hypospadie  als  Beispiele  von  Pseudo-Hermaphrodismus 
zu  betrachten,  wie  Krafft-Ebing^)  anzunehmen  geneigt  scheint, 
denn  die  Hypospadie  findet  sich  zwar  beim  Weibe,  aber  ziem- 
lich selten,  und  man  findet  nicht  die  Beschreibung  des  Zu- 
sammenhangs mit  der  Vulva  und  weiterhin  mit  der  Vagina. 

Wer  die  physischen  oder  instinktiven  Varietäten  des  männ- 
lichen und  weiblichen  Pseudo-Hermaphrodismus  kennen  zu  lernen 
wünscht,  möge  die  148  Beobachtungen  auf  pag.  61  ff.  durchsehen. 
Hier  fügen  wir  nur  vier  die  Inversion  betreffende  Fälle  hinzu, 
die  wir  in  den  betreffenden  Noten  etwas  ausführlicher  be- 
schreiben werden.  Der  erste  ist  von  Ger  in  publiziert  worden 
(Note  5,  Beob.  1).  Es  handelte  sich  um  eine  Frau  mit  männ- 
lichem Habitus,   die  trotz  ihres  Widerwillens  Verhältnisse  mit 


^)  Birnbacher,  Ein  Fall  von  konträrer  Sexualemp findung  vor  dem 
Strafgericht.  Friedreichs  Blätter  für  ger.  Med.  1891,  p.  2.  Jahresber. 
für  1891,  V.  I,  p.  502    (28). 

")  Krafft-Ebing,  Psychopathia  sexualis,  p.  248. 


—    203    — 

Männern  gehabt  hatte;  bei  der  Sektion  fanden  sich  weibliche 
Geschlechtsteile,  aber  ohne  Ovarien.  Gunckel  (Note  5,  Beob.  2) 
erzählt,  dass  eine  Frau  mit  männlichem  Habitus,  5  cm  laogem, 
nach  hinten  gebogenem-  Penis,  aber  ohne  Hoden,  der  man  ein 
Liebesverhältnis  mit  ihrer  Stiefmutter  nachsagte,  mit  28  Jahren 
starb.  Bei  der  Sektion  fand  man  vollständige  weibliche  Organe, 
ausgenommen,  dass  die  Vagina  in  die  Prostata  mündete.  Birn- 
b  ach  er  (Note  5,  Beob.  3)  berichtet  von  einer  Frau,  die  männ- 
liche Manieren  nachzuahmen  liebte  und  an  lesbischer  Liebe  litt. 
Skelett  und  Kopf  waren  weiblich,  die  Geschlechtsteile  aplasisch, 
ähnlich  denen  eines  zehnjährigen  Mädchens.  Endlich  erzählt 
Müller  (Note  5,  Beob.  4)  einen  Fall  (aus  dem  verflossenen 
Jahrhundert)  von  Atresie  der  Geschlechtsteile  bei  einer  Frau 
mit  konträrer  Sexualempflndung,  die  sich  der  Sodomie  ergeben 
hatte  und  zum  Tode  verurteilt  wurde. 

Dieser  Fall  ist  nicht  vereinzelt  und  hat  eine  gewisse  Ähn- 
lichkeit mit  dem  infolge  von  Atresie  der  Scheide  durch  die 
Urethra  ausgeführten  Coitus.  Die  merkwürdigsten  Beispiele 
der  unter  diesen  Umständen  betriebenen  Sodomie  sind  unseres 
Wissens  zwei.  Das  eine  stammt  von  Ant.  Luisi)  (Note  5, 
Beob.  5),  wobei  die  obscöne  Handlung  Folge  der  Heftigkeit 
des  Geschlechtstriebes  war,  unter  Beistimmung  beider  Lieben- 
den. Das  zweite  Beispiel  gehört  Fr.  Eossi  aus  Turin  an,  bei 
dem  dasselbe  Hindernis  für  den  physiologischen  Coitus  bestand, 
aber  es  scheint,  dass  der  Gemahl  allein  den  Ersatzweg  kannte 2). 
Er  führt  den  Fall  von  Luis  an  (Note  5,  Beob.  5),  so  dass  sich 
in  der  gerichtlichen  Medizin  eine  verschiedene  Verantwortlich- 
keit zwischen  Mann  und  Frau  ergeben  würde. 

Wenn  wir  jetzt  die  von  Krafft-Ebing  angegebenen 
Symptome  der  Grade  der  angeborenen  Perversion  betrachten, 
finden*  wir,  dass  essehr  wenige  sind  und  zu  selten  vorkommen, 
um  die  Differentialdiagnose  von  den  erworbenen  Perversionen  zu 


^)  Ant.  Luis,  Encyclop.  varia,  1652.  Angeführt  von  A.  Hall  er, 
Biblioth.  Chirurg.  Bernae,  1765,  T.  II,  p.  288.  Vaginam  in  rectum  intesti- 
num, apertam  fnisse,  partum  tamen  a  Cl.  Pean  feliciter  expeditum. 

^)  Fr.  Eossi,  s.  C.  Taruffi,  IV.  Teil:  Agenosoma  Note  5.  Beob. 
11.  —  G.  Herzfeld,  Über  Atrophie  und  Stenose  der  Scheide.  Inaug.- 
Diss.     Berlin,  1869,  p.  24. 


—     204     — 

erleichtern.  Dazu  kommt,  dass  die  Ätiologie  geringe  Dienste 
leistet,  wenn  wir  bedenken,  dass  Neurasthenie,  Hysterie,  Para- 
noia und  die  sogenannte  Entartung  (tara)  Krankheiten  sind, 
die  gewöhnlich  zahlreiche  klinische  Formen  und  sehr  verschie- 
dene Wirkungen  umfassen,  bei  denen  meistens  die  sexuelle 
Perversion  fehlt,  so  dass  die  Gegenwart  einer  dieser  Formen 
einen  sehr  ungenügenden  Beweis  bildet,  um  sie  als  Ursache  zu 
erkennen.  Man  muss  also  zugeben,  dass  die  Pathogenese  nicht 
einfach  ist,  und  dass  die  angeführten  Degenerationen  für  die 
Atiologen  nicht  hinreichen,  sowie  dass  das  Hinzutreten  anderer, 
bis  jetzt  unbekannter  Bedingungen  nötig  isti).  Diese  Dinge 
sind  ohne  Zweifel  dem  berühmten  Wiener  Irrenarzte  be- 
kannt, der  antworten  kann,  dass  man  bei  rein  nervösen 
Krankheiten  nur  zu  der  mehr  oder  weniger  entfernten  Induktion 
zu  greifen  braucht,  um  den  Mangel  gleichförmiger  physischer 
Zeichen  zu  ersetzen. 

Wenn  es  unvermeidlich  war,  zur  Induktion  zu  greifen,  um 
die  Ursachen  der  Perversion  aufzufinden,  so  muss  man  sich  des- 
selben Mittels,  und  mit  noch  grösserer  Kühnheit  bedienen,  um 
ihre  Pathogenese  aufzuklären,  da  wir  noch  in  vollkommener 
Unkenntnis  der  Beziehungen  der  Funktionen  des  Gehirns  zu 
denen  der  Geschlechtsteile  sind.  Aber  es  genügt  nicht,  nach  einem 
Auskunftsmittel  zu  greifen;  man  muss  sich  seiner  auf  die  beste 
Weise  bedienen,  um  die  Hindernisse  zu  vermeiden,  oder  zu 
überwinden,  indem  man  sie  richtig  erklärt.  Nun  ist  auch  dieses 
Unternehmen  von  Krafft-Ebing  auf  bewundernswürdige 
Weise  ausgeführt  worden;  er  hat  einige  Vorgänger  überwunden, 
die  analoge  Ansichten  in  embryonaler  Weise  ausgesprochen 
hatten.  Folgendes  ist  die  Lehre  des  Verf.  in  ihren  Haupt- 
punkten. Er  erwähnt  zuerst,  dass  bei  jungen  Leuten  beider 
Geschlechter  ein  dem  eigenen  Geschlechte  entsprechender  mora- 
lischer Zustand  auftritt,  unterstützt  durch  den  Einfluss  der 
Umgebung  und  Erziehung;  er  bekennt  jedoch,  dass  die  Frage 
noch  lebhaft  erörtert  wird,  ob  das  Erscheinen  der  vollständigen 


^)  Wer  weitere  Einzelheiten  über  das  Ungenügende  der  den  erworbe- 
nen gesclilechtlichen  Psychopathien  zugeschriebenen  Ursachen  wünscht,  mag 
die  „Suggestionstherapie  der  geschlechtlichen  Psychopathien"  von  Dr.  A. 
V.  Schrenck-Notzing  (München)  um  Eat  ziehen. 


—    205    — 

psychisch-sexuellen  Entwickelung  eine  Folge  des  Einflusses  der 
Hoden  und  Ovarien,  oder  der  Hirncentra  sei.  In  dieser  Be- 
ziehung leugnet  der  Verf.  nicht  den  wichtigen  Einfluss  der 
sekundären  Einflüsse  des  Organismus  auf  die  Entwickelung, 
was  durch  die  Eunuchen  und  die  Viragines  bewiesen  wird. 
Aber  dies  erklärt  nicht,  wie  sich  eine  der  physiologischen 
Neigung  des  Individuums  konträre  Geschlechtsempfindung  ent- 
wickelt. 

Um  dieser  Schwierigkeit  zu  entgehen,  greift  der  Verf.  zu 
einer  hypothetischen  Anomalie,  die  ihren  Sitz  im  Centrum  des 
Gehirns  hat,  so  oft  die  Perversion  angeboren  und  (wahrscheinlich) 
die  Wirkung  einer  Degeneration  ist,  die  sich  bei  den  Vorfahren 
fand  und  durch  Progression  den  Nachkommen  überliefert  wurde 
(progressive  Vererbung).  Er  meint  endlich,  dieser  Zustand  des 
Gehirns  sei  ein  Punkt  der  psychisch  -  sexuellen  Konzentration, 
wo  die  leitenden  Nerven  der  motorischen  und  sensitiven  Appa- 
rate sich  kreuzen,  während  sie  andererseits  zu  Gesichts-,  Ge- 
ruchs- u.  s.  w.  Centren  verlaufen,  indem  sie  dem  Ganzen  die 
Idee  eines  männlichen  oder  weiblichen  Wesens  beilegen.  Er 
meint  ferner,  der  anatomische  Sitz  des  Konzentrationspunktes 
liege  in  der  Gross-Hirnrinde  in  der  Nähe  der  Geruchssphäre, 
denn  niemand  kann  die  engen  Beziehungen  zwischen  dem  Ge- 
schlechtssinne und  dem  Geruchssinne  leugnen  i).  Gegen  die  sinn- 
reiche Hypothese  eines  einzigen  Sitzes  hat  sich  MolP)  ge- 
wendet, weil  die  Erfahrung  zu  der  Annahme  führt,  das  Gesichts- 
und Gefühls-Centrum  übten  denselben  Einfluss  aus;  statt  eines 
einzigen  sexuellen  Perceptionscentrums,  glaubt  er,  seien  mehrere 
Centren  in  der  Grosshirnrinde  zers-treut. 


Kapitel  VI.     Tribadismus. 

Da  wir  keine  weiteren  hinreichend  sicheren  Fälle  von 
Invirilismus  hinzufügen  können,  schliessen  wir  die  gegenwärtige 
Abhandlung  mit  der  chronologischen  Geschichte  des  Ausdrucks 


^)  Vgl.  A.  Hagen,  Die  sexuelle  Osphresiologie.  Die  Bezieli- 
ungen  des  Geruchssinnes  und  der  Gerüche  zur  menschlichen  Geschlechts- 
thätigkeit.    Berlin,  1901. 

2)  A.  Moll,  Die  konträre  Sexualempfindung,  p.  228. 


—    206    — 

Tribadismus,  der  zu  allen  Zeiten  gebräuchlich  war,  und  mit  der 
Geschichte  der  ihm  beigelegten  Bedeutung.  Dies  wird,  hoffe 
ich,  den  Philologen  angenehm  sein,  trotz  der  von  uns  offen 
gelassenen  Lücken,  und  auch  den  Gerichtsärzten  nützen,  indem 
es  sie  darauf  aufmerksam  macht,  dass  dieser  Name  in  der 
Wissenschaft  weder  eine  genaue,  noch  gleichförmige  Bedeutung 
hat.  Dies  rechtfertigt  die  neuen  Benennungen,  die  zu  den  ver- 
schiedenen Erscheinungen  passen,  welche  als  Tribadismus  zu- 
sammengefasst  worden  sind. 

Wenn  man  bedenkt,  dass  die  Geschlechtsinstinkte  oft 
übermässig  waren  und  noch  sind  und  bisweilen  die  Intelligenz 
stören,  kann  man  eine  von  Manethos  gemachte  Unterscheidung 
erklären,  die  sich  in  einem  seiner  Fragmente  findet  (4,358)1), 
worin  Meretrices  und  Tribaden  unterschieden  werden:  nÖQvac, 
nal  TQißdöag  — ,  denn  noch  heute  unterscheiden  wir  die  käuf- 
lichen Weiber,  die  auf  gewöhnliche  Weise  die  Geschlechts  Ver- 
bindung ausüben,  von  anderen,  die  instinktiv  die  ungewöhn- 
lichsten Arten  der  geschlechtlichen  Verirrungen  aufsuchen  oder 
sich  ihnen  hingeben.  Diese  Unterscheidung  gewinnt  besondere 
Wichtigkeit  dadurch,  dass  Manethos  der  erste  Geschichts- 
schreiber Egyptens  war,  obgleich  er  griechisch  schrieb,  und  zur 
Zeit  Ptolemäus  I.  lebte  (367  ante  Chr.). 

Bei  den  Hebräern  zeigte  sich  schon  zu  Moses  Zeit  grosse 
Achtung  der  ehelichen  Pflichten  und  Verachtung  der  instink- 
tiven geschlechtlichen  Laster;  aber  auch  bei  diesem  Volk  trat 
später  moralische  Degradation  auf,  die  gleichzeitig  in  Griechen- 
land und  Kleinasien  sich  stark  vermehrte.  Dies  beweist  der 
Apostel  Paulus  in  seinem  Brief  an  die  Eömer;  darin  liest  man 
(Kap.  1,  Vers  27 — 28)2):  „Nam  foeminae  eorum  immutaverunt 
naturalem  usum  in  eum  usum,  qui  est  contra  naturam.  Similiter 
autem  et  masculi  relicto  naturali  usu  foeminae,  exarserunt  in 
desideriis  suis  in  invicem,  masculi  in  masculos  turpitudinem  ope- 
rantes,  et  mercedem  (quam  oportuit)  erroris  suis  in  semetipsis 
recipientes." 


^)  Die  Mstorischen  Fragmente  des  Manethos  sind  von  dem  Historiker 
Flavius  Josephus  erhalten  und  überliefert  worden. 

2)  Wir  haben  die  beiden  Verse  der  in  Venedig  bei  Giolito,  1588  ge- 
druckten Bibel  entnommen. 


—    207    — 

Paulus  gebrauclite  weder  in  diesen  beiden  Versen,  nocli 
sonstwo  1)  die  Ausdrücke  Tribaden  und  Sodomiter,  da  ihm  die 
Beschreibung  der  Akte  genügte.  Ausserdem  näherte  Paulus 
die  beiden  Arten  der  geschlechtlichen  Yerirrungen  einander,  als 
ob  zwischen  beiden  nahe  Verwandtschaft  bestände,  und  dies  ist 
18  Jahrhunderte  später  von  Krafft-Ebing  wissenschaftlich 
anerkannt  und  festgestellt  worden,  indem  dieser  den  Ausdruck 
„homosexuelle  Instinkte"  einführte. 

Bei  der  Fortsetzung  unserer  Untersuchungen  kommen 
wir  zu  dem  berühmten  Epigramm-Dichter  Valerius  Mar- 
tialis,  der,  im  Jahre  43  p.  C.  in  Spanien  geboren,  in 
seinem  65.  Jahre  in  die  Hauptstadt  des  Eeichs  auswanderte 
und  hier  noch  35  Jahre  lebte.  Hier  schrieb  er  seine  be- 
rühmten Epigramme,  von  denen  nur  drei  uns  angehen  (Lib.  I, 
Ep.  91,  Lib.  VII,  Ep.  67,  70).  Die  wichtigsten  sind  die  beiden 
folgenden,  die  deutlich  auf  die  Entartung  Jener  Zeit  anspielen, 
und  obgleich  sie  das  Wort  Tribadismus  nicht  gebrauchen,  zeigen 
sie,  dass  solche  Weiber  sich  nicht  auf  die  geschlechtliche  Per- 
version beschränkten,  sondern  sogar  der  Zunge  das  Amt 
der  Scheide  übertrugen.  So  ist  der  Instinkt  und  das  Treiben 
dieser  Weiber  viel  mannigfaltiger,  als  wir  bis  jetzt  angenommen 
haben. 

Martial,  Epigramme.  Lib.  I,  ep.  91.  Ad  Bassam  triba- 
dem2): 

Inter  se  geminos  audes  committere  cunnos, 
Mentitiirque  virum  prodigiosa  Venus. 
Commenta  es  dignum  Theliano  aenigmate  monstrum : 
Hie,  Tibi  vir  non  est,  ut  sit  adulterium. 


^)  Diese  beiden  Verse  sind  von  den  italieniscben  Übersetzern  der 
Bibel  zu  undeutlich  und  ungenau  ausgedrückt  worden. 

^)  Dieses  Epigramm  ist  schwer  zu  übersetzen  und  zu  erklären.  Gewöhn- 
lich übersetzt  man :  „Du  wagst  es,  eine  Vagina  mit  der  anderen  zusammen- 
zubringen, und  die  monströse  Venus  ahmt  den  Mann  nach."  Wenn  man 
aber  das  Wort  Venus  mit  Vagina  übersetzt,  und  da  sie  prodigiosa  genannt 
wird,  annimmt,  dass  die  Vagina  eine  penisähnliche  Clitoris  besass,  versteht 
man  die  Fortsetzung  des  Epigramms:  „Du  hast  ein  des  thebanischen  Unge- 
heuers würdiges  Rätsel  erfunden,  und  hast  es  erreicht,  dass  man  ohne 
Mann  Ehebrecherin  sein  kann." 


—    208    — 

Epigramme,  VII,  67. 

Gregen  PMlene  (die  mehr  cnnnilingua,  als  Tribade  war): 

Paeclicat  pueros  tribas  Philaenis 
Et  tentigine  saevior  mariti 
Undenas  vorat  in  die  puellas. 


Non  fellat;  putat  hoc  parum  virile 
„Sed  plane  medias  vorat  pnellas" 
Di  meiitem  tibi  dent  tuam,   Plülaeni, 
Cunnum  lingere  quae  putas  virile. 


Aber  wir  wissen,  dass  man  vor  den  Epigrammen  Marti  als 
im  zweiten  Jahrhundert  a.  c.  in  Rom  öffentlich  die  berühmten 
Komödien  des  Plautiis  vortrug,  unter  denen  sich  eine  mit  dem 
Titel  „Persianus"  befand  (Akt  II,  Szene  2),  in  der  der  Jüng- 
ling Pegnius  zu  Sofoclidisca  (einem  Weibe  von  schlechtem 
Lebenswandel)  sagte:  ne  me  attrecta,  subagitatrix  (ein  Weib, 
das  unter  den  Kleidern  agitiert).  Dieses  Beiwort  beweist  aller- 
dings nicht,  dass  dieser  Ausdruck  der  einzige  von  den  latei- 
nischen Schriftstellern  gebrauchte  war,  denn  Plautus  schrieb 
für  das  Volk  und  bemühte  sich  nicht  um  ausgesuchte  Phrasen. 
In  dem  Zeitalter  des  Augustus,  das  in  seinen  Sitten  nicht 
besser  war,  als  das  vorhergehende,  finden  wir  zwar  das  Wort 
Tribadismus,  oder  ein  anderes  gleichbedeutendes  nicht,  sondern 
nur  eine  Beschreibung  von  obscönen  Handlungen,  die  Phädrusi) 
in  seiner  „Prometheus"  überschriebenen  Fabel  hinterlassen  hat: 

.  .  .  Prometheus 

Naturae  partes,  veste  quas  celat  pudor, 
Qunm  separatim  toto  finxisset  die, 
Aptare  mox  ut  posset  corporibus  suis, 
Ad  coenam  est  invitatus  subito  a  Libero, 
Tibi  irrigatus  multo  venas  nectare, 
Sero  domum  est  reversns  titubanti  pede. 
Tum  semisomno  corde  et  errore  ebrio 
Applicuit  virginale  generi  masculo 
Et  masculina  membra  applicuit  foeminis. 
Ita  nunc  übido  pravo  fruitur  gaudio. 


^)  Phädrus  kam  in  dem  Zeitalter   des  Augustus   nach  Rom;    er  war 
aus  Thrazien  gebürtig.    Buch  IV,  Fabel  XIV.   Turiner  Ausgabe  von  Pomba. 


—    209    — 

In  diesem  Stück  schreibt  Phädrus  dem  Prometheus  die 
Macht  zu,  die  menschlichen  Körper  aus  den  zuerst  getrennten 
Gliedern  zusammenzusetzen,  und  erzählt,  er  habe,  als  er  eines 
Abends  betrunken  war,  aus  Irrtum  weibliche  G-eschlechtsteile 
mit  einem  männlichen  Körper  verbunden,  und  umgekehrt,  wo- 
durch bei  beiden  Produkten,  als  sie  lebendig  geworden 
waren,  die  Perversion  des  geschlechtlichen  Instinkts  entstan- 
den sei. 

Wir  haben  schon  angegeben,  dass  vor  dem  ersten  Jahr- 
nundert  unseres  Zeitalters  das  Wort  Tribadismus  gebraucht 
worden  ist.  Aber  obgleich  es  an  lasterhaften  Weibern  nicht 
gefehlt  hat,  weder  damals  noch  später,  muss  man  doch  bis  zum 
Jahre  139  p.  C.  gelangen,  um  den  zu  finden,  der  es  wiederholt 
hat.  Dies  war  Claudius  Ptolemäus,  in  der  Thebaide  ge- 
boren, der  im  Jahre  161  der  christl.  Aeranoch  lebte,  ein  berühmter 
Mathematiker,  Geograph  und  Astrolog,  der  unter  andern  das 
berühmte  Buch  schrieb:  Tetrabiblos  syntaxis  —  AI  ywämsg 
.  .  .  .  al  KaZo'öfisvai  xQißdösg'^). 

Ein  Wort,  das  die  Tribaden  mit  einbegreift,  finden  wir  bei 
einem  Zeitgenossen  des  Ptolemäus,  der  bis  192  lebte;  dieses 
Wort  war  meretrix.  Dieser  Zeitgenosse  war  Lucianus  aus 
Samosata  (Nordsyrien),  geboren  im  Jahre  125  p.  C.  Er  schweifte 
im  römischen  Eeiche  umher,  wo  er,  wie  wir  es  jetzt  nennen, 
Vorträge  hielt.  Er  hinterliess  viele  Schriften  in  griechischer 
Sprache,  aus  denen  mau  einen  tüchtigen  Rhetoriker  des  zweiten 
Jahrhunderts,  oder  besser  einen  Schriftsteller  von  Profession 
erkennt,  denn  er  behandelte  die  verschiedenartigsten  Gegen- 
stände: die  zeitgenössischen  Sitten,  das  Christentum,  die  griechische 
Philosophie,  berühmte  Persönlichkeiten,  oder  erzählte  seine 
Eeiseabenteuer  in  den  verschiedenen  Provinzen  des  Reichs. 
Der  allgemeine  Charakter  seiner  Schriften  ist  oft  kritisch,  bis- 
weilen ironisch  und  selbst  satirisch.  Aber  das  merkwürdigste 
ist,   dass   er   seine  Pfeile  gegen   das  Heidentum  richtete,  ob- 


^)  Claudii  Ptolemaei,  Operis  quadripartiti  in  latinum  sermonem 
traductio,  Ant.  Gogava  interprete.  Lovanii,  MDXLVIII,  Seitenzahlen,  nicht 
nummeriert.  Lib.  III,  cap.  18,  de  vitiis  el  morbis  animi.  „Foeminae  vero 
coitus  praeter  naturam  instituti  appetentes  evadunt,  salaces,  oculis  emis- 
sitiis,  et  quas  tribades  appellant,  virilia  sibi  munia  sumentes". 
Taruffi,  Hermaphrodismus.  14 


—    210    — 

gleich    er    weder    Christ    war,    noch    die    christliche    Lehre 
lobte  1). 

Von  seinen  Schriften  führen  wir  nur  die  „Unterhaltungen 
der  Courtisanen"  an,  weil  sie  von  wirklichem  litter  arischen 
Werte  sind  und  auch  auf  unseren  Gegenstand  Bezug  haben, 
denn  in  diesen  Unterhaltungen  werden  nicht  nur  einige  ge- 
schlechtliche Perversionen  aufgezählt  und  beschrieben,  son- 
dern auch  die  intimen  Sitten  dieser  Courtisanen.  In  ihnen 
werden  15  Szenen  ihres  intimen  Lebens  geschildert  (wahr- 
scheinlich in  Athen)  und  in  lebhafter,  populärer  Sprache  be- 
handelt; man  liest  sie  mit  grossem  Vergnügen,  schon  wegen 
ihrer  Wahrscheinlichkeit.  Wir  bezweifeln  jedoch,  dass  Lucian 
diese  Unterhaltungen  nur  um  seine  litterarische  Kunst  erkennen 
zu  lassen  geschrieben  hat,  denn  er  zeigt,  dass  selbst  die 
Courtisanen,  so  verdorben  sie  auch  sind,  einiger  guter  Glefühle 
fähig  sind,  wie  Luigi  Settembrini  meint.  Aber  noch  leichter 
kann  man  vermuten,  dass  der  geschickte  Schilderer  obscöner 
Handlungen  diesen  nicht  fremd  gegenüberstand;  so  erzählt  er, 
dassMegilla  von  kräftigem  männlichen  Habitus  war  (wie  die  Weiber 
von  Lesbos,  die  den  Mann  nicht  begehren,  sondern  sich  mit 
Weibern  paaren  nach  Männer  Art),  dass  sie  sich  eines  Abends 
berauschte,  sich  mit  Lena  niederlegte  und  sie  mehrmals  küsste. 
Dann  nahm  diese  Megilla  ihre  Perücke  vom  Kopf  und  liess 
sich  Megillus  nennen,  indem  sie  erklärte,  sie  sei  ein  richtiger 
Mann  und  nicht  ein  Hermaphrodit,  mit  allen  männlichen 
Neigungen;  sie  habe  ein  Instrument,  das  dasselbe  Spiel  spiele, 
wie  das  männliche.  Dann  sagte  sie  „Liege  still,  dann  wirst 
du  sehen".  Lena  blieb  liegen  und  wurde  mit  einer  schönen 
Halskette  beschenkt. 

Diese  kurze  Erzählung,  die  andere  von  modernen  Schrift- 
stellern übertrifft,  welche  die  konträre  Sexualempfindung  be- 
schrieben haben,  beweist  nicht,  dass  Lucian  keine  anstän- 
digen Gewohnheiten  gehabt,  oder  Widerwillen  gegen  öffent- 
liche Skandale  gefühlt  hätte.  Dies  ist  um  so  weniger 
ausgeschlossen,  als  er  in  den  Dialogen  III  und  VI  ohne  Ab- 
scheu nach  dem  Leben  beschreibt,  wie  eine  Mutter  ihre  Tochter 


^)  Die   vielen  Vorzüge   des  Blietorikers  Lucian  erklären   die  wieder- 
holten Übersetzungen  des  syrischen  Autors  ins  Lateinische  und  Italienische. 


—    211    — 

zur  Grefallsuclit  und  zur  Prostitution  auffordert,  um  Geld  zu 
verdienen.  Ebenso  wenn  er  in  Dialog  X,  wenn  auch  kurz, 
von  Päderastie  spricht.  In  diesem  Dialog  nennt  Lucian  auch 
die  Weiber  Tribaden,  die  einfach  die  geschlechtliche  Inversion 
ausüben,  ohne  den  Grad  zu  bestimmen. 

Wenn  wir  so  die  Stellung  Lucians  zu  den  früher  an- 
geführten Autoren  über  die  Geschichte  des  Tribadismus  ange- 
geben, können  wir  einen  Vergleich  mit  zwei  Arten  von  Zoologen 
wagen,  von  denen  die  einen  sich  mit  den  körperlichen  Eigen- 
schaften und  der  Taxonomie  der  Tiere  beschäftigen,  die  anderen 
ihre  Lebensweise  studieren.  Wir  müssen  dann  sagen,  dass 
Lucian  in  Bezug  auf  die  Geschichte  der  Courtisanen,  mit  den 
Zoologen  der  zweiten  Klasse  vergleichbar  ist. 

Ein  gleiches  Laster,  noch  mit  der  Zugabe,  dass  es  durch 
einen  Betrug  verdeckt  wird,  ist  von  Leo  Africanus  be- 
schrieben worden!), .  der  in  Fez  (Marokko)  drei  Arten  von 
Wahrsagern  antraf.  „Die  dritte  Art  bestand  aus  Weibern,  die 
man  in  Europa  Hexen  nennt.  Diese  machen  das  Volk 
glauben,  sie  ständen  in  Freundschaft  mit  gewissen  Dämonen  ver- 
schiedener Art.  Von  diesen  nennen  sich  einige  rote,  andere 
weisse,  und  noch  andere  schwarze  Dämonen,  und  wenn  die 
Weiber  auf  jemandes  Wunsch  wahrsagen  wollen,  reiben  sie  sich 
mit  gewissen  Wohlgerüchen  ein.  Wenn  sie  so,  wie  sie  sagen, 
den  Dämon  herbeirufen,  fährt  dieser  in  ihren  Körper  ein.  Nun 
ändern  sie  plötzlich  ihre  Stimme,  indem  sie  sich  stellen,  als 
spräche  der  Geist  durch  ihre  Zunge.  Der  Mann  oder  die  Frau, 
die  gekommen  ist,  um  etwas  zu  erfahren,  fragt  den  Geist  sehr 
demütig,  was  sie  wissen  will,  und  wenn  sie  die  Antwort  erfahren 
hat,  lässt  sie  ein  Geschenk  für  den  Dämon  zurück  und  geht.  Aber 
Männer,  die  zugleich  gütig  und  klug  sind  und  Erfahrung  haben, 
nennen  diese  Weiber  Sahacat,  was  dasselbe  bedeutet,  wie  im 
Lateinischen  Fricatrices.  Und  in  der  That  haben  sie  diese  ver- 
fluchte Gewohnheit,  eine  die  andere  zu  benutzen,  was  ich  nicht 
anständiger   ausdrücken   kann.     Wenn   nun  unter   den  Frauen, 


^)  J.  Leo  Africanus  (geb.  in  Granada  1483,  gest.  in  Tunis  1552). 
Della  descrizione  dell'  Africa.  —  Vedi  G.  Batt.  Ramosio  (Treviso). 
Raccolte  delle  navigazioni  e  viaggi.  Venedig  1554.  T.  I,  1.  Ausg.  P.  3. 
S.  39.  Die  erste  Übersetzung  wurde  1526  von  Leo  selbst  gemacbt  aiif 
Befehl  Leo's  X. 

14* 


—    212    — 

die  sie  um  Eat  fragen  wollen,  eine  schön  ist,  verlieben  sie  sich  ' 
in  dieselbe,  wie  ein  Jüngling  in  ein  Mädchen.  Nun  verlangen 
sie  von  ihnen  im  Namen  des  Dämons  als  Bezahlung  den  Coitus, 
und  die  Frauen  glauben,  dem  Geiste  gefällig  sein  zu  müssen, 
und  willigen  meistens  ein.  Viele  giebt  es  auch,  denen  dieses 
Spiel  gefällt  und  darum  zu  ihrer  Gesellschaft  zu  gehören 
wünschen.  Daher  stellen  sie  sich  krank  und  lassen  eine  von 
jenen  rufen;  oft  ist  der  dumme  Gatte  der  Abgesandte.  Sie 
teilen  der  Wahrsagerin  ihren  Wunsch  mit,  und  diese  sagt  dem 
Gatten,  seiner  Frau  sei  ein  Dämon  in  den  Leib  gefahren,  und 
wenn  er  sie  geheilt  haben  wolle,  müsse  er  erlauben,  dass  sie 
bei  den  Wahrsagerinnen  eintrete  und  mit  ihnen  geheim  ver- 
kehre. Der  einfältige  Mann  glaubt  es,  giebt  in  seiner  Dumm- 
heit die  Erlaubnis  und  stellt  für  den  ganzen  Orden  ein  üppiges 
Fest  an;  am  Ende  des  Mahles  wird  nach  den  Instrumenten  ge- 
wisser Neger  getanzt,  und  dann  geht  alles,  wie  es  will.  Aber 
es  giebt  einige  Männer,  die  ihren  Weibern  den  Dämon  durch 
kräftige  Stockprügel  austreiben ;  andere  stellen  sich,  als  wären 
sie  noch  vom  Dämon  besessen  und  betrügen  die  Wahrsager- 
innen auf  dieselbe  Weise,  wie  diese  ihre  Frauen  betrogen  haben." 
Die  Erzählung  des  Leo  Africanus  nötigt  uns,  noch 
andere  Überlieferungen  zu  erwähnen,  die  diesen  mehf  oder 
weniger  ähnlich  sind.  Vor  allem  findet  sich  in  der  Genesis 
eine  Geschichte  von  Riesen,  die  infolge  des  Umgangs  von 
Mädchen  mit  dem  Teufel  geboren  wurden  (Kap.  VI).  Wir  unter- 
suchen nicht,  ob  Ähnliches  in  anderen  Teilen  des  Orients  geglaubt 
wurde;  vielmehr  gehen  wir  sogleich  zum  Mittelalter  über,  in 
dem  die  Betrügerei  der  Incubi  blühte,  die  mit  Hülfe  des  Teufels 
viele  heimliche  Liebesverhältnisse  zu  stände  brachte.  Wir 
haben  dies  mit  einiger  Ausführlichkeit  in  unserer  Geschichte  der 
Teratologie  erzählt  (V.  I,  p.  186  ff.)  und  mit  neueren  Belegen 
die  Geschichte  der  Monstra  von  E  r  n  e  s  t  M  ar  t  i n  erweitert  (Histoire 
des  monstres,  Paris,  1880,  p.  32)  i).  Dieser  Betrug  wurde  (viel- 
leicht etwas  zu  spät)  durch  J.  Wier^)  in  seinem  Werke:  Des 
illusions  et  impostures  des  diables  etc.  enthüllt. 


^)  Vgl.  Laurent-Nagour,  Okkultismus  und  Liebe.  Studien 
zur  Gescliiclite  der  sexuellen  Yerirrungen.     Berlin,  1903,  p.  107  ff. 

2)  Job.  Wier,  Des  illusions  et  impostures  des  diables  etc.  Paris, 
1885.  (Neudruck.)  T.  I,  p.  427—28,  cap.  XXVII,  mit  Abbildung.  Der  Titel  einer 


—    213    — 

Wenn  wir  von  diesem  Ä.iitor  zu  einem  andern  übergehen, 
wird  unsere  Zeitrechnung  ungewiss ;  man  weiss  nicht,  welchem 
Jahrhundert  Caelius  Aurelianus  angehört,  wahrscheinlich  dem 
3.  oder  4.  Man  weiss  aber,  dass  er  in  Sicca,  einer  Stadt 
Numidiens  geboren  ist  und  halb  barbarisches  Latein  schrieb. 
Aus  seinen  medizinischen  Dissertationen  sieht  man,  dass  er  die 
Schriften  des  Soranus  reichlich  benutzte,  wie  er  an  einigen 
Stellen  selbst  bekennt.  Sein  hinterlassenes  Werk,  das  ohne 
Zweifel  sein  Hauptwerk  war,  ist  betitelt:  De  morbis  occultis 
et  cronicis,  Amstelodami,  1755.  Das  uns  daraus  angehende  Stück 
ist  das  folgende: 

„Die  Weiber  werden  Tribaden  genannt,  weil  sie  die  eine 
und  die  andere  Venus  benutzen,  sich  mehr  mit  Weibern,  als 
mit  Männern  zu  vereinigen  streben,  den  Weibern  mit  männ- 
licher Wut  nachstellen,  und  (wenn  sie  ihre  Leidenschaft  nicht 
stillen  können,  oder  eine  augenblickliche  Ruhe  eingetreten  ist) 
andere  zu  verleiten  suchen,  welche  dieselben  Neigungen  haben, 
indem  sie  doppelten  Geschlechtsgenuss  üben.  Infolge  der  häufigen 
Trunkenheit  stürzen  sie  sich  auf  die  neuen  Formen  dieser  ver- 
derbten, durch  ihre  schändliche  Gewohnheit  unterhaltenen  Wol- 
lust, und  geniessen  die  Schande,  die  sie  ihrem  eigenen  Geschlecht 
anthun.  Ebenso  sind  die  Wollüstigen  (cinedi)  von  derselben  Leiden- 
schaft beherrscht;  man  kann  keine  körperliche  Behandlung  an- 
wenden, sondern  muss  den  durch  so  schändliche  Laster  beunruhig- 
ten Geist  bezähmen.  Aber  keiner  hat  seine  Hitze  durch  den  Um- 
gang mit  Weibern  beruhigt  oder  durch  Reiben  besänftigt .  .  .  ." 

Dieses  Fragment  hat  das  Verdienst,  eine  bis  jetzt  nicht 
bemerkte  Eigentümlichkeit  klar  zu  stellen,  nämlich  dass  die 
konträre  Sexualempflndung  bisweilen  einen  solchen  Charakter 
von  Heftigkeit  annimmt,  dass  sie  eine  wahrscheinlich  ange- 
borene pathologische  Form  bildet.  Dieses  Fragment,  wie  an- 
dere vorhergehende,  giebt  uns  ferner  Gelegenheit,  daran  zu  er- 
innern, dass  die  Clitoris  bisweilen  hypertrophisch  ist  und  ver- 
schiedene Namen  erhalten  hat.  Ein  heidnischer  Schriftsteller, 
der  sich  zum  Christentum  bekehrt  hatte,  Namens  Arnobius, 
aus   Numidien   gebürtig,    schrieb   eine   Abhandlung   gegen   die 


früheren  Ausgabe  war,  De  daemonum   praestigiis   et  incantationibus ,   Libri 
sex.    Basel,  1664:. 


—    214    — 

Heiden  mit  dem  Titel  „Adversus  gentes".  In  einem  der  7  Bücher, 
aus  denen  sie  zusammengesetzt,  gedruckt  in  Eom  1542  (wir  haben 
nicht  untersucht,  bei  welcher  Gelegenheit),  spricht  er  von  der 
Clitoris  und  nennt  sie  mit  dem  lateinischen  Namen  fricatrix 
Abbenalis  clintigenem.  Eealdo  Colombo  (Mentula  mulierum) 
sagt:  Sedes  delectionis  in  mulieribus.  Endlich  erzählt  Duval, 
die  schamlosen  Weiber  in  Frankreich  nannten  sie  gaude  mihii). 

Um  unsere  Geschichte  des  Tribadismus  fortzusetzea,  müssen 
wir  sämtliche  Jahrhunderte  des  Verfalls  der  Wissenschaften 
und  Künste  überspringen,  ohne  uns  auch  nur  mit  den  Encyclo- 
pädisten  (Albertus  Magnus  und  Vincent  de  Beauvais)  zu 
beschäftigen,  um  zur  Renaissance  zu  gelangen,  während  welcher 
die  Neigung  zu  allen  Zweigen  des  Wissens,  besonders  auch 
zu  den  gelehrten  Studien  erwachte.  Diese  letzteren  trieb 
besonders  Girolanio  Mercuriale,  ein  berühmter  italienischer 
Arzt,  geboren  in  Forli  im  16.  Jahrhundert,  der  sich  haupt- 
sächlich durch  sein  Buch  über  Gymnastik  und  durch  seine 
Schrift:  Variarum  lectionum  in  medicinae  scriptoribus  etc. 
(Venezia,  1570  et  1598)  auszeichnete.  Über  dieses  Buch 
urteilte  Hall  er:  Miscellanea  ex  antiquitate  sumpta,  loci  vete- 
rum  emendati,  explicati,  pleraque  practica,  conciliata  ex  poe- 
tarum  et  aliorum  veterum  locis.  In  ihm  finden  wir  zwei  Stellen, 
die  sich   mehr  oder  weniger  nahe   auf   die  Tribaden   beziehen. 

Die  erste  Stelle  findet  sich  in  L.  VI,  Kap.  20,  wo  der 
Verf.  die  bedeutende  Entwickelung  der  Clitoris  erwähnt,  was 
die  vielen  von  den  Alten  über  Kinder  erzählten  Thatsachen 
erklärt,  die  zuerst  für  Mädchen  gehalten  wurden  und  dann  ein 
männliches  Glied  zeigten,  so  dass  sie  für  Knaben  galten.  Aber 
noch  seltsamer  ist  das  13.  Kap.  des  2.  Buches,  in  dem  der 
Gebrauch  der  cunnilingui-Weiber  im  Altertum  besprochen  wird, 
und  es  wäre  der  Mühe  wert,  die  von  ihm  in  griechischer  Sprache 
angeführten  Citate  auf  ihre  Richtigkeit  zu  prüfen.  Jeden- 
falls vervollkommnen  und  erweitern  die  von  Mercuriale  ge- 
sammelten Nachrichten  die  dem  zweiten  Epigramm  Marti  als 
entnommenen  (siehe  p.  208),  um  die  griechischen  und  römischen 
Sitten  vor  und  während  des  ersten  Jahrhunderts  unserer  Zeit- 


1)  J.  Duval,  Prof.   der  Medizin.     Traite   des  hermaphrodits.     Eouen, 
1612.     Paris,  1880.     Cap.  X,  p.  68,  69. 


—    215    — 

rechniiDg  zu  charakterisieren.  Man  sieht,  wie  die  Litteratur 
in  ihrem  Fortschritt  zu  Kompositionen  gelangt,  die  Erzählungen 
von  moralischer  Entartung  einschliessen. 

Das  Wiedererwachen  der  G-elehrsamkeit  war  jedoch  sehr 
massig  in  Bezug  auf  die  Studien  über  konträre  Sexualempfin- 
dung, denn  Giovanni  Eiolano  (Sohn)i)  sagte  nur  gelegent- 
lich: „Istas  mulieres,  quae  inter  se  sine  viro,  clitoridis  bene- 
ficio,  Venerem  exercerint,  tribades  vocant."  Dasselbe  kann  man 
von  Plempius  sagen 2),  der  in  Bologna  studierte  und  1624: 
Doktor  wurde.  In  seinen  medizinischen  Institutionen  erzählte 
er,  eine  schamlose  Frau  habe  eine  grosse  Clitoris  gehabt  und 
fügt  hinzu:  „Dum  in  lupanaribus  multas  exercebat  meretrices, 
tum  alicubi  non  paucas  virgines  vitiabat".  Obgleich  diese  Ärzte 
zu  ihrer  Zeit  sehr  berühmt  waren,  fügten  sie  den  Ideen  der 
Alten  keine  neuen  hinzu,  und  von  den  spätem  ist  keiner  be- 
kannt, der  unserem  G-egenstand  Aufmerksamkeit  zugewendet 
hätte,  bis  endlich  Casper^)  und  Ulrichs  (Numa  Numantius), 
die  wir  schon  erwähnt  haben,  seltsame  Dinge  erzählten,  die  zu 
der  Theorie  der  Urninge  führten.  Zu  diesen  kamen  später 
andere  und  schufen  die  neue  Art  der  sexuellen  Psychopathie, 
die  wir  schon  erwähnt  haben. 

Unterdessen  suchten  die  Philologen  die  Bedeutung  einiger 
in  der  Vergangenheit  gebräuchlicher  Worte  zu  erklären,  aber 
bei  dem  Ausdruck  Tribade  wollten  sie  an  seiner  Etymologie 
festhalten,  indem  sie  seine  Bedeutung  allzusehr  beschränkten, 
statt  sie  mehr  zu  erweitern.  So  sagt  Forcellinus*),  Tribade 
komme  her  von  fricas,  und  definiert  sie:  „Dicitur  de  foemina 
turpem  libidinem  cum  pari  plerumque  exercente".  Caninis) 
dagegen  sagt,  tribo  sei  abgeleitet  von  frago  und  bedeute:    ein. 


^)  G.  Eiolano  (Piglio),  Anthropographia.  Paris,  1626,  1649,  Lib.  II, 
p.  188.  —  In  Paris  1551  geboren,  folgte  er  Maria  De  Medici  in  die  Ver- 
bannung und  starb  1657.  Er  lebte  80  Jahre,  nachdem  er  zweimal  die 
Cystotomie  überstanden  hatte. 

2)  Vopiscus  Fortunatus  Plempius,  geb.  in  Amsterdam  1601, 
gest.  1671.     Fundamenta  medicinae,  Libri  sex.     Löwen,  1638,  16M  etc. 

^)  J.  L.  C  a  s  p  e  r ,  Klinische  Novellen  zur  gerichtlichen  Medizin.  1863. 

^)  Aegidius  Forcellinus,  Lexicon.  Prato ,  1875.    T.  VI,  p.  166. 

^)  M.  A.  Canini,  Etimologico  dei  vocaboli  di  origine  Ellenica.  Turin, 
1865.    T.  II,  p.  1003,    Tribade. 


—    216    — 

Weib,  das  mit  den  Händen  oder  mit  dem  Olisbon  (einer  Art 
von  Penis  aus  Leder  oder  anderem  Stoff)  oder  mit  anderen 
lasciven  Dingen  reibend  die  Wollust  selbst  befriedigt  oder  mit 
einem  anderen  Weibe  unuatiirliclie  Liebe  ausübt.  Es  ist  nicht 
nötig,  die  teilweise  Ähnlichkeit  und  Verschiedenheit  der  beiden 
Definitionen  nachzuweisen;  wir  wollen  lieber  mitteilen,  dass 
Aristophanes  von  dem  Olisbon i)  sprechend,  wahrscheinlich 
in  den  Büchern  über  die  attischen  Courtisanen,  sagt,  es  sei  ein 
ledernes  Instrument  gewesen,  das  den  gottlosen,  wollüstigen 
Tribaden  Kitzel  erregte;  es  war  nicht  9,  sondern  8  Zoll  lang. 
Während  sich  die  klinischen  Studien  über  geschlechtliche 
Psychopathien  entwickelten,  erschien  ein  neues,  wichtiges  ge- 
lehrtes Werk,  das  in  seinem  weiteren  Programm  nach  geo- 
graphischer Einteilung  auch  die  Geschichte  der  geschlechtlichen 
Verirrungen  umfasste.  Dieses  Werk  war  von  Ploss^),  einem 
tüchtigen  Schriftsteller  über  Geburtshilfe,  und  ist  betitelt: 
„Das  Weib  in  der  Natur-  und  Völkerkunde",  Leipzig,  1884 
bis  1885.  Unter  den  vielen  ethnographisch  behandelten 
Gegenständen  befinden  sich  auch  folgende:  Keuschheit,  Scham- 
haftigkeit,  Jungfräulichkeit,  Beischlaf,  Masturbation,  Tri- 
badismus,  Prostitution,  Ehe  und  Fruchtbarkeit.  Gewiss  sind 
die  betreffenden  Nachrichten  spärlich  und  unvollkommen,  so 
dass  sie  für  jetzt  keinen  Vergleich  untereinander,  noch  durch 
die  Jahrhunderte  erlauben,  aber  jedenfalls  sind  die  Nach- 
richten immer  wichtig.  So  schreibt  er,  der  König  von  Slam 
habe  seine  Konkubinen  bestraft,  die  sich  dem  Tribadismus  er- 
gaben, und  fügt  hinzu  (was  in  Europa  schon  bekannt  ist),  die 
im  Orient  geübte  Masturbation  vergrössere  die  Clitoris  so  sehr, 
dass  die  Weiber  sich  dem  Tribadismus  hingeben  könnten.  Er 
erzählt  das  häufige  Erscheinen  nächtlicher  Incubi,  als  Vorwand 
für  die  weibliche  Untreue;  er  spricht  auch  von  einer  gewissen 
Insel,  wo  man  ein  Stück  Fisch  in  die  Vulva  eines  Weibes  ein- 


^)  Die  Stelle  bei  Aristophanes  wird  von  Duval  angeführt,  1.  c. 
p.  69,  ohne  Angabe  der  Quelle. 

2)  H.  P.  Ploss,  geboren  in  Leipzig  im  J.  1819,  gest.  an  Apoplexie 
im  J.  1885.  Der  erste  Auszug  dieser  Arbeit  erschien  im  Jahresber.  1891, 
Bd.  I,  p.  342.  Die  zweite  Ausgabe  ist  die  oben  angeführte  von  1884—85, 
Bd.  I,  p.  309.  Die  siebente,  bedeutend  vermehrte  Auflage  erschien 
1902. 


-    217    - 

zuführen  und  daan  den  Coitus  auszuüben  pflegte;  endlicli  be- 
richtet er  auch,  dass  bei  den  Nama-Hottentotten  die  Mädchen 
die  gegenseitige  Masturbation  ausüben  und  in  ihren  Erzählungen 
und  Gesängen  frei  davon  sprechen. 

Nachdem  wir  einen  allerdings  sehr  flüchtigen  Blick  auf 
die  neueren  Studien  über  die  sexuellen  Psychopathien  geworfen 
haben,  weil  der  Gegenstand  allgemein  bekannt  ist,  werden  wir 
uns  dagegen  bei  der  Betrachtung  eines  negativen  Umstandes 
aufhalten,  der  aus  den  über  diese  Studien  erschienenen  Schriften 
folgt,  nämlich,  dass  kein  einziger  Autor  ein  Kapitel  oder  nur  einen 
Artikel  dem  Tribadismus  gewidmet  hat.  Nicht  einmal  Molli), 
welcher  erzählt,  25  Proz.  der  Berliner  Prostituierten  unterhielten 
Verhältnisse  mit  Weibern  und  gingen  innige  Liebesverhältnisse 
ein,  mit  Szenen  von  Eifersucht  und  endlichem  Zusammenleben ; 
er  kannte  einen  Fall,  bei  dem  diese  Art  von  Ehe  7  Jahre 
dauerte.  Als  die  Verbindung  zerriss,  gab  sich  eine  der  Freun- 
dinnen der  Verzweiflung  hin.  Dabei  dachte  er  gar  nicht  daran, 
das  Wort  Tribadismus  zu  gebrauchen,  während  er  die  Fälle 
als  Immissio  clitoridis  in  vaginam  alterius  bezeichnet,  aber  er 
gebraucht  den  Ausdruck  weder  für  solche,  noch  für  andere 
Fälle.  Wenn  wir  die  Ursache  dieser  UnterlassuDg  suchen, 
können  wir  sie  vor  allem  darin  finden,  dass  die  immissio  clito- 
ridis (bei  Hypertrophie)  eine  ausnahmsweise  Handlung  ist,  die 
zu  einer  Gruppe  von  Erscheinungen  gehört,  die  mit  derselben 
Leidenschaft  verbunden  sind.  Diese  nannte  man,  wie  wir  ander- 
wärts gesagt  habeD,  lesbische  Liebe,  und  diese  Akte  nehmen 
besondere  Benennungen  an,  welche  die  Hypertrophie  vermuten 
lassen  können,   wenn  sie  in  der  That  nicht  vorhanden  ist. 

Diese  Unterlassung  ist  auch  natürlich  infolge  der  antiken, 
schon  erwähnten  Beispiele,  die  obscöne  Akte  verschiedener  Art 
einbegriffen  und  zum  Teil  mit  lateinischen  Namen  bezeichnet 
wurden,  wie  z.  B.  immissio  clitoridis  in  vaginam,  und  immissio 
penis  in  os  alterius.  Mit  einer  grossen  Clitoris  versehene  Weiber 
wurden  in  Eom  Fricatrices  oder  Subigatrices  genannt.  Die 
Päderastie  hiess  coitus  in  anum,  und  beim  Weibe  paedicatio 
mulierum.     Immissio  penis  in   os  mulierum  wurde   auch  cunni- 


1)   A.   Moll,   Die  konträre  Sexualempfindung.     Berlin. 


—    218    — 

lingus  oder  miüier  lambens  genannt,  und  zu  den  obscönen 
Handlungen  des  Weibes  muss  man  noch  hinzufügen  lambendo 
lingua  genitalia  alterius  feminae.  Endlich  erwähnen  wir  gegen- 
seitige Onanie  und  gegenseitige  Masturbation. 

Die  psychisch-sexuellen  Entartungen  bilden  bisweilen,  sowohl 
bei  Männern,  als  bei  Weibern,  Erscheinungen,  die  man  patho- 
logisch nennen  kann,  wie  die  häufig  durch  Masturbation  ent- 
standene und  von  ihr  begleitete  Nymphomanie.  Zu  derselben 
Kategorie  gehören  die  sogenannten  Fälle  von  Sadismus;  das 
Wort  stammt  von  dem  Marquis  De  Sade  (1710—1814),  der 
mit  der  Sodomie  schmerzhafte  und  bisweilen  grausame  Hand- 
lungen an  den  Weibern  verband,  die  ihm  geschlechtliche  G-e- 
nüsse  verschafften  1).  Man  kann  auch  noch  den  Fetischismus 
hinzufügen,  wenn  man  die  Gegenstände  liebt,  die  der  ge- 
liebten Person  angehören.  Diese  Liebe  unterscheidet  Moll 
in  physiologische  und  pathologische  Affektion:  in  letzterem 
Falle  ist  die  Leidenschaft  grösser  für  den  Gegenstand,  als  für 
die  Person,  der  er  gehört.  In  betreff  der  Gelegenheitsursachen 
können  wir  annehmen,  dass  die  Entartungen  oft  die  Folge  von 
Übersättigung  mit  den  gewöhnlichen  Genüssen  sind;  denn  das 
Bedürfnis,  mit  ihnen  abzuwechseln,  hört  niemals  auf  und 
bringt  die  angeführten  Laster  hervor.  Wir  bemerken,  dass  bei 
dem  Weibe  die  Laster  aus  zwei  Ursachen  entstehen  können: 
1.  aus  der  Gewinnsucht  bei  den  Prostituierten,  2.  aus  dem  über- 
mässig herausfordernden  Erotismus  des  Weibes. 

Nachdem  wir  die  wichtigsten  historischen  Nachrichten  über 
den  Tribadismus  gesammelt  haben,  schliessen  wir  aus  ihnen, 
dass  die  von  den  Grammatikern  gegebene  Definition  weder  mit 
dem  Zustande  der  Wissenschaft,  noch  mit  den  Beispielen  der 
neueren  Schriftsteller  übereinstimmt,  so  dass  es  nach  unserer 
Meinung  nur  zwei  Mittel  giebt,  um  diese  Fehler  zu  verbessern. 
Entweder  muss  man  die  Definition  verbessern,   oder  das  Wort 


^)  Wir  verweisen  hier  besonders  auf  die  „Studien  zur  Geschichte  des 
menschlichen  Geschlechtslebens",  deren  erst  er  Band  Dr.  Eugen  Dtihrens 
schnell  bekannt  gewordene  Monographie:  Der  Marquis  de  Sade  und 
seine  Zeit  enthält  (3.  Aufl.  537  pag.  Berl,,  1901),  während  der  zweite 
und  dritte  Band  das  Geschlechtsleben  in  England  behandelt. 
(IL  Ehe  und  Prostitution.  III.  DieElagellomanie  etc.)  Berl. 
1901-2. 


-     219     - 

verwerfen  uDd  durch  andere,  ausdrucksvollere  ersetzen.  Elie 
wir  jedoch  einen  Vorzug  aussprechen,  müssen  wir  bedenken, 
dass  jede  Benennung  einer  Handlung  oder  einer  Erscheinung 
die  Natur  derselben  ausdrücken  muss,  und  wenn  diese  un- 
bekannt ist,  muss  man  die  wichtigste  Eigenschaft  der  Sache 
hervorheben  und  mit  geeigneten  Worten  ausdrücken.  Was 
unseren  Fall  betrifft,  so  haben  wir  die  verschiedenen  laster- 
haften Handlungen  der  Prostituierten  schon  angeführt,  sowohl  in 
Bezug  auf  ihre  Qualität,  als  auf  ihre  Zahl;  so  musste  man 
zuerst  die  Prostituierten  unterscheiden,  die  ihr  Geschäft  auf  den 
gewöhnlichen  Coitus  beschränken,  und  jene,  welche  sich  ver- 
vollkommnet nennen  (hohe  Schule).  Wenn  wir  diese  Tribaden 
nennen  wollten,  müssten  wir  sie  definieren  als  „Prostituierte, 
welche  sich  zu  diversen  geschlechtlichen  Handlungen  hergeben". 
Aber  wenn  man  bedenkt,  dass  diese  Definition  keine  bestimmte 
Handlung  bezeichnet  und  ein  Wort  gebraucht,  das  keine  Eigen- 
tümlichkeit angiebt,  also  keine  Art  der  Entartung,  so  ziehen 
wir  es  vor,  das  Wort  Tribade  für  den  wissenschaftlichen 
Gebrauch  zu  unterdrücken. 


Noten 

zum  zweiten  Teile  des  Hermaphrodismus. 

Der  äussere  Pseudo- Hermaphrodismus. 
Note  1.    Makrosomia. 

Beob.  1.  Dr.  A.  Lamazzi,  Ungedruckte,  dem  Prof.  Taruffi  übersandte 
Notizen  über  eine  Dame  von  hohem-  Wuchs,  die  eine  Villa  in  der  Nähe  von 
Bologna  bewohnt. 

Vater  und  Mutter  der  Frau  waren  von  hoher  Gestalt ;  ein  Bruder  misst 
180  cm,  die  zweite  Schwester  ungefähr  175  cm. 

Die  Dame  ist  178  cm  hoch  und  jetzt  64  Jahre  alt.  Kegelmässig  ge- 
baut, hat  sie  sich  immer  vortrefflicher  Gesundheit  erfreut,  und  war  bis  zum 
49.  Jahre  regelmässig  menstruiert,  wo  die .  Menopause  eintrat.  Sie  blieb 
unverheiratet  und  zeigte  niemals  deutliche  geschlechtliche  Neigung,  weder 
zu  Männern,  noch  zu  Frauen. 

Ihr  Kopf  ist  regelmässig  und  etwas  gross,  der  Thorax  weit  und  gut 
entwickelt,  die  Stimme  weiblich,  das  Becken  weit  und  regelmässig.  Die 
Haare  sind  grau,  fast  weiss. 

Von  vollkommener  Intelligenz  interessiert  sie  sich  für  das  Kartenspiel 
und  liebt  es.  Ihre  Gewohnheiten  zeigen  nichts  Auffallendes  und  sind  die 
gewöhnlichen  einer  Hausfrau. 

Beob.  2.  Dr.  Gius.  Beretta  und  Dr.  Old.  Rubini,  Ungedruckte  Nachrichten 
über  eine  Schwester  der  obigen  Frau,  die  in  einem  Dorfe  der  Provinz 
Bologna  wohnt. 

Vater  und  Mutter  waren  sicher  nicht  kleiner  als  180  cm.  Die  genannte 
Schwester,  die  in  ihrer  Villa  nahe  bei  Bologna  wohnt  ist  178  cm  hoch.  Ein 
Bruder  ist  ebensogross,  wenn  nicht  grösser. 

Die  Statur  der  hier  besprochenen  Dame  beträgt  ungefähr  175  cm.  Sie 
ist  50  Jahre  alt  und  unverheiratet.  Ihre  Konstitution  ist  gesund  und  kräftig, 
der  Schädel  symmetrisch,  oval,  der  Hals  an  der  Basis  dick  und  breit,  die 
Brust  breit  und  viereckig.  Die  Stimme  hat  fast  männlichen  Klang.  Der 
Verlauf  der  geschlechtlichen  Funktionen  ist  unbekannt. 

Die  Haltung,  die  Gewohnheiten  und  der  Charakter  sind  fast  männlich. 
Sie  beaufsichtigt  die  ländlichen  Arbeiten,  sie  behandelt  allein  die  Zugpferde 
und  ist  sehr  geschickt  in  ihrer  Leitung.    Sie  kleidet  sich  immer  gleichförmig 


—    221     — 

weiblich,  nach  Laune  mit  Männerkleidern  untermischt.  Jacke,  Strümpfe  und 
Schuhe  sind  männlich.  Von  normaler  Intelligenz,  ist  sie  freundlich  gegen 
Frauen,  gleichgültig  gegen  Männer,  nicht  zum  Schwatzen  und  zu  wertlosen 
Vergnügungen  geneigt. 

Beob.  3.    Dr.  Seb.  D'  Ormea,'^.Ungedruckter  Brief.    September  1900. 
Geehrter  Herr  Professor. 

Zur  Beantwortung  Ihrer  Fragen  schicke  ich  Ihnen  folgende  Angaben, 
die  ich  habe  sammeln  können. 

Frau  N.  N.  stammt  von  ziemlich  grossen  Eltern,  besonders  ist  es  der 
Vater.  Ihre  Brüder  und  Schwestern  sind  wenig  über  Mittelgrösse,  so  auch 
ihre  anderen  nahen  Verwandten.  Über  die  früheren  Vorfahren  habe  ich 
nichts  erfahren  können. 

Die  Dame,  55  Jahre  alt,  ist  von  kräftigem  Bau  und  hoher  Statur 
(gegen  168  cm),  schlanker,  aufrechter,  starkbrüstiger  Haltung.  Der  Körper 
im  allgemeinen  dick ;  der  Kopf  gross,  proportioniert,  mit  dichten,  schwarzen 
Haaren;  Gesicht  oval,  Stirn  gross,  Augen  schwarz,  Nase  kräftig,  Mund  im 
Verhältnis,  Gesichtsfarbe  rotbraun.  Ein  dichter  schwarzer  Bart  (obgleich 
immer  sorgfältig  rasiert),  mit  ebenfalls  dichtem,  schwarzem  Backenbart  be- 
deckt ihr  Gesicht,  etwas  weniger  an  den  Wangen.  Der  Hals  rund,  dick 
und  kurz;  den  Larynx  sieht  man  kaum,  wenn  sie  den  Kopf  zurückbeugt, 
der  Busen  ist  stark,  der  Bauch  dick  und  vorstehend,  so  dass  man  an  ein 
weites  Becken  denkt.  Alle  anderen  Körperteile  sind  fast  ganz  behaart,  aus- 
genommen die  Sternalgegend  und  die  Achselhöhlen,  wo  man  etwas  langes, 
schwarzes  Haar  sieht,  während  der  Schamhügel  fast  unbehaart  ist. 

Die  Geschlechtsteile  sind  normal,  wie  auch  die  Brüste;  die  Beine  sind 
sehr  dünn. 

Sie  war  immer  regelmässig  menstruiert,  die  Menstrua  sind  vor  einigen 
Jahren  physiologisch  verschwunden.  Sie  ist  unverheiratet,  und  hatte  nie- 
mals Gelegenheit,  ihre  Zeugungsfähigkeit  auf  die  Probe  zu  stellen. 

Sie  ist  von  gewöhnlicher  Intelligenz ;  Sprache  leicht,  Aussprache  rein, 
Stimme  männlich,  Charakter  ziemlich  heiter,  weibliche  Gewohnheiten,  früher 
Neigung  zur  Ehe. 

Sie  führt  ein  nüchternes,  regelmässiges  Leben  und  erfreut  sich  daher 
immer  guter  Gesundheit. 

Dies  ist  es,  was  ich  Ihnen  hierüber  sagen  kann. 

Dr.  S.  D'  Ormea. 


Note  2.    Hypertrichosis. 

Beob.  1.  Aristoteles,  Historiaeanimalium.  L.  III,  Cp.  XI  (De 
pilis  et  cute,  §  5). 

Es  ist  bekannt,  das  Weiber,  Kinder  und  Kastraten  nicht  dem  Kahl- 
werden unterworfen  sind.  Die  Haare,  welche  später  entstehen,  zeigen  sich 
nicht  bei  denen,   die   vor   der  Pubertät  kastriert  worden  sind.     Eben  diese 


—     222    — 

Haare  (ausser  am  Pubes)  sind  die  einzigen,  die  bei  den  nach  der  Pubertät 
Kastrierten  ausfallen.  Am  Kinn  der  Frau  wachsen  keine  Haare,  oder  sehr 
wenige  nach  der  Menopause.  Ein  Beispiel  davon  findet  sich  bei  den  Priester- 
innen in  Carlen,  und  dies,  sagt  man,  sei  eben  ein  Anzeichen  ihrer  Weis- 
sagungsgabe. Alle  anderen  Haare,  die  nach  und  nach  entstehen  (ausser 
den  oben  erwähnten  am  Kinn)  zeigen  sich  auch  bei  den  Weibern,  aber 
spärlich.  Es  kann  vorkommen,  dass  einem  Individuum  (Mann  oder  Weib) 
die  nach  und  nach  wachsenden  Haare  fehlen;  dies  geschieht  aus  einem  an- 
geborenen Fehler,  und  wenn  das  Individuum  die  Pubertät  nicht  erreicht,  ist 
es  zeugungsunfähig. 

Bemerkung.  Zum  Verständnis  der  Stelle  bei  Aristoteles  und  zur 
Rechtfertigung  der  Übersetzung  ist  zu  bemerken,  dass  Aristoteles  von 
den  Haaren  des  Menschen  zwei  Arten  unterscheidet: 

1.  Solche,  mit  denen  man  geboren  wird,  wie  die  am  Kopf,  an  den  Augen- 
brauen und  Wimpern. 

2.  Solche,  die  nach  der  Geburt  wachsen,  wie  die  des  Pubes,  der  Achsel- 
höhlen, des  Gesichts. 

Beob.  2.  Colombo  Realdo,  D e  re  anatomica.  Venetiis,  1559,  Lib. XIII, 
Cap.  IL  De  pilis. 

Er  sah  einen  Spanier,  dessen  Körper  ganz  mit  Haaren  bedeckt  war, 
ausser  im  Gesicht  und  an  einem  Teil  der  Hände.  Dasselbe  sah  er  an  einer 
Nonne.  Er  erwähnt,  einige  versicherten,  es  wüchsen  Haare  weder  an  der 
Fusssohle,  noch  an  der  Handfläche,  und  zwar  wegen  des  Gebrauchs  oder 
wegen  der  Bewegung,  wie  bei  den  Hasen.  Die  Figur  des  Spaniers  ist  ab- 
gebildet worden  von  Liceto  (Lib.  II,  Cap.  45,  p.  148). 

Beob.  3.  Ulisse  Aldrovandi,  Monstrorum  historia.  Bononiae, 
1642,  Cap.  8,  p.  213. 

Im  Museum  des  Senats  zu  Bologna  sieht  man  das  Porträt  einer 
deutschen  Frau,  die  durch  diese  Stadt  kam  und  einen  zwei  Spannen  langen 
Bart  hatte.  Aldrovandi  fügt  einige  alte  Beobachtungen  hinzu  und  er- 
zählt (p.  16 — 18),  zwei  Schwestern  von  den  Canarischen  Inseln  hätten  mit 
struppigen  Haaren  bedeckte  Gesichter  gehabt,  die  sich  an  anderen  Körper- 
teilen wiederholten. 

In  Vol.  I   einer  Sammlung   von   farbigen  Abbildungen,   die   demselben 
Aldrovandi  gehörte,   die  noch  nicht  herausgegeben  ist  und  in  der  Biblio- 
thek  von  Bologna    aufbewahrt    wird,    sieht   man   (No.  132)    das   Bild   einer 
prächtig  gekleideten  jungen  Dame,  unter  dem  man  liest: 
Mulier  viginti  annorum,'  hirsuto  capite 
simiam  imitante,  reliquo  corpore  glabro. 

Beob.  4.  Domen.  Panaroli  (Roma),  Jatrologismorum,  seu  medi- 
cinalium  observationum  pentecostae  quinque.  Roma,  1652 
Pentec.  5,  Beob.  5,  p.  287,  Beob.  37,  p.  338. 

Eine  junge,  schöne  Frau  hatte  ein  mit  dichtem  Flaum  bedecktes  Ge- 
sicht,  wie   lange,   feine  Seide.    Eine   andere  Frau,   ziemlich  übermütig  und 


—     223     — 

üppig,   hatte   zwischen   den  Brüsten   eine  Menge  schwarzer  Haare,   wie   ein 
Mann. 

Beob.  5.  Tommaso  Barthoiino,  Historiarum  anatomicarum  va- 
riarum.  Cent.  I,  Histor.  42.  Amstelodami  1654,  p.  62.  Puellae  hirsutae 
et  barbatae. 

Er  sah  in  Amsterdam  und  dann  in  Belgien  ein  Mädchen  von  6  Jahren, 
dessen  ganzer  Körper  mit  weisslichen,  straffen  Haaren  bedeckt  war.  Dann 
bringt  er  einige  anderen  entnommene  Beobachtungen. 

Beob.  6.  Paolo  Zacchia  (Eoma),  Quaestionum  medico-lega- 
lium  etc.    Lugduni,  1661,  Lib.  7,  Tit.  1,  Quaest.  9,  p.  501. 

Eine  Frau  hatte  einen  langen  Bart  und  die  ganze  Brust  war  mit  dichten, 
harten  Haaren  bedeckt;  die  Brüste  waren  sehr  gross  und  schlaff,  die  Stimme 
weiblich.     Die  Menstruation  hatte  schon  mit  dem  30.  Jahre  aufgehört. 

Beob.  7.  Jac.  Burlin  (Buerlines),  De  foeminis  ex  suppressione 
mensium  barbatis.    Aldorphina,  1664. 

Beob.  8.  G.  H.  Welsch  (Augsburg),  Sylloge  curationum  et  obser- 
vationum  medicinalium.     Cent.  VI.    Ulm,  1668,  Ep.  No.  98, 

Er  erzählt,  er  habe  in  Mailand  im  Jahre  1648  Barbara  Usler  ange- 
troffen, ein  Mädchen,  dessen  ganzer  Körper  mit  zarten,  langen  Haaren  be- 
deckt war;  sie  hatte  einen  langen  Bart.  (Da  wir  den  Text  nicht  gelesen 
haben,  können  wir  nicht  sagen,  ob  es  dieselbe  deutsche  Frau  war,  deren 
Bild  im  Museum  des  Senats  zu  Bologna  aufbewahrt  wurde.)  (Siehe  Aldro- 
vandi.) 

Beob.  9.  G.  Seger  (Schüler  von  T.  Barthoiino),  De  muliere 
hirsuta  et  barbata.  Mise.  acad.  nat.  cur.  1678 — 1679.  Norimbergae, 
1693.     Decur.  1,  Anno  IX  et  X,  Beob.  96,  p.  246. 

Beob.  10.  i.  Hellwig,  Foemina  barbata.  Obs.  phys.  med.  1680. 
Augustae  Vindelicorum,  p.  121. 

Beob.  11.  0.  Jacobaeus,  Puella  monstrosa  hirsuta  et  infans 
avoaeos.    Acta  med  et  philos.     Hafniae,  1680,  T.  V,  p.  274. 

Beob.  12.  Gius.  Lanzoni,  Observatio  de  muliere  barbata. 
Mise,  curiosa,  seu  Ephem.  acad.  Leop.  Carol.  etc.  Dec.  III,  A.  V  et  VI, 
1697—1698.    Francofurti  et  Lipsiae,  1700,  Observ.  283,  p.  98. 

Im  Jahre  1697  beobachtete  er  eine  50  jährige,  sterile  Romagnolin  mit 
Bart,  die  niemals  menstruiert  gewesen  war  und  keine  Brüste  hatte.  Ihre 
Brust  glich  der  eines  Mannes. 

Beob.  13.  Dan.  Turner  (London),  De  morbis  cutaneis.  Lond. 
1723.     (Citiert  von  Euggieri).     Venedig,  1815. 

Eine  Enkelin  von  N  i  c  o  1  ö  III  (gestorben  1280)  aus  der  Familie  Orsini, 
gebar  ein  ganz  mit  Haaren  bedecktes  Monstrum,  ähnlich  einem  Bären,  dem 
es  auch  den  Gliedern  nach  ähnlich  war,  etc. 

Beob.  14.  Gottl.  Michaelis,  De  virgine  barbata  Dresdensi.  Acta 
phys.  med.  Acad.  Caes.  Carol.  Norimb.  1733,  Vol.  III,  p.  387. 

Eosina  Müller,  gestorben  in  Dresden  1732,  hatte  von  Jugend  auf  einen 
Bart  an  den  Seiten  des  Kinns,  welcher  wuchs,  so  dass  sie  sich  zweimal 
wöchentlich  rasieren  musste. 


—    224    — 

Beob.  15.  Cost.  Gatta,  Memoria  colla  data:  Sala  in  Lucania, 
1734.  Di  uno  strano  accres  cimento  di  peli,  di  barba  e  di  ugne 
in  due  donne  napoletane.  Raccolta  d'  opuscoli  scient.  di  Augusto 
Calogerä.    Venezia,  1736,  T.  XIII,  p.  403. 

Verf.  erzählt,  eine  Mutter  und  ihre  Tochter  seien  16  Jahre  lang  in 
einem  unterirdischen  Gemach  eingeschlossen  gewesen,  und  als  sie  heraus- 
gelassen wurden,  waren  sie  nicht  nur  schmutzig  und  mager,  sondern  auch 
mit  struppigen,  roten  Haaren  bedeckt,  hatten  einen  Bart  am  Kinn  und  lange, 
krumme  Nägel,  wie  Klauen. 

Der  Verf.  schreibt  diesen  Zustand  dem  dunkeln,  feuchten  Aufenthalte 
zu,  zugleich  mit  der  fortwährenden  Furcht  vor  noch  grösseren  Übeln.  Diese 
Ursachen  störten  die  Ökonomie  des  Körpers,  hinderten  die  respiratio  insen- 
sibilis,  und  durch  kritische  Bewegung  trat  übermässiges  Wachstum  der 
Haare  ein. 

Beob.  16.  J.  G.  Hoyerus,  De  virgine,  cute  hirsuta  densisque 
minor ibus  setis  obsita,  in  membris  inferioribus  deformata. 
Acta  Acad.  nat.  curios.  Norimbergae,  1737,  T.  IV,  p.  467. 

Ein  Mädchen  mit  schönem,  rosigem  Gesicht  verheiratete  sich;  da  sie 
aber  unterhalb  des  Nabels,  an  den  Geschlechtsteilen  und  am  Bücken  behaart 
war,  wurde  sie  wieder  geschieden. 

Beob.  17.  J.  H.  Degnerus,  Historia  puellae  pilosae.  Acta  acad. 
nat.  curios.  Norimbergae,  1742,  p.  35. 

Beob.  18.  Bevern,  Hufelands  Journ.  für  prakt.  Med.  Wien, 
1808,  Bd.  XIV,  St.  8,  p.  141. 

Bei  einem  Zwillingsmädchen  war  der  ganze  Körper,  Lippe  und  Kinn 
eingeschlossen,  mit  ungewöhnlichen,  starken  Haaren  bedeckt.  Mit  3  Jahren 
war  sie  schon  überraschend  stark  und  nach  Art  der  Polysarcie  entwickelt. 
Das  Mädchen  wurde  von  Blutbrechen  befallen  und  starb,  aber  bei  der  Sektion 
des  Abdomens  bemerkte  man,  dass  die  inneren  Geschlechtsorgane  von  einer 
unbestimmten  Masse  umgeben  waren;  auch  die  Milz  war  so  umhüllt. 

Beob.  19.  C.  Ruggieri  (Padua),  Geschichte  einer  Frau,  bei  der 
ein  grosser  Teil  des  Körpers  mit  schwarzem  Fell  und  Haar 
bedeckt  war.    Venedig,  1815  und  Padua,  1822.     Mit  Abbildung. 

Eine  junge  anmutige  Venetianerin  von  27  Jahren,  die  immer  der  Ehe 
widerstanden  hatte,  verheiratete  sich  zuletzt  mit  einem  Jüngling,  der  ihr  ge- 
fiel. Aber  nach  der  Hochzeit  bemerkte  dieser,  dass  er  betrogen  war,  denn 
seine  Frau  hatte  einen  an  allen  Teilen,  die  man  nicht  sieht,  mit  schwarzen 
Haaren  bedeckten  Tierkörper,  und  auch  die  Frau  bekannte,  ihr  Magen,  Bauch, 
Rücken  und  die  Schenkel  seien  behaart. 

Sowohl  die  beiden  Ga,tten,  als  deren  Eltern  kamen  über  die  Notwen- 
digkeit der  Scheidung  überein  und  forderten  unseren  Autor  auf,  ein  Gut- 
achten darüber  abzugeben.  Ruggieri  untersuchte  die  Frau  und  fand, 
dass  das  Haar  schwarz,  dicht  und  gekräuselt  war;  ferner  war  die  Haut 
ebenfalls  schwarz,  ohne  Geruch  und  ohne  Übergang  zu  der  natürlichen  Haut 
und  genau  kreisförmig  begrenzt.  Endlich  erfuhr  er,  dass  der  schwarze  Teil 
nicht   an  der  Hauttranspiration   teil   nahm,    der  bisweilen  die  ganze  Person 


—    225    — 

unterworfen  war,  und  überzeugte  sich,  dass  dieser  Zustand  Abscheu  erregen 
müsse  and  Gefahr  vorhanden  war,  diese  seltsame  Anomalie  auf  die  Kinder 
zu  vererben.  Dieses  Gutachten  verschaffte  den  Gatten  von  der  Kirche  die 
gewünschte  Scheidung. 

Unter  Benutzung  der  Lehre  des  Toskaners  Chiarughi,  dass  oxy- 
genierte  Salzsäure,  ohne  die  Haut  zu  schädigen,  das  Schwarz  in  Gelb  ver- 
wandelt, wollte  der  Autor  den  Versuch  an  einem  Schenkel  der  Frau  wieder- 
holen, nachdem  er  die  Haare  abrasiert  hatte.  Aber  dies  brachte  sehr  hef- 
tigen Schmerz  hervor,  der  zwei  Stunden  dauerte,  worauf  eine  Blase  und 
dann  eine  Wunde  entstand.  Als  diese  geheilt  war,  erschien  der  Teil  ganz 
weiss  und  ohne  Haare,  aber  die  Frau  woUte  sich  dem  Experimente  nicht 
weiter  unterwerfen  und  lieber  ihre  Anomalie  behalten. 

Nach  der  Beschreibung  kann  man  diesen  Fall  ein  behaartes  Muttermal 
nennen. 

Beob.  20.  Burkard  Eble,  Die  Lehre  von  den  Haaren  in  der 
gesamten  o  r  g  a  n.  Natur.  2  Bde.  Wien.  Mit  166  Abbild.  1831.  C  a  n  - 
statts  Jahresbericht  für  1831,  No.  36. 

Erzählt,  eine  Neugeborene  habe  einen  Bart  und  Haare  an  den  enorm 
entwickelten  Geschlechtsteilen  gehabt. 

Beob.  21.  W.  D.  Chowne,  Eemarkable  case  of  hirsute  growth 
in  a  female,  with  observations  on  certain  organic  structures 
and  their  phy siological  influences.  The  Lancet.  London,  1852, 
T.  I,  p.  421,  5114,  T.  II,  p.  31. 

Beob.  22.  J.  Z.  Laurence,  A  short  account  ofabearded  and 
hairy  female.     The  Lancet.  London,  1857,  T.  II,  p.  48. 

Beob.  23.  Turner,  A  case  of  a  woman,  whose  face  and  body, 
in  two  or  three  weeks  time,  became  covered  with  a  thick 
crop  of  Short  and  white  downy  hair,  and  who  at  thetime 
was  suffering  from  carcinom  of  the  breast.  The  med.  Times 
and  Gaz.  London,  1865,  T.  II,  p.  507. 

Beob.  24.  C.Darwin,  Delavariationdesanimaux.  Franz. Übers. 
Paris,  1868,  T.  II,  p.  348. 

Er  erwähnt  Julia  Pastrana,  die  spanische  Tänzerin,  als  Beispiel  einer 
behaarten  Frau,  die  eine  doppelte  Zahnreihe  in  demselben  Kiefer  hatte. 
Magitot  dagegen  hatte  in  London  den  Abdruck  der  beiden  Kinnladen 
dieser  Julia  gesehen  und  behauptete,  die  Zähne  seien  der  Zahl  nach  ver- 
mindert oder  der  Irrtum  rühre  von  Hypertrophie  des  Alveolarrandes  her,  der 
den  Prognathismus  vermehre,  wenn  man  den  Kopf  im  Profil  betrachte.  (BuU. 
de  la  soc.  d'Anthrop.  Paris  1878,  p.  275.) 

Beob.  25.  H.  Beigel,  Über  abnorme  Haar entwickelung  beim 
Menschen.     Virchows  Arch.  1868,  Vol.  44,  p.  418. 

Hypertrichose  durch  drei  Generationen.  Bei  den  beiden  ersten  bestanden 
auch  Mängel  an  Eck-  und  Backzähnen. 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  15 


—     226     — 

Beob.  26.    Pick,  Arch.  für  Hautkrankh.  1870. 

Eine  Indianerin  aus  Mexiko  war  vom  Nabel  bis  zu  den  Knien  mit 
affenartigen  Haaren  bedeckt;  hier  war  die  Haut  dunkel  und  hart  wie  eine 
Schwarte. 

Beob.  27.  C.  Lombroso,  Caso  di  ipertricosi  in  una  cretinosa 
microcefala.     Comm.  all' Istit.     Lomb.  6  Apr.  1871. 

Ein  Mädchen  von  12  Jahren  hatte  dunkle,  behaarte  Gesichtshaut,  mit 
Einschluss  der  Stirn;  der  Schädel  war  mikrocephal.  Der  Verf.  giebt  die 
Masse  nicht  an. 

Beob.  28.  H.  Auspitz,  Geringer  Grad  von  Mikrocephalie 
und  hoher  Grad  vonHypertrichosis  bei  einem  13jährigen 
Mädchen.     Wiener  med.  Presse,  1871,  Bd.  XII,  p.  25. 

Beob.  29.  Finger,  Hypercrinosis  mit  Amenorrhoe.  Allg. 
Wiener  med.  Zeit.  1873,  T.  XVIII,  p.  604. 

Beob.  30.  N.  N.,  Una  donna  barbuta  nello  stato  puerperale. 
Ann.  nniv.  di  med.  e  chir.  Milano,  1875,  T.  234,  p.  378.  Dem  New  York  med. 
record  entnommen. 

Beob.  31.  F.W.  Dowall,  Two  cases  of  bearded  women.  Journ. 
for  Ment.  sc.  London,  1877,  T.  XXIII,  p.  86. 

Beob.  32.  L  Duehring,  Gase  of  a  bearded  woman.  Arch.  for 
Derm.  and  Syph.  New  York,  1877,  T.  III,  p.  193.  —  Ann.  univ.  di  med.  e 
chir.  Milano,  1878,  T.  244,  p.  122. 

Eine  Frau  von  22  Jahren  mit  Bart  und  Schnurrbart,  wie  ein  Mann, 
und  Haaren  zwischen  den  Schultern.  Bei  ihrer  Geburt  hatte  sie  schon 
Flaum  im  Gesicht,  die  Haare  erschienen  bei  der  Pubertät. 

Bei  den  Eltern  war  nichts  ähnliches  vorgekommen,  und  die  Frau  be- 
wahrte alle  weiblichen  Charaktere.  Sie  war  mit  14  Jahren  menstruiert, 
heiratete  mit  16  und  hatte  zwei  Kinder  ohne  jede  Alteration  der  Haut. 

Beob.  33.  W.  A.  Hardaway,  Gase  of  a  bearded  woman.  S.  Louis 
med.  and  surg.  Journ.  1877,  T.  XIV,  p.  584-587. 

Beob.  34.  G.  Stricker  (Frankfurt),  Zwei  ältere  Fälle  von 
Hypertrichosis.  Virchows  Arch.  Berlin,  1877,  Bd.  71,  p.  113,  Taf.  V, 
Fig.  4. 

Dieser  Fall  war  von  Micl^aelis  1733  beschrieben  (Beob.  12,  Acta 
phys.-med.  Acad.  G.  Garol.  nat.  cur.  Norimb.  1733,  Vol.  in,  p.  387,  mit 
Abb.  auf  Tab.  VI).  Es  handelt  sich  um  eine  64  jährige  Frau,  die  Bart  und 
Schnurrbart  hatte,  wie  ein  Mann.  Der  Bart  war  3  Zoll  lang.  In  der  Leiche 
fand  man  normale  weibliche  Geschlechtsorgane  und  ohne  unverhältnismässige 
Haare  am  Pubes.     Die  Brust  und  der  Bauch  waren  eben. 

Beob.  35.  C.  T.  v.  Siebold,  Die  haarige  Familie  von  Ambras. 
Arch.  für  Anthrop.     Braunschweig,  1877—1878,  T.  IX,  p.  253-260. 

Verf.  hat  in  der  Litteratur  17  Fälle  von  allgemeiner  Hypertrichose 
gesammelt. 

Beob.  36.  A.  Ecker,  Über  abnorme  Behaarung  des  Menschen. 
Braunschweig,  1878.     Mit  Abbild,  im  Texte. 


—    227     — 

Das  erste  Bild  zeigt  ein  Mädchen  mit  einem  grossen  haarigen  Mutter- 
mal auf  dem  Rücken  und  am  unteren  Ende  der  Hinterbacken,  sowie  kleine 
haarige  Flecke  an  den  Gliedern,  auch  noch  vorn. 

Die  anderen  Bilder  stellen  verschiedene  Grade  von  Hypertrichose  am 
Gesicht  einer  Frau  mit  ihren  Kindern  dar,  so  dass  sie  Hunden  und  Affen 
ähneln. 

Beob.  37.  H.  Hildebrant,  Über  abnorme  Haarbildung  beim 
Menschen.     Sehr,  der  phys.-ökon.  Ges.  zu  Königsberg,  1878,  p.  1. 

Die  Beobachtung  und  das  Journal  sind  uns  unbekannt,  wir  wissen 
aber  durch  Hubert  (Beob.  42),  dass  die  Sektion  gemacht  wurde,  und  dass 
man  partielle  Hypertrichose  mit  kindlichem  Uterus  fand. 

Beob.  38.  M.  Bartels,  Über  abnorme  Behaarung  beim 
Menschen.     Zeitschr.  für  Ethnol.  1879,  Bd.  II,  S.  145  ff. 

Er  spricht  von  den  sogenannten  behaarten  Malern  (zusammengesetzte 
Hypertrichose). 

Beob.  39.  M.  TIesch,  Ein  Fall  von  Hypertrichosis  (aus  dem 
Präparatensaale  zu  Würzburg).  Arch.  für  Anthropol.  Braunschweig,  1880, 
Vol.  XIII,  p.  125. 

Ein  dritthalbjähriges  Mädchen  mit  Haaren  an  den  Wangen  und  Armen. 
Ohne  Haare  an  den  Achselhöhlen  und  Geschlechtsteilen.  Die  Haare  waren 
2 — 5  cm  lang. 

Beob.  40.  A.  H.  Keane.  Krao,  „The  human  monkey".  Nature, 
London,   1882—1883,  T.  XXVII,  p.  245. 

Beob.  41.  Livius  Fürst,  Hypertrichosis  universalis  mit 
Hypertrophie  der  Kiefer- Alv  eolarränder.  Virchows  Arch. 
1884,  T.  76,  p.  355,  Tafel  XIV  u.  XV.     Jahresber.  für  1884,  Bd.  II,  p.  693. 

Mädchen  von  6  Jahren  mit  allgemeiner  Hypertrichose  und  Hypertrophie 
des  Alveolarrandes  des  Unterkiefers,  Vergrösserung  und  Entwurzelung  der 
Backenzähne. 

Beob.  42.  J.  Lucas-Championniere,  Journ.  de  med.  et  de  Chirurgie 
prat.     Paris,  1885,  T.  55,  p.  66—67. 

Er  erzählt  einige  Fälle  von  bärtigen  Weibern ,  die  Neigung  zu 
Weibern  hatten,  giebt  aber  weder  eine  klinische,  noch  anatomische  Unter- 
suchung. 

Beob.  43.  R.  Hilbert,  Partielle  Hypertrichose  neben  angebo- 
rener Ichthyosis  circumscripta.  Virchows  Arch.  Berlin,  1885,  T.  99, 
p.  569. 

Ein  Mädchen  von  24  Jahren  hatte  Hypertrichose  der  Arme,  mit  Aus- 
nahme der  Hände,  ausserdem  erstreckten  sich  die  Haare  auf  das  Ende  der 
Schulter  und  die  Spina  scapulae.  Man  sah  da  eine  kreisförmige  Erhöhung, 
wie  ein  Fünfmarkstück  mit  den  Charakteren  der  Ichthyosis  serpentina  Hebra. 
In  der  Leiche  fand  sich  ein  kindlicher  Uterus. 

Beob.  44.  P.  Miciielson  (Königsberg),  Zum  Kapitel  der  Hyper- 
trichosis.    Virchows  Arch.  Berlin,  1885,  T.  100,  p.  66. 

Verf.  beobachtete  an  22  Fällen  allgemeiner  Hypertrichose  (ohne  Unter- 
schied  des  Geschlechts  und  des  geographischen  Ursprungs),   dass  bei  8  der 

15* 


—    228    — 

Zustand  der  Zähne  unbekannt  war,  dass  zwei  vor  der  ersten  Zahnung' 
starben,  und  dass  12  abnorme  Zähne  besassen. 

Beob.  45.  G.  Rattone,  Contributo  alla  storia  della  ipertri- 
cosi.    Vortrag'  vor  der  K.  Acc.  di  medic.  di  Torino  am  20.  Mai  1885. 

Mädchen  von  3  Jahren,  mit  Zwischenkieferknochen,  Hypertrichose  und 
abnormer  Ohrmuschel. 

Beob.  46.  J.  Parreidt,  Über  die  Bezahnung  bei  Menschen 
mit  abnormer  Behaarung.  Prager  Zeitschr.  für  Heilk.  1886,  H.  2  u.  4. 
Jahresber.  für  1886,  Bd.  2,  p.  497. 

Verf.  sammelte  verschiedene  Fälle  von  Hypertrichose  mit  Fehlern  in 
der  Bezahnung. 

Beob.  47.  W.  Sommer,  Ein  neuer  Fall  von  Hypertrichosis 
circumscripta.  Virchows  Arch.  1886,  Bd.  102,  p.  107.  Jahresber. 
für  1886,  Bd.  II,  p.  527. 

Ein  19  jähriger  Mann  hatte  auf  dem  linken  Arme  ein  Mattermal,  30  cm 
lang  und  23  cm  breit. 

Beob.  48.  E.  Lesser  (Bern),  Hypertrichosis  universalis  eines 
nicht  ganz  6jährigen  Mädchens.  Virchows  Verhandl.  für  Anthro - 
pologie  etc.  Sitzung  vom  21.  März  1887.  Berlin,  1896,  p.  223.  Mit  3  Ab- 
bildungen. 

Ein  Mädchen  zeigt  ausser  der  Hypertrichose  vollkommen  reife  Ge- 
schlechtsteile mit  Haaren,  und  gut  entwickelte  Brüste.  Die  Menstruation 
war  mit  3  Jahren  erschienen  und  dann  9  mal  wiedergekehrt. 

Beob.  49.  H.  Chiari,  Über  Hypertrichosis  des  Menschen. 
Prag.  Wochenschr.  1890,   Bd.  40-41.     Jahresber.   für  1890,  Bd.  II,  p.  602. 

Zuerst  erwähnt  und  bespricht  der  Verf.  die  verschiedenen  Theorien 
und  erzählt  dann,  ein  Kind  von  8  Monaten  sei  an  einer  chronischen  Krank- 
heit gestorben.  Es  hatte  ein  grosses  haariges  Muttermal  am  Halse,  das  auf 
die  Schultern  und  den  Eücken  bis  zur  Höhe  der  8.  Eippe  herabstieg.  Dann 
beschreibt  er  die  mikroskopische  Beschaffenheit  des  Mals,  die  nichts  Unge- 
wöhnliches zeigte. 

Beob.  50.  Schneller,  Ein  Fall  von  Pseudo-Hermaphrodis- 
mus.  Münchner  med.  Wochenschr.  1894,  No^  39.  Jahresber.  für  1894, 
V.  I,  p.  232.    (4). 

Mädchen  von  12  Jahren  mit  vollem  Bart  im  Gesicht,  an  der  Brust,  an 
den  Geschlechtsteilen  und  Gliedern.  Hypospadie.  In  den  inneren  Geschlechts- 
organen fand  sich  keine  Unregelmässigkeit. 

Beob.  51.  A.  Dollmann,  Abnorme  Behaarung  bei  einem  drei- 
jährigen Mädchen.  Internat,  mediz.  photogr.  Monatsschr.  Leipzig,  1896, 
Bd.  III,  H.  10. 

Beob.  52.  A.  Brand  (Prof.  in  Charkow),  Eine  Virago.  Virchows 
Arch.  Berlin,  1896,  Bd.  146,  p.  582. 

Eine  kurländische  Bäuerin,  36  Jahre  alt,  160  cm  hoch.  Als  Mädchen 
war  sie  regelmässig  menstruiert;  sie  war  sehr  lebhaft,  liebte  zu  schwatzen 
und  zog  mehrmals  kräftige  Bauern  vom  Pferde.  Sie  heiratete  mit  23  Jahren 
und   gebar   ein  Mädchen,   das   sie   2  Jahre   lang  säugte.     Sie  warde  wieder 


—    229    — 

schwanger   iiüd    abortierte    im    7.   Monate    infolge    einer    starken    Gemüts- 
bewegung. 

Nach  diesem  Unglück  erkrankte  sie  mit  Fieher,  Delirien  nnd  Blutung 
aus  den  Geschlechtsteilen,  die  zwei  Monate  dauerte;  darauf  folgte  An- 
schwellung des  Abdomens. 

Während  dieser  Krankheit  sah  die  Kranke  zum  ersten  Mal  im  scrobi- 
culum  cordis  Haare  erscheinen,  und  dann  verbreiteten  sich  diese  weiter 
über  den  Eumpf  und  die  Beine,  und  im  dritten  Monate  auch  in  das  Ge- 
sicht. Zugleich  nahm  die  Schwellung  des  Leibes  und  der  Beine  zu  und  es 
folgten  heftige  innere  Schmerzen,  so  dass  sie  sich  die  Kleider  vom  Leibe 
und  die  Haare  vom  Kopfe  riss,  die  dann  spärlich  blieben.  Diese  Schmerzen 
wurden  einer  Pelvi-peritonitis  zugeschrieben. 

Im  Laufe  von  3  Jahren  erreichten  Bart  und  Schnurrbart  ihre  volle 
EntwickeluDg;  die  Kranke  versuchte  dagegen  verschiedene  Mittel,  darunter 
die  Elektrolyse,  die  nach  einem  Monat  unterbrochen  wurde.  In  dieser  Zeit 
verschwanden  der  Ascites  und  die  Schmerzen  und  Hessen  einen  hohen  Grad 
von  Hydrämie  und  Eiweiss  im  Urin  zurück,  daher  man  sie  an  chronischer 
Nephritis  behandelte. 

Diese  Frau,  obgleich  noch  nicht  ganz  wiederhergestellt,  wurde  von 
ihrem  Manne  in  den  hauptsächlichsten  Städten  des  oberen  Laufes  der  Wolga 
und  dann  in  Moskau  zur  Schau  gestellt.  Nach  dem  Abortus  bekam  sie  keine 
Kinder  mehr. 

Beob.  53.  Jablonsky,  Note  sur  un  cas  d'hermaphroditisme. 
Gaz.  hopit.  de  Toulouse,  1898,  A.  XII,  Avril  p.  124. 

Ein  28  jähriges  Mädchen  hatte  im  Alter  von  15—16  Jahren  angefangen, 
am  Kinn  und  an  den  Wangen  blonde  Haare  zu  bekommen,  die  sich  dann 
in  einen  üppigen  Bart  verwandelten,  der  auch  auf  Brust  und  Gliedern  auf- 
trat; ihr  Aussehen  wurde  männlich.  Die  Menstrua  fehlten  immer,  die 
Brüste  blieben  wenig  entwickelt,  die  Hüften  waren  aber  ziemlich  breit. 
Unter  dem  Mons  Veneris  befand  sich  die  Clitoris  mit  dem  Präputium,  3  cm 
lang,  die  aber  bei  der  Erektion  10  cm  erreichte.  Unter  ihr  war  ein  In- 
fundibulum,  die  Scheide  darstellend,  25  mm  tief,  aber  mit  einer  Sonde  drang 
man  10  mm  tief  ein.  An  den  Seiten  des  Präputiums  lagen  zwei  Labia  ma- 
jora;  in  dem  rechten  befand  sich  ein  dem  Hoden  ähnlicher  Körper,  und  im 
linken  ein  reduzierbarer  Bruch,  der  am  Binge  eingeschnürt  war;  der  Opera- 
teur konnte  hier  die  Gegenwart  eines  Ovaritim  erkennen.  (Die  Einzelheiten 
fehlen,  besonders  die  Beschreibung  der  Urethra ;  über  geschlechtliche  Nei- 
gungen wird  nichts  erwähnt.) 


Note  3.    Elephantiasis  der  Clitoris. 

Beob.  1.  Realdo  Colombo,  De  re  anatomica.  Venetiis,  1559,  L.  XV, 
p.   169. 

„Foemina  erat  aethiopica  mulier  earum,  quas  ungaras  appellant  Longo- 
bardi;  haec  neque  agere,  neque  pati  commode  poterat,  nam  uterque  sesus  im- 


—    230    — 

perfectus  Uli  contigerat  suo  magno  malo.  Penis  namque  minimi  digiti  longi- 
tudinem  crassitiemque  non  excedebat,  vulvae  autem  foramen  adeo  angustum 
erat,  ut  digiti  minimi  apice  vix  intromitteret.  Optabat  misera,  ut  hunc 
illi  penem  ferro  evellerem,  quippe  qiü  sibi  impedimento  esse  diceret,  dum  cum 
viro  coire  esoptabat.  Optabat  etiam,  ut  vulvae  foramen  illi  amplificarem, 
ut  viro  ferendo  idonea  esset." 

Beob.  2.  Cost.  Varolio  (Bologna),  Anatomiae,  L.  IV,  Francofurti, 
1591,  cap.  IV,  p.  98. 

Die  Clitoris  erreicht  bisweilen  eine  solche  Grösse,  dass  sie  wie  ein 
nicht  durchbohrter  Penis  erscheint.  Diese  Weiber  können  den  Coitus  bald 
empfangen,  bald  ausüben,  und  wenn  man  die  inneren  Organe  betrachtet, 
findet  man  sie  ganz  weiblich,  ohne  eine  Monstrosität.  Wenn  man  Männer 
gefunden  hat,  die  in  den  Geschlechtsteilen  eine  Vertiefung  oder  einen  Spalt 
hatten,  so  drang  dieser  nicht  in  die  Tiefe ;  es  ist  also  unmöglich,  an  dem- 
selben Individuum  beide  Geschlechter  zu  finden. 

Beob.  3.  J.  Schenk  jun.,  Observationum  medicarum  rara- 
rum  etc.  Volumen.  Francofurti,  1609,  Lib.  IV.  —  De  genitalibus 
partibus,   p.  603. 

Verf.  berichtet  über  4  Fälle  von  Vergrösserung  der  Clitoris. 

Beob.  4.    J.  Duval,  Des  hermaphrodites  etc.    Eouen,  1612. 

Ein  zwei  Querflnger  langer  erektiler  Penis  statt  der  Clitoris,  der  dem 
Gatten  beim  Coitus  beschwerlich  war,  so  dass  der  Coitus  nicht  vollzogen 
werden  konnte,  führte  zur  Scheidung. 

Beob.  5.  Domen.  Panaroli  (Rom),  Jatrologismorum,  seu  medi- 
cinalium  observationum  pentecostae  quinque.  Roma,  1652, 
Pentecoste  4,  Beob.  6,  p.  120. 

Bei  einer  Prostituierten  sah  P  i  c  e  n  a  eine  so  grosse  Clitoris,  dass  sie 
in  Erektion  dem  Penis  eines  12  jährigen  Knaben  gleichkam. 

Beob.  6.  Th.  Bartholino,  Historiarum  anatomicarum.  Amstelo- 
dami,  1654,  Cent.  II,  Hist.  57,  p.  247.    Hermaphroditus. 

Beschreibung  ungenügend. 

Beob.  7.  Idem,  Epistolarum.  Hafniae,  1667,  Cent.  III,  ep.  94, 
p.   406. 

Holländerin,  bärtig,  mit  Penis  ohne  Urethra  und  Präputium,  unter 
welchem  sich  die  Vulva  befand.  Der  Verf.  hält  sie  für  eine  Frau  mit  grosser 
Clitoris. 

Beob.  8.  J.  Rodio,  Observationum  medicinalium  Centuriae 
tres.    Padua,  1657,  Cent.  III,  Beob.  42,  p.  164. 

Im  Jahre  1624  im  Juli  sah  der  Verf.  im  Hosp.  di  S.  Francisco  eine 
Prostituierte  mit  einer  Clitoris,  die  einen  Finger  lang  nach  vorn  hing. 

Im  Jahre  1636  am  21.  April  sah  er  eine  Clitoris  von  derselben  Grösse, 
die  in  einen  haarigen  und  warzigen  Tumor  endigte.  Sie  wurde  von  dem 
Chirurgen  Bald.  Giordano  operiert. 

Beob.  9.  P.  Zacchia  (Rom),  Quaestionum  medico-legalium. 
Lugduni,  1661,  L.  VII,  Tit.  I,  Quaest.  9,  p.  501. 


—    231    — 

In  Eom  war  eine  Prostituierte  mit  einer  Clitoris  von  der  Grösse  des 
Eingfingers,  die  dem  Coitus  hinderlich  war. 

Beob.  10.  Graaf  Reiner,  De  virorum  organis  generationi 
inservientibus ,  de  clysteribus,  de  usu  siphonis  in  ana- 
tomia.    Leyden  und  Amsterdam,  1668. 

Verf.  sah  ein  Mädchen,  deren  Clitoris  einem  Penis  ähnlich  war,  so  dass 
die  Hebamme  sie  für  einen  Knaben  erklärte,  aber  der  Irrtum  wurde  nach 
ihrem  Tode  bei  der  Sektion  entdeckt. 

Beob.  11.  N.  Tulpio,  Observationes  medicae.  Amstelodami,  1672, 
Lib.  III,  cp.  XXXV,  p.  241. 

Eine  gewisse  Enrica  Schuria,  ihres  Geschlechts  müde,  kleidete  sich  als 
Mann  und  wurde  Soldat  unter  dem  Prinzen  von  Oranien.  Nach  Hause  zu- 
rückgekehrt, vollzog  sie  mittels  ihrer  stark  entwickelten  Clitoris  den  Coitus 
mit  anderen  Weibern,  besonders  längere  Zeit  mit  einer  gewissen  Witwe, 
die  sie  gern  geheiratet  hätte,  wenn  es  gesetzlich  erlaubt  gewesen  wäre.  Diese 
Tribade  hatte  eine  sehr  grosse  Clitoris,  die  während  des  Coitus  die  Länge 
eines  halben  Fingers  und  mehr ,  und  die  Dicke  des  Penis  eines  Knaben 
erreichte. 

Der  Eechtsgelehrte  Giov.  Paponio  (T.  XXII,  tit.  VII,  avest  II) 
schreibt,  diese  schamlosen  Weiber  müssten  zum  Tode  verurteilt  werden.  Aber 
unsere  Tribade  fand  einen  milderen  Eichter.  Sie  wurde  mit  Euten  gestrichen 
und  verbannt  und  von  jener  Witwe  getrennt,  mit  der  sie  wollüstig  gelebt 
hatte. 

Beob.  12.  Isbrand  de  Diemerbroek,  Anatome  corporis  human i. 
Lugduni,  1683,  L.  I,  p.  152. 

1.  Bei  einer  Frau  von  Montfort,  Frau  eines  Soldaten,  sah  er  eine  Cli- 
toris von  der  Länge  und  Dicke  eines  mittleren  Penis. 

2.  In  Frankreich  sah  er  eine  Hermaphroditin  von  28  Jahren,  die  einen 
Bart  hatte,  wie  ein  Mann,  während  sie  weibliche  Kleider  trug.  Sie  zeigte 
für  wenig  Geld  ihre  Genitalien.  Die  Clitoris  hatte  die  Länge  eines  halben 
Fingers  und  die  Dicke  eines  Penis  mit  Glans,  Frenulum  und  Präputium, 
wie  beim  Manne,  ausgenommen,  dass  die  Glans  nicht  deutlich  durchbohrt 
war.  Nach  unten  befanden  sich  der  Meatus  urinarius  und  die  Vagina,  wie 
bei  Weibern;  die  Labia  majora  enthielten  einen  einzigen  Hoden. 

3.  Er  sah  einen  englischen,  22  Jahre  alten  Hermaphroditen,  von  dem 
sein  Führer  erzählte,  er  sei  als  vollkommene  Frau  geboren;  zwischen  dem 
5.  und  6.  Jahre  hätten  seine  Genitalien  angefangen,  sich  zu  verändern,  und 
im  11.  Jahre  sei  der  Penis  deutlich  geworden.  Wir  sahen  seinen  Penis  un- 
gefähr einen  halben  Finger  weit  vorragen,  ohne  deutliche  Durchbohrung  am 
Ende,  nicht  unähnlich  einem  männlichen  Penis,  für  den  die  Vereinigung  der 
Nymphen  ein  Präputium  bildete,  das  die  Glans  zur  Hälfte  bedeckte  und  frei 
Hess,  wie  beim  Manne.  Der  Führer  erzählte,  bei  wollüstigen  Gedanken 
wachse  dieser  Penis  bis  zur  Länge  eines  Fingers.  In  jeder  der  Labia  ma- 
jora war,  wie  in  einem  Scrotum,  ein  Hode  enthalten.  Wenig  tiefer,  an  der 
gewöhnlichen  Stelle,  fanden  sich  Meatus  urinarius  und  Vagina.     Der  Führer 


—    232     — 

erzählte  noch,  die  Menstruation  trete  regelmässig  ein,  wie  bei  Weibern,  und 
bei  starker  Wollust  trete  auch  Samen  aus,  aber  es  sei  zweifelhaft,  ob  er 
aus  dem  Penis  komme,  oder  aus  den  weiblichen  Teilen.  Die  Brüste  waren 
nicht  stark  entwickelt,  Brust  und  Hüften  waren  etwas  behaart  und  hatten 
mehr  männliches  Aussehen.  So  war  auch  die  Stimme  tief,  die  Kopfhaare 
kraus  und  sehr  dicht,  und  um  den  Mund  waren  Zeichen  eines  keimenden 
Bartes  sichtbar. 

Beob.  13.  P.  Dionis  (Paris),  Cours  d'operations  de  Chirurgie. 
Paris,  1707,  1708,  Vol.  II.    Bruxelles,  1708,  p.  196. 

In  Europa  werden  die  Weiber  mit  ungewöhnlich  grosser  Clitoris  E  i  b  au  - 
des  genannt,  denn  sie  können  andere  Weiber  missbrauchen  und  notzüchtigen. 
Darum  hat  man  die  Amputation  vorgeschlagen,  um  diesen  Weibern  den 
Gegenstand  der  fortwährenden  Wollust  zu  nehmen. 

Beob.  14.  Jean  Palfyn  (Gand),  Description  anatomique  des 
parties  de  la  femme  qui  servent  ä  la  gener ation.  Leyden, 
1708,  p.  10. 

Es  giebt  Weiber  mit  übermässig  langer  Clitoris,  von  denen  einige 
andere  Weiber  missbrauchen,  wie  jene  Tribade  Bassa,  von  der  Martial  im 
1.  Buche  seiner  Epigramme  spricht  (XCI  ep.). 

Esse  videbaris,  fateor,  Lucretia  nobis: 

At  tu,  proh  facinus !    Bassa  fututor  eras. 
Inter  se  geminos  audes  committere  cunnos, 

Mentiturque  virum  prodigiosa  Venus. 
Commenta  es  dignum  thebano  aenigmate  monstrum 

Hie,  ubi  vir  non  est,  ut  sit  adulterium. 

Beob.  15.  Jac.  Parsons  (London),  Mechanical  and  criticalin- 
quiry  into  the  nature  of  hermaphrodites.  London,  1741,  p.  144. 
Mit  Abbild. 

Verf.  sah  in  London  eine  Frau  aus  Angola  mit  einer  grossen  Clitoris 
und   einer  Hernie   in   der  rechten  Schamlippe,    die  als  Hermaphroditin  galt. 

Haller  sagt:  „Opus  fere  coUectitium,  in  quo  ex  temporum  ordine  plu- 
rima  exempla  androgynorum  recensentur.  Androgynos,  qui  putantur  esse 
feminas  magna  clitoride."  Quam  ipse  vidit  Aethiopissam  putes  utique  eo 
pertinere. 

Is.  G.  St.  Hilaire  (Des  anom  alles,  Paris,  1836,  T.  II,  p.  24)  bemerkt, 
dass  Pars  on  s  1741  die  geschlechtliche  Analogie  zwischen  Hermaphroditen  und 
Föten  weiblichen  Geschlechts  hervorgehoben  hat. 

Beob.  16.  J.  L.  Schmucker,  Vermischte  chir.  Schriften.  Berlin, 
1778,  Bd.  2.  —  G.  B.  IVÜonteggia,  Istituzione  chirurgica.  Napoli, 
1837,  Vol.  VIII,  p.  82,  part.  310. 

Der  Verf.  erwähnt  den  Fall  von  Kram  er  von  einer  brandigen  Clitoris 
(wahrscheinlich  sekundär  nach  Krebs),  die  zuerst  unterbunden  und  dann 
abgetragen  wurde,  um  die  unerträglichen  Schmerzen  zu  stillen.  Bei  dieser 
Gelegenheit  fügt  Monteggia  hinzu,  dass  die  Clitoris  bald  an  Scirrhus  und 


—    233     — 

Krebs,   bald   an   einfacher  Vergrösserung  leiden  kann,   und  in  diesem  Falle 
sei  die  Exstirpation  angezeigt. 

Beob.  17.  Ferrein,  Snr  le  veritable  sese  de  ceux,  qu'on 
ap pelle  hermapbrodites.     Mem.  de  l'acad.  des  sc.  A.  1787,  p.  330. 

Verf.  berichtet  über  zwei  Fälle  von  lebenden  Frauen,  mit  so  grosser 
Clitoris,  dass  sie  einem  Penis  ähnlich  war,  mit  der  Öffnung  der  Urethra  an 
der  Wurzel.  Die  eine  war  MarieWalkiers.  Wegen  der  Schriftsteller,  die 
sich  mit  ihr  beschäftigt  haben,  siehe  Is.  G.  St.  Hilaire  (Des  anomalies, 
T.  II,  1836,  Kap.  II,  Hermaphr.). 

Beob.  18.  Everard  Home,  An  account  of  the  dissection  of  an 
hermaphroditedog.  Philos.  trans.  A.  1799,  p.  157 — 178.  Mit  Zusätzen. 
Lectures  of  comparative  anatomy,  T.  III,  Lect.  XL 

Verf.  stellt  die  Hypothese  auf,  dass  das  Ei  vor  der  Befruchtung  noch 
kein  bestimmtes  Geschlecht  hat,  und  je  nach  den  Einflüssen,  die  es  erfährt, 
bald  ein  Weibchen,  bald  ein  Männchen,  und  bald  ein  zwischen  beiden  Ge- 
schlechtern stehendes  Individuum  hervorbringen  kann. 

Eine  schwarze  Frau  von  24  Jahren,  mit  männlichem  Habitus  und  tiefer 
Stimme,  hatte  eine  zwei  Zoll  lange,  sehr  dicke  und  erektionsfähige  Clitoris, 
mit  nicht  durchbohrter  Spitze  und  ohne  Präputium,  während  die  Öffnung 
der  Urethra  sich  da  befand,  wo  sie  beim  Weibe  gewöhnlich  ist.  Das  Harnen 
war  verhindert,  wenn  man  nicht  die  Clitoris  in  die  Höhe  hob.  Die  Brüste 
waren  entwickelt. 

Beob.  19.  Schönfeld  (Charleroi),  Journ.  de  med.  beige.  Juillet, 
1838. 

Eine  kräftige  Frau,  die  einen  Abort  gehabt  hatte  (im  Alter  von 
28  Jahren)  zeigte  an  der  Scheide  einen  körnigen  Tumor,  der  offenbar  eine 
Degeneration  der  Clitoris  darstellte,  von  der  Grösse  eines  Fötuskopfs  und 
von  der  Farbe  der  Haut.  Dieser  Tumor  war  nur  an  seiner  Wurzel  empfind- 
lich und  schien  vom  Missbrauch  sinnlicher  Genüsse  Jeder  Art  herzurühren. 
Seine  Abtragung  machte  keine  Schwierigkeit  und  nach  14  Tagen  war  die 
Heilung  vollständig. 

Beob.  20.  A.  Velpeau,  Medecine  operatoire.  Bruxelles,  1840, 
(5me  edit.),  T.  II,  p.  422. 

Der  Verf.  erzählt,  Kobert  habe  in  Paris  im  Jahre  1839  mitgeteilt, 
ein  infolge  von  Masturbation  in  Marasmus  verfallenes  Mädchen  sei  von  ihm 
durch  Amputation  der  Clitoris  geheilt  worden.  Diese  Operation  wird  von 
Velpeau  verteidigt. 

Beob.  21.  AI.  Riberi  (Turin),  Raccolta  delle  opere  minor i. 
Turin,  1851,^  Vol.  I,  p.  99. 

Amputation  der  Clitoris  und  der  Nymphen  wegen  entzündlicher,  schmerz- 
hafter Hypertrophie,  verursacht  durch  lange  geübte  Onanie  und  geheilt 
d\irch  die  Amputation. 

Beob.  22  A.  Morpaln,  Division  congenitale  du  Clit  oris.  Gaz. 
hebd.  etc.,  Paris,  1855,  p.  436,  Beob.  2. 

Eine  Stickerin  von  61  Jahren  hatte  eine  angeborene  Teilung  der  Clitoris, 
deren  beide  Teile   man   getrennt   sah  und  bis  an   ihren  Ursprung  verfolgen 


—     234     — 

konnte.  Sie  hatte  niemals  Wollustgefühle  empfunden  und  ihre  ehelichen 
Pflichten  nur  aus  Hingebung  erfüllt.  Die  Labia  minora  bildeten  eine  Art 
Keif;  statt  sich  zu  vereinigen,  um  die  Mütze  der  Clitoris  zu  bilden,  stellten 
sie  an  ihrer  Wurzel  zwei  halbe  Mützen  dar.  Die  Mündung  der  Urethra 
befand  sich  auf  dem  Boden  des  Infuadibulums.  Die  Mündung  der  Scheide 
war  normal. 

Beob.  23.  C.  Cassano  und  F.  P.  Pedretti,  Un  caso  di  clitoride 
mostruosa.  Eendic.  della  E.  Acc.  med.-chir.  di  Napoli,  1860,  fasc.  I  et  IV, 
p.  69,  con  tav. 

Ein  Mädchen  von  15  Jahren  hatte  männliche  Körperformen  trotz  ihrer 
kleinen  Gestalt.  Ein  Teil  des  Gesichts  war  behaart,  die  Clitoris  gross  und 
schon  erektionsfällig.  Sie  wurde  schwanger  und  gab  sich  nach  der  Geburt 
wollüstigen  Handlungen  hin,  auch  mit  Weibern.  Im  Alter  von  40  Jahren , 
(1850)  war  die  Clitoris  über  3  Zoll  lang  und  ihr  sehr  beschwerlich.  Ausser- 
dem fand  der  Chirurg  die  Glans  mit  Höckern  bedeckt  (Cancroide  nach  der 
Abbildung)  imd  schritt  zur  Amputation.  Er  schweigt  über  die  weiteren 
physischen  und  moralischen  Folgen. 

Beob.  24.  Willermay  im  Dict.  des  sc.  medic.  Enciclop.  med.  ital. 
Milano  (ohne  Datum),  Vol.  II,  P.  1,  p.  1167. 

Verf.  berichtet  über  einen  Fall  von  Nymphomanie,  bei  dem  die  Clitoris 
einem  Penis  an  Grösse  gleichkam. 

Die  Clitoris  kann  zum  Sitz  von  skirrhöser  Entartung  werden,  Geschwüre 
bilden,  eitern  u.  s.  w.  oder  auch  krebsig  werden.  In  einigen  Fällen  ist  die 
Anschwellung  durch  chronische  Entzündung  hervorgebracht. 

Beob.  25.  Mason,  Elephantiasis  of  clitoris.  New  York  med. 
Kec,  1868,  1  May. 

Verf.  amputierte  mit  dem  Ecraseur  bei  einem  3  jährigen  Mädchen  eine 
4  Zoll  lange  und  4^/2  Zoll  dicke  Clitoris. 

Beob.  26.  Rose  Gerin,  Ps endo- ermafro dito  es terno.  (Äusserlich 
Weib;  Penis  und  Hoden.)     Gaz.  des  hopit.,  1884,  No.  139. 

Weib  ohne  Uterus,  Hypertrophie  der  Clitoris.  Keine  Neigung,  weder 
zu  Frauen,  noch  zu  Männern. 

Beob.  27.  F.  G.  Henle,  Fall  von  angeborener  Spalte  der  Cli- 
toris. Zeitschr.  für  rat.  Med.,  1855,  Vol.  VI,  p.  343,  Canstatts  Jahresber. 
für  1855,  Bd.  IV,  p.  15. 

Ein  Mädchen  von  17  Jahren,  klein  geblieben,  amenorrhoisch,  hatte  eine 
in  zwei  Teile  geteilte  Clitoris,  in  Form  von  zwei  Warzen.  Zwischen  den 
beiden  Hälften  des  Frenulums  mündete  die  Harnröhre. 

Beob.  28.  Verstraeten  (Prof.  in  Gand),  L'acromegalie.  Eevue  de 
med.,  No.  5,  Mai,  1889,  Beob.  2.  Die  Beob.  wird  wieder  gebracht  von  Souza- 
Leite,  De  l'acromegalie.    Paris,  1890,  Vol.  XII,  p.  203. 

MUe.  L.,  29  Jahre  alt,  Schneiderin,  1,64  cm  hoch,  mit  dem  Zeichen 
der  Akromegalie,  unterdrückter  Menstruation,  hypertrophischem  Harnkanal. 
Sie  zeigte  ausserdem  stark  vergrösserte  (verdreifachte)  Clitoris,   das  Hymen 


—    235    — 

war  erhalten.  Sie  hatte  niemals  lebhafte  geschlechtliche  Wünsche  und  wollte 
sich  nicht  verheiraten. 

Beob.  29.  W.  A.  Freund,  Über  Akromegalie.  Samml.  klin.  Vortr. 
von  R.  Volk  mann,  1889,  No.  329.  Beobachtung  wiederholt  von  Souza- 
Leite,  De  l'Acromegalie.     Paris,  1890,  p.  219,  Beob.  14. 

Frau  von  50  Jahren  mit  bedeutender  Akromegalie  an  den  vier  Extremi- 
täten. Ausserdem  hat  sie  eine  grosse  Clitoris  mit  verdicktem  Präputiuna. 
Die  Schleimhaut  der  kleinen  Schamlippen  ist  verdickt  und  ruEzlich,  ihre 
Farbe  braungelb.     Der  Uterus  zeigt  einen  Anfang  von  Atrophie. 

Beob.  30.  B.  C.  Windle,  Exemple  of  an  elongated  and  bifid 
clitoris.     Journ.  of  anat.  London,  1893,  Vol.  XXVII,  P.  3,  p.  22. 

Verf.  sah  eine  5  cm  lange,  bis  zur  Basis  geteilte  Clitoris.  Sie  hatte 
eine  doppelte  Glans,  die  rechte  Hälfte  war  etwas  kürzer  als  die  linke. 

Diese  Notiz  haben  wir  dem  Jahresber.  für  1893,  Bd.  1,  S.  21  ent- 
nommen und  bemerken,  dass  diese  Angabe  gegen  die  Gewohnheit  ganz  falsch 
ist;  bis  jetzt  haben  wir  sie  nicht  verbessern  können. 

Beob.  31.  V.  Zarubin,  A  rare  case  of  acquired  general  hyper- 
tricosis.  Journ.  of  cut.  and  genito-urin.  diseases,  1897,  p.  74,  Jahresber. 
für  1897,  Bd.  II,  p.  546  (15). 

Eine  38jährige  Kranke  litt  an  Hypertrichose  des  ganzen  Körpers,  be- 
sonders des  Gesichts.  Mit  20  Jahren  erkrankte  sie  im  Wochenbett,  worauf 
Calvities  folgte,  während  Hypertrophie  der  Clitoris  mit  grossem  Präputium 
und  stark  entwickelter  Glans  folgte.  Sie  hatte  auch  männliche  Körper- 
konstitution und  tiefe  Stimme. 

Beob.  32.  B.  Marshall,  A  case  of  mclanotic  sarcoma  of  clito- 
ris.    Glasgow  Journ.  April  1898. 

Frau  von  57  Jahren.     Das  Sarkom  war  nussgross. 

Beob.  33.  Blondel,  Un  cas  de  pseudo-hermaphroditisme.  La 
gynecologie,  15  Fevr.  1899. 

Eine  Frau  von  45  Jahren  hatte  eine  sehr  grosse  Clitoris.  In  den 
hypertrophischen  grossen  Schamlippen  hodenähnliche  Drüsen.  Bei  Unter- 
suchung durch  den  After  fand  man  einen  Körper  unterhalb  der  Blase,  viel- 
leicht die  Prostata.  Kein  inneres  Geschlechtsorgan  und  keine  Mündung  der 
Urethra  in  die  Vagina,  die  rudimentär  war.     Der  Habitus  war  weiblich. 

Beob.  34.  Fr.  Neugebauer,  Ein  in  der  Kasuistik  des  Pseudo- 
Hermaphrodismus  einzig  dastehenderFall.  Centralbl.  fürGynäk. 
4.  Febr.  1899,  S.  139  (2  Fig.  im  Texte).  —  Giorn.  di  med.  legale.  Lanciano, 
1899,  Anno  VI,  p.  123. 

Eine  27  jährige  Jüdin  hatte  vor  7  Tagen  einen  auch  an  den  Geschlechts- 
teilen wohlgebildeten  Knaben  geboren.  Die  Frau  hatte  eine  regelmässige 
Vulva,  kleine  Labien,  normale  Clitoris.  Dagegen  befand  sich  hinter  der  Vulva, 
in  der  Mittellinie  des  Perineums  und  1  cm  hinter  dem  Frenulum  labiorum 
ein  dem  männlichen  Glied  ähnlicher  Körper,  45 — 52  mm  lang,  mit  vom 
Präputium  umgebener  und  teilweis  bedeckter  Eichel,  mit  zwei  corpora  caver- 
nosa  versehen,  von  denen  der  Verf.  das  rechte  bis  zum  Ansatz  am  Pubes 
verfolgte.    Dieser  Penis  hatte  keinen  Meatus  urinarius,   aber  man  bemerkte 


—     236     — 

daran  eine  kleine  Vertiefung.  Von  Hypospadie  war  keine  Spur.  Er  war 
der  Erektion  fähig  und  wurde  dabei  fast  50  mm  lang,  mit  wollüstigem  Gefühl. 

Die  den  coUabierten  Penis  bedeckende  Haut  war  ziemlich  runzlich,  wie 
bei  einem  alten  Manne,  besonders  an  der  Basis,  so  dass  der  Verf.  vermutete, 
sie  zeige  ein  Rudiment  eines  Scrotums  an. 

Bei  der  Untersuchung  durch  das  Rectum  fand  man  keine  Anomalie, 
und  die  Frau  verweigerte  jede  Escision  des  Penis  zu  mikroskopischer  Unter- 
suchung, so  dass  der  Verf.  im  Zweifel  blieb,  ob  es  sich  um  eine  hyper- 
trophische Clitoris  handele,  oder  um  ein  echtes,  rudimentäres  männliches 
Glied  ohne  Durchbohrung. 

Beob.  35.     Lambret,   Les   tumcurs   benignes   du    clitoris.     Rev. 
de  Chirurg.,  No.  5,  1898,  Jahresber.  für  1898,  Bd.  II,  p.  253  (17). 

Der  Verf.  sammelte  aus  der  Litteratur  folgende  Beispiele  von  gut- 
artigen Tumoren  der  Clitoris :  Drei  Blutcysten.  Zwei  Dermoide.  Ein  Atherom 
(zweifelhaft).  Einunddreissig  Fälle  von  soliden  Geschwülsten,  unter  diesen 
besonders:  eine  Verknöcherung  der  Clitoris,  ein  Chondrom,  mehrere  Fibrome, 
die  man  oft  nicht  von  Hypertrophie  unterscheiden  konnte.  Diese  Tumoren 
wurden  selten  histologisch  untersucht. 

Beob.  36.  Solowig,  Ein  Beitrag  zum  Pseud  o-Hermaphr  odis- 
mus.     Monatschr.  für  Geb.  u.  Gynäk.,  Bd.  IX,  1899,  H.  2. 

Eine  Person  mit  weiblichem  Habitus,  nicht  menstruiert,  21  Jahre  alt, 
mit  gut  entwickelter  Brust,  dünnen  grossen  Schamlippen,  2  cm  langer  Clitoris. 
Die  Scheide  endigte  blind  in  25  cm  Tiefe. 

Beob.  37— 40.  C.  Taruffi,  Süll'  ordinamento  della  ter atologia. 
Memoria  III,  Pseudo-ermafroditismo  feminino,  Mem.  della  R.  Acc.  deUe  sc. 
deir  ist.  di  Bologna,  1899,  Serie  5,  T.  VII,  p.  738.     Vgl.  Seite  61  ff. 

Beob.  1.  P.  Astley  Cooper.  Beob.  6.  R.  Jacoby.  Beob.  93.  J.  Neill. 
Beob.  100.    Blanche.    Beob.  131.    F.  Wlarchand. 


Note  4.    Erster  Teil.    Berühmte  Frauen. 

Beob.  1.  Jeanne  d'Arc.  Von  verschiedenen  Chronisten  und  Historikern 
erfahren  wir,  dass  Jeanne  um  das  Jahr  1410  in  Frankreich  an  der  Grenze 
von  Lothringen  und  der  Champagne  geboren  war  und  einer  Familie  von 
Ackerbauern  entstammte,  die  vom  Landbau  und  einigen  Herden  lebte.  Sie  be- 
gleitete von  Kindheit  an  die  Herden  auf  die  Weide,  sie  wurde  niemals  unter- 
richtet, konnte  weder  lesen  noch  schreiben,  und  lernte  nur  von  ihrer  Mutter 
die  Glaubenslehren.  Wer  sie  kannte,  war  überzeugt,  sie  sei  ein  gutes  Kind, 
einfach,  mutig,  fromm,  keusch,  arbeitsam  in  häuslichen  Geschäften.  Während 
des  Krieges  aufgewachsen,  unter  dem  Hass  der  Engländer  und  Burgunder 
gegen  die  Franzosen,  wurde  sie  von  einer  Prophezeiung  inspiriert,  das  durch 
eine  schamlose  Frau  ins  Unglück  gestürzte  französische  Reich  werde  durch 
eine  lothringische  Jungfrau  gerettet  werden.  Johanna  glaubte  diese  Jung- 
frau zu  sein  und  nahm  teil  an  allen  kriegerischen  Ereignissen  zwischen  den 


—     237     — 

beiden  Heeren.  Die  Jungfrau  war  gross  und  stark  von  Person.  Sie  kannte 
niemals  die  physiscken  Schwächen  des  Weibes  und  weihte  schon  mit 
13  Jahren  ihre  Jungfrauschaft  Gott.  Sie  kleidete  sich  männlich  (was  später 
vor  dem  kirchlichen  Tribunal  einen  Anklagepunkt  gegen  sie  bildete),  ver- 
schaffte sich  eine  Rüstung,  ein  Pferd  und  zog  in  den  Krieg.  Bei  den  An- 
griffen auf  die  feindlichen  Burgen  zeigte  sie  eine  Tapferkeit  und  eine  Klug- 
heit, welche  die  alten  Kapitäne  in  Verwunderung  setzten  und  die  Feinde 
erschreckten.  Unglücklicherweise  wurde  sie  vor  Compiegne  verwundet  und 
am  24.  Mai  1430  gefangen  genommen.  Die  Engländer  klagten  sie  der 
Ketzerei  an  und  schrieben  ihr  verschiedene  Vergehen  gegen  die  Sitten  zu, 
auch  ihr  Geschlecht  wurde  angezweifelt.  Über  diesen  Punkt  hat  Hyrtl^) 
die  Nachricht  gegeben  (ohne  die  Quelle  anzuzeigen),  sie  sei  von  den  Ärzten 
Guill.  Decauda  und  Guill.  De-Jardini  auf  Befehl  des  englischen 
Kardinals  untersucht  worden,  und  diese  hätten  gefanden,  dass  ihre  Scheide 
so  eng  sei,  dass  der  Coitus  niemals  hätte  ausgeführt  werden  können.  Den- 
noch wurde  Johanna  von  dem  kirchlichen  Tribunal  als  rückfällige  Ketzerin 
verdammt  und  im  J.  1431  auf  den  Scheiterhaufen  geführt. 

Beob.  2.  Nonna  (=  Nonne)  Alferez,  Historia.  Madrid,  1625.  —  Juan 
Perez,  Joaquim  Ferrer,  Historia  etc.  Paris,  1829.  —  Jose  Maria  de  Hereida, 
La  nonna  Alferez,  Eevue  des  deus  mondes,  Paris,  1894,  Liv.  I,  Mars. 
Tom.  122,  p.  121. 

Caterina  d'  Arcuso  di  Biscaglia  kam  nach  Rom  aus  Spanien  am  5.  Juni 
1626,  spanisch  gekleidet  mit  Degen  und  freier  Haltung,  so  dass  sie  eher 
ein  Soldat  als  ein  Hofmann  schien,  während  die  Bewegungen  und  die 
Hände  an  das  weibliche  Geschlecht  erinnerten.  Caterina  war  33 — 40  Jahre 
alt,  von  grosser,  kräftiger  Gestalt,  sie  zeigte  die  Reste  eines  Kropfes,  der 
von  einem  Italiener  geheilt  worden  war.  Ihr  Gesicht  war  nicht  eben  häss- 
lich,  zeigte  aber  den  Eindruck  erlittener  Mühseligkeiten.  Sie  trug  schwarze, 
kurze  Haare  wie  die  Männer,  und  sah  eher  einem  Eunuchen  als  einer  Frau 
ähnlich. 

In  ihrem  13.  Jahre  befand  sie  sich  in  einem  Kloster  in  Spanien,  hatte 
einen  Streit  mit  einer  Nonne  und  entfloh  unter  vielen  Abenteuern.  Bald 
betrug  sie  sich  wie  eine  kampflustige  Amazone ,  bald  wie  eine  Kauf- 
mannsfrau unter  verschiedenen  Unglücksfällen,  bis  sie  ins  Gefängnis  kam. 
Dann  ging  sie  nach  Amerika  und  fing  an,  während  der  Seereise  ihr  Leben 
zu  beschreiben,  sie  kam  im  Jahre  1620  in  die  Hauptstadt  von  Peru,  wo 
sie  wegen  verschiedener  Streitigkeiten  vor  der  Polizei  floh  und  von  dem 
Bischof  vermöge  seines  Asylrechts  gerettet  wurde. 

Diesem  Bischof  beichtete  sie  ihre  vielen  Sünden.  Zuerst  bekannte  sie, 
sie  sei  ein  Weib  und  erzählte  ihre  Herkunft  und  ihre  Abenteuer.  Aber  der 
Bischof  wollte  ihres  Geschlechts  sicher  sein,  und  zwei  Hebammen  unter- 
suchten sie  und  schwuren,  sie  hätten  sie  als  Jungfrau  befunden,  wie  am 
Tage  ihrer  Geburt.  So  konnte  sie  unter  dem  Schutz  des  Klerus  später  nach 
Cadiz  zurückkehren. 


^)  J.  Hyrtl,  Handbuch  der  topographischen  Anatomie,  Bd.  2. 


-     238     — 

Auf  der  Überfahrt  hatte  sie  wieder  Streit  mit  den  Matrosen,  den 
Caterina  selbst  erzählt ;  ebenso  in  Genua,  sobald  sie  nach  Italien  kam.  Zu- 
letzt erhielt  sie  in  Eom  von  Papst  Urban  VIII.  Erlaubnis,  sich  männlich  zu 
kleiden,  aber  als  sie  nach  Neapel  gegangen  war,  musste  sie  wieder  mit  den 
Waffen  kämpfen. 

Dann  kehrte  sie  nach  Amerika  zurück,  wo  sie  Waren  auf  Maultieren 
transportierte ;  nach  ihrem  50.  Jahre  erhielt  man  keine  Nachricht  mehr 
von  ihr. 

Beob.  3.  Lavinia  Fontana  (Lanzi),  Storia  della  pittura.  —  Mal- 
vasia,  Felsina  pittrice.  —  Winckelmann,  Neues  Maleriexikonetc. 

Tochter  des  geschickten  Malers  Prospero,  geb.  1552  in  Bologna,  gest. 
1614  in  Rom.  Sie  übertraf  ihren  Vater  im  Porträtmalen  und  widmete  sich 
vorzüglich  dieser  Art  der  Malerei.  Gregor  XIII.  aus  Bologna  gebürtig,  Haupt 
der  Familie  Buoncompagni,  berief  Lavinia  nach  Rom  und  ernannte  sie  zu 
seiner  Malerin.  Bald  wetteiferten  die  römischen  Damen  miteinander,  um 
sich  malen  zu  lassen,  und  die  grosse  Künstlerin  erwarb  sich  solchen  Ruhm, 
dass  Dichter  und  Redner  den  Ruhm  Lavinias  feierten. 

Zahlreich  sind  ihre  in  den  vorzüglichsten  Museen  Europas  zerstreuten 
Werke.  In  Bologna  befinden  sie  sich  in  S.  Giacomo,  im  Baraccano,  bei  den 
Mendicanti,  in  der  Trinitä.  In  Imola  ist  im  Palast  Zappi  ein  von  Lavinia 
gemaltes  Bild,  und  auch  in  Bologna  befindet  sich  ein  sehr  schönes  Porträt 
im  Hause  des  Marchese  Francesco  Malvezzi  Campeggi,  aber  wir  wissen 
nicht,  ob  es  Original  oder  Kopie  ist. 

Beob.  L  Elisabetha  Sirani.  —  Malvasia,  Felsina  pittrice  etc.  Vol. 
II,  p.  467,  Ediz.  del  1832—34. 

Elisabetha  Sirani,  Tochter  eines  mittelmässigen  Bologneser  Malers, 
wurde  geboren  im  Januar  1638  und  starb  im  August  1665,  lebte  also  nur 
26  Jahre.  Sie  erreichte  früh  eine  hohe  Gestalt,  kräftige  Konstitution  und  leb- 
haftes Temperament,  verbunden  mit  unvergleichlichem  Talent  zu  den  schönen 
Künsten ;  dann  nach  kurzer  Zeit  komponierte  sie  Musik,  malte  viele  BUder 
und  übte  selbst  den  Kupferstich.  Von  diesen  denkwürdigen  Arbeiten  gab 
Malvasia  Nachricht  (1.  c),  aber  dies  brachte  keine  andere  Wirkung  her- 
vor, als  allgemeines  Klagen  um  ihren  frühen  Tod,  sowie  eine  prächtige 
Leichenfeier  in  S.  Domenico.  Hier  wurde  sie  begraben  und  in  dasselbe 
Grab  gelegt,  in  dem  der  Leichnam  Guido  Renis  lag;  noch  heute  liest 
man  folgende  Inschrift: 

Elisabeth  Siranae  una  cum  Guidone  Rheno  tumulatae  etc. 

Die  Krankheit  und  der  Tod  dieser  jungen  Frau  blieben  lange  dunkel 
und  hatten  traurige  Folgen,  wie  man  aus  der  Schrift  Mazzoni-Tosellis 
sieht  ^).  Von  diesem  erfährt  man,  Elisabetta  sei  im  März  1665  von  Magen- 
schmerzen befallen  worden,  die  sich  dann  stärker  wiederholten,  bis  sie 
schnell  umkam.    Dieser  frühzeitige  Tod  erregte  bald  den  Verdacht  der  Ver- 


1)  Mazzoni-Toselli,  Racconto  storico  di  Elisabetta  Sirani  e  del  sup- 
posto  veneficio.    Bologna,  1833.     Con  ritratto  della  pittrice. 


—    239    - 

giftung,  der  nocli  heute  in  den  Encyclopädien  wiederholt  wird.  Sogleich 
wurde  die  Sektion  gemacht  und  die  Köchin  des  Hauses  beschuldigt,  die 
einem  langen  Prozess  unterworfen  wurde.  Bei  der  Sektion  fand  man  im 
Magen  eine  Öffnung  (foro  morto)  unter  dem  Pylorus  nahe  am  Duodenum, 
die  einen  Finger  durchliess,  so  dass  man  an  das  Netz  gelangte.  Man  fand 
Abrasionen  (disuguaglianze  per  grumi  di  pus)  an  der  Milz,  am  Pankreas  und 
an  der  Leber,  und  erklärte  auf  diese  Weise  das  Eindringen  von  Eiter,  ver- 
mischt mit  gelbem  Serum  ins  Peritoneum.  Ferner  fand  man  die  Venen  der 
Eingeweide  in  der  Nähe  des  Magens,  besonders  des  Pylorus,  voll  roten  Bluts. 
Dieser  Befund  überzeugte  die  Ärzte,  die  Anätzung  des  Magens  sei  nicht  die 
Wirkung  eines  dargereichten  Giftes,  sondern  einer  natürlichen  Flüssigkeit, 
die  eine  ähnliche  Wirkung  ausgeübt  habe,  wie  ein  ätzendes  Gift.  Die  arme 
Köchin,  Namens  Lucia  Tolomelli,  wurde  endlich  am  5.  Januar  1668  freige- 
sprochen. 

Diese  Erzählung  zeigt,  wie  zu  jener  Zeit  die  Kenntnis  des  Ulcus  per- 
forans  des  Magens  noch  schwierig  und  unsicher,  und  wie  seltsam  die  The- 
rapie war,  denn  man  gebrauchte  in  diesem  Falle  eine  gewisse  species  solutiva, 
die  nur  in  der  Pharmakopoe  von  Nicolö  Lemery  angegeben  war,  und  wie 
sehr  noch  die  Volkssprache  vorherrschte,  denn  apoplektische  Anfälle  nannte 
man  „cadute  di  goccie." 

Beob.  5.    Teresa  Muratori,  Bibliographie. 

Die  Muratori,  obgleich  noch  heute  als  Musikerin  und  Malerin  ge- 
schätzt, hat  noch  keinen  Biographen  gefunden,  daher  muss  man  sich  mit 
wenigen  Notizen  begnügen,  die  sich  in  den  „Guide  di  Bologna"  (besonders  dem 
von  Bianconi  vom  Jahre  1845),  in  Kunstschriften,  wie  der  Felsina  pittrice 
von  Malvasia  (nicht  vor  der  Ausgabe  von  1841,  T.  II,  p.  74)  und  in  der 
Encyclopädie  von  Turin,  Vol.  XV,  p.  222  von  1862,  worin  mehrere  Gemälde  an- 
gegeben sind,  befinden;  endlich  in  der  Cronaca  inedita  dei  pittori  bolognesi  von 
Marcello  Oretti,  T.  IX,  p,  22  (die  in  der  Bibliothek  des  Archigymnasiums  zu 
Bologna  befindlich  ist).  Dieser  erzählt,  Teresa  sei  am  19.  April  1708  ge- 
storben und  in  der  Kirche  der  Madonna  di  Galliera  zu  Füssen  eines  von 
ihr  gemalten,  sehr  geschätzten  Bildes  begraben  worden,  das  den  heiligen 
Thomas  darstellte. 

Über  das  Denkmal  der  Muratori,  das  Werk  der  Künstlerin  in  der 
oberen  Loggia  des  Archigymnasiums,  schreibt  mir  Prof.  Gino  Eocchi: 
Hier  ist  die  Kopie  der  Inschrift  die  Sie  wünschen: 

Francisco  atque  Achilli 

de  M  0  r  a  1 0  ri  i  s 

in  pliilosophia,  medicina  et  anatome 

eximiis  viris 

fama  expandit 

quidquid  aevum  obduxerat 

Eobertus  Moratorius 

philosophiae  et  medicinae  lector  emeritus 


—     240     — 

reparato  monumento  primo  lue  posito  anno  1606 

Majoribus  suis  obsequitur 

anniientibus 

illustrissimis  utriusque  iiniversitatis  artium 

Priore  et  praesidibus 

aestivis  anno  1706. 

Theresia  de  Moratoriis  pinsit. 

„Mir  scheint  es  der  Triumph  der  Medizin  zu  sein,  die  vor  dem  Altare 
des  Äskulap,  den  Kranken  heilend,  den  Tod  in  die  Flucht  schlägt,  während 
auf  einer  Seite  Fama  triumphiert,  während  auf  der  anderen  Merkur  sich 
schnell  in  Bewegung  setzt,  um  das  Wunder  zu  verkündigen.  Ich  sage,  dass 
es  mir  so  scheint,  denn  das  Gemälde  ist  ganz  mit  Staub  bedeckt  und  be- 
findet sich  in  einer  Höhe,  zu  der  mein  Gesicht  nicht  ohne  die  Hilfe  eines 
Fernrohrs  hinaufreicht." 

Beob.  6.  Anna  Morandi  (siehe  Giov.  Fantuzzi),  Notizie  degli 
scrittori  Bolognesi,  1712,  "Vol.  VI,  p.  113.  —  Serafino  Mazzetti,  Re- 
pertorio  di  tutti  i  professori  delle  science  di  Bologna.  Bo- 
logna, 1847,  p.  218,  No.  2176. 

Anna  Morandi,  Tochter  Carlos,  und  Frau  Giov.  Manzolinis,  geb. 
in  Bologna  1716,  berühmte  Anatomin  und  Modelliererin,  in  die  Akademie  der 
Wissenschaften  des  Instituts  von  Bologna  im  J.  1756  aufgenommen,  und  ande- 
ren auswärtigen  Akademien  angehörend.  Im  J.  1760  wurde  ihr  vom  Senate  ein 
Lehrstuhl  der  Anatomie  der  Universität  übertragen  mit  dem  Auftrage  des 
Modellierens.  Ihr  Ruf  verbreitete  sich  über  ganz  Europa,  nnd  sie  wurde 
nach  Mailand,  London  und  Petersburg  eingeladen,  mit  reichen  Anerbietungen, 
wenn  sie  in  diesen  Städten  wohnen  bleiben  woUte;  aber  sie  weigerte  sich  immer 
aus  Liebe  zu  diesem  ihrem  Vaterlande.  Es  kamen  immer  viele  Fremde  die 
sie  besuchten  und  ihre  Werke  bewunderten,  darunter  Kaiser  Joseph  IL  bei 
seiner  Durchreise  durch  Bologna.  Sie  starb  hier  im  J.  1774.  Fantuzzi, 
T.  VI,  p.  113. 

AUe  wissen,  dass  AnnaManzolini,  während  ihr  Gemahl  dem  L  e  1 1  i 
half,  aus  Wachs  die  Muskeln  zu  bilden,  die  dem  Skelett  angefügt  werden 
sollten,  so  männlichen  Mut  zeigte,  dass  sie,  um  die  Mühen  ihres  berühmten 
Gemahls  zu  mildern,  ohne  auf  den  Gestank  der  Leichen  zu  achten,  oder 
sich  um  ihre  weibliche  Schwäche  zu  kümmern,  ihm  bei  der  schweren,  un- 
dankbaren Arbeit  zu  Hilfe  kam.  So  betrieb  sie  zuerst  die  Anatomie  lind 
lernte  dann  mit  grossem  Eifer  die  Skulptur,  und  machte  durch  die  Schärfe 
ihres  Geistes  und  ihre  grosse  Geschicklichkeit  solche  Fortschritte,  dass  sie 
in  wenigen  Jahren  die  Wissenschaft  und  Kunsc  des  Meisters  Lelli  und 
ihres  Gatten  nicht  nur  erreichte,  sondern  übertraf. 

Diese  Arbeit  erlangte  grossen  Wert,  weil  sie  von  einer  Frau  gemacht 
wurde  und  weil  sie  zwei  Künste  zu  vereinigen  wusste,  Anatomie  und  Skulp- 
tur, so  dass  sie  in  beiden  berühmt  wurde.     So  gab  es  zwei  berühmte  Profes- 


-     241     — 

soren,  Galvani^)  und  Me.dici^),  die  am  Institut  von  Bologna  der  Man- 
z  0 1  i  n  i  würdige  Lobreden  hielten. 

Beob.  7.    Laura   Maria   Caterina   Bassi,  Fantuzzi,  notizie   degli 
scrittori  bolognesi,  1781—94:.    Vol.  I,  p.  384. 

L.  M.  C.  Bassi  wurde  in  Bologna  geboren  am  29.  Okt.  1711  und 
starb  daselbst  am  20.  Febr.  1778.  Am  12.  Mai  1732  wurde  sie  Doktor  der 
Philosophie  und  am  29.  Oktober  desselben  Jahres  übertrug  ihr  der  Senat 
einen  Lehrstuhl  für  allgemeine  Philosophie.  Am  10.  Mai  1776  wurde  sie 
gewählt,  um  an  dem  berühmten  Istituto  delle  scienze  den  verstorbenen 
Dr.  Paula  Battista  Balbi,  Prof.  der  Experimentalphysik,  zu  ersetzen. 
Mit  21  Jahren  verteidigte  sie  eine  These  vor  den  Kardinälen  Grimaldi  und 
Lambertini  gegen  7  Professoren,  die  ihr  opponierten  und  antwortete  immer 
scharfsinnig  lateinisch.  Sie  war  Gattin  des  Arztes  Dr.  Gius.  Veratti  und 
hatte  zahlreiche  Kinder.  Sie  war  in  spekulativen  und  experimentellen 
Wissenschaften,  in  Geometrie  und  Litteratur  sehr  bewandert.  Über  diese 
berühmte  Frau  findet  sich  in  der  oberen  Halle  der  K.  Univ.  zu  Bologna 
folgende  Inschrift: 

Laurae  Bassiae  Veratiae 

Physicae  in  hoc  instituto 

Philosophiae  universae  in  Gymnasio 

Magistrae 

Quod  priscas  hujus  urbis  foeminas 

Doctrina  illustres 

Feliciter  aemulata 

Veterem  sui  sexus  gloriam  apud  nos 

Eenovarit  ac  plurimum  auxerit 

Matronae  Bonon.  aere  conlato  M.  P. 

Vixit  an.  LXVI  obiit  a.  MDCCLXXVIII. 


^)Luigi  Galvani,  Prof.  der  Anatomie  und  dann  der  Geburtshilfe 
an  der  Univ.  Bologna.  De  Manzoliniana  supellectili.  Sammlung  der  Werke 
des  Prof.  L.  Galvani,  herausgegeben  von  der  Acc.  deUe  sc.  del.  ist.  di 
Bologna,  1841,  p.  46.    (Mit  Porträt  des  Autors.) 

2)  Mich.   Medici,   Physiolog  in   Bologna.    Elogio   di  Giovanni    e  di 

Anna  Morandi  conjugi  Manzolini,  scritto  da Mem.  dell'  Acc.  delle  sc. 

del  ist.  di  Bologna,  1857.  T.  VIII,  p.  3.  Mit  zwei  Abbild,  (nämlich  den 
beiden  Belobten).  —  In  dem  Museum  für  menschliche  Anatomie  wird  die 
Büste  der  Gattin  in  natürlicher  Grösse  aufbewahrt.  —  Dort  ist  auch  das  Ver- 
zeichnis der  Arbeiten  in  Wachs  und  in  Plastik,  sowohl  von  Anna ,  als  von 
Giovanni,  die  zum  Teil  für  das  anatomische  Museum  gemacht  wurden,  sowie 
von  32  weiteren  Präparaten,  die  später  in  einem  Privathaus  gefunden  wurden. 
—  Idem.  De  anatomicis,  qui  a  XVIII  saeculi  initio  ad  nostram  usque  aetatem 
Bononiae  floruerunt.  Novi  commentarii,  Tomo  7,  pag.  3.  Elogium  H.  F. 
Albertini,  p.  41.  (Dell'  Acc.  delle  sc.  del  ist.  di  Bologna,  dalla  sua 
origine  al  MDCCCLXXX.  Bologna,  N.  ZanicheUi,  MDCCCLXXX.) 
Taruffi,  Hermaphrodismus.  16 


—    242    — 

Beob.  8.  Clotilde  Tambroni  —  Serafino  Klazzetti,  Eepertorio  dei 
professori  delF  Univ.  Bolognese.     Bologna,  1847,  296. 

Clotilde  Tambroni,  geb.  in  Bologna  im  Jahre  1768;  wurde  später 
wegen  ihrer  litterarischen  Verdienste  zur  benediktinischen  Akademikerin  er- 
wählt. Der  Senat  von  Bologna  ernannte  sie  zur  Lehrerin  des  Griechi- 
schen durch  Senätsbeschluss  vom  23.  Nov.  1793.  Im  Jahre  1798  wurde  sie 
für  einige  Zeit  des  Lehramtes  enthoben,  weil  sie  der  Eepublik  nicht  den 
Eid  leisten  wollte,  die  in  demselben  Jahre  in  Rom  eingeführt  wurde.  Aber 
in  Hinsicht  auf  ihre  Verdienste  und  ihre  Schriften  wurde  sie  durch  Ver- 
fügung des  Ministers  des  Innern  am  19.  Nov.  1808  ihrem  Amte  zurück- 
gegeben, bis  dieses  durch  königl.  Dekret  aufgehoben  wurde.  Sie  wurde 
von  da  an  bis  zu  ihrem  Tode  pensioniert  und  starb  am  4.  Juni  1817. 
Sie  wurde  der  Nachwelt  durch  folgende  Inschrift  in  Erinnerung  gebracht, 
die  in  derselben  Halle  der  Univ.  zu  Bologna  aufbewahrt  wird. 

Clotildae  Tambroniae 

Annor.  LVIII 

Quae  a  prima  aetate  pietatem  sequuta 

Litteris  dedita 

In  collegia  eruditorum 

Per  Italiam  cooptata 

Liüguam  graecam  publice  docuit 

Dec.  innupta  pr.  N.  jun.  a.  MDCCCXVII 

Fratres  benemerenti  posuere. 

In  der  Schrift  über  Paolina  Grismoldi  finden  sich  eingefügt  in 
das  Werkchen  Lorenzo  Mascheronis  —  Invito  a  Lesbia,  Rom,  1874, 
p.  120 f.  folgende  Angaben:  Clotilde  Tambroni  widmete  der  Paolina 
eine  griechische  Ode  mit  freier  italienischer  Übersetzung  von  der  Verfasserin 
selbst.  Die  genannte  Paolina  schrieb  sogleich  anBettinelli  (1792)  ein 
verdientes  Lob  der  Dichterin  und  sprach  ihre  Verwunderung  aus,  dass  eine 
so  junge  Frau  in  griechischer  Sprache  solche  poetische  Kompositionen 
schreiben  könne.  Aus  der  genannten  Schrift  sieht  man  auch,  dass  die  Erben 
der  Tambroni  viele  ihrer  griechischen  Oden  ungedruckt  Hessen,  nur  mit 
Ausnahme  der  einen:  Griechisch-italienische  pindarische  Ode  zur  Genesung 
des  Erzbischofs  von  Bologna.  In  der  Universitätsbibliothek  von  Bologna  er- 
fahren wir,  dass  die  der  Grismoldi  gewidmete  Ode  nicht  gedruckt  worden 
ist,  während  in  Rom  bei  Bodoni  im  Jahre  1794  eine  andere  griechische  Ode 
mit  Übersetzung  in  italienischen  Versen  gedruckt  wurde,  die  an  den  Grafen 
Ferdin.  Marescalchi  gerichtet  ist  bei  Gelegenheit  seiner  fünften  Bekleidung 
des  Gonfalonierato  di  giustizia. 

Beob.  9.    Maria  Gaetana  Ägnesi.  —  Mazzetti.    Idem.  p.  12,  No.  18. 

Maria  Gaetana  Agnesi,  geb.  in  Mailand  im  Jahre  1718  und  hier 
gestorben  am  9.  Jan.  1799  im  Alter  von  81  Jahren.  Sie  war  Tochter  eines 
Professors  der  Mathematik  an  der  Univ.  Bologna,   und  wurde   durch  Bene- 


—    243     - 

dikt  XIV  im  Jahre  1750  ermächtigt,  ihren  Vater,  der  krank  geworden  war,  auf 
demselben  Lehrstuhl  zu  ersetzen.  Im  Jahre  1748  hatte  sie  ihre  „Istituzioni 
analitiche  ad  uso  deUa  gioventü"  veröffentlicht. 

Beob.  10.  Eustacchio  Manfred!  und  Schwestern.  —  Giov.  Fantuzzi,  Notizie 
degli  scrittori  bolognesi,  T.  V,  p.  182. 

Geboren  in  Bologna  am  20.  Sept.  1674.  Wurde  öffentlicher  Lehrer  der 
mathematischen  Wissenschaften  an  der  Universität  im  Febr.  1699  und 
endlich  im  Jahre  1711  Professor  der  Astronomie  am  Institut.  Er  erhielt 
zahlreiche  Ehrungen  von  italienischen  und  auswärtigen  Akademien  wegen 
seiner  achtungswerten  Arbeiten;  zu  einigen  davon  trugen  seine  Schwestern 
bei.     Er  starb  im  Jahre  1730. 

Beob.  11.  Prof.  Franc.  Porro,  Berühmte  Frauen,  die  sich  mit 
Astronomie  beschäftigt  haben.  Riv.  mens,  illustr.  con  docum.  etc. 
A.  II,  Gennaio,  1897,  Fevr.  1 — 2.    Mit  ungedruckten  Beilagen. 

Bologna,  d.  8.  Febr.  1901. 

Geehrter  H.  Professor! 
Ein  mir  befreundeter  Astronom  giebt  mir  folgende  Nachrichten : 
In  Uraniburg  arbeiteten  zusammen  mit  Ticone  seine  Schwester 
Sophia  xmd  eine  Live  oder  Linva  Laurisdatter,  die  dann  Astro- 
nomie in  Kopenhagen  lehrte  und,  wie  man  sagt,  im  Alter  von  124  Jahren 
starb.  Mit  Eustachio  Manfredi  arbeiteten  an  der  Zusammenstellung 
der  bolognesischen  Ephemeriden  der  Himmelskörper  seine  Schwestern  Teresa 
und  Maddalena;  mit  Evello  seine  Frau  Margarete  Koopman;  mit 
Lalande  NicoIerEeine  EtabledelaBriere,  der  man  einen  grossen 
"Teil  vieler  Bände  der  „Connaissances  dutemps"  verdankt.  Elisabetta,  Frau 
von  Geminiano  Montanari,  die  zwischen  1664  und  1678  in  Bologna 
Astronomie  lehrte,  wurde  von  Tiraboschi  „für  eine  sehr  geschickte  Frau 
im  Bau  von  Fernrohren"  erklärt.  Eine  von  ihr  gearbeitete  Linse  wurde 
nach  Paris  an  G.  Dom.  Cassini  zum  Geschenk  geschickt,  und  von  zwei  sehr 
kompetenten  Richtern,  Huyghens  und  Ricard,  für  ein  höchst  voll- 
kommenes Werk  der  Optik  erklärt.  Caroline  Herschel  war  viele  Jahre 
lang  die  unermüdliche,  intelligente  Gefährtin  ihres  Bruders  William.  Ihr 
verdankt  man  die  Entdeckung  von  8  Kometen  und  die  Zusammenstellung 
von  2  Katalogen,  einen  über  die  von  Flam  steed  beobachteten  Sterne,  den 
anderen  über  die  von  William  entdeckten  Nebel.  In  Upper  Tulse-Hill  arbeitet 
seit  vielen  Jahren  mit  dem  berühmten  Huggins  seine  Gattin  an  der  Spektro- 
skopie der  Sterne,  Hohen  Ruhm  erwerben  ebenfalls  in  England  Miss  Brown, 
die  tüchtige  Beobachterin  der  Sonne,  die  beiden  Schwestern  Miss  Agnes 
und  Miss  Helen  Clerk,  als  Verbreiterinnen  der  Wissenschaft,  Miss 
Rüssel,  seit  kurzem  Gattin  des  tüchtigen  Beobachters  in  Greenwich, 
E.  Walter  M ander,  und  mehrere  andere  Frauen  und  Fräulein.  In 
Amerika  giebt  es  Astronominnen  von  Profession  in  Menge ;  nicht  weniger 
als  16  gehören  zu  dem  Harvard-CoUege  in  Cambridge  (Massachussets),  wie 
Frau  Fleming  und  Mss  Maury,  die  schon  eine  wichtige  Stelle  in  der 
Wissenschaft   einnehmen.     Miss  Maria   W.  Whitney   dirigiert   eine  aus - 

16* 


—     244     — 

schliesslich  weibliche  Sternwarte  und  lehrt  Astronomie  in  dem  Vassar  College 
in  Poughkeepsie  im  Staate  New  York;  Miss  P.  Gertrud  Wentworth 
übt  sich  in  der  schwierigen  Berechnung  der  Sternbahnen;  Miss  Alice 
L  am b  - U 1)  de g raff  ist  bekannt  durch  ihre  genaixen  Beobachtungen.  In  Paris 
ist  dem  schwachen  Geschleclite  die  Durchsicht  der  Photographien  anvertraut, 
die  zur  Anfertigung  einer  Sternkarte  gemacht  werden.  Diese  Arbeit  wird 
von  Fräulein  Dorothea  Klumpke  geleitet;  sie  ist  Doktorin  der  Wissen- 
schaften. Eine  andere  französische  Doktorin  ist  kürzlich  nach  Turin  ge- 
kommen, um  ihren  Gatten,  einem  Professor  in  Grenoble,  bei  der  Unter- 
suchung- der  Erdschwere  zu  unterstützen.  (Auszug  aus  einem  Artikel  des 
Prof.  F.  Porro,  publiziert  in  den  Mitteilungen  eines  Kollegen  [A.  IV,  No.  1 
und  2,  Jan.  und  Febr.  1897],  durchgesehen  von  Arcangelo  Ghisleri, 
früherem  Professor  am  Lyceum  zu  Cremona.) 

Über  diesen  Gegenstand  (i^stronominnen)  finden  sich  Nachrichten  in 
folgenden  Journalen: 

No.  21  und  22  der  Astronomischen  Eundschau  (Vol.  III),  publiziert 
von  Leo  Brenner  in  Lussinpiccolo.  In  einem  Artikel,  betitelt:  „Berühmte 
Astronominnen"  mit  8  Porträts  spricht  man  da  von  der  Marquise  du 
Chatelet,  Maria  Gaetana  Agnesi,  Mad.  Lepante,  Carolina 
Herschel,  Mary  Somerville,  Maria  Mitchell,  Agnese  Clerk 
und  Dorothea  Klumpke.  Brenner  weist  auf  ein  Kapitel  hin,  über- 
schrieben: „Die  Frau  in  der  Astronomie"  in  seinem  Buche:  „Spaziergänge 
durch  das  Himmelszelt",  und  auf  ein  Buch  von  360  Seiten,  betitelt:  „Los 
femmes  dans  la  science"  von  A.  Eebiere. 

Dies  ist,  was  ich  habe  sammeln  können.  Arbeiten  Sie  nicht  zu  viel^ 
damit  sie  bald  ganz  gesund  werden. 

Mit  Hochachtung  und  freundschaftlichem  Gruss 

F.  P.  Kuffini. 

Beob.  12.    Dante.   Purgatorio,  Canto  VII,  41.  terzina. 
Über  Männer  von  grossem  Talent,  die  selten  dem  Vater  ähnliche  Söhne 
gehabt  haben,  schreibt  auch  Macchiavelli  (Lib.  1,  cap.  XI  seiner  Reden 
über  die  erste  Decade  des  T.  Livius) :   Die  Reiche,  die  nur  von  der  Tugend 
eines  Menschen  abhängen,  sind  wenig  dauerhaft ;  denn  diese  Tugend  vergeht 
mit   seinem   Leben,    und   selten   geschieht   es,   dass    sie  in   dem  Nachfolger 
wieder  erscheint,  wie  Dante  richtig  sagt : 
Selten  erscheint  in  den  Zweigen 
Die  menschliche  Tugend  wieder,  und  dies  will 
Der,  welcher  sie  giebt,  damit  man  sie  von  ihm  herleite. 


Note  4.    2.  Teil.    Konträre  Sexiialempflndimg. 

Beob,  1.  Giov.  Bianchi  von  Eimini  (Prof.  in  Siena),  Leben  der  Catte- 
rina  Vizzani  aus  Eom,  die  als  Bedienter  8  Jahre  lang  Männerkleider  trug. 
Als  sie  getötet  worden  war,  wurde  sie  bei  der  Sektion  der  Leiche  als  Jung- 
frau befunden.     Venedig,  1744,  in  8  *^. 


—    245    — 

Eine  Frau,  die  sich  als  Mann  kleidete  und  immer  mit  Weibern  Liebes- 
verhältnisse hatte,  machte  sich  einen  künstlichen  Penis,  raubte  die  Enkelin 
eines  Pfarrers,  wurde  dabei  verwundet  und  starb.  Bei  der  Sektion  fand 
man,  dass  sie  eine  Jungfrau  war,  mit  rundem  Hymen,  mit  Clitoris  und  nor- 
malen Geschlechtsorganen. 

Beob.  2.  Landouzy,  Diction.  de  medec.  usuelle  deBeaude, 
1842.  Art.  Hermaphroditisme  von  Maurice  Lauger.  Dict.  de  Jaccoud, 
1873,  Tome,  XVII,  p.  498. 

Marie  Göttlich  hatte  nach  ihrem  neunten  Jahre  häufig  geschlechtliche 
Beziehungen  zu  Männern ;  erst  im  Alter  von  32  Jahren  stiegen  die  Hoden 
herab,  und  dann  folgte  lebhafte  Neigung  zum  weiblichen  Gesclüechte. 

Beob.  3.  De  Maria  Carlo  (aus  Turin),  Note  al  manuale  di  medic. 
legale  di  G.  L.  Casper.    Torino,  1859,  Note  23,  Vol.  II,  p.  451. 

Es  ist  sehr  wichtig,  das  Geschlecht  festzustellen,  und  es  mtissten  auch 
in  unsere  Gesetzgebung  Bestimmungen  eingeführt  werden,  wie  in  Preussen, 
um  schwere  Vergehungen  gegen  die  guten  Sitten  zu  verhindern.  Kürzlich 
wohnte  ich  der  Sektion  eines  Subjektes  von  60  Jahren  bei,  das  für  eine 
Frau  gehalten  wurde,  mehrere  "Jahre  mit  einem  Gatten  lebte  und  dann  sich 
Ausschweifungen  mit  Weibern  ergeben  hatte.  Die  Sektion  wies  deutlich 
nach,  dass  es  sich  um  einen  Mann  handelte. 

Beob.  4.  Emilio  Emiliani  (Faenza),  Caso  di  supposto  ermafro- 
ditismo.     Bull,  di  sc.  med.  Bologna,  1862,  Vol.  XVIII,  Ser.  4,  p.  241. 

In  der  Leiche  einer  80jährigen  Frau,  die  niemals  menstruiert  gewesen 
war,  fand  man  einen  11  cm  langen  Penis,  von  denen  4  auf  die  nicht  durch- 
bohrte Glans  kamen.  Unter  dem  Penis  waren  zwei  breite,  durch  eine  tiefe, 
von  dem  Ende  der  Urethra  durchbohrten  Furche  getrennte  Falten.  Innerlich 
fand  sich  ein  Uterus  von  konischer  Gestalt,  mit  seinen  Anhängen  (die  Trom- 
peten und  Ovarien  waren  jedoch  rudimentär)  und  eine  Scheide,  die  in  die 
Urethra  überging.  Von  Prostata,  Nebenhoden,  Samenbläschen,  D.  deferentes 
war  keine  Spur.  Der  Penis  wurde  durch  ein  einziges  Corpus  cavernosum 
gebildet.  Bei  alledem  hatte  die  Leiche  männlichen  Habitus ,  und  die  Frau 
hatte  während  ihres  Lebens  geschlechtliche  Vorliebe  für  Weiber  gehabt. 

Beob.  5.  E.  Magitot,  Sur  un  nouveau  casd'hermaphrodisme. 
Bull,  de  la  Soc.  d'Anthropol.  1881,  p.  487. 

Ernesta  N.  galt  für  weiblich  und  wurde  danach  erzogen.  Mit  16  Jahren 
fühlte  sie  starke  Neigung  zu  einem  Jüngling  und  mit  17^/2  Jahren  heiratete 
sie  einen  Jüngling  ihres  Landes,  mit  dem  sie  12  Jahre  lang  einträchtig 
lebte,  obgleich  der  Coitus  niemals  regelmässig  vollzogen  werden  konnte. 
Als  sie  Witwe  geworden  war,  änderten  sich  ihre  geschlechtlichen  Neigungen 
und  sie  hatte  viele  Liebhaber,  mit  denen  die  geschlechtlichen  Beziehungen 
regelmässig  von  statten  gingen,  aber  kurz  darauf  wurde  sie  krank  und  starb. 

Bei  der  Sektion  fand  man  einen  Penis  ähnlich  dem  eines  12jährigen 
Knaben  mit  Hypospadiasis,  der  jedoch  der  Ejakulation  von  Sperma,  das 
keine  Filamente  enthielt,  fähig  war.  Das  Scrotum  war  geteilt  und  jeder 
Teil  enthielt  einen  Hoden.     Die  inneren  weiblichen  Organe  fehlten. 


—    246     — 

Beob.  6.  Polaillon,  Hermaphrodismus.  Gaz.  med.  Paris,  1887, 
No.  25.    Jahresber.  für  1887,  Bd.  1,  p.  272  (11). 

Schneiderin  von  30  Jahren,  mittlere  Grösse,  Habitus  und  Stimme  weib- 
lich, furchtsam,  amenorrhoisch,  mit  wohlgebildeten  Brüsten,  ziemlich  breitem 
Becken,  dem  galanten  Leben  ergeben.  Unter  dem  Pubes  liefen  zwei  starke 
Hautfalten  herab,  die  die  Labia  majora  vorstellten  und  oben  einen  sehr 
kleinen  Penis  in  Mützenform  umfassten,  der  Eichel  und  Urethra  besass. 
Zwischen  den  grossen  Lippen  war  ursprünglich  keine  Scheidenöffnung,  aber 
den  Liebhabern  gelang  es,  die  Haut  zwischen  Blase  und  Rectum  8  cm  tief 
einzutreiben. 

Als  die  Frau  an  Nephritis  gestorben  war,  fand  man  bei  der  Sektion 
weder  Trompeten,  noch  Ovarien,  und  an  der  Stelle  des  Uterus  einen  musku- 
lösen Körper  von  Bohnengrösse,  mit  zwei  hohlen  Strängen,  die  in  die  Leisten- 
kanäle und  von  da  zu  den  beiden  atrophischen  Hoden  liefen,  wofür  sie 
Cornil  hielt. 

Beob.  7.  J.  Bondarew,  Ein  Fall  von  Hermaphrodismus  ohne 
Ovarien.  Wratsch,  1887,  No.  50.  Anat.  Anzeiger,  11.  Febr.  1888,  No.  6, 
p.  151. 

Bäuerin  von  35  Jahren,  mit  Bart  und  tiefer  Stimme.  Sie  hatte  gut 
entwickelte  Brüste  und  ungewöhnlich  kleine  Schamlippen,  die  einen  kleinen 
Hoden  mit  D.  deferens  enthielten.  Die  Scheide  war  3  cm  lang  und  endigte 
blind.  Der  Uterus  war  rudimentär  und  ohne  Ovarien.  Die  Clitoris  war 
6  cm  lang  uud  hatte  4^/2  cm  Umfang,  ihr  Bau  war  dem  des  Penis  ähnlich. 
Der  Coitus  war  sowohl  mit  Männern,  als  Weibern  ausführbar. 

Beob.  8.  S.  Pozzi  .  .  .  BuU.  de  la  Soc.  d'Anthropol.  de  Paris,  1890, 
Tom.  XII,  p.  602. 

Adele  H.  hatte  männlichen  Typus ;  sie  war  intelligent  und  arbeitsam. 
Ihr  Penis  war  wenig  entwickelt,  das  Scrotum  durch  einen  Spalt  geteilt,  in 
dem  sich  zwei  Öffnungen  befanden,  die  vordere  war  die  Mündung  der  Urethra, 
die  hintere  war  breiter  und  bildete  einen  8  cm  tiefen  Trichter.  In  den 
Leistenkanälen  fand  man  ziemlich  kleine  Hoden ,  aber  keine  Spur  eines 
Uterus  zeigte  sich. 

Diese  Person  wurde  als  Frau  erzogen  und  mit  14  Jahren  men- 
struiert, aber  unregelmässig  und  konnte  die  Herkunft  des  Blutes  nicht  an- 
geben. Während  der  Kindheit  hatte  sie  gleiche  Neigung  zu  Knaben,  wie 
zu  Mädchen.  Im  Alter  von  18  Jahren  zog  sie  die  Weiber  vor  und  hatte 
eine  Geliebte.  Aber  mit  30  Jahren  wurde  sie  die  Freundin  eines  Mannes, 
was  sie  nicht  hinderte,  Beziehungen  zu  Weibern  zu  haben. 

Beob.  9.  Polaillon ,  Sur  un  cas  d'hermaphrodisme.  BuU.  de 
l'Acad.  de  med.  7.  Avril  1891. 

Ein  25]ähriges  Dienstmädchen,  weiblich  nach  Stimme  und  Habitus, 
mit  Neigung  zu  Männern,  hatte  wohlgebildete  äussere  Geschlechtsteile,  aber 
die  Scheide  wurde  durch  eine  Vertiefung  von  ungefähr  1  cm  dargestellt. 
Das  Mädchen  wollte  diesen  Fehler  verbessern,  aber  der  Chirurg  weigerte 
sich,  weil  sie  nicht  menstruiert  war,  zwei  bewegliche  Körper  in  den  Weichen 
und  keine  Anzeichen  eines  Uterus  hatte,  dann  ergab  sie  sich  der  Prostitution, 


—     247     — 

und  wurde  nach  3  Jahren  von  schwerer  Albuminurie  befallen,  woran  sie 
starb.  Dies  erlaubte  die  Wahrnehmung,  dass  die  Scheide  die  Tiefe  des 
Zeigefingers  erreicht  hatte,  und  dass  die  beiden  Körper  in  den  Weichen 
atrophische  Hoden  mit  ihren  D.  deferentes  waren.     Die  Prostata  fehlte. 

Beob.  10.     E.  Laurent,  Les  bisexues.    Paris,  1894,  p.  207. 

Verf.  erzählt,  E.  L  e  v  y  (ohne  bibliographische  Angaben)  habe  zwei 
hermaphroditische  Schwestern  gesehen,  die  als  sehr  wollüstig  bekannt  waren, 
und  sowohl  mit  Männern,  als  mit  Weibern  umgingen.     * 


Note  5.    Sexuelle  Perversion. 

Beob.  1.     Gerin  (oben  angeführt  p.  193). 

Verf.  erzählt,  ein  Weib  von  26  Jahren  mit  männlichem  Habitus,  habe 
Umgang  mit  Männern  gepflogen  trotz  ihrer  Abneigung  gegen  dieselben. 
Ihre  Clitoris  war  35  mm  lang  und  erektionsfähig.  Die  Scheide  war  9  cm 
lang  und  endigte  blind.     Uterus  und  Ovarien  fehlten. 

Beob.  2.  Gunckel  (s.  Taruf  fi),  M  emorie,  etc.  Bologna,  1899, 
Ser.  5,  T.  VII,  p.  752,  Beob.  123.    Vgl.  Seite  83.    Beob.  123. 

Der  Verf.  erzählt  von  einem  Mädchen,  das  ein  Liebesverhältnis  mit 
ihrer  Stiefmutter  haben  sollte,  und  das  im  Alter  von  28  Jahren  starb.  Bei 
der  Sektion  fand  man  vollständige  weibliche  Organe ;  die  Scheide  mündete 
in  die  Prostata.  Sie  hatte  männlichen  Habitus ;  der  Penis  war  5  cm  lang 
und  nach  hinten  gebogen,  aber  ohne  Hoden. 

Beob.  3.  Birnbacher,  Ein  Fall  von  konträrer  Sexualempfin- 
dung vor  dem  Strafgericht.  Friedreichs  Blätter  für  gerichtl. 
Med.  1891,  p.  2.     .Jahresber.  für  1891,  Bd.  1,  p.  502  (28). 

Eine  Frau  verkleidete  sich  als  Mann,  wurde  des  Betrugs  angeklagt, 
am  6.  Dez.  1866  verhaftet  und  bekannte  ihr  weibliches  Geschlecht.  Sie 
hatte  ein  sehr  abenteuerliches  Leben  geführt  wegen  der  lesbischen  Liebe, 
die  sie  ausübte.  Die  Einzelheiten  ihres  Lebens  sind  eingehend  bei  Krafft- 
Ebing  beschrieben.     Psychopathia  sex;ualis,  p.  295.     Beob.  162. 

Die  ärztliche  Untersuchung  fand  den  Schädel  1  cm  kleiner  als  das 
Mittel;  die  Zähne  des  Oberkiefers  ragten  5  mm  über  die  unteren  hervor. 
Die  Stimme  war  hart  und  tief,  die  Brüste  stark  entwickelt,  die  äusseren 
Geschlechtsteile  denen  eines  10jährigen  Kindes  ähnlich,"  die  Clitoris  klein 
und  sehr  empfindlich.  Die  Scheide  war  sehr  eng,  so  dass  der  Coitus  aus- 
geschlossen war,  und  das  Becken  in  allen  Eichtungen  ziemlich  eng,  mit  ge- 
raden Lenden.  Die  Ärzte  nahmen  angeborene  konträre  Sexualempfindung 
durch   erbliche  Belastung  an,    daher  das  Gericht  die  Angeklagte  freisprach. 

Beob.  4.  F.  C.  Müller,  Ein  weiterer  Fall  von  konträrer 
Sexualempfindung.  Ibid.  Friedreichs  etc.,  p.  279.  Jahresber.  für 
1891,  Bd.  1,  p.  503    (29). 

Der  Verf.  hat  eine  alte  Geschichte  aus  den  preussischen  Archiven  im 
17.  Jahrhundert  wieder   aufgefrischt.     Eine  Frau,    die   sich  für  einen  Mann 


—    248    — 

ausgab,  diente  mehrmals  als  Soldat  und  heiratete  eine  Frau,  mit  der  sie 
mehrere  Jahre  lebte,  ohne  dass  man  ihr  Geschlecht  entdeckte.  Als  Zweifel 
darüber  entstanden  und  eine  gerichtliche  Untersuchung  angestellt  worden 
war,  wurde  sie  wegen  Sodomie  zum  Tode  verdammt  und  im  Oktober  1821 
geköpft.  Die  Urethra  war  verschlossen ;  Scrotum  und  Hoden  waren  leder- 
ähnlich, und  man  erklärte  die  Frau  für  unfähig  des  Coitus  mit  ihrer  Gattin. 
Fernere  Untersuchungen  zeigten  keine  Charaktere  von  Hermaphrodismus, 
sondern  die  eines  echten  Weibes  mit  normalen  Genitalien.  Während  des 
Lebens  zeigte  sie  keine  Neigung  zum  Mann  oder  zur  Onanie. 

Beob.  5.  Antonius  Luis  (berühmter  Chirurg  in  Paris  im  18.  Jahrb.), 
De  partium  externarum  generationi  inserventium  in  mulieri- 
bus  naturali  vitiosa  et  morbosa  di sp ositione.  These  de  Paris, 
1754.  Auf  diese  sehr  seltene,  berühmte  Arbeit  giebt  Delpech  einen  Hin- 
weis im  Dict.  des  sc.  med.  Paris,  1818,  T.  IV,  p.  162. 

Ein  Mädchen  hatte  infolge  fehlender  Öffnung  verborgene  Geschlechts- 
teile, von  denen  äusserlich  nichts  wahrnehmbar,  noch  ein  Eingang  in  die 
Organe  zu  erkennen  war.  Sie  war  durch  den  After  menstruiert  und  machte 
ihrem  Liebhaber,  der  sehr  dringend  geworden,  das  Bekenntnis  der  ihr  von 
der  Natur  zugefügten  Missbildung,  welche  sie  des  Organs  beraubte,  das 
die  süssesten  Genüsse  gewährt.  Im  Delirium  seiner  Leidenschaft  bat  er 
die  Geliebte,  der  Vereinigung  auf  dem  einzigen  zugängigen  Wege  zuzustimmen. 
Luis  ruft  aus:  welches  Weib  kann  den  dringenden  Bitten  ihres  angebeteten 
Geliebten  widerstehen?  Sie  unterwarf  sich  allem  und  wurde  bald  Mutter. 
Dieser  Fall  diente  dem  Verf.  zur  Abfassung  der  merkwürdigen  These,  die 
jetzt  selten  geworden  ist.  Damals  (1754)  hatte  der  FaU  Folgen,  die  jetzt 
unwahrscheinlich  sein  würden.  Das  Parlament  verbot  die  Verbreitung  der 
These,  und  die  Sorbonne  untersagte  die  Verteidigung  folgender  Frage,  die 
sie  an  die  Kasuisten  richtete:  De  partium  externarum  generationi  inser- 
ventium in  mulieribus  naturali  vitiosa  et  morbosa  dispositione  etc. 

Aber  glücklicher  Weise  lebte  zu  jener  Zeit  ein  Papst  (Benedikt  XIV. 
aus  Bologna),  der  vorurteilsfreier  war,  als  die  Mitglieder  des  Parlaments 
und  die  Sorbonne,  den  Chirurgen  Luis  absolvierte  und  den  Druck  der  These 
erlaubte.  Dieses  Verfahren,  das  Frankreich  in  Verwunderung  versetzte, 
muss  in  Verbindung  mit  allen  anderen,  dem  Fortschritte  der  physischen  und 
medizinischen  Wissenschaften  günstigen  Handlungen  betrachtet  werden,  die 
Benedikt  XIV.  in  seinem  Vaterland  ausgeführt  hat,  wo  das  Gefühl  der  Be- 
wunderung und  Dankbarkeit  gegen  ihn  fortbesteht. 


Zweiter  Teil. 
Der  klinische  Hermaphrodismus. 

Dritter  Abschnitt. 
Urethro  -  sexuale  Mssbildungeii. 

Kapitel  I.    Anordnung. 

Die  zahlreichen  unter  dem  Namen  Hermaphrodismus  und 
Pseudo-Hermaphrodismus  von  uns  gesammelten  Beobachtungen 
umfassen  nicht  das  ganze  teratologische  Gebiet,  denn  viele, 
sich  auf  die  äusseren  Geschlechtsteile  beziehenden  Beobachtungen 
bleiben  übrig,  die  gesammelt  und  aufbewahrt  zu  werden  ver- 
dienen, obgleich  sie  .die  Hilfe  der  Anatomie  entbehren.  Dies 
wird  nicht  dadurch  ausgeglichen,  dass  sie  oft  auffallende 
Charaktere  aufweisen,  so  dass  bisweilen  die  diagnostischen 
Schwierigkeiten  bedeutend  sind,  besonders  wenn  es  sich  um 
gerichtlich-medizinische  Gutachten  handelt. 

Zur  Ausfüllung  dieser  Lücke  können  wir  nicht  alle  aus 
dem  Altertum  herrührenden  Erzählungen  benutzen,  die  sich  auf 
die  Geschlechtsteile  beziehen,  denn  viele  davon  sind  entweder 
fabelhaft,  oder  unvollkommen  beschrieben.  Daher  müssen  wir 
eine  strenge  Auswahl  treffen,  um  diejenigen  zu  finden,  die  zur 
Aufstellung  einer  Gruppe  von  zusammengehörigen  Beobachtungen 
genügen  und  auch  den  Namen  „Pseudo- Hermaphroditen"  ver- 
dienen, weil  bei  demselben  Individuum  einander  entgegengesetzte 
Geschlechts  Charaktere  gefunden  werden,  die  man  alle  der  Klinik 
entnimmt.  Diese  Beobachtungen  betreffen  vorzüglich  die  männ- 
liche Urethra  und  die  dazu  gehörigen  Teile. 

Es  ist  bemerkenswert,  dass  nicht  alle  Missbildungen  der 
Urethra  zu  unserer  Gruppe  gehören,  denn  es  sind  bald  ver- 
einzelte Alterationen,  bald  mit  anderen  Deformitäten  verbundene. 


-    250    — 

Im  ersten  Falle  ist  die  Hypospadie  sehr  häufig,  wie  die  Sta- 
tistiken der  militärischen  Aushebungen  beweisen.  So  fand 
Dr.  Eennesi)  zehn  Fälle  unter  3000  Eekruten,  und  BouissonS) 
dasselbe  Verhältnis  nur  bei  den  wegen  Eichel-Hypospadie  in 
das  Hospital  St.  Eloi  aufgenommenen  Soldaten.  Ferner  er- 
innern wir  daran,  dass  zu  eben  diesen  Beobachtungen  über 
Hypospadie  14  Fälle  gehören,  die  schon  unter  den  männlichen 
Pseudo-Hermaphroditen  mit  Eesten  der  Müllerschen  Kanäle 
begriffen  sind 3).  Sie  unterscheiden  sich  nur  durch  die  Gegen- 
wart dieser  Kanäle,  die  bei  der  Sektion  gefunden  wurden, 
während  in  den  klinischen  Fällen  die  anatomische  Untersuch- 
ung nicht  gemacht  wurde ;  es  ist  also  wahrscheinlich,  dass  beim 
Eintritt  des  Todes  die  zweiten  sich  als  den  ersten  gleich  zeigen. 
Wenn  man  endlich  die  Veterinärzeitungen  und  unsere  Samm- 
lung der  an  Pseudo  -  Hermaphrodismus  leidenden  Tiere  unter- 
sucht*),  trifft  man  ebenfalls  eine  grosse  Zahl  von  Säugetieren, 
die  an  derselben  Hypospadie  leiden;  hier  können  wir  au  die 
Ochsen  von  Lecoq  und  Grurlt  erinnerns). 

Wenn  die  Beobachtungen  über  die  urethro-sexuellen  Miss- 
bildungen häufig  sind,  so  haben  sich  dagegen  sehr  wenige 
Schriftsteller  mit  Nutzen  mit  der  Anordnung  dieser  Beobach- 
tungen beschäftigt.  So  müssen  wir  bis  zum  Jahre  1825  gehen, 
um  einen  Chirurgen  zu  finden,  der  die  Hauptgruppen  dieser 
Missbildung  in  Ordnung  zu  bringen  vermag.  Dieser  Chirurg 
war  der  berühmte  Boyer^),  der  drei  Arten  von  Hypospadie 
unterschied,  von  denen  zwei  erhalten  zu  werden  verdienen. 
Die  erste  Art  begreift  die  Fälle,  bei  denen  die  Urethra  sich 
nicht,  wie  gewöhnlich,  bis  zum  Ende  der  Glans  verlängert, 
sondern  an  der  Wurzel  des  Frenulums  des  Präputiums  endigt, 
wo  sie  sich  öffnet  und  hier  der  Fossa  navicularis  entspricht. 
In  diesem  kurzen  Stück  findet  man  eine  mehr  oder  weniger 
tiefe   Einne,    die    ausnahmsweise    zu    einem    doppelten  Meatus 


^)  Arcli.  gen.  de  med.  1831,  T.  27. 

'^)  B Ollis son,  De  l'bypospadias.  etc.  1861,  T.  II,  p.  489. 

3)  Memorie  etc.  Serie  V,  T.  VII,  p.  721.  —  Vgl.  Seite  34  ff. 

4)  Siehe  die  obigen  Memorie  p.  754.   —  Vgl.  Seite  87  ff. 

^)  E.  F.  Gurlt,  Pseudo-Hermapliroditus  foemininus,  Berlin,  1832,  p.  193. 
'')  Boy  er,  Traite  des  maladies  chirurgicales.    Paris,  1825,  T.  X,  p.  34. 


—    251     — 

führt,  den  schon  Fabricius  von  Hilden  gesehen  hat^).  Bis- 
weilen ist  die  zweite  Öffnung  nur  durch  eine  Vertiefung  ange- 
zeigt. Gayraud2)  fügt  hinzu,  dass  bei  diesem  ersten  Grade 
der  Hypospadie  der  Penis  klein  und  die  Glans  unterhalb  ge- 
furcht ist,   so  dass  das  Präputium  keine  Phimose  bilden  kann. 

Die  zweite  von  Boy  er  angenommene  Spezies  ist  die 
„penidea",  d.  h.  wenn  die  Öffnung  der  Urethra  sich  in  dem 
unteren,  freien  Teile  des  Penis  befindet  (wenn  der  Penis  er- 
schlafft ist)  und  in  dem  Zwischenräume  zwischen  der  Glans 
und  dem  Scrotum  liegt.  Die  Stelle  der  Öffnung  der  Hypospadie 
wechselt  oft  längs  dieses  Sitzes,  und  bisweilen  je  nach  der  Zahl 
der  Öffnungen.  Es  giebt  auch  Unterschiede  in  den  Besten  der 
Urethra;  am  häufigsten  findet  sich  keine  Spur  des  Kanals  auf 
der  vorderen  Seite  der  Öffnung,  also  auf  der  Seite  der  Glans; 
oder  man  findet  nur  eine  fibröse  Binne,  die  den  oberen,  nicht 
von  Schleimhaut  bedeckten  Teil  der  Urethra  darstellt.  Von 
diesem  Befund,  den  Gay  r  au  d  (loc.  cit.)  für  häufig  erklärt,  haben  wir 
nur  das  lebende  Beispiel  bei  Virginia  Mauri^)  gesehen,  bei  der 
die  Einne  der  Länge  nach  ausgezackt  war;  diese  Teilung  wird 
von  Ackermann*)  nicht  angeführt. 

Die  dritte  von  Boyer  angenommene  Art  der  Hypospadie 
war  die  scrotale,  also  wenn  das  Scrotum  der  Länge  nach  ge- 
teilt ist,  eine  Vulva  vortäuschend,  in  deren  Grund  sich  die 
Urethra  öffnet.  Auch  diese  Art  wurde  günstig  aufgenommen, 
doch  seit  36  Jahren  hat  Bouisson  (1.  c.)  diese  Definition  ab- 
geändert. Aber  jetzt  betrachten  wir  diese  Spezies  als  zur 
Gruppe  der  Pseudo- Hermaphroditen  gehörend  und  nennen  sie 
äussere  sexuale  Hypospadie.  Die  von  Bouisson  eingeführte, 
und  dann  im  Jahre  1874  von  Duplay^)  angenommene  Verände- 
rung besteht  darin,   dass   man   die  Teilung   des  Scrotums  von 


1)  Fabr.  von  Hilden,  De  duijlici  ductu  urinario. 

'•^)  E.  G-ayraud,  Hypospadie  etc.  Dict.  encycl.  des  sc.  med.  par  A.  De- 
chambre,  1889,  T.  XV,  p.  199. 

3)  Siehe  die  Abbildung'  Seite  93. 

'*)  Infantis  androgyni  historia,  1805. 

^)  S.  Duplay,   De  l'hypospadie  perineo-scrotale,   Arch.  gen.  de  med. 
Paris,  1874,  Mai,  p.  513. 


—    252    — 

oben  nach  unten  auf  den  einspringenden,  durch.  Penis  und 
Scrotum  gebildeten  Winkel  beschränkt.  Diese  Beschränkung 
betrachtet  Gayraud  mit  Recht  als  eine  Varietät  und  nicht  als 
eine  Spezies,  die  keinen  anderen  Wert  hat,  als  dass  sie  einen 
höheren  Grad  der  Hypospadie  des  Penis  anzeigt,  die  in  das 
Scrotum  eindringt,  während  die  scrotale  Urethra  erhalten  bleibt. 
Diese  Erhaltung  findet  jedoch  nicht  immer  statt  in  Beziehung 
auf  den  Penis,  denn  die  Hypospadie  zeigt  sich  auch  in  diesem 
Falle  vor  dem  Bulbus  der  Urethra. 

Bouisson  hat  übrigens  einige  Fälle  abgetrennt,  die  Boy  er 
zu  der  dritten  Spezies  gerechnet  hatte,  und  eine  vierte  unter 
der  Benennung  „perineale  Hypospadie"  gegründet,  die  schon 
Duges  18261)  mit  einem  kürzlich  von  Chiarleoni  (s.  Note  3, 
Beob.  96)  angenommenen  Synonym  „hypospadie  vulviforme" 
nannte,  weil  die  Öffnung  der  Länge  nach  verläuft  und  von 
einem  Schleimbautrande  umgeben  ist.  Dieser  neue  Typus  der 
Hypospadie  ist  nach  unserer  Erfahrung  nicht  häufig,  und  es  ist 
auffallend,  dass  Duplay  allein  drei  Fälle  gesehen  und  be- 
schrieben hat,  die,  wie  gewöhnlich,  ihren  Sitz  im  Perineum 
hatten,  der  pars  membranacea  der  Urethra  entsprechend,  und 
hinter  der  Stelle  mündeten,  wo  das  Scrotum  sich  mit  der  Basis 
des  Penis  verbindet. 

Es  giebt  noch  einige  wenige  andere  Beobachtungen,  in 
denen  der  Penis  bis  zur  Winkelform  gekrümmt  ist,  und  dies 
ist  in  Fällen  von  männlichem  Pseudo-Hermaphrodismus  vorge- 
kommen, nämlich  wenn  bei  Individuen  mit  Hypospadie  ein 
Bruchstück  des  Müll  er  sehen  Kanals  vorhanden  war,  wie  Otto, 
Magitot  und  Max  gesehen  haben 2).  Auch  dann  ist  das  Scro- 
tum mehr  oder  weniger  tief  geteilt,  mit  einem  Sack  auf  beiden 
Seiten,  der  für  die  Hoden  bestimmt  ist.  Aber  wenn  diese 
fehlen,  täuschen  die  Säcke  die  Labia  majora  der  Vulva  vor, 
und  die  Spalte  bleibt  vom  Penis  bedeckt,  der  oft  kurz  und 
klein  ist.  Endlich  nimmt  er  die  Form  des  winkligen  Penis 
(verga  a  cubito)  an,   den  Bouisson  beschrieben  hat,  von  dem 


^)  Duges,    Memoire    de   riiermaphrodisme.     Ei^hem.    med.    de   Mont- 
peUier,  1827. 

2)  Siehe  Beob.  72,  75,  77,  p.  75  ff. 


—    253    — 

wir  sprechen  werden,  und  den  Duplay  in  seinen  drei  Fällen 
fand. 

Diese  vierte  Form  der  Hypospadie  gehört  nicht  nur  zur 
Teratologie,  sondern  zu  einer  besonderen  Gruppe  der  ange- 
borenen Monstrositäten,  die  man  „äusserer  Pseudo-Hermaphro- 
dismus"  genannt  hat.  Übrigens  ist  diese  Benennung  weder  ganz 
neu,  noch  vollständig,  denn  in  der  Vergangenheit  nannte  man 
sie  einfach  Hermaphrodismus,  was  unpassend  war,  weil  man 
damit  auf  das  Vorhandensein  zweier  verschiedener  Zustände  der 
Geschlechtsdrüsen  hinwies.  Es  war  unpassend,  weil  es  bekannt 
ist,  dass  die  Hoden  bald  verborgen  sind,  bald  fehlen,  und  bald 
unsichere  Beschaffenheit  zeigen;  daher  fehlt  eines  der  beiden 
Hauptkennzeichen  des  doppelten  Geschlechts. 

Das  zweite  Kennzeichen  kann  man  jedoch  in  der  Gegen- 
wart des  Penis  und  des  weiblichen  Habitus  finden,  zu  denen 
wir  zurückkommen  werden,  um  ihnen  ihren  respektiven  Wert 
anzuweisen.  Jetzt  bemerken  wir  nur,  dass  oft  eins  von  beiden 
fehlt  oder  ungewiss  ist,  und  dass,  wenn  beide  zugleich  vor- 
handen sind,  ein  unerklärtes  Problem  der  Embryologie  vorliegt, 
das  grosse  Aufmerksamkeit  verdient. 

Wenn  wir  zu  den  sekundären  Erscheinungen  und  besonders 
zu  dem  seltsamen  winkligen  Penis  (verga  a  cubito)  Bouissons 
kommen,  müssen  wir  vorausschicken,  dass  dieser  sich  auch  bei 
der  Hypospadiasis  penidea  und  scrotalis  findet,  aber  öfter  bei 
der  perinealis.  Wenn  man  den  Grund  dieser  Erscheinung 
sucht,  muss  man  vor  allem  den  Penis  im  Zustande  der  Schlaff- 
heit in  die  Höhe  richten;  dann  bemerkt  man,  dass  seine  untere 
Seite  von  vorn  nach  hinten  stark  verkürzt  ist.  Dies  ist  die 
Folge  der  Wirkung  der  Rinne  oder  des  Strangs,  der  schon  er- 
wähnt wurde  (Bouisson).  Diese  Krümmung  leistet  verschie- 
denen Widerstand  bei  dem  Aufheben  des  Penis  infolge  der 
verschiedenen  Verdickung  der  Hüllen  der  Urethra.  Diese 
wichtige  Beobachtung  wurde  schon  im  Jahre  1837  von  Jean 
Louis  Petiti)  gemacht,  der  ausser  der  unteren  Kürze  des 
Penis  eine  Verdickung  des  cavernösen  Gewebes  derselben  Seite 
fand  und  ferner,  dass  der  Penis  krumm  bleibt,  wenn  man  auch 
die  Urethra  ablöst  und  den  Strang  einschneidet. 


1)  J.  L.  Petit,  Oeuvres  completes,  1837,  p.  777. 


-     254    — 

Natürlich  beschreibt  der  Penis  bei  der  perinealen  Hypo- 
spadie  eine  Kurve  und  selbst  einen  mehr  oder  Aveniger  spitzen 
Winkel,  je  nach  dem  Zustande  der  Hüllen  der  Urethra,  welcher 
ausserdem  das  Harnen  verhältnismässig  stört.  Denn  da  der 
Penis  auf  der  Scrotalspalte  aufliegt,  verbreitet  sich  der  Urin 
überall  hin  und  prallt  an  den  beiden  Scrotalsäcken  an.  Follini) 
behauptet,  die  regelmässige  Emission  des  Spermas  sei  voll- 
kommen unmöglich,  weil  der  Penis,  statt  sich  aufzurichten,  sich 
noch  mehr  krümmt  und  die  Drüse  sich  eingräbt,  so  dass  der 
Coitus  unmöglich  und  der  Versuch  dazu  sehr  schmerzhaft 
wird.  Der  Same,  statt  nach  vorn  projiziert  zu  werden,  ver- 
breitet sich  über  die  Oberfläche  des  Scrotums. 


Kapitel  II.    Klinische  Beobachtungen  über  die  urethro- 
sexualen  Missbildungen. 

(S.  Note  1  und  2.) 

Die  einzelnen  Anomalien  des  Harnsystems,  wie  auch  die 
des  Gleschlechtssystems  sind  von  den  Chirurgen  und  Anatomen 
zum  grossen  Nutzen  der  Wissenschaften  und  Künste  sorgfältig 
studiert  worden;  aber  ein  gleiches  Studium  ist  bis  jetzt  noch 
nicht  über  die  komplizierten  Anomalien  der  äusseren  Geschlechts- 
teile des  Menschen  ausgeführt  worden.  Gewöhnlich  fehlt  die 
Gelegenheit,  die  Anatomie  zu  Hilfe  zu  nehmen,  so  dass  man 
sich  mit  dem  klinischen  Studium  begnügen  muss,  um  diese  der 
gerichtlichen  Medizin  so  schädliche  Lücke  auszufüllen. 

Um  diesen  Mangel  zu  ersetzen,  haben  wir  aus  der  Litte- 
ratur  100  Fälle  gesammelt,  deren  Titel  die  Missbildung  der 
äusseren  Geschlechtsorgane  andeutet,  aber  leider  befinden  sich 
darunter  17  Beobachtungen,  die  sehr  unvollkommen,  oder  schlecht 
übersetzt,-  oder  in  unauffindbaren  Zeitschriften  enthalten  sind 
(s.  Note  1),  so  dass  wir  uns  mit  den  83  übrigen  begnügen 
müssen,  die  genügen  würden,  wenn  die  Beschreibung  einer 
jeden  vollständig  wäre.  Dennoch  behalten  wir  auch  die  unvoll- 
kommenen bei,  weil  sie  einige  bemerkenswerte  Umstände  ent- 
halten, während  sie  über  andere  schweigen. 


1)  Follin,  Gaz.  des  Hopit.  4.  Dez.  1851. 


—    255    — 

Aus  ihnen  schliesst  man  zunächst,  dass  die  auffallendsten 
und  häufigsten  Anomalien  in  den  äusseren  Geschlechtsteilen 
vorkommen,  wie  in  der  Urethra,  dem  Penis,  dem  Scrotum  und 
den  Hoden,  und  dass  diese  Anomalien  gewöhnlich  mit  einander 
verbunden  sind,  so  dass  sie  eine  von  anderen  den  Körper  be- 
treffenden Missbildungen  verschiedene  teratologische  Gruppe 
bilden,  mit  denen  sie  keine  deutliche  Verwandtschaft  besitzen, 
wie  z.  B.  mit  den  Hernien  und  gewissen  funktionellen  Störungen 
verschiedener  Art.  Dies  vorausgeschickt,  scheint  es  uns  ge- 
rechtfertigt, dass  wir  unsere  Gruppe  „ürethro- sexuale  Miss- 
bildungen" nennen  und  zu  den  Komplikationen,  zur  Ätiologie 
und  zur  Pathologie  die  anderen  sekundären  Charaktere  ver- 
weisen, die  sich,  wenn  auch  selten,  mit  dieser  Gruppe  ver- 
binden, 

Urethra,  Um  mit  der  männlichen  Urethra  zu  beginnen, 
haben  wir  52  Fälle  von  Anomalien  des  Penis  gesammelt,  die 
in  44  Fälle  von  Hypospadie  und  in  8  von  nicht  durchbohrtem 
Penis  zerfallen.  Diese  Zahlen  haben  eine  Art  von  Vorrang  vor 
den  anderen  Charakteren  unserer  Gruppe,  um  so  mehr,  wenn  die 
Hypospadie  in  der  scrotalen  und  perinealen  Urethra  auftritt, 
so  dass  sie  dann  das  Aussehen  einer  Vulva  annimmt.  So  ist 
sie  bisweilen  mit  einer  Art  von  Pseudo-Hermaphrodismus  ver- 
wechselt worden  und  erlaubt,  wenn  man  will,  an  die  Stelle  der 
Benennung  urethro  -  sexuale  Missbildung  „sexuelle  Hypospadie" 
zu  setzen,  wovon  wir  50  Fälle  gesammelt  haben.  Die  Ano- 
malien der  Urethra  sind  überdies  entweder  eine  der  einfachsten 
klinischen  Erscheinungen,  wie  die  Atresie,  oder  kompliziert, 
wie  es  in  Fällen  der  Durchbohrung  der  Wand  der  Urethra  und 
der  Scheide  des  Penis  der  Fall  ist  (Hypospadiasis  simplex).  Es 
giebt  auch  Beobachtungen  von  Spaltung  der  Urethra,  womit 
Fragmente  der  Müllerschen  Kanäle  verbunden  sind  (s.  Note 
A,  pag.  63 :  männlicher  Pseudo  -  Hermaphrodismus).  Um  die 
Geschichte  dieser  Affektion  zu  vervollständigen,  muss  man  be- 
denken, dass  sie  mehrmals  erblich  aufgetreten  ist.  Die 
alte  Litteratur  ist  von  Guyon  im  Jahre  1863  gesammelt 
worden!). 


!)  Felix  Guyon,  Des  vices  de  conformation  de  l'urethre  etc.  These, 
Paris  1863,  p,  127. 


-    256    — 

Über  die  Verscliiebung  (spostamento)  der  männlichen  Urethra 
s.  pag.  266. 

Hoden.  Ein  Organ,  das  funktionell  zur  Urethra  gehört, 
ist  der  Hode;  er  verdient  besondere  Aufmerksamkeit,  denn  er 
ist  eine  Drüse,  die  das  männliche  Geschlecht  charakterisiert, 
während  der  Körperhabiius  nicht  immer  mit  dem  Greschlecht 
übereinstimmt.  Der  entgegengesetzte  Fall  ist  nur  von  wissen- 
schaftlicher Wichtigkeit,  denn  wenn  die  Hoden  fehlen  (und 
um  so  mehr,  wenn  andere  geschlechtliche  Mängel  vorhanden  sind) 
entsteht  die  Frage,  ob  man  eine  dritte  Spezies  von  Individuen 
aufstellen  soll,  wie  schon  G-.  Is,  St.  Hilaire  gethan  hat,  und 
die  alsAgenosoma  bekannt  ist.  Wichtig  ist  die  Verschieden- 
heit der  Zahl,  des  Sitzes  und  des  Baues  der  Hoden.  Aber  wir 
beschränken  uns  darauf,  die  in  den  gesammelten  Beobachtungen 
gefundenen  Unterschiede  anzugeben. 

Was  den  Sitz  betrifft,  wurden  die  Hoden  oft  im  Scrotum 
gefunden;  wir  nennen  sie  Testiculi  scrotales;  bisweilen  finden 
sie  sich  im  Leistenkanal  und  seltener  im  Abdomen ;  dann  nennen 
wir  sie  inguinales  und  abdominales  i),  und  endlich,  wenn  sie  bei 
der  klinischen  Untersuchung  nicht  aufzufinden  waren,  sprachen 
die  Alten  von  Kryptorchiden^).  Die  verschiedenen  Sitze  der 
Hoden  im  Abdomen  sind  1869  von  Le  Dentu  zusammengestellt 
worden  unter  dem  Titel  „Ektopia  abdominalis".  Er  unter- 
scheidet die  Ektopie  der  Fossa  iliaca  in  simplex  und  duplex 
und  die  Ektopie  am  Anfange  des  Leistenkanals.  Die  letztere 
unterscheidet  er  in  intrainguinal  und  extrainguinal s).  Die  Zahl 
der  Fälle  wechselt  sehr,  je  nach  dem  Sitze  der  Hoden,  oder 
ihrem  Fehlen.  So  verteilen  sich  von  den  84  von  uns  ge- 
sammelten Fällen  57  auf  folgende  Weise: 


Testiculi  scrotales  .     , 

.     N.  41 

„         inguinales     , 

.     „      9 

„         occulti     .     . 

.      „      5 

„        fehlend    .     , 

.     „      2 

57 


^)  Die  ersten  Beispiele  von  Test,  abdominales  wurden  von  Godard 
im  Jahre  1857  gesammelt. 

-)  E.  Godard,  Snr  la  monorchidie  et  la  cryptorcMdie.  Paris,  1857, 
p.  144. 

^)  A.  Le  Dentu,   Des  anomalies  des  testicules,  Paris,  1869,  p.  75. 


—    257    — 

Der  Wert  dieser  Zahlen  ist  jedoch  etwas  unsicher,  sie 
können  nicht  alle  als  wirkliche  Fälle  gelten,  denn  unter  den 
verborgenen  befinden  sich  einige,  in  denen  die  Geschlechts- 
drüsen fehlten  (Beob,  70,  83)  i),  und  unter  den  Leistenhoden 
befinden  sich  auch  Fälle,  in  denen  ihre  Gegenwart  und  ihre 
spezifische  Natur  ungewiss  war.  Aber  trotz  dieser  Einschrän- 
kung bleibt  immer  noch  eine  ziemlich  bedeutende  Zahl  übrig, 
die  sich  der  der  45  im  Civilstandsregister  verzeichneten  Weiber 
nähert  und  zum  grossen  Teil  den  Beobachtungen  entspricht, 
bei  denen  Hoden  gefunden  wurden;  dies  hängt  mit  den  vielen 
merkwürdigen  Fällen  von  Veränderung  des  Geschlechts  und 
mit  den  neueren  Beobachtungen  von  Männern  mit  weiblichem 
Habitus  zusammen.  Es  ist  jedoch  wahr,  dass  dieser  Habitus 
nicht  so  häufig  ist,  als  man  nach  dem  Civilstandsregister  ver- 
muten könnte,  zumal  der  Körperhabitus  von  Personen,  die 
an  urethro -sexualen  Missbildungen  leiden. 

Wir  haben  schon  sieben  Fälle  von  verborgenen  (Kryptor- 
chiden)  und  aplasischen  Hoden  (Anorchiden)  angegeben,  und 
unter  den  männlichen  Pseudo-Hermaphroditen  finden  sich  andere 
ähnliche  (vergl.  pag.  69,  Note  3,  Beob.  36),  ohne  die 
anderwärts  angeführten  zu  zählen  2).  Klinisch  erscheint  in  allen 
diesen  Fällen  das  Geschlecht  der  Person  zweifelhaft,  und  dieser 
wichtige  Umstand  hat  zu  allen  Zeiten  die  Teratologen  und  die 
Gerichtsärzte  beschäftigt.  Zuerst  bringt  sie  die  Hebamme  in 
Verwirrung,  wenn  sie  das  Geschlecht  des  Kindes  erklären  soll, 
und  dann  betrübt  sie  die  Familie,  wenn  sie  an  die  Erziehung 
des  Kindes  denkt.  Wenn  dann  die  Menstruation  ausbleibt, 
findet  sich  der  Arzt  in  unüberwindlichen  Schwierigkeiten,  um 
seine  Diagnose  zu  stellen,  was  heutzutage  vermieden  wird, 
indem  man  einfach  das  Geschlecht  für  zweifelhaft  erklärt.  Aber 
früher  stritt  man  mit  gelehrten  Gründen  darüber,  was  das 
wahrscheinlichste  wäre,   und  wollte  lieber  in  Irrtum  verfallen. 


^)  Dieser  Fall  ist  sehr  selten,  da  Wenzel  Gruber  seit  1861  die  an- 
geborene beiderseitige  Anorchie  nicht  auffinden  konnte.  In  der  Litteratur 
ist  sie  nur  7  oder  8  mal  angegeben,  mit  Inbegriff  der  wenigen  Fälle  des 
Fehlens  des  ganzen  Geschlechtsapparates  (Jahresber.  für  1868,  Bd.  1,  p.  173. 

2)  C.  Taruf  f  i,  Mem.  etc.  Bologna,  T.  VI,  p.  95,  Note  III  sind  9  Fälle 
gesammelt. 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  17 


—    258    — 

als  zugeben,  dass  ein  Individuum  von  Geburt  an  geschlechtlich 
unvollkommen  sein  könne. 

Veränderung  des  G-eschlechts  (s.  Note  3).  Das 
Problem  wurde  schwierig,  wenn  die  ursprüngliche  Miss- 
bildung auf  das  weibliche  Geschlecht  hindeutete,  und  noch  mehr 
nach  Eintritt  der  Pubertät,  wenn  männliche  Neigungen  auf- 
traten und  die  Clitoris  einem  Penis  ähnlich  wurde,  oder  umge- 
kehrt. So  fanden  die  Alten  bis  zum  19.  Jahrhundert  keine 
Schwierigkeit,  eine  Veränderung  des  Geschlechts  anzunehmen 
und  uns  zum  Beweis  eine  reiche  Litteratur  hierüber  zu  hinter- 
lassen (s.  Note  3).  Diese  Veränderung  wurde  nicht  nur  im 
verflossenen,  sondern  auch  im  gegenwärtigen  Jahrhundert  an- 
genommen. Steimann  (s.  Note  2,  Beob.  12  und  62,  1881)  er- 
zählt, ein  ITjähriger  Bursche  habe  sein  Geschlecht  dreimal 
geändert;  dies  genügt,  um  zu  zeigen,  wie  zäh  das  Volk  an  den 
Geschichten  festhält,  die  ans  Wunderbare  streifen,  obgleich  es 
seit  Jahrhunderten  Männer  gab,  welche  die  Ärzte  belehrten 
und  den  Ursprung  des  Irrtums  aufklärten.  Einer  dieser  intelli- 
genten Männer  war  ein  Pariser  Chirurg,  namens  Severinus 
Pinaeus,  der  im  Jahre  1598  publizierte:  De  Virginitatis  notis 
etc.  1),  worin  er  folgendes  Stück  schrieb,  das  einem  neueren 
Schriftsteller  über  gerichtliche  Medizin  H.  F.  Teichmeyer  zu- 
geschrieben worden  ist,  während  dieser  ehrlich  den  Pinaeus 
und  seine  Erklärung  anführt 2). 

„Lutetiae  circiter  annum  millesimum  quingentesimum  septu- 
agesimum  septimum  in  vico  S.  Dionysii  mulier  quaedam  noctu 
peperit  filium,  qüi  festinanter  propter  virium  imbecillitatem  bapti- 
satus  fuit  pro  filia,  quae  Joanna  vocata  est,  quam  paucis  post 
diebus  pro  masculo  et  filio  mater  primo,  deinde  alii  viri  et 
mulieres  agnoverunt,  non  sine  magna  omnium  admiratione  et 
applausu,  Joannemque  ex  tempore  puerum  appellaverunt.  Erroris 
causa  fuit  et  mala  conformatio  partium  genitalium,  penis  vide- 
licet  brevioris  et  penitius  tamquam  in  superna  parte  rimae 
maxime  reconditi,  clitoridis  more  inter  duo  labra  et  nymphas 
pudendi  feminei  latitare  soliti,  quae  partes  in  hoc  puero  apprime 


^)  Severinus  Piaaeus,  De  Virginitatis  notis,  graviditate  et  partu 
Amstelodarai,  1663,  Lib.  1,  p.  75. 

2)  H.  F.  Teichnieyer,  Institutiones  medicae  legales.  Jenae,  1731, 
p.  109,  2.  Aufl. 


-    259    — 

effictae  erant  propter  constrictionem  {qäcpriv)  istam,  quae  per 
medium  scrotum  inter  duos  testes  excurrit,  a  radice  penis  in- 
cipiens  inferne  et  ad  perinaei  locum  et  anum  usque  extenditur, 
unde  latera  duo  scroti  eminebant  tamquam  labra  pudendi  mulie- 
bris,  in  quorum  medio  rima  quoque  erat." 

Um  die  praktische  Wichtigkeit  des  zweifelhaften  Gle- 
schlechts  hervorzuheben,  wird  es  nicht  überflüssig  sein,  einige 
Beispiele  unter  den  vielen  anzuführen,  die  wir  zu  den  Beob- 
achtungen gestellt  haben.  Vor  allem  beobachtete  Zacchia 
einen  14jährigen  Knaben  (Beob.  3)  mit  nicht  durchbohrter 
Eichel  und  zwei  Körperchen  in  den  Weichen,  die  er  für  Hoden 
hielt.  Später  trat  regelmässige  Menstruation  ein,  so  dass  der 
Autor  zweifelhaft  wurde,  ob  die  Körperchen  nicht  zwei  Ovarien 
seien.  Interessant  ist  auch  der  Fall  von  Colle  (Beob.  9),  der 
das  Leben  Annas  erzählt,  die  von  weiblichem  Habitus  war  und 
sich  verheiratete,  aber  später  gezwungen  wurde,  sich  wieder 
zu  trennen,  weil  sie  einen  nicht  durchbohrten  Penis,  eine 
Scheidenöffnung  und  zwei  Körperchen  besass,  die  für  Hoden 
gehalten  wurden.  Wichtig  ist  auch  der  Fall  von  Paul  D  esc ou st 
(Beob.  76)  von  einem  amenorrhoischen  Mädchen,  mit  männ- 
lichem Charakter,  Neigung  zu  den  Weibern,  einem  kurzen, 
nicht  durchbohrten  Penis,  darunter  liegender  Vulva,  in  welche 
die  Urethra  mündete.  Bei  der  Untersuchung  fand  man  weder 
Uterus,  noch  Hoden;  daher  erklären  wir  sie  ebenfalls  für 
zweifelhaften  Geschlechts. 

Es  würde  zu  weit  führen,  wollte  man  alle  mehr  oder 
weniger  wichtigen  Umstände  aufzählen,  welche  die  zweifelhaften 
Fälle  begleiten,  und  wir  behalten  uns  vor,  die  bekanntesten 
anzugeben,  wenn  wir  von  den  die  gerichtliche  Medizin  betreffen- 
den sprechen  werden.  Hier  ziehen  wir  vor,  die  von  Is.  Gr.  St. 
Hilaire  aufgestellte  und  ziemlich  kurz  angegebene  Hypothese 
vorzutragen,  um  den  gewöhnlichsten  Ursprung  zu  erklären,  der 
oft  diesem  Zustand  vorhergeht.  Er  behauptet,  dass  sie  bei 
dem  grössten  Teile  der  Weiber,  bei  denen  dieser  Zustand  vor- 
kommt, die  Folge  des  späten  Herabsteigens  der  Hoden  in  das 
zweigeteilte  Scrotum  ist.  Aber  der  Autor  stützt  diese  Be- 
hauptung, die  sonst  sehr  vernünftig  ist,  durch  keine  Beobach- 
tung, vielleicht  weil  es  bekannt  ist,  dass  Weiber  mit  ange- 
borenem urethro -sexualem  Leiden  oft  vom  frühesten  Alter  mit 

17*     ■ 


—     260     — 

KryptorcMdie  behaftet  sind,  und  dass  einige  bisweilen  die  psy- 
chologischen Veränderungen  des  geschlechtlichen  Instinkts  ge- 
rade nach  dem  Erscheinen  der  Hoden  gezeigt  haben.  So  bildet 
die  Verzögerung  des  Herabsteigens  (KryptorcMdie)  das  Stadium,, 
während  dessen  das  Geschlecht  zweifelhaft  ist.  Wir  können 
hierzu  noch  eine  historische  Notiz  fügen,  die  sich  auf  die  phj^- 
sischen,  sie  bedingenden  Zustände  bezieht.  Sie  ist  dem  Werke 
des  genannten  Pinaeus  entnommen  (Op.  cit.  p.  70 — 71). 

,,Freq[uenter  in  pudendorum  conformatione  natura  ipsa  ludit 
et  aberrat:  aliis  ligamentum  balani  adeo  breve  est  atque  crassum, 
ut  virga  omnino  in  arcum  trahatur,  tum  natura  erigere  con- 
tendit.  In  aliis  Urethra  glandem  non  attingit,  et  in  quibusdam 
penis  nullo  modo  perforatus  est,  contra  vero  in  aliis  perforatum 
et  tamquam  in  duas  partes  divisum  est  scrotum  circa  exortum 
penis,  ubi  nempe  terminatur  Collum  vesicae :  ideoque  penis  brevis 
admodum  totus  ibi  latitat  tamquam  inter  duo  labra  pudendi 
muliebris,  ac  si  clitoris  tantum  esset.  Quod  facile  rudioribus 
imposuit  hujusmodi  pueros  seu  masculos  esse,  aut  femellas,  aut 
hermaphroditos.  In  femeUis  quoque  multa  deficiunt,  aliquando 
enim  parum  aut  nullo  modo  iis  est  perforatus  sinus  pudoris, 
nee  cavitas  ulla  inest,  aut  oriflcium  solum  parum  est  apertum: 
quia  carunculae  aut  membranae  carnosae,  quae  istud  componunt, 
sunt  in  extremo  unitae,  aut  ab  invicem  parum  dissitae,  aut 
fossa  exterius  sita  non  apparct,  sed  ligamentum  cutaneum  et 
labra  pudendi  duo  inferne  continua  sunt,  aut  nymphae  cohaerent 
inter  se." 

Körperhabitus.  Unter  82  Fällen,  in  denen  die  offizielle 
Geburtserklärung  bekannt  ist  und  von  den  Eltern  anerkannt 
wurde,  sind  dem  Geschlecht  nach  37  Knaben  und  45  Mädchen 
gefunden  worden,  während  der  Habitus  sehr  verschiedene  Zahlen 
liefert.  Die  Fälle  mit  männlichem  Habitus  betragen  nämlich 
22,  die  mit  weiblichen  27.  Ausserdem  sind  darunter  11  Fälle, 
die  wir  zum  gemischten  Geschlecht  rechnen,  denn  an  demselben 
Individuum  finden  sich  an  verschiedenen  Teilen  der  Körper- 
fläche bald  männliche,  bald  weibliche  Ähnlichkeiten,  wohlver- 
standen, die  Ähnlichkeiten  finden  sich  an  gleichgültigen  Teilen, 
die  für  die  geschlechtliche  Spezies  nichts  Charakteristisches 
haben. 


—    261     — 

Wenn  man  den  weiblichen  sexuellen  Habitus  im  allge- 
meinen betrachtet,  so  muss  eine  wissenschaftliche  Bemerkung 
vorausgeschickt  werden,  dass  nämlich  der  Habitus  besondere 
Wichtigkeit  erlangt,  wenn  man  ihn  in  Beziehung  zu  den  Ge- 
schlechtsorganen desselben  Individuums  studiert,  denn  für  sich 
allein  hat  die  Sache  wenig  Wert,  da  sie  im  allgemeinen  von 
dem  Gresundheitszustande  abhängt  und  höchstens  den  Charakter 
einer  zarten  Konstitution  dokumentiert.  Um  jedoch  die  Wichtig- 
keit der  gesammelten  Beobachtungen,  die  wir  zusammenfassen 
werden,  zu  erhöhen,  müssen  wir  an  das  bekannte  Gesetz  er- 
innern, dass  Knaben  gewöhnlich  im  Verhältnis  von  106  :  100 
geboren  werden  i).  Dieser  Unterschied  gleicht  sich  später 
wieder  aus,  ja  im  Alter  bildet  das  weibliche  Geschlecht  die 
Mehrheit.  Dies  findet  seine  Erklärung  in  den  von  beiden  Ge- 
schlechtern ausgeübten  Professionen.  Wenn  man  sich  dieses 
Gesetzes  erinnert,  bemerkt  man  sogleich  die  Wichtigkeit  des 
Körperhabitus  bei  Personen  mit  urethro-sexualen  Missbildungen, 
denn  unter  82  als  Mädchen  getauften  Individuen  mit  solchen 
Affektionen  war  der  Habitus  bei  38  weiblich  und  bei  50  wurden 
Hoden  gefunden,  das  Hauptorgan  des  Geschlechts,  das  wir  das 
anatomische  Geschlecht  genannt  haben,  um  es  von  dem  im 
Civilstandsregister  angegebenen  zu  unterscheiden  (siehe  die 
Tabellen). 

Eine  andere  wissenschaftliche  Untersuchung  über  den  weib- 
lichen Habitus  haben  wir  ausgeführt,  indem  wir  ein  numerisches 
Verhältnis  in  der  „weiblicher  Pseudo-Hermaphrodismus"  ge- 
nannten Form  aufsuchten  (Note  3,  pag.  78  ff.),  also  wenn  die 
weiblichen  Organe  vollständig  sind,  die  äusseren  männlichen 
aber  mehr  oder  weniger  unvollständig.  In  diesem  Falle  haben 
wir  68  Beobachtungen  gefunden,  bei  denen  dieser  Zustand  vor- 
gekommen ist.  Indessen  haben  wir  alle  Fälle  von  Föten  und 
Neugeborenen  abgezogen,  weil  bei  ihnen  der  Habitus  noch  nicht 
deutlich  ausgesprochen  ist,  und  ferner  haben  wir  die  zweifel- 
haften und  hermaphroditischen  Fälle  weggelassen,  so  dass  nur 
16  mit  weiblichem  Habitus  übrig  geblieben  sind  (Beob.  81,  83, 
88,   100,.  107,   108,   113,   120,    123,  124,  131,  136,  137,  139, 


1)   C.    Taruffi,   Storia   della   teratologia.     Bologna,    1882.    T.    II 
p.  129. 


—    262     — 

140,  142).  Aus  diesem,  wenn  auch  beschränkten  Resultate, 
entnimmt  man,  dass  auch,  wenn  die  männlichen  Geschlechts- 
organe unvollkommen  sind,  der  weibliche  Habitus  doch  auf- 
treten kann,  wie  man  an  Eunuchen  sieht,  die  sehr  jung  ver- 
stümmelt worden  sind.  Wenn  man  also  meint,  dass  die  Er- 
scheinung nicht  von  einem  besonderen  Zustande  des  Embryos 
herrührt  (wie  man  glauben  kann),  muss  man  sich  an  die  Un- 
voUkommenheit  der  Geschlechtsorgane  im  allgemeinen  halten  i). 

Der  geschlechtliche  Habitus  mit  gemischten  Charakteren 
(weiblichen  oder  männlichen)  ist  eine  noch  nicht  studierte  Er- 
scheinung, so  dass  wir  nicht  wissen,  in  wieviel  Arten  er  auf- 
tritt, und  in  welchem  Verhältnis  man  ihn  bei  Männern  mit 
gesundem  Körper  und  bei  denen  mit  geschlechtlichen  Missbil- 
dungen antrifft.  Die  von  uns  angeführten  12  Fälle  bilden  eine 
Zahl  von  geringem  Wert,  denn  diese  Armut  rührt  daher,  dass 
die  Beobachter  selten  daran  gedacht  haben,  nicht  nur  den  ge- 
mischten Charakter,  sondern  auch  die  Art  seines  Auftretens, 
mit  den  nötigen  Ausnahmen,  zu  beschreiben.  Von  diesen  ist 
erwähnenswert  die  Beobachtung  von  Marchand  (Note  2,  Beob. 
64,  Geschlecht  zweifelhaft),  der  eine  Frau  von  29  Jahren  sah, 
mit  weiblichem  Habitus,  langem  Haar,  fehlendem  Bart,  gut 
entwickelten  Brüsten,  weiblicher  Haut.  Bei  derselben  waren 
Gesicht,  Larynx,  Stimme  und  Formen  der  Muskeln  männüch; 
ausserdem  hatte  sie  einen  grossen,  nicht  durchbohrten  Penis, 
zwei  Labia  majora  ohne  Hoden,  Scheide  und  Uterus  mit  zwei 
Drüsen,  die  er  nicht  bestimmen  konnte. 

Zuletzt  geben  wir  noch  die  kurze  Beobachtung  des  Dr. 
Lorenzutti2)  über  einen  Bauern  von  mehr  als  15  Jahren,  mit 


^)  Wir  bemerken,  dass  unter  den  84  von  uns  gesammelten  Fällen  sich 
9  Männer  von  mehr  oder  weniger  männlichem  Aussehen  befinden,  die  Hoden 
oft  in  dem  zweifächrigen ,  selten  in  dem  einfächrigen  Scrotum  besitzen. 
(Beob.  38,  .44,  46,  47,  54,  58,  59,  79,  82.)  Auch  finden  sich  drei  Fälle  mit 
Hoden  von  vreiblichem  Habitus ,  von  denen  einer  Brüste  hatte.  (Beoh.  43, 
45,  80.) 

2)  Dr.  A.  L  or  e  nzut  ti  (Triest),  Di  un  pseudo-ermafroditismo.  Triest, 
1844.  Mit  schönen  Lithogr.  Ein  15j ähriger  Knabe  vpurde  im  Civilhospital 
vregen  geistiger  Störung  aufgenommen  und  dann  wieder  nach  Hause  ge- 
schickt. Von  seiner  Geburt  an  war  sein  Geschlecht  fraglich  gewesen,  er 
war  für  ein  Mädchen  gehalten  worden ,  und  dann  trat  die  geistige  Störung 
ein,  nachdem  er  aus  einer  Höhe  herabgestürzt  war.    Bei  der  Untersuchung 


—     263     — 

urethro  -  sexualer  Missbildimg  und  gemischtem  Habitus,  d.  h. 
männlicb  nach  der  Statur,  der  Form  des  Skeletts  und  der 
Muskeln,  nach  der  Lage  der  Hoden  im  Inguinalkanal  und  dem 
durchbohrten  Penis,  dagegen  hatte  er  Gesicht  und  Kopf  eines 
Mädchens,  Brüste,  grosse  Schamlippen  und  eine  Scheiden- 
spalte. 

Alle  haben  bemerkt,  dass  beim  Manne  der  Larynx  vorragt 
und  die  Stimme  tief  und  etwas  rauh  ist,  mit  verknöchertem 
Knorpel,  so  dass  das  Volk  ihn  Adamsapfel  nennt;  er  bildet 
einen  der  Charaktere  des  männlichen  Geschlechts.  Neuerlich 
hat  Berthold  1)  gelehrt,  dass  man  diese  Beschaffenheit  des 
Larynx  verbergen  kann,  selbst  wenn  eine  Frau  Hoden  besitzt, 
aber  die  beginnende  Verknöcherung  der  Cartilago  thyroidea 
kann  mittelst  der  Röntgenstrahlen  entdeckt  werden,  und  damit 
kann  man,  wie  aus  folgender  Geschichte  hervorgeht,  die  urethro- 
sexuale  Missbildung  diagnostizieren. 

Eine  Frau  von  22  Jahren,  die  über  Halsschmerzen  und 
Kälte  klagte,  hatte  ausserordentlich  breite  und  lange  Stimm- 
bänder, wie  man  sie  bisweilen  bei  kräftigen  Männern  antrifft, 
während  die  Epiglottis  kindlich  war.  Die  Stimme  war  tief 
und  rauh,  der  Adamsapfel  wenig  vorragend,  aber  der  Verf.  sah 
mittelst  der  Röntgenstrahlen,  dass  die  Verknöcherung  des 
Knorpels  erfolgt  war,  wie  bei  einem  Manne.  Das  Gesicht  war 
vom  Bart  geschoren,  die  Brüste  fehlten.  Die  äusseren  Ge- 
schlechtsteile zeigten  einen  nach  unten  gekrümmten,  nicht 
durchbohrten  Penis.  Die  Urethra  mündete  unter  der  Wurzel 
des  Penis  in  einer  zolllaugen  Spalte,  mit  Rändern,  ähnlich  den 


fand  man  die  äusseren  Geschlechtsteile  zum  Teil  weiblich,  er  hatte  Labia 
majora  und  Scheidenspalt.  Das  Gesicht  war  hübsch,  ohne  Haare,  und  die 
Brüste  ebenfalls  weiblich.  Auf  der  anderen  Seite  waren  Gestalt,  Knochen- 
gerüst und  Muskulatur  von  männlicher  Beschaffenheit.  Daher  war  der 
Habitus  des  Körpers  nicht  gleichförmig.  —  Mehr  aus  den  schönen  Abbild- 
ungen, als  aus  der  zu  kurzen  Beschreibung  erkennt  man  einen  nicht  durch- 
bohrten Penis  mit  den  Anzeichen  eines  Präputiums  an  der  Grenze  der 
Glans,  das  Scrotum  in  zwei  grosse  Schamlippen  geteilt,  die  Urethra  an  der 
Spitze  geöffnet,  die  sich  mittelst  des  Frenulums  in  die  kleinen  Schamlippen 
fortsetzt.     Die  Hoden  waren  in  der  Leistengegend  verborgen. 

^)  E.  Berthold,  Ein  Fall  von  Hermaphrodismus  masculinus ,  dia- 
gnostiziert mit  dem  Laryngoskop.  Arch.  für  Laryngol.  1899,  Bd.  IX,  p.  1. 
—  Eev.  hebdom.  de  Laryngol.    Paris,  1899.    XX  Annee,  No.  25,  p.  740. 


—    264    — 

Schamlippen  einer  Vulva.  In  der  französischen  Ausgabe  ist 
weder  von  Hoden,  noch  von  Untersuchuog  der  Vulva  die  Rede, 
aber  bei  der  Untersuchung  einer  eigentümlichen  Flüssigkeit, 
die  aus  der  Urethra  floss,  fand  man  Spermatozoen.  Die  Frau 
erklärte,  sie  sei  (männlicher)  geschlechtlicher  Thätigkeit  fähig, 
während  welcher  jene  Flüssigkeit  ausströmte. 

G-ynäkomastie.  Um  die  Besprechung  des  weiblichen 
Habitus  über  die  der  urethro- sexualen  Missbildung  eigenen 
Charaktere  hinaus  zu  vervollständigen,  erinnern  wir  daran,  dass 
eine  der  Eigentümlichkeiten  des  Feminismus  eben  die  Gynäko- 
mastie  ist,  die,  wie  wir  anderwärts  gesehen  haben,  Wirkung 
von  mechanischen  Einflüssen  und  von  gewissen,  Mumps  ge- 
nannten, epidemischen  Infektionen  sein  kann.  Jetzt  fügen  wir 
hinzu,  dass  wir  sie  in  67  aus  der  Litteratur  zusammengetrage- 
nen Beobachtungen!)  in  Bezug  auf  die  Ursachen  bald  als  er- 
worben (mechanische  Einwirkung,  Mumps),  bald  als  angeboren 
gefunden  haben;  und  dass  wir  in  84  Fällen  von  urethro-sexu- 
eller  Missbildung  nur  14  mal  Gynäkomastie  angetroffen  haben 
(Beob.  23,  26,  36,  38,  43,  47,  49,  63,  65,  71,  72,  79,  80,  83), 
wozu  Hypertrophie  bald  der  Hoden,  bald  des  Penis  und  bald 
der  Urethra  hinzukam.  In  einem  Falle  verbanden  sich  zwei 
der  genannten  Komplikationen  und  in  einem  dritten  trat  die 
Gynäkomastie  vor  der  Pubertät  auf.  Es  verdient  Erwähnung, 
dass  kürzlich  Dr.  Cecca  einen  sehr  seltenen  Fall  publiziert 
hat,  in  dem  jedoch  weder  die  Urethra,  noch  die  äusseren  Ge- 
schlechtsteile davon  betroffen  waren,  sondern  wo  es  sich  um 
einen  Fall  von  bilateraler  Anorchidie  handelte  2),  bei  dem  männ- 
licher Habitus  und  stark  entwickelte  Brüste  zugleich  vorhanden 
waren.  Absolutes  Fehlen  der  Hoden  (ohne  die  seltenen  Fälle 
von  Microrchidie,  Hypoplasie  zu  rechnen)  in  Verbindung  mit 
der  Gegenwart  der  Brüste  ist  eine  Thatsache,  die  vielen  embryo- 
logischen Lehren  widerspricht,  dagegen  den  angeborenen 
Zustand  des  Hermaphrodismus  begünstigt,  sei  er  nun  offenbar, 
wie  es  das  gleichzeitige  Vorhandensein  der  Müll  ersehen  und 
Wo Iff sehen  Kanäle  beweist,  oder  sei  er  virtuell,  wie  man  aus 


1)  Vergl.  p.  96,  128,  Tabelle  II. 

^)  Dr.  E.  Cecca,   Note  anatomiche   su   di  un  anorchide.     Bull,    delle 
sc.  med.  di  Bologna.     Genn.  1902,  p.  29. 


—    265    — 

der  Gegenwart  anderer  Teile  mit  Charakteren  von  verschiede- 
nen Greschlechtern  schliessen  kann. 

Penis.  Unter  den  Missbildnngen,  welche  die  iirethro- 
sexuale  G-ruppe  bilden,  nimmt  auch  der  Zustand  des  Penis 
eine  wichtige  Stelle  ein,  nicht  sowohl  wegen  seiner  eigenen 
Missbildung,  als  wegen  seiner  Verbindung  mit  der  der  Urethra 
und  des  Scrotums,  und  vorzüglich  zur  Beantwortung  der 
schwierigen  Frage,  worin  im  praktischen  Falle  der  Unterschied 
zwischen  einem  hypoplasischeu  Penis  und  einer  hypertrophischen 
Clitoris  besteht.  Ehe  wir  uns  jedoch  mit  den  Verbindungen 
beschäftigen,  werden  wir  den  numerischen  Vergleich  der  Männer 
und  Weiber  aufstellen,  den  Civilstand,  und  zum  Vergleich  die 
Zahl  der  Fälle  anmerken,  in  denen  die  Hoden  vorhanden 
waren. 

Unter  den  84  Beobachtungen,  die  wir  der  Litteratur  ent- 
nommen haben,  finden  wir  53,  in  denen  das  Vorhandensein  des 
Penis  erwähnt  wird,  und  eine,  in  der  sein  Fehlen  bemerkt 
wird  (Note  2,  Beob.  14).  Dieses  Fehlen  hatten  wir  früher  ein 
anderes  Mal  beobachtet  i).  In  derselben  Abhandlung,  Note  3,  p.  86 
erwähnte  ich  acht  Fälle  von  Extrophia  vesicae  ohne  Geschlechts- 
teile. Besondere  Erwähnung  verdient  der  Fall  von  Martin, 
in  dem  die  Geschlechtsdrüsen  beider  Geschlechter  fehlten, 
während  die  Müll  er  sehen  Kanäle  vorhanden  waren  (Mem. 
citate,  T.  VII,  Note  3,  Beob.  36,  p.  743).  Unter  den  84 
sind  82  im  Civilstand  so  unterschieden:  37  männliche  und  45 
weibliche.  Wenn  wir  nun  die  Zahl  der  Fälle,  in  denen  Hoden 
gefunden  wurden,  vergleichen,  finden  wir  sehr  nahe  kommende 
Zahlen,  die  besondere  Beachtung  verdienen,  denn  man  ent- 
nimmt daraus  die  Ähnlichkeit  zwischen  der  Zahl  dieser  und 
den  53  weiblichen,  während  die  Entfernung  ziemlich  weit  und 
auffallend  ist,  wenn  wir  sie  mit  der  Zahl  der  dem  Civilstand 
entnommenen  vergleichen. 

Civilstand  Penis  Hoden 


männlich . 

No.  37  r 

Penis  ohne  Bemerkung   No.  15  (  scrotal  .    .    No.  41 
Penis  mit  Anomalien   .      „    25  i  inguinal     .      „      9 

weiblich  . 

„    45  j 

82  ^ 

Penis  nicht  durchbohrt     „    13  j  verborgen.      „      5 

53  l  fehlend      .      „      2 

57 

')  c. 

Taruffi 

,  Di  un  Agenosoma.     Memorie  etc.     1894.     Ser.  Y,    T. 

IV,  p.  73. 

—    266    — 

Die  am  Penis  gefundenen  Mängel  sind  verschiedenartig. 
Am  häufigsten  ist  seine  Kleinheit  und  Kürze  (Mikrophallus), 
aber  in  verschiedenem  Grade,  bis  zu  dem  Punkte,  dass  man 
Fälle  kennt,  in  denen  nur  die  Glans  vorhanden  war,  die  aus 
der  Teilung  des  Scrotums  hervorragte  (Beob.  33,  50).  Zu 
dieser  ziemlich  häufigen  Anomalie  des  Penis  gesellen  sich 
andere  Veränderungen,  die  auch  allein  vorkommen  können,  wie 
Kürze  oder  Fehlen  des  Präputiums  i),  Verlängerung  desselben 
nach  unten,  bis  zur  Vereinigung  mit  den  kleinen  Schamlippen 
der  Vulva,  so  dass  zwischen  den  Platten  der  Verlängerung  die 
Mündung  der  Urethra  lag  und  bisweilen  die  Krümmung  des 
Penis  (genannt  Penis  ad  angulo,  geknickter  Penis)  aufgenom- 
men wurde  2).  Endlich  ist  der  Penis  bisweilen  nicht  durch- 
bohrt, und  dann  kann  man  auch  eine  Affektion  der  Urethra 
annehmen  und  von  Atresie  der  Urethra  sprechen.  Der  schwerste 
Mangel  des  Penis  ist  dann  das  Fehlen  der  Urethra,  besonders 
wenn  er  in  dem  äusseren  und  unteren  Teile  vollständig  ist, 
oder  wenn  die  Urethra  an  Hypospadie  leidet,  wie  es  bei  einem 
echten  Hermaphroditen  gesehen  worden  ist  (Beob.  19). 

Clitoris  (s.  Note  4).  Es  ist  wunderbar,  dass  dieses  dem 
gewöhnlichen  Volke  unbekannte  Organ  auf  gewisse  Weiber  so 
viel  Einfluss  ausüben  kann,  die  wenigstens  für  Weiber  gehalten 
und  im  Civilstandsregister  als  solche  angegeben  werden.  Es 
ist  seit  lauge  bekannt,  dass  die  Clitoris  bisweilen  bedeutende 
Vergrösserung  (Hypertrophie)  erfährt,  so  dass  sie  eine  Länge 
von  4  —  7  cm  erreicht.  Diese  Behauptung  haben  wir  früher 
ausgesprochen  3)  und  in  einigen  Fällen  die  Gegenwart  einer 
auffallenden  Kapuze  hinzugefügt  (Virchow,  Beob.  37).  Dies 
war  schon  in  höherem  Grade  im  Jahre  1683  von  Diemer- 
broeck  beobachtet  worden"4),  der  bei  einer  Frau  eine  mit  Eichel, 


^)  Jac.  Facen  sah  einen  SOjährigen  Mann  mit  weiblichem  Habitus, 
mit  einem  auf  die  Glans  beschränkten  Penis,  mit  Meatus  urinarius,  ohne 
Präputium.  Die  Glans  war  sitzend,  zur  Verlängerung  unfähig.  Auch  zwei 
Labia  majora  waren  da,  welche  die  Hoden  enthielten. 

2)  Taruffi,  Memoria  etc.  Bologna,  T.  VII,  p.  747,  748,  752.  Beob. 
71,  72,  75,  123. 

3)  Taruffi,  Mem.  cit.  T.  VII,  N.  3,  p.  899. 

^)  De  Diemerbroeck,  Siehe  Mem.  cit.  Bologna,  1901,  Ser.  V,  T.  VII, 
p.  360,  Beob.  12,  Fall  IL  —  Vgl.  auch  p.  231,  Beob.  12,  Fall  2. 


—     267     — 

Frenuliim,  Präputium  versehene  Clitoris  sah,  die  der  Grösse 
nach  einem  männlichen  Penis  ähnlich  war.  Später  erzählte 
Sömmeriug  einen  Fall,  bei  dem  das  Präputium  zwei  kleine 
Lippen  an  das  Vestibulum  der  Vulva  schickte  und  der  Penis 
der  Clitoris  ähnlich  war. 

Unter  unseren  84  Beobachtungen  haben  wir  16 mal  Hyper- 
trophie der  Clitoris  erwähnt,  von  denen  einige  jedoch  keine 
andere  Besonderheit  zeigten,  als  dass  sie  Kindern  angehörten 
(Beob.  35,  81).  Dieser  Umstand  führt  zu  der  noch  nicht  aus- 
gesprochenen Hypothese,  dass  die  Hypertrophie  angeboren  ist, 
während  andere  Beobachtungen  Verschiebung  der  Urethra  an- 
geben, aber  leider  oft  nicht  von  einer  ausreichenden  anatomi- 
schen Beschreibung  begleitet  sind.  Wenn  die  Urethra  aus 
ihrem  Lauf  verdrängt  wird,  mündet  sie  bald  in  die  Vagina 
oder  in  deren  Vestibulum,  was  sehr  häufig  vorkommt  (Beob.  9, 
24,  25,  28,  37,  50),  bald  an  der  Wurzel  der  Clitoris,  die  Hypo- 
spadie  der  Pars  membranacea  oder  bulbosa  des  Mannes  nach- 
ahmend (Beob.  22,  43,  65,  67,  71).  Diese  Erscheinung  kann 
in  Beziehung  auf  den  Normalzustand  unerklärlich  scheinen, 
auch  wenn  sie  die  Form  einer  Rinne  hat;  dagegen  giebt  es 
aber  eine  sehr  wichtige  Analogie  in  einer  ähnlichen  Einrichtung, 
die  sich  normalerweise  an  der  Clitoris  gewisser  Tiere  findet, 
beim  Strauss,  Kasuar  u.  s.  w.^)  den  Lemuren,  Insectivoren 
u.  s.  W.2).  Endlich  kommt  eine  gut  entwickelte  Clitoris  bei 
einem  Fötus  vor,  dem  die  G-eschlechtsdrüsen  beider  Geschlechter 
fehlen  (Beob.  81). 

Wenn  einige  von  den  Charakteren  der  urethro  -  sexuellen 
Missbildungen  noch  der  Aufklärung  bedürfen,  so  verdient  dies 
besonders  die  von  Ruysch  aufgefundene  Erscheinung,  die  im 
Hervorstehen  der  Clitoris  aus  der  Öffnung  der  Vulva  besteht. 
Man  beobachtet  dies  an  unreifen  .Föten  vom  vierten  Monat  an, 
und  dann,  da  auch  die  Lippen  der  Vulva  wachsen,  wird  nach 
und  nach  diese  Hervorragung  verdeckt  (Bull,  delle  sc.  med.  di 
Bologna,   Gennaio  1892,  p.  56).    Dieser  Charakter  wurde  nach- 


1)  C.  F.  Burdach,  Physiologie.     Bd.  1.     2.  A.     1835—40. 

2)  E.  Owen,   On  the  anatomy  of  Tertebrates.     (Coinparative  anatomy 
and  physiology  of  vertebrates.   Vol.  I,  II,  III),  London,  1866—1868. 


—     268    — 

her  von  Ferreini),  von  Walther^),  von  Tiedemann^)  und 
von  M ecke  14)  beschrieben;  der  letztere  verbesserte  die  Be- 
schreibung und  fügte  die  Bemerkung  hinzu,  bei  oberflächlicher 
Untersuchung  des  Kindes  könne  man  sich  über  sein  Geschlecht 
täuschen,  um  so  mehr,  als  das  Scrotum  noch  sehr  klein,  die 
Hoden  im  Abdomen  liegen  und  die  Clitoris  immer  nach  vorn 
und  unten  gewendet  ist,  niemals  nach  dem  Nabel  zu  aufge- 
richtet. Diese  Beobachtung  wird  jetzt  von  den  Schriftstellern 
über  beschreibende  Anatomie  vernachlässigt  und  nur  von  einigen 
Geburtshelfern  und  Embryologen  angeführt,  unter  denen  Tour - 
neux  erwähnt  zu  werden  verdient s). 

Wir  halten  diese  Übergehung  nicht  für  absichtlich,  denn 
die  Beobachtung  war  von  drei  berühmten  Anatomen  gemacht 
worden,  wie  Ferrein,  Ruysch  und  Meckel,  darum  befragten 
wir  den  tüchtigen  Pädiater  Giov.  Berti  und  die  gebildete 
Hebamme  Viani  über  die  Wirklichkeit  des  Hervorstehens  der 
Clitoris  aus  der  Vulva  während  der  intra-uterinen  Periode,  und 
beide  antworteten  bejahend;  die  Viani  erzählte  mir  sogar,  sie 
habe  einer  Geburt  beigewohnt,  wo  die  Clitoris  des  Kindes  ent- 
schieden hypertrophisch  war.  Dann  bedachten  wir,  dass  die 
modernen  Anatomen  oft  die  alten  Beobachtungen  vernach- 
lässigen, und  suchten  weitere  Beispiele  zur  Stütze  der  obigen 
Untersuchung.  So  fanden  wir  sechs  der  angeborenen  Hyper- 
trophie günstige  Beispiele,  was  wahrscheinlich  mit  der  von 
Ruysch   angegebenen   embryonalen  Einteilung  übereinstimmt. 

Die  erste  Beobachtung  rührt  von  Mason  her  (Beob. 
25,  p.  234),  der  mit  dem  Ecraseur  die  4  Zoll  lange 
Clitoris  eines  fünfjährigen  Kindes  amputierte.  Die  zweite  Be- 
obachtung wurde  von  Blanche  an  einem  nach  15  Tagen  ge- 
storbenen Mädchen  gemacht,   bei   dem   die   Clitoris   gross  und 


1)  Ferrein,  Histoire  de  l'Ac.  des  sc.  1770,  p.  339. 

''ä)  Ph.  F.  Walther,  Physiologie  des  Menschen  mit  durchgängig-cr 
Rücksicht  auf  die  vergl.  Physiol.  der  Tiere,  Bd.  II,  p.  328,  Landshut, 
1806-1808. 

3)  F.  Tiedemann,  Anatomie  der  kopflosen  Missgeburten,  1813. 

^)  J.   F.   Meckel,    Handb.  d.  topogr.  Anatomie. 

5)  F.  Tourneus,  Sur  le  developpement  des  organes  genito-uritiai- 
res  etc.  Lille,  1892. 


—    269    — 

mit  einer   Art  von  unterer  Hypospadie    versehen    war    (Beob. 
100,   p.   80).     Der  dritte  Fall   wurde   von   Graaf   bei  einem 
Mädchen  beobachtet,   das   als  Knabe  getauft  worden  war  und 
nach  einigen  Tagen  starb;   seine  Clitoris  täuschte  einen  Penis 
vor  (Beob.  1,  Note  4  dieser  Mem.).   Seltsamer  ist  der  Fall  eines 
von   Katzki   beschriebenen   acephalen  Fötus,    der  Vulva   und 
Penis   und   innerlich   einen   zweihörnigen  Uterus   besass  (ibid. 
Beob.  2).    Die  fünfte  Beobachtung  hat  Golinelli  aus  Bologna 
an  einer  Neugeborenen  gemacht,  deren  Clitoris  enorm  entwickelt 
war  und  in  ihrem  unteren  Teile  am  Osculum  vaginale  anhaftete 
(ibid.  Beob.  8).    Endlich  beschrieb  Saviotti  ein  kurz  nach  der 
Geburt   gestorbenes   Mädchen,   dessen  Clitoris   3  cm  lang  war, 
ohne  Urethra,   mit  Präputium,   mit   der   Mündung   der  Urethra 
an  der  Wurzel,   ohne  Hoden,  aber  mit  Uterus   (ibid.  Beob.  9). 
Die   embryonale  Ähnlichkeit  zwischen   Clitoris   und  Penis 
ist  um  so  grösser,  je  unvollkommener  beide  sind  und  verleitet 
daher  oft  zu  diagnostischen  Irrtümern.    Diese  Irrtümer  sind  noch 
heute  unvermeidlich,   da  das  Ungenügende  der  alten  Methode, 
auf  das   männliche   Geschlecht  aus   den  äusseren  Charakteren 
des  Körpers  zu  schliessen   (mögen  Hoden  vorhanden  sein  oder 
nicht),  offenkundig  ist,  daher  man  die  Fälle  von  urethro-sexueller 
Missbildung  höchstens  „falsche  Hermaphroditen"  nennen  kann, 
wie  Herrmann  vorschlägt i).     Dieser  Autor  stützt  sich  einer- 
seits  auf  embryologische   Studien,    andererseits  nimmt   er  als 
Typus  die  vollständigste  Missbilduug  unserer  Gruppe.     Diesen 
Typus  verlegte  er  in  die  Verlängerung  der  Genitalfurche  längs 
des  unteren  Randes  der  Clitoris,   die  sich  selbst  ungewöhnlich 
verlängert,    so   dass   sie   einem  Penis   ähnelt.     Dann  schliesst 
sich  die  Rinne  auf  dieselbe  Weise,   wie  die  Urethra,   und  die 
Genitalfalten  löten  sich  in   der  Mittellinie  zusammen,   so  dass 
sie  zwei  grosse  Lippen  mit  dem  äusseren  Aussehen  der  Vulva 
bilden.   Später,  in  verschiedener  Zeit,  erfolgt  das  Hinabsteigen 
der  Hoden,   die  bald  im  Leistenkanale  liegen  bleiben,   bald  in 
das   zweigeteilte   Scrotum   gelangen.     Diese   beiden   Umstände 
begleiten  oft  den  weiblichen  Habitus  des  Körpers  und  verleiten 
leicht  dazu,  Knaben  für  Mädchen  zu  halten  (s.  p.  260),  während 


^)  G.  Herrmann,  Hermaphrodisme.    Dict.  encycl.  Paris,  1888,  T.  III, 
p.  647. 


-     270     — 

sie  klinisch  als  zweifelhaften  Geschlechts  betrachtet  werden, 
oder  als  Pseudo-Hermaphroditen,  wenn  der  Penis  und  der  weib- 
liche Habitus  deutlich  sind. 

Wenn  man  solche  Kinder  anatomisch  betrachtet,  je  nach 
dem  Zustande  der  Geschlechtsdrüsen,  wird  man  sie  entweder 
für  männlich,  oder  weiblich,  oder  für  Agenosomen,  die  auch 
neutral  genannt  werden,  betrachten  (das  Genus  epicoenum 
Quintilians)!). 

Scrotum.  Zuletzt  bleibt  noch  eine  Missbildung  übrig,  die 
unmittelbar  mit  den  oben  beschriebenen  verbunden  ist,  d.  h,  eine 
Veränderung  des  Scrotums,  die  das  Verdienst  hat,  oft  gleich- 
förmig zu  sein.  So  war  dasselbe  unter  47  Fällen  44 mal  zwei- 
teilig, aber  in  verschiedenem  Grade,  also  bald  tief,  dass  es 
zwei  Labia  majora  vortäuschte,  die  gewöhnlich  die  Hoden  ent- 
hielten, bald  oberflächlich,  so  dass  nur  zwei  leichte  Inguinal- 
Anschwellungen,  oder  zwei  Hautfalten  sichtbar  waren,  die  keine 
Hoden  enthielten,  so  dass  kein  Scrotum  erscheint  (Beob.  13, 
35,  82).  Die  Spaltung  des  Scrotums  kann  nach  unten  unvoll- 
kommen sein,  so  dass  es  die  hypospadische  Urethra  unbedeckt 
lässt,  oder  nach  hinten  aus  demselben  Grunde.  Der  wichtigste 
Unterschied  unter  den  aufgezählten  Fällen  ist  die  Zeit  des 
Herabsteigens  der  Hoden,  das  oft  spät  eintritt.  Der  erste,  der, 
unseres  Wissens,  diese  Erscheinung  beobachtete,  war  A.  Hall  er 
(Beob.  6),  der  ein  Mädchen  sah,  bei  dem  die  Hoden  im  sechsten 
Jahre  in  das  Scrotum  herabstiegen.  Derselbe  Autor  (Beob.  7) 
sah  ein  gespaltenes  Scrotum  ohne  Hoden,  und  in  der  Spalte 
mündete  die  Urethra.  Was  die  Teratogenese  betrifft,  so  hat 
keiner  der  Beobachter  sich  mit  der  Feststellung  beschäftigt,  ob 
die  Spaltung  des  Scrotums  gleichzeitig  mit  der  Hypospadie  ein- 
tritt, oder  ihr  folgt. 

Weibliche  Organe.  Da  wir  die  hauptsächlichen  und 
begleitenden  Charaktere  unserer  urethro-sexualen  Gruppe  schon 
besprochen  haben,  gehen  wir  zu  den  sekundären,  mehr  oder 
weniger  häufigen  über,  die  sich  bisweilen  mit  den  ersteren  ver- 
binden,  aber  keine  eigene  teratologische  Wichtigkeit  besitzen. 


^)  Quintilian  führte  diesen  Ausdruck  nicht  in  Bezug  auf  das  mensch- 
liche Geschlecht  ein,  sondern  da  er  ein  Rhetor  war,  bezeichnete  er  mit  dem 
griechischen  Ausdrucke  gewisse  Worte,  die  sowohl  für  das  männliche,  als 
für  das  weibliche  Geschlecht  dienen,  z.  B.  Ente,  Hase  u.  s.  w. 


—    271    — 

Andere  Male  komiDt  es  vor,  dass  neue  Charaktere  von  grosser 
Wichtigkeit  hinzukommen,  die  man  nicht  als  sekundär  und  als 
teratologisch  uninteressant  betrachten  darf,  weil  sie  besondere 
Charaktere  darbieten,  die  sich  anatomisch  mit  denen  unserer 
Gruppe  verbinden,  dagegen  für  das  andere  Geschlecht  von 
grosser  teratologi scher  Wichtigkeit  sind.  Wir  meinen  die 
inneren  weiblichen  Organe,  die  bisweilen  durch  die  chirurgische 
Untersuchung,  oder  bei  der  Sektion  entdeckt  wurden  und  die 
nicht  nur  die  einfache  urethro  -  sexuale  Gruppe  kennzeichnen, 
sondern  echten  männlichen  Pseudo  -  Hermaphrodismus,  nämlich 
durch  Teile  der  Müllerschen  Gänge.  So  beweisen  die  hierauf 
bezüglichen  Beobachtungen,  dass  unsere  Gruppe  sich  über  die 
voraus  bestimmten  Grenzen  hinaus  erstreckt  und  in  das  Gebiet 
eines  anderen  Typus  eindringt,  mit  dem  wir  uns  schon  be- 
schäftigt haben  1). 

Die  Beispiele,  in  denen  Fragmente  der  Müllerschen  Ka- 
näle in  den  84  von  uns  gesammelten  Fällen  von  urethro-sexu- 
aler  Missbildung  hinzukamen,  sind  18,  mit  Übergehung  der- 
jenigen, in  denen  die  Vulva  vollständig  und  auch  tief  war.  Die 
Fälle  werden  so  unterschieden :  in  11  war  nur  eine  mehr  oder 
weniger  kurze  Scheide  vorhanden  (Beob.  22,  31,  50,  53,  56, 
58,  61,  69,  73,  74,  75),  die  jedoch  bei  fünf  die  Länge  von  6  cm 
erreichte  (Beob.  53,  58,  61,  74,  75).  In  anderen  sechs  Fällen 
wurde  ausser  der  Scheide  auch  der  Uterus  gefunden,  aber  jeder 
derselben  zeigte  etwas  besonderes.  In  Beobachtung  19  kamen 
zum  Uterus  noch  die  Ovarien  hinzu.  In  No.  24  war  der  Uterus 
atrophisch.  In  Beob.  28  war  der  Uterus  retrovertiert.  In  Beob. 
60  mündete  die  Scheide  in  die  Urethra.  In  Beob.  81  hatte  der 
Uterus  die  männliche  Form,  und  in  Beob.  83  fand  man  ausser 
der  Scheide  nur  das  Collum  uteri. 

Wir  bemerken,  dass  dieselben, Anomalien  der  Müllerschen 
Kanäle  auch  bei  der  „männlicher  Pseudo-Hermaphrodismus" 
genannten  Gruppe  angetroffen  werden,  mit  dem  Unterschiede, 
dass  wir  die  bei  Beob.  60  einmal  angetroffene  Abweichung  sich 
fünfmal   wiederholen    sehen.      So    haben    Manec,    Blanche, 


^)  Es  ist  eine  von  allen  Autoren  über  Nosologie  anerkannte  Thatsache, 
dass  jeder  Krankheitstypus  über  die  künstlich  gezeichneten,  abgerundeten 
Grenzen  hinausgreift. 


—     272     — 

Guttmann,  Giinckel  und  Marchand  das  Ende  der  Vagina 
an  einer  Stelle  der  Urethra  münden  sehen,  die  beim  Manne  der 
Urethra  membranacea  entspricht  i). 

Erwähnung  verdienen  auch  die  Fälle  yon  sogenanntem 
Uterus  masculinus  (s.  Nuhn,  Beob.  20,  Fo erster,  Beob.  24, 
Arnold,  Beob.  28),  und  zuerst  hatte  Leuckart  (Beob.  18) 
ein  Kind  gesehen  mit  Hoden  und  einem  in  eine  Blase  ver- 
wandelten Uterus,  was  neuerlich,  von  Nussbaum  (Beob.  41) 
bestätigt  wurde.  Noch  seltsamer  ist  der  Fall  vonRemy  (Beob.40), 
bei  dem  zugleich  Eeste  der  Wolffschen  und  der  MüUerschen 
Gänge  vorhanden  waren ;  und  ein  sehr  seltener  Fall  ist  endlich 
der  von  Gene  (Beob.  42),  denn  Licetus^)  hat  zwar  ein  Mäd- 
chen mit  zwei  Vulven  abgebildet,  aber  Gene  hat  einen  Mann 
beschrieben,  der  rechts  einen  kurzen  Penis  und  ein  Scrotum 
mit  einem  einzigen  Hoden,  aber  links  eine  Schamlippe  mit  der 
Scheidenöffnung  hatte. 

Unregelmässige  Menstruation.  Nachdem  wir  die  ge- 
wöhnlichsten äusseren  Charaktere  des  urethro- sexualen  Typus 
aufgestellt  und  Beispiele  angeführt  haben,  bei  denen  zu  den 
männlichen  Charakteren  einige  weibliche  Organe  hinzukamen, 
so  dass  sie  an  der  Gruppe  des  männlichen  Pseudo-Hermaphro- 
dismus  Teil  haben,  gehen  wir  zu  gewissen  funktionellen,  viel 
weniger  häufigen  Störungen  über,  so  dass  man  sie  als  sekundär 
betrachten  kann.  Zu  diesen  rechnen  wir  die  unregelmässige 
Menstruation  und  die  Amenorrhoe. 

Das  Auftreten  der  Blutung  bei  Individuen  mit  urethro- 
sexualen  Affektionen,  die  untereinander  sehr  verschieden  sind, 
ist  eine  dunkle  Erscheinung,  zu  deren  Erklärung  man  nur  die 
Entstehung  eines  collateralen  Kreislaufs  annehmen  kann,  ohne 
zugleich  die  näheren  Verhältnisse  dieses  Kreislaufs  und  der 
vom  Blute  eingeschlagenen  Bahn  zu  kennen,  so  dass  nichts 
weiter  übrig  bleibt,  als  sich  an  die  Thatsachen  zu  halten.  Vor 
allem  teilen  wir  mit,  dass  wir  ihrer  24  gesammelt  haben,  die 
sich  in  zwei  Gruppen  teilen  lassen.  Zu  der  ersten  gehören 
10  Fälle,   in   denen  die  Menstruation  nach  der  Zeit  ihrer  Er- 


^)  Vgl.  p.  78.    Pseudo-Hermaphrodismus  femininus,  Note  B.    Beob.  86, 
100,  113,  123,  131. 

-)  F.  Licetns,  De  monstris  etc.  Liber  II,  p.  79, 


-     273     — 

scheinung,  nach  ihrer  Dauer  und  nach  den  begleitenden  Um- 
ständen unregelmässig  war;  zu  der  zweiten  14  Fälle,  in  denen 
die  Menstruation  nicht  oder  sehr  spät  eintrat,  oder  aufhörte. 

Wir  haben  die  Geschichte  dieser  Beobachtungen  in  den 
beiden  folgenden  Tabellen  zusammengestellt,  nach  denen  man 
einen  Vergleich  zwischen  den  Störungen  der  Menstruation  und 
dem  sexuellen  Zustande  anstellen  kann.  Wenn  man  diese  beiden 
Dinge  sowohl  mit  der  vom  Civilstande  angegebenen  persön- 
lichen Eigenschaft,  als  mit  der  Beschaffenheit  des  anatomischen 
Geschlechts  vergleicht,  kann  man  aus  den  beiden  Tabellen  so- 
gleich entnehmen,  dass  die  Neugeborenen  für  weiblich  erklärt 
worden  sind,  während  sie  nach  dem  anatomischen  Geschlecht 
allgemein  für  männlich  erkannt  wurden,  indem  man  die  Hoden 
gesehen,  oder  besser,  ihre  Gegenwart  erschlossen  hatte.  Dies 
stimmt  mit  dem  pag.  265  Gesagten  überein. 

(Siehe  TabeUen  auf  Seite  274  und  275.) 

Unter  den  24  Fällen  sind  zwei,  die  eine  Ausnahme  von 
dem  Angegebenen  machen,  sie  betreffen  nämlich  männliche 
Individuen,  die  für  solche  bei  ihrer  Geburt  gehalten  und  in 
ihrer  Jugend  bestätigt  worden  sind.  Der  erste  war  ein  Afri- 
kaner (Beob.  36),  der  drei  Jahre  lang  regelmässig  durch  den 
Penis  menstruiert  war.  Er  hatte  Brüste,  war  den  Weibern 
zugeneigt  und  Labia  majora  ohne  Hoden.  Über  das  Vorhanden- 
sein des  Uterus  wird  nichts  angegeben,  so  dass  man  nicht  ein- 
mal eine  vicarierende  Hämorrhagie  wegen  Hypoplasie  desselben 
vermuten  kann.  Der  zweite  Fall  betrifft  einen  verwaisten 
Gärtner  von  24  Jahren,  ohne  Menstruation,  mit  Vulva  und 
Clitoris  und  ziemlich  lebhaftem  Geschlechtstrieb,  ohne  Bevor- 
zugung eines  Geschlechts.  Er  übte  die  Vorsicht,  den  Arzt  zu 
befragen,  ehe  er  sich  verheiratete.  Dieser  blieb  über  die  Natur 
des  Geschlechts  in  Zweifel  (Beob.  71). 

Hernien.  Eine  noch  weniger  häufige  Komplikation,  als 
die  vorige,  ist  das  Auftreten  eines  oder  zweier  Leistenbrüche, 
denn  wir  haben  nur  10  Fälle  davon  gefunden,  die  jedoch 
numerisch  merkwürdig  sind  in  Bezug  auf  die  94  Fälle  der 
urethro-sexualen  Gruppe  (Beob.  17,  26,  27,  28,  33,  38,  47,  61, 
78,  79).  Diese  Fälle  zeigen  nichts  ungewöhnliches  in  Bezug 
auf  die  Art  der  Hernien,   noch   auf   die  geschlechtliche  Miss- 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  18 


—    274    — 
Unregelmässige  Menstruation. 


Beobach- 

Bemerk- 

Menstruation 

Hoden 

Civilstand 

tungen 

ungen 

Beob.  3 

Anfang 
mit  15  Jahren 

Menstruation 

inguinal 

Knabe 
von  14  Jahren 

Beob.  7 

unregelmässig 
Zeichen,  der 

Geschlecht 

ledig  lebend 

Beob.  18 

Menstruation 
nach  der  Pubertät 

Menstruation 

ungewiss 
innere  weibliche 

ledige  Frau 

Beob.  22 

ledige  Frau 

mit  8  Jahren 

Organe 

Menstruation 

Bäuerin  nach 

Beob.  24 

nach  18  Jahren 

Monorchide 

dem  18.  Jahre 

Beob.  31 

regelmässige 

Monorchide 

Mädchen  mit 

künstliche 

Menstruation 

Atresia  vaginae 

Vagina 

Menstruation 

Afrikaner 

Beob.  36 

durch  den  Penis 

Kryptorchide 

von  18  Jahren 

verdächtig, 

Beob.  60 

Menstruation 
Menstruation 

Kryptorchide  mit 
Hypospadie 

Monorchide  mit 

weiblich 

ein  Manu 
zu  sein 

Beob.  63 

40  jährige  Witwe 

unregelmässig 

Hypospadie 

Menstruation 

Kryptorchide, 

Beob.  84 

für  kurze  Zeit 

Geschlecht 
zweifelhaft 

Frau  mit  Scheide 

—    275    — 
Amenorrlioea. 


Beobacli- 
tunffen 


Menstruation 


Hoden 


Civilstand 


Bemerk- 
ungen 


Beob.  25 

Beob.  37 
Beob.  47 
Bcob.  48 
Beob.  49 

Beob.  50 

Beob.  55 
Beob.  61 
Beob.  68 
Beob.  69 
Beob.  70 
Beob.  71 
Beob.  76 
Beob.  78 


mit  18  Jahren 
amenorrboisch 

Erau  V.  77  Jahren 

Yon  jeher 

amenorrhoisch 

mit  36  Jahren 
ohne  Menstr. 

mit  26  Jahren 
ohne  Menstr. 

mit  40  Jahren 
Verlixst  der 
Menstruation 

Menstruation 

unterdrückt  Tor 

dem  30.  Jahre 

amenorrhoische 
Frau 

ohne  Menstr. 

amenorrhoische 
Frau 

amenorrhoische 
Frau 

amenorrhoische 
Frau 

ohne  Menstr. 

amenorrlioische 
Frau 

amenorrhoische 
Frau 


Hoden  ungewiss 

in  den  grossen 

Schamlippen 

hypertrophische 
Clitoris 

bohnengrosse 
Hoden 

Hoden  in  den 
grossen  Scham- 
lippen 

scrotaler 
Monorchide 


zwei  Hoden  im 
Scrotum 

Hoden  i.  Scrotum 

Oschio-schisis 
mit  Hoden 

Oschio-schisis 
mit  Hoden 

zwei  Hoden 

Oschio-schisis 
mit  Hoden 

Vulva  u.  Clitoris 


Monorchide 
mit  Hypospadie 


Frau  V.  18  Jahren 

Frau 

Mann  mit  weib- 
lichem Habitus 

maniakaKsch 
Frau  V.  40  Jahren 

30 jähr.  Bäuerin 

verheiratete 
40jähr.  Bäuerin 

46  jährige  Köchin 
27  jährige  Frau 

26  jähr.  Mädchen 

27  jähr.  Mädchen 

Gärtner  (Waise) 
24  Jahre 

21  jähr.  Mädchen 

Dienerin, 
Frau  V.  23  Jahren 


18^ 


—    276     - 

bilduDg.  Wir  finden  jedoch  den  Fall  von  Wrisberg  (Beob.  17) 
bemerkenswert,  denn  es  handelte  sich  um  ein  Kind  (vor  der 
Pubertät),  dessen  Penis  mit  einer  Clitoris  verwechselt  werden 
konnte,  dessen  geteiltes  Scrotum  Hoden  enthielt,  nur  dass  sich 
im  rechten  Sack  eine  bedeutende  Hernie  befand.  Was  die 
Proclivität  der  Hernien  in  derselben  Region  und  in  derselben 
urethro- sexualen  Missbildung  betrifft,  sind  wir  geneigt,  die 
Theorie  von  Is.  G.  St.  Hilaire  anzunehmen,  über  die  wir  bei 
Gelegenheit  der  Veränderung  des  Geschlechts  berichtet  haben. 

Geschlechtliche  Neigungen.  Ein  weder  einfacher,  noch 
bisher  vorbereiteter  Gegenstand  ist  die  Behandlung  der  sexu- 
ellen Neigungen,  welche  die  psychopathischen  Anomalien  des 
Mannes  begleiten.  Allerdings  sind  in  letzter  Zeit  zahlreiche 
Arbeiten  über  geschlechtliche  Verirrungen  erschienen,  aber  sie 
beschränkten  sich  speziell  auf  gewisse  Formen,  nämlich  auf 
konträre  Geschlechtsempfindung  und  Päderastie.  Aber  was  die 
anderen  Formen  betrifft,  sind  die  Taxonomie  und  das  Studium 
der  Umstände,  welche  dieselben  begleiten  und  ihnen  vorher- 
gehen, kaum  begonnen.  Wenn  wir  daher  von  den  geschlecht- 
lichen Neigungen  mit  urethro -sexualen  Missbildungen  behafteter 
Individuen  sprechen  wollen  ^  können  wir  nur  eine  rohe  Zu- 
sammenstellung und  eine  Übersicht  der  Thatsachen  geben. 

Eine  verhältnismässig,  aber  nicht  in  dem  von  Debierre^) 
angenommenen  Grade,  häufige  und  seltsame  Erscheinung  ist 
(mit  Ausschluss  der  Knaben  vor  der  Pubertät),  die  sexuelle 
Apathie,  auch  sexuelle  Paresis  genannt.  Ein  Beispiel  hat  im 
Jahre  1819  Tarozzi  angeführt,  von  einer  18jährigen,  men- 
struierten Bäuerin,  die  Neigung  zu  keinem  Geschlecht  fühlte. 
(Beob.  24.)  Dies  schliesst  die  Paarung  nicht  aus,  wie  bei 
Katharina  Hohmann  (Beob.  49),  die  mit  37  Jahren  starb,  mit  der 
Diagnose  von  zweifelhaftem  Geschlecht.  Dasselbe  erzählt  Celle 
von  Anna  von  Grenoble,  die  ohne  geschlechtlichen  Instinkt  war, 
und  zur  Auspeitschung  verurteilt  wurde,  weil  sie  das  Sakrament 
der  Ehe  entweiht  habe  (Beob.  9).  Hier  erwähnen  wir  nur  die 
Beobachtungen  von  Sarzana  (Beob.  50)  und  Gerin  (Beob. 
69),  die  Frauen  mit  geschlechtlicher  Gleichgültigkeit  (Pa- 
resis)    sahen,     und    gehen    zu     dem    seltsamen    Falle    von 


0  Ch.  Debierre,  L'Hermaphrodisme.    Encycl.  1891.    p.  183. 


—    277     — 

Piazzesi  und  Badaloni  (Beob.  66)  über,  eine  gewisse  Maurina 
betreffend,  die  nach  zehnjähriger  Ehe  sich  über  Schwierigkeiten 
beim  Coitus  beklagte  und  gesetzliche  Scheidung  verlangte. 
Nachher  verliebte  sie  sich  in  ihre  Schwägerin  und  erhielt  die 
gewünschte  Bewilligung. 

Die  sexuelle  Apathie  ist  nicht  immer  eine  gleichförmige, 
klinisch  der  urethro-sexualen  Gruppe  zukommende  Erscheinung, 
sondern  kann  von  sehr  verschiedenen  physischen  Umständen 
begleitet  sein,  die  man  besser  verstehen  wird,  wenn  wir  die 
wichtigsten  Beobachtungen  angeben.  Besondere  Beachtung 
verdient  die  Beschreibung  der  Forni  durch  Dr.  Tonni  (Beob, 
18),  die  mit  23  Jahren  Neigung  zu  Männern  hatte;  dabei  zwei 
Labia  majora  besass,  so  dass  sie  sich  für  ein  Weib  hielt,  obgleich 
sie  männlichen  Habitus,  einen  kurzen  Penis  mit  Hypospadie  und 
Hoden  in  den  Schamlippen  hatte;  dies  beseitigte  jeden  Zweifel 
über  ihr  Geschlecht.  Ebenso  wichtig  ist  die  Beobachtung  (76)  von 
Paul  Dexoust,  der  ein  21  jähriges  Mädchen  mit  männlichem 
Habitus  beschrieb,  das  bei  Berührung  mit  Frauen  in  wollüstige 
Krämpfe  verfiel  und  eine  weissliche  Flüssigkeit  von  sich  gab. 
Die  chirurgische  Untersuchung  schloss  die  Gegenwart  von 
Uterus  und  Hoden  aus,  die  mikroskopische  die  von  Sperma- 
tozoen,  so  dass  ein  zweifelhafter  Fall  von  konträrer  Geschlechts- 
empfindung vorliegt.  Sehr  bekannt  ist  auch  die  Geschichte 
von  Marie  Madeleine  Lefort  (Beob.  23),  die  mit  16  Jahren 
weiblichen  Habitus  und  Brüste,  und  mit  20  Jahren  einen  Bart 
hatte,  wie  ein  Erwachsener.  Sie  war  im  Alter  von  8  Jahren 
menstruiert,  besass  eine  Clitoris,  aus  welcher  Urin  abfloss,  und 
hatte  Zuneigung  zum  männlichen  Geschlecht,  denn  sie  glaubte, 
zum  weiblichen  zu  gehören.  Die  im  reifen  Alter  ausgeführte 
Sektion  fand  vollständige  weibliche  Geschlechtsteile,  nur  mit 
Verschluss  des  Scheideneingangs. 

Wenn  wir  nun  die  Fälle  mit  Fortbestehen  der  Müller- 
schen  und  Wolffschen  Kanäle  untersuchen  (s.  Pseudo-Herm- 
aphrodismus,  p.  63  ff.),  finden  wir,  im  Vergleich  mit  den  vorigen, 
komplizierte  Beobachtungen,  aber  mit  denselben  Neigungen. 
So  hatte  die  von  Henrichsen  (Beob.  47,  p.  71)  beschriebene 
27  jährige  Bäuerin  mit  Anzeichen  von  Menstruation  Neigung  zu 
keinem  von  beiden  Geschlechtern,  obgleich  sie  zwei  Hoden  be- 
sass.  So  finden  wir  auch,  dass  Galland  (s.  p.  191)  eine  2mal 


—    278     — 

verheiratete  Frau  besclirieben  hat,  ohne  sexuellen  Instinkt,  die 
sich  passiy  dem  Coitus  hingab,  obgleich  sie  keine  erotische 
Empfindung  und  kein  Wollustgefühl  dabei  hatte.  Dasselbe 
erzählt  Eicco  von  einer  mit  80  Jahren  gestorbenen  Frau 
und  Itard  de  Riaz  von  einem  22jährigen  Mädchen.  Endlich 
berichtet  Gunckel  (Beob.  123,  p.  8B),  Elisabeth  N.  habe 
Neigung  zu  Weibern  gehabt  und  sei  des  geschlechtlichen 
Verkehrs  mit  ihrer  Stiefmutter  beschuldigt  worden.  Bei  der 
Sektion  fand  der  Verf.  einen  Uterus  mit  blind  endigenden  Trom- 
peten und  zwei  kindliche  Ovarien,  sowie  ausserdem  einen  5  cm 
langen  Penis  mit  Hypospadie. 

Konträre  Sexual-Empfindung.  Wir  haben  ander- 
wärts (p.  194  ff.)  über  den  Stand  der  Wissenschaft  in  Bezug  auf  die 
konträre  Sexualempfindung  gesprochen,  und  ausserdem  die  von 
Krafft-Ebing  gemachten  Versuche  angeführt,  um  diesen 
G-egenstand  klinisch  zu  bestimmen.  In  dieser  Absicht  teilte  er 
die  Perversion  in  erworbene  und  angeborene.  Für  den  zweiten 
Fall  wählte  er  den  Ausdruck  „psycho -sexuale  Hermap hro- 
disie"  und  unterschied  sie  wieder  in  zwei  Arten  mit  Ausdrücken, 
die  zwar  zweckmässig  sind,  aber  einen  verhältnismässig  fremd- 
artigen Klang  haben,  indem  er  „homosexuellen  Akt"  die  Ein- 
wirkung von  Männern  oder  von  Weibern  auf  einander,  und  „he- 
terosexuellen Akt"  jene  zwischen  zwei  Geschlechtern  nennt, 
so  dass  also  die  Paarung  zwischen  Gatten  und  Gattin  einen 
heterosexuellen  Akt  darstellt. 

Da  es  überfiüssig  wäre,  zu  den  schon  bekannten  ähn- 
liche Fälle  anzuhäufen,  lenken  wir  die  Aufmerksamkeit  auf 
andere,  in  denen  zwischen  der  Zuneigung  zu  dem  einen  Ge- 
schlechte und  dann  zu  dem  anderen  längere  Zeit  verfloss  und 
nennen  nach  L  G.  St.  Hilaire  Anna  Drouart  (Beob.  7),  die 
in  ihrer  Jugend  Neigung  zum  weiblichen  Geschlecht  empfand, 
als  sie  erwachsen  war,  zu  dem  männlichen,  dass  sie  zuerst 
unregelmässig  menstruiert  war,  und  dann  keine  Spur  weder 
von  Hoden,  noch  von  einem  Uterus  zeigte.  Wir  er- 
wähnen auch  Magitoti),  der  eine  17jährige  verheiratete  Frau 
kannte,  die  12  Jahre  lang  in  guter  Eintracht  mit  ihrem  jungen 


1)  E.  Magitot,  Bull,  de  la  soc.  d'antlirop.  1880,  p.  487.   —   C.  Ta- 
ruffi,  Mem.  cit.   Bologna,  1901,  p.  333.  —  Vgl.  oben  pag.  193. 


—    279    — 

Gratten  lebte.  Als  sie  Witwe  geworden  war.  änderte  sich  ihr 
Greschlechtsinstinkt  und  sie  hatte  viele  Liebhaber,  mit  denen 
sie  keine  geschlechtliche  Schwierigkeit  hatte.  Als  sie  starb, 
fand  man.  dass  sie  einen  kiniilichen  Penis  besass,  der  erektions- 
fähig war  nnd  Samen  absonderte,  aber  ohne  Samenfäden:  der 
weibliche  Apparat  fehlte.  Bei  diesen  Fällen  nnd  bei  anderen, 
die  wir  bei  den  psychopathischen  Wirkungen  der  geschlecht- 
lichen Missbüdnngen  anführen  werden,  wirft  sich  die  Frage 
auf:  Wie  können  sich  die  erotischen  Xeignngen  nach  so  langer 
Zeit  ändern? 

Wir  haben  schon  angedeutet,  dass  bei  Mädchen  mit  nrethro- 
sexnalen  Missbildtmgen  die  Hoden  oft  zögern,  längs  des 
Leistenkanales  herabzusteigen,  dass  ihr  Eintritt  ins  Scrotnm  zn 
verschiedener  Zeit  stattfindet,  nnd  dass  anf  das  Herabsteigen 
die  Erscheinungen  folgen,  welche  die  Pubertät  charakterisieren. 
Aber  wenn  diese  Erscheintmgen  nicht  regelmässig  von  statten 
gehen  (möge  Amenorrhoe  eingetreten  sein  oder  nicht,  mögen 
die  Hoden  herabgestiegen  sein  oder  nicht),  und  um  so  mehr, 
wenn  die  Formen  der  äusseren  G-enitalien  weiblich  siad  und 
sich  im  Zustande  der  Apathie  befinden,  dann  ist  der  einzige 
Umstand,  der  die  späte  geschlechtliche  Eichtung  der  jungen 
Mädchen  beeinfitissen  kann,  die  Erziehung.  Oft  unterstützt  durch 
die  Art  der  Umgebung,  und  dies  erklärt  die  Ehen  aus  Nach- 
giebigkeit, das  Elosterleben,  die  Flucht  aus  der  väterlichen 
Wohnnug.  Diese  Umstände  sind  ausführlich  von  Debierrei) 
und  Chevalier-j  behandelt  worden. 

Endlich  ist  noch  zu  bemerken,  dass  es  Fälle  giebt,  die  in 
keine  der  angenommenen  teratologischen  Gruppen  hineinpassen, 
mit  Einschluss  der  geschlechtlichen  Umkehrung,  ausser  welcher 
z.  B.  Widersprüche  zwischen  zwei  Teilen  vorkommen,  die  das 
Geschlecht  bei  demselben  Individuum  charakterisieren,  so  dass 
man  sie  als  ein  Anzeichen  von  äusserem  Pseudo-Hermaphrodis- 
mus  betrachten  kann;  oder  nur  Widerspruch  zwischen  den 
Charakteren  des  Körperhabitus,  oder  zwischen  den  Teilen  der 
Geschlechtsorgane  desselben  Individnums.  Schliesslich  Wider- 
spruch zwischen  dem  psychischen  Instinkt  tmd  der  funktionellen  Be- 


^)  Ch.  Debierre.  L'liennapkroQisme.    Paris,  1S91,  p.  133, 
-)  CheTalier.  InTersion  sexuelle,    Paris.  1S93.  p.  33i. 


—    280    — 

thätigung  des  Geschlechts,  was  ziemlich  oft  bei  Prostituierten 
vorkommt.  Ein  Beispiel  bietet  der  Fall  von  Gerin  (Beob.  69) 
von  einem  26jährigen  Mädchen  mit  männlichem  Habitus,  das 
zwar  Abneigung  gegen  die  Männer  empfand,  aber  doch  Umgang 
mit  ihnen  pflegte.  Der  zweite  Fall  gehört  Gunckeli)  und 
betrifft  ebenfalls  eine  junge  Frau  mit  männlichem  Habitus  und 
mit  einem  Penis  versehen,  die  ein  Liebesverhältnis  mit  ihrer 
Stiefmutter  unterhielt,  während  man  bei  der  Sektion  fand,  dass 
sie  nur  vollständige  weibliche  Organe  besass.  Die  dritte  Be- 
obachtung ist  von  Birnbacher2),  der  eine  Frau  von  männ- 
lichem Habitus,  aber  mit  gut  entwickelten  Brüsten  beschreibt, 
die  ihre  Neigung  zur  lesbischen  Liebe  bekannte. 

Vererbung.  Auch  die  urethro- sexualen  Missbildungen 
sind  der  Vererbung  unterworfen,  aber  wir  wissen  nicht,  ob  in 
diesem  Falle  die  Häufigkeit  gleich  der  anderer  Missbildungen 
ist,  oder  besser,  ob  die  Vererbung  dieselben  Gesetze  befolgt 
und  zwischen  den  aufeinanderfolgenden  Generationen  dieselben 
Sprünge  macht,  wie  bei  anderen  Deformitäten,  denn  wir  wissen 
nicht,  ob  auf  dem  teratologischen  Gebiet  ausführliche  Vergleiche 
angestellt  worden  sind.  Wir  wissen  nur,  dass  Lingard  über 
Erblichkeit  und  Atavismus  bei  Hypospadie  geschrieben  hat  3), 
aber  wir  haben  uns  seine  Arbeit  nicht  verschaffen  können. 
Wir  wissen  jedoch,  dass  Gudder  im  Jahre  1890  einen  Aufsatz 
über  Hypospadie  geschrieben  hat,  aus  dem  man  schliesst,  dass 
diese  oft  vererbt  wird,  besonders  wenn  sie  massig  ist  4),  und 
dass  Strassmann  einen  Fall  von  Vererbung  durch  die  Frauen 
hinzufügte,  während  die  Mutter  frei  geblieben  war^).  Ein 
ähnlicher  Fall  wurde  von  Porro  erzählt;  in  einer  Familie 
hatten  zwei  mütterliche  Vettern  eine  ähnliche  Bildung  der  Ge- 


1)  C.  Taruffi,  Mem.  cit.  Bologna,  1899.  Ser.  5,  T.  VII,  p.  752, 
Beob.  123.  —  Vgl.  aucji  pag.  83. 

2)  C.  T  a  r  u  f  f  i ,  Mem.  cit.    Bologna,  1901.  T.  VII,  p.  368.  —  Vgl.  p.  247. 
^)  Lingard,  De  l'heredite  de  l'hypospadie  et  de  sa  transmission  par 

l'atavisme  indirect.    Lancet  19  April  1884. 

^)  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Fortpflanzungsfähigkeit  bei  Hypospadie 
und  der  Vererbung  dieser  Missbildung.  Zeitschr.  f.  Medizinalbeamte,  1890, 
No.  7,  p.  247,  250. 

^)  Fr.  Strassmann  (Berlin) ,  Lehrb.  d.  gerichtlichen  Medizin. 
Stuttgart,  1901. 


—    281    — 

schlechtsteile;    einer    derselben   beging   Selbstmord   in    seinem 
17.  Jahre  1). 

Die  Fälle  von  mehr  oder  weniger  direkter  Vererbung  in 
männlicher  und  bisweilen  weiblicher  Linie,  die  sich  unter 
den  84  Beobachtungen  befinden,  sind  folgende;  der  merk- 
würdigste ist  der  von  Philipps. 

Beob.  11.  J.  Lepecchia,  Ein  hypospadischer  Jüngling  hat  2  Brüder  mit 
missgebildeten  Genitalien. 

Beob.  21.  De  Mattheis,  Von  4  Töchtern  haben  sich  3  in  Söhne  ver- 
wandelt mit  Hypospadie  an  der  Wurzel  des  Penis. 

Beob.  25.  T.  Tarozzi,  Von  4  Schwestern  zeigten  2  geschlechtliche 
Missbildungen  verschiedenen  Grades. 

Beob.  35.  C.  Fenogli,  Von  5  Brüdern  litten  der  3.  und  5.  an  Hypo- 
spadie. 

Beob.  43.     E,  Porro,  S.  oben. 

Beob.  45.  J.  L.  Casper,  Hypospadischer  Neugeborener,  Sohn  einer  Un- 
verheirateten, mit  Penis  und  Urethral-Rinne.  Hoden  im  zweispaltigen 
Scrotum. 

Beob.  124.  John  Philipps,  Vgl.  pag.  84. 

Eine  Mutter  hatte  9  Kinder,  davon  waren  4  Pseudo-Hermaphroditen, 
d.  h.  Mädchen,  deren  äussere  Charaktere  männliches  Geschlecht  vortäuschten, 
während  bei  einer,  die  starb,  der  weibliche  Charakter  auch  innerlich  voll- 
ständig war. 

Kapitel  III.    Psy cho-sexuelle  Pathologie. 
(Grerichtliche  Medizin  der  urethro-sexualen  Missbildungen.) 

Die  mit  Störungen  der  Geschlechtsorgane  verbundenen 
geistigen  Störungen  bilden  ein  sehr  weitläufiges  Thema,  das 
einerseits  in  das  Gebiet  der  Psychopathien,  andererseits  in  das 
der  moralischen  Laster,  die  bisweilen  pathologisch  werden,  ein- 
dringt, wie  Päderastie,  Umkehrung  des  Geschlechts,  worauf  wir 
schon  im  Abschnitt  Invirilismus,  p.  153  ff.,  hingewiesen 
haben.  Da  wir  jedoch  den  Gegenstand  umgrenzen  wollten 
(wie  wir  am  Anfang  des  ersten  Kapitels  sagten),  ist  es 
zweckmässig,  ihn  auf  die  Geistesstörungen  zu  beschränken, 
die  sich  oft,  primär  oder  sekundär,  zu  klinischen  Alterationen 


^)  E.  Porro,   Ermafroditismo.    Gazz.  med.   lomb.    Die.    1862,  p.  675 
No.  51.  —  Taruffi,  die  nachstehende  Beob.  43. 


—     282     — 

der  menschlichen  Geschlechtsorgane  gesellen.  Wir  haben  84 
Beobachtungen  gesammelt,  welche  die  Grundlage  der  gegen- 
wärtigen Studie  bilden  und  als  urethro- sexuale  Missbild- 
ungen bezeichnet  worden  sind. 

Da  wir  schon  die  physischen  Charaktere  dieser  Affektiouen 
abgehandelt  haben,  bleibt  es  uns  noch  übrig,  die  moralischen 
Komplikationen  und  Folgen  zu  untersuchen,  woran  die  Kranken 
leiden,  sowie  die  juristischen  Hilfsmittel,  um  zum  Teil  die  Un- 
zuträglichkeiten zu  vermeiden.  Aber  ehe  wir  auf  den  Gegen- 
stand eingehen,  schicken  wir  voraus,  dass  das  gegenwärtige 
Kapitel  sowohl  für  die  Irrenärzte,  als  für  die  Gerichtsärzte 
vollkommen  überflüssig  ist,  denn  wir  könneu  ihneu  keine  Nach- 
richt, keinen  Eat  geben,  der  nicht  schon  bekannt  und  von  ihnen 
selbst  angenommen  wäre.  Nur  Eins  fordert  uns  auf,  schon  be- 
kannte Dinge  vorzutragen,  nämlich  die  Trägheit  der  Juristen 
bei  Verfolgung  der  wissenschaftlichen  Fortschritte  der  physischen 
Wissenschaften,  oder  wenigstens  ihrer  Methoden,  damit  die 
Gesetzgeber  (in  diesem  Falle)  hygienisch  verfahren  und  viele, 
sowohl  physische,  als  moralische  Übel  bei  unwissenden  Personen 
verhüten  können  i). 

Als  wir  im  Jahre  1881  die  ersten  Kapitel  der  „Geschichte 
der  Teratologie"  schrieben  2),  um  eine  Andeutung  über  die  Sitten 
und  Gesetze  zu  geben,  die  im  Altertum  in  Bezug  auf  die  Ge- 
burt der  Monstra  in  Geltung  waren,  erstaunten  wir  bei  der 
Nachforschung  über  die  seltsamen  Vorurteile,  die  wenigen  aber 
barbarischen  Gesetze,  die  Jahrhunderte  lang  in  dieser  Beziehung 
geherrscht  haben.  Wir  waren  um  so  erstaunter,  als  wir 
die  berühmtesten  Glossatoren  die  Irrtümer  des  Volkes  wieder- 
holen und  in  den  Municipal- Statuten  fortsetzen  sahen,  in 
denen  sich  grosse  Ungleichheiten  bei  der  Beurteilung  der  Schuld 
und  Anwendung  der  Strafe  finden,  selbst  gegen  solche,   die  an 


^)  Im  Jahre  1902  erschien  in  zweiter  Auflage  ein  Werk  von  Dr.  Wilh. 
Eudeck,  „Medizin  und  Eecht.  Geschlechtsleben  und -Krankheiten  in  ihrer 
medizinisch-juristisch-kulturgeschichtlichen  Bedeutung",  welches  auch  auf 
das  hier  behandelte  Gebiet  bezügliche  Kapitel  nebst  den  gesetzlichen  Be- 
stimmungen enthält  und  warm  empfohlen  werden  kann. 

^)  C.  Taruffi,  Storia  della  teratologia.  Bologna,  1881,  T.  I,  Pars  1, 
p.  91,  Pars  II,  p.  53,  Sitten  und  Gesetze. 


—     283    — 

uretliro- sexualer  Missbildung-  litten;  wir  werden  einige  Beispiele 
beibringen  i). 

^)  Die  Quellen,  aus  denen  man  die  Gesetze  und  Sitten  in  Bezug  auf 
Monstra  im  allgemeinen  kennen  lernen  kann,  sind  zum  grössten  Teil  in 
Bd.  1  unserer  „Geschichte  der  Teratologie"  angegeben.  Die  sich  auf  urethro- 
sexuale  Misshildungen  beziehenden  Fälle  werden  in  Note  2,  am  Ende  der 
gegenwärtigen  Arbeit  angezeigt ;  über  einige  davon  berichten  wir  weiter 
unten. 

C.  Taruffi,  Kap.  III,  Mem.  della  Patologia  psico-sessuale,  Note  2, 
Beob.  57.  —  Er  bringt  ein  Dokument  aus  dem  Jahre  1527,  worin  gesagt 
wird,  eine  Frau,  die  für  hermaphroditisch  gehalten  und  später  für  einen  Mann 
erkannt  wurde,  sei  verbrannt  worden. 

G.  Bened.  Sinibaldi,  Geneanthropeia,  sive  de  hominum  gene- 
ratione,  Eomae,  1642,  Francofurti,  1669,  Lib.  II,  Tract.  I,  Cap.  VII,  p.  111. 
S.  Taruffi,  ibid.  Note  2,  Beob.  2. 

Ein  Mädchen  floh  aus  Spoleto  und  wurde  von  ihrem  Bruder  in  Ancona 
eingeholt.  Hier  von  Furcht  ergriffen,  gab  sie  ihre  Verwandlung  in  einen 
Mann  zu  erkennen  und  wurde  als  solcher  vom  Gericht  anerkannt  und 
Postume  Barattani  genannt. 

Nicola  Tulpio,  Observationes  medicae.  Ed.  nova.  Amstelodami,  1672, 
Lib.  III,  Cap.  XXXV,  p.  241.  —  C.  Taruffi,  Memoria  suU'  ordinamento 
della  Teratologia,  Note  3,  Beob.  11,  p.  359.  —  Enrica  Schuria,  ihres  Ge- 
schlechts müde,  kleidete  sich  als  Mann  und  wurde  Soldat  unter  dem  Prinzen 
von  Oranien.  Nach  Hause  zurückgekehrt,  paarte  sie  sich  mittelst  ihrer  sehr 
langen  Clitoris  mit  anderen  Weibern,  und  besonders  längere  Zeit  hindurch 
mit  einer  gewissen  Witwe,  die  sie  gern  geheiratet  hätte,  wenn  das  Gesetz 
es  erlaubt  hätte.  Diese  Tribade  hatte  eine  so  stark  entwickelte  Clitoris, 
dass  diese  während  des  Coitus  die  Länge  eines  halben  Fingers  und  mehr 
und  die  Dicke  des  Penis  eines  Knaben  erreichte.  Der  Eechtsgelehrte  Giov. 
Paponio  schreibt  (s.  XXII,  tit.  VII,  avert.  II),  diese  unzüchtigen  Weiber 
müssten  zum  Tode  verurteilt  werden.  Die  oben  genannte  Tribade  fand  einen 
milderen  Eichter,  sie  wurde  mit  Euten  gepeitscht,  verbannt  und  von  der 
Witwe  getrennt,  mit  der  sie  in  Unzucht  gelebt  hatte.  —  Vgl.  p.  231. 

Celle,  Anne  Grandjean.  Journ.  hist.  Paris,  1765.  —  Taruffi,  Mem. 
cit.  Note  2,  Beob.  9.  —  Dieser  Fall,  den  man  der  Kürze  wegen  ein  Beispiel 
von  urethro-sexueller  Missbildung  nennen  kann,  betrifft  eine  Frau  mit  einer 
grossen  Clitoris,  deren  sie  sich  mit  Weibern  bediente.  Das  Gericht  von 
Lyon  erklärte  sie  für  hermaphroditisch  und  verurteilte  sie  zur  Peitsche  und 
zur  Verbannung,  weü  sie  das  Sakrament  der  Ehe  profaniert  habe.  Die  Frau 
appellierte  gegen  das  Urteil,  und  das  Gericht  nahm  guten  Glauben  bei  ihr 
an  und  verurteilte  sie  nur  zum  Tragen  weiblicher  Kleider. 

Chesneut  (de  la  EocheUe),  Question  d'identite.  Vice  de  conformation 
des  organes  genitaux:  hypospadias.  Ann.  d'hygiene  publ.  et  de  med.  leg. 
Juillet  1860,  p.  206.  —  Taruffi,  1.  c.  N.  2,  Beob.  42.  Aus  der  Geschichte 
entnimmt  man,  dass  es  sich  um  eine  Frau  mit  männlichem  Habitus  handelte, 
mit    einem    unvollkommenen   Penis,    einem   Hoden   in   jedem   Leistenringe. 


-     284     - 

Wenn  wir  alle  Fälle  sammeln  wollten,  die  dem  Strafgericht 
unterworfen  worden  sind,  könnten  wir  einen  (nocli  jungfräulichen) 
historischen  Schatz  aufhäufen,  der  geeignet  wäre,  die  angeblichen 
Prinzipien  des  Strafrechts  zu  entdecken,  soweit  es  sich  auf  die 
Teratologie  bezieht.  Dieses  Studium  würde  genügen,  um  zu  er- 
klären, wie  die  vielen  G-lossatoren  und  die  zahlreichen  Advo- 
katen entstanden  sind,  die  eine  neue  Klasse  bildeten,  welche 
man  mit  Recht  Sophisten  nannte.  Diese  entartete  Klasse 
wurde  von  dem  berühmten  Muratorii),  der  noch  in  unserer 
Zeit  bekannt  ist,  hell  beleuchtet;  dann  wurde  sie  von  Vinc. 
Gioberto  beschrieben 2),  so  dass  er  die  Anführung  einer  Stelle 
verdient,  die  wir  in  der  Note  vorführen  werden.  Endlich 
wollen  wir  nicht  vergessen,  dass  diese  Klasse  schon  von 
Cicero  gekennzeichnet  worden  ist^),  als  er  in  seiner  Rede 
für  L.  Murena  sagte,  die  Grundlagen  des  Rechts  seien  in  die 
Hände  der  Advokaten  gefallen  und  hätten  den  Sinn  verloren, 
den  sie  gehabt  hätten,   denn  mit  ihren  unehrlichen  Spitzfindig- 

Bei  Lebzeiten  wurde  sie  für  einen  Hermaphroditen  erklärt  und  dazu  yer- 
urteilt,  männliche  Kleider  zu  tragen. 

Da  ich  mit  dem  Kriminalrecht  unbekannt  war  und  wusste,  dass  es  als 
eine  Wissenschaft  betrachtet  würde,  die  auf  allgemeinen  Prinzipien  beruhte, 
wünschte  ich  seine  Natur  und  seinen  Ursprung  kennen  zu  lernen  und  be- 
fragte darüber  zu  verschiedenen  Zeiten  verschiedene  Eechtslehrer,  und  diese 
trugen  mir  alle  sehr  verschiedene  Lehren  vor.  Ich  befragte  mehrere  Vokabu- 
larien, und  alle  antworteten  mir  ungefähr,  das  Kriminalrecht  sei  die  Quintessenz 
der  Gesetze,  welche  die  Sicherheit  der  Bürger  schützen,  ohne  ein  Wort  über 
Juristische  Prinzipien.  Endlich  wendete  ich  mich  an  eine  italienische  Ency- 
clopädie,  und  diese  sagte:  „In  keinem  Teile  des  Eechts  herrscht  grösserer 
Widerspruch  zwischen  den  verschiedenen  Meinungen  der  Autoren,  als  über 
das  Strafrecht,  also  über  die  Gesetze,  die  zum  Gegenstand  haben,  nicht  nur 
die  aus  ungesetzlichen  Handlungen  entstehenden  Schäden  zu  ersetzen,  sondern 
auch  den  Urheber  solcher  Handlungen  im  Namen  des  Staates  zu  bestrafen, 
indem  man  ihm  eine  Strafe  auflegt.  Die  Aufgabe  ist  eben  die,  die  Gesetze 
mit  der  natürlichen  Gerechtigkeit  in  Einklang  zu  bringen.  Allerdings  haben 
die  Regierungen  seit  undenklicher  Zeit  das  Strafrecht  ausgeübt,  ohne  das 
Resultat  solcher  Dispositionen  zu  erwarten ,  zuletzt  ohne  nur  daran  zu 
denken.     (Nuova  enciclopedia,  Torino,  1858,  Edit.  V,  Vol.  VI,  p.  654.) 

1)  Lod.  Muratori,  Arch.  ital.  T.  I,  p.  277  e.  294.  Milano,  1751.  — 
Della  forza  della  fantasia.    Venezia,  1745,  Cap.  XII,  p.  112,  114. 

^)  V.  Gioberti,  II  rinnovamento  d'  Italia,  Torino,  1851,  p.  219. 
Siehe  Note  5. 

^)  Ciceronis  orationes.     Pro  L.  Murena  Cp.  XII,  §  26,  27. 


—    285    — 

keiten  hätten  jene  sie  in  Thorheit  und  Lüge  verwandelt  „in 
manibus  jactata  et  excnssa,  inanissima  prudentiae  reperta  sunt, 
fraudis  et  stultitiae  plenissima". 

Um  ein  so  schweres  Urteil  über  die  Advokaten  zu  er- 
klären, genügt  es,  dass  wir  die  Grundsätze,  den  Zweck  und 
die  Methoden,  die  sie  anwendetea,  mit  denen  vergleichen,  die 
von  den  Naturforschern  befolgt  werden,  um  einerseits  die  wun- 
derbaren Fortschritte  der  verschiedenen  Zweige  der  physischen 
Wissenschaften,  andererseits  die  fortwährende  Notwendigkeit 
zu  begreifen,  die  Gesetze  zu  verbessern.  Es  genügt,  zu 
bedenken,  dass  die  Rechtsgelehrten  immer  von  abstrakten 
Prinzipien  ausgegangen  sind  und  noch  ausgehen  und  nach  ihnen 
ihre  allgemeinen  Lehren  einrichten,  während  z.  B.  die  Biologen 
von  der  Analyse  der  einzelnen  Thatsachen  ausgehen,  sie  mit 
einander  vergleichen,  und  je  nach  der  Ähnlichkeit  (so  weit  es 
das  Experiment  und  die  Induktion  erlauben)  zum  Ursprung  der 
Erscheinungen  aufsteigen.  Dabei  beachten  sie,  dass  der  Be- 
griff dieses  Ursprungs  sich  jedesmal  nach  den  Erfordernissen 
der  bei  der  Analyse  gemachten  Fortschritte  ändert,  während 
man  im  Strafrecht  von  ihm,  als  von  einer  synthetischen  Wissen- 
schaft spricht,  und  daraus  die  Gesetze  entnimmt. 

Was  den  Zweck  betrifft,  den  sich  die  mit  diesen  beiden 
Zweigen  der  Wissenschaft  Beschäftigten  vorgesetzt  haben, 
müssen  wir  sagen,  dass  im  allgemeinen  beide  das  Wohl  der 
Menschheit  beabsichtigen,  doch  mit  dem  Unterschiede,  dass  die 
Naturwissenschaften  das  wissenschaftliche  und  physische  Wohl- 
befinden der  Völker  anstreben,  während  die  Juristen  sich  mit 
dem  Schutz  der  persönlichen  Interessen  beschäftigen,  das  all- 
gemeine Wohl  aber  aus  den  Augen  lassen. 

Um  hierüber  ein  gewöhnliches  Beispiel  zu  geben,  nehmen 
wir  an,  dass  ein  Individuum  die  Hilfe  des  Arztes  in  Anspruch 
nimmt,  indem  er  glaubt,  dass  dieser  die  geeigneten  Mittel  an- 
wendet, um  ihn  zu  heilen,  ohne  anderen  zu  schaden,  ohne  sich 
darum  zu  kümmern,  ob  er  ein  Anhänger  von  Hippocrates 
oder  Galen  ist.  Wenn  dagegen  ein  Individuum  des  Diebstahls 
beschuldigt  wird,  findet  er  sogleich  einen  Verteidiger;  dieser  be- 
müht sich,  ihn  vor  der  Galere  zu  schützen,  jedoch  nicht,  der 
Gesellschaft  einen  Übelthäter  auf  einige  Zeit  zu  entziehen; 
ihm  ist  es  nur  um  die  Überwindung   einer  schwierigen  Sache 


—    286     — 

zu  thun  Dies  beweist,  dass  diese  Art  von  Advokaten  nicht 
durch  das  Bewusstsein  "bekümmert  wird,  dass  die  lateinische 
Rasse  das  Privilegium  geniesst,  die  grösste  Zahl  von  Übel- 
thätern  zu  besitzen  i). 

Um  nicht  zu  weit  von  unserem  teratologischen  Gegenstande 
abzuschweifen,  übergehen  wir  die  Beweise  der  obigen  Behaupt- 
ungen als  überflüssig  und  gehen  sogleich  zu  einigen  sekundären 
Charakteren  der  urethro- sexualen  Anomalien  über,  die  sich  auf 
die  gerichtliche  Medizin  beziehen.  Wir  werden  uns  also  mit 
einigen  krankhaften  Zuständen  der  Psyche  beschäftigen,  mit 
moralischen  Yerwickelungen  und  Folgen,  die  oft  in  den  von 
uns  berichteten  Geschichten  erwähnt  worden  sind.  Darunter 
befindet  sich  die  sexuelle  Parese.  Diese  Affektion  wird  auch 
sexuelle  Apathie  genannt,  und  lässt  sich  als  ein  negativer 
Charakter  des  erotischen  Instinkts  definieren,  der  zugleich  zu 
moralischen  Störungen  und  zu  sehr  verschiedenen  Zufällen 
Veranlassung  giebt.  Wir  haben  schon  darauf  hingedeutet, 
als  wir  von  den  sekundären  Alterationen  sprachen  (s.  p.  277). 

Die  Parese  ist  nicht  so  häufig,  als  man  glauben  möchte, 
denn  wenn  man  die  Fälle  abzieht,  die  zu  den  Pseudo-Herm- 
aphroditen  gehören,  sowohl  zu  den  typischen,  als  zu  den  unregel- 
mässigen, die  anderwärts  erwähnt  wurden,  so  bleiben  nur  fünf 
übrig  (Beob.  24,  43,  49,  50,  69).  Wir  haben  schon  bemerkt, 
dass  dieser  Fehler  weder  die  Ehe,  noch  die  Prostitution  ver- 
hindert. Dies  kann  man  nicht  der  körperlichen  Veränderung 
zurechnen.  Es  giebt  aber  auch  sehr  schwer  zu  erklärende 
Fälle;  z.  B.  wenn  eine  für  eine  Frau  Ausgegebene  zu  der 
Klasse  der  Individuen  mit  zweifelhaftem  Geschlecht  gehört. 
Dann  kann  man  glauben,  dass  der  Geschlechtsinstinkt  sich  un- 
bestimmt verhält,  wie  in  der  Kindheit,  und  dass  die  Eatschläge 
der  Familie,  der  Geist  der  Nachahmung  und  andere  Einflüsse 
der  Umgebung  den  Ausschlag  geben.  Aber  in  der  Praxis 
kommen  noch  schwerer  zu  erklärende  Fälle  vor,  wie  der  von 
Piazzesi  und  Badaloni  beschriebene  (Beob.  66).  Eine  Frau 
blieb  vier  Jahr  lang  verheiratet  und  verlangte  dann  die  Nichtig- 


^)  Es  ist  mir  nicht  zu  Ohren  gekommen,  dass  ein  Jurist  eine  Arbeit 
veröffentlicht  hätte  über  das  Studium  der  Ursachen  der  grösseren  Zahl  von 
Verbrechen  unter  den  lateinischen  Kassen  und  in  den  verschiedenen  von 
demselben  Volke  bewohnten  Gegenden. 


—    287    — 

erklänmg  der  Ehe,  indem  sie  den  Mann  eines  Bildungs- 
fehlers beschuldigte.  Während  des  Prozesses  verliebte  sie  sich 
dann  in  ihre  Schwägerin  und  lebte  mit  ihr  zusammen.  Das 
Urteil  wurde  nicht  gefällt,  oder  blieb  unbekannt;  wir  wissen 
also  nicht,  ob  die  Missbildung  nicht  der  angeblichen  Frau  an- 
gehörte, vielleicht  infolge  eines  „Mikrophallus"  genannten 
Penis. 

Geschlechtliche  Umkehrung.  Wir  haben  unter  den 
sekundären  Charakteren  eine  Erscheinung  aufgezählt,  die  eigent- 
lich zu  den  Psychopathien  gehört  und  sich  mittelst  eines  im 
allgemeinen  gleichförmigen  Aktes  offenbart,  wie  es  die  ge- 
schlechtliche Umkehrung  ist.  Diesen  ungewöhnlichen  Akt 
haben  wir  als  eine  Art  von  Invirilismus  des  Weibes  be- 
trachtet (Seite  194  ff.)  und  ebendort  haben  wir  die  Fälle 
untersucht,  in  denen  die  einzelnen  erotischen  Akte  zeitlich 
von  einander  entfernt  liegen,  so  dass  sie  zuerst  mit  dem 
einen  und  später  mit  dem  anderen  Geschlechte  ausgeführt 
werden.  Hier  werden  wir  dagegen  die  Fälle  von  Irrtum  über 
das  eigene  Geschlecht  betrachten,  denn  wenn  eine  angebliche 
Frau  sich  in  einen  Jüngling  verliebt,  beschuldigt  man  sie  der 
geschlechtlichen  Umkehrung  und  sie  setzt  sich  verschiedenen 
Zufällen  aus.  Wenn  sie  dann  stirbt  und  man  ihr  wirkliches 
männliches  Geschlecht  entdeckt,  überzeugt  man  sich  erst,  dass 
sie  ihrem  richtigen  Geschlechtstriebe  folgte,  da  sie  einen  oder 
beide  Hoden  besass.  Ein  solcher  Irrtum  ist  um  so  leichter, 
wenn  das  angebliche  Weib  weiblichen  Habitus  und  einen  Penis 
zeigt,   der  •  sich  von  einer  grossen  Clitoris  nicht  unterscheidet. 

Um  einige  Beispiele  anzuführen,  erinnern  wir  an  Anne 
Grandjean  (Beob.  9),  die  sich  im  Jahre  1761  verheiratete,  ob- 
gleich sie  keine  Neigung  zu  Männern  fühlte.  Später  wurde 
sie  der  Entweihung  des  Sakraments  der  Ehe  angeklagt,  weil 
sie  hermaphroditisch  sei.  Nach  der  Appellation  gegen  dieses 
Urteil  wurde  Anne  freigesprochen,  denn  einerseits  wurde  an- 
erkannt, dass  sie  einen  Penis  besass,  auf  der  anderen,  dass 
sie  in  gutem  Glauben  gehandelt  habe;  heutigen  Tags  könnte 
man  einen  Fall  von  geschlechtlicher  Umkehrung  (Päderastie) 
vermuten.  Ein  anderer  Fall  ist  der  der  Giacoma  Forni  (Beob. 
18),  die  mit  23  Jahren  nur  2  mal  menstruiert  gewesen  war. 
Sie  hatte   dem  Anschein  nach  eine  Vulva  und  Neigung  zum 


männlichen  GescMecht,  daher  Giacoma  sich  für  ein  Weib  hielt. 
'Glücklicherweise  fand  der  Arzt  Tonni,  dass  das  Weib  männ- 
lichen Habitus,  einen  Penis  mit  Hypospadie  und  Hoden  in  den 
grossen  Schamlippen  hatte;  so  erklärte  er  sie  für  einen  miss- 
gebildeten Mann. 

Der  Fall  von  Alessia  B.  war  der  dunkelste  in  dieser 
Gruppe  von  Missbildungen,  und  blieb  es,  so  lange  die  angeb- 
liche Frau  lebte  (Beob.  42).  Sie  war  amenorrhoisch  bis  zum 
22.  Jahre,  wurde  Lehrerin  in  einer  Erziehungsanstalt,  hatte 
männlichen  Habitus  und  Flaumhaar,  aber  ihr  Gesicht  zeigte 
keine  DifEerentialcharaktere.  Dennoch  schloss  sie  mit  einer 
Genossin  an  der  Anstalt  enge  Freundschaft,  die  zur  Leiden- 
schaft wurde.  Dies  führte  zu  einer  Eeihe  von  Aufregungen 
und  Skrupeln,  die  Alessia  veranlassten,  sich  untersuchen  zu 
lassen  und  sie  erfuhr  so,  dass  sie  Hermaphroditin  sei  mit  Vor- 
wiegen des  männlichen  Geschlechts ;  sie  musste  auf  ihre  Neigungen 
verzichten  und  männliche  Kleidung  tragen.  Erregt  durch  diesen 
Ausspruch  versuchte  sie,  ihre  Gewohnheiten  zu  ändern,  wurde 
aber  von  Lypemanie  ergriffen  und  erstickte  sich  im  Alter  von 
30  Jahren  mit  Kohlensäure.  Goujon  machte  die  Sektion  und 
fand  einen  nicht  durchbohrten  Penis,  unter  dem  sich  die  Vulva 
befand,  und  in  diese  mündete  die  Urethra  und  die  Ductiis  eja- 
culatorii,  aber  er  fand  weder  Uterus,  noch  Ovarien.  Das 
Scrotum  war  gespalten,  die  rechte  Hälfte  enthielt  einen  Hoden, 
während  der  linke  im  Leistenringe  lag.  Daraus  sieht  man, 
dass  Alessia,  als  sie  sich  in  ihre  Anstaltsgenossin  verliebte, 
nicht  an  Umkehrung  des  Geschlechtstriebes  litt,  sondern  dem 
natürlichen  Instinkte  des  Mannes  gegen  das  Weib  folgte. 

Selbstmord.  Wenn  wir  noch  einmal  auf  den  vorigen 
Fall  zurückkommen,  der  sehr  wichtig  ist,  weil  die  Sektion  ge- 
gemacht wurde  und  weil  er  für  die  Frau  während  ihres 
Lebens  eine  schwere  Wirkung  hatte:  die  Lypemanie,  so 
müssen  wir  auch  daran  erinnern,  dass  Alessia  in  Bezug  auf 
Thorax  und  Becken  männlichen  Habitus  aufwies,  auch  Flaum 
an  der  Oberlippe  und  an  den  Armen  hatte,  während  das  Ge- 
sicht unentschieden  zwischen  beiden  Geschlechtern  schwankte. 
Dies  trug  zur  Unsicherheit  der  Diagnose  bei.  Aber  alles 
dieses  genügt  nicht,  um  den  Entschluss  Alessias  zum. Selbst- 
mord zu   erklären,    denn    solche  Bildungsfehler    und   ähnliche 


—    289    — 

moralische  Aufregungen  sind  in  sehr  vielen  anderen  Fällen 
eingetreten  ohne  dieselben  Folgen,  so  dass  wahrscheinlich  der 
Kontrast  zu  ihrer  Erziehung  und  den  früheren  Gewohnheiten 
viel  beigetragen  haben  wird.  Wenige  andere  Beispiele  von 
Selbstmord  sind  uns  bekannt  geworden,  leider  ohne  hin- 
reichende Nachrichten  über  den  körperlichen  oder  mora- 
lischen Zustand  der  Kranken,  mit  Ausnahme  des  von  Re- 
verchon  mitgeteilten,  bei  dem  seltsame  Verwickelungen  und 
schwere  Wirkungen  eintraten.  Aber  im  allgemeinen  werfen 
sie  kein  Licht  auf  die  Ätiologie,  ausgenommen  die  Missbildung 
der  Geschlechtsteile.  Ein  jugendlicher  Selbstmörder  wird  von 
Porro  erwähnt  (Beob.  43,  Kap.  I)  mit  der  Nachricht,  dass 
seine  Missbildung  der  seines  ebenfalls  noch  Jugendlichen 
Vaters  gleich  war.  Ein  anderer  Selbstmörder  war  der  von 
C.  Langer  im  Jahre  1881  sezierte  Soldat,  ein  männlicher 
Pseudo-Hermaphrodit,  ohne  Ovarien,  mit  Ektopie  eines  Hodens, 
(p.  71,  Beob.  43.) 

Die  schwerste,  ungewöhnlichste  Thatsache,  die  mit  ge- 
schlechtlichen Missbildungen  in  Verbindung  steht,  ist  fol- 
gende von  Reverchon  beschriebene  (Beob.  53),  bei  der  es 
sich  nicht  um  Selbstmord,  sondern  um  freiwilligen  Mord 
handelt,  und  deren  Ätiologie  durch  erbliche  Psychopathie  auf- 
geklärt wird.  Einer  Weberin,  namens  Maria  Chupin,  mit  erb- 
licher Belastung  (3  Demente  auf  mütterlicher,  ein  Epileptiker 
auf  väterlicher  Seite),  mit  spät  erscheinender  Intelligenz,  die 
erst  mit  13  Jahren  lesen  lernte,  sprossten,  statt  des  Auf- 
tretens der  Menstruation,  Haare  im  Gesicht;  sie  zeigte  grosse 
Neigung  zu  religiösen  Übungen,  aber  kein  Anzeichen  von  sexuellen 
Instinkten.  Mit  15  Jahren  fing  sie  an,  mit  ihrem  Bruder  zu 
streiten,  weil  sie  beschuldigt  wurde,  die  häuslichen  Arbeiten 
zu  vernachlässigen,  so  dass  das  Mädchen  jähzornig  und  selt- 
sam wurde. 

Mit  25  Jahren,  als  sie  bei  einer  Cousine  schlief,  bemerkte 
sie,  dass  diese  geschlechtlich  anders  beschaffen  war,  als  sie 
selbst  und  fing  an,  Zeichen  von  Wahnsinn  zu  geben.  Da  sie 
sich  von  dem  Joche  der  Familie  befreien  und  nicht  nach 
Hause  zurückkehren  wollte,  beschloss  sie,  ein  Kind  zu  er- 
greifen und  in  einen  Brunnen  zu  werfen,  und  sich  dann  den 
Gendarmen    zu    überliefern,    fest    überzeugt,    dass    das   Kind 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  '  19 


—    290    — 

in  den  Himmel  kommen  würde.  So  that  sie;  sie  wurde 
gefangen  genommen  und  dann  ins  Irrenhaus  gebracht,  wo  sie 
als  Mann  gekleidet  wurde.  Der  Autor  besuchte  sie  und  be- 
richtete, Maria  sei  171  cm  hoch,  habe  einen  Bart,  männliche 
Stimme,  einen  gekrümmten  Penis  mit  Hypospadie  der  ganzen 
Länge  nach  (vollständiger).  In  die  Furche  des  Scrotums 
mündete  die  Urethra  (scrotale  Hypospadie)  mit  einem 
zweiten,  blinden  Kanäle  darunter,  der  9  cm  laug  war  (Vagina). 
Der  Scrotalsack  enthielt  rechts  einen  atrophischen  Hoden  und 
einen  Leistenbruch.  Maria  erkannte  ihr  Unrecht,  behielt  aber 
seltsame,  leichtsinnige  Ideen  bei  und  blieb  gestört,  weshalb  sie  im 
Irrenhause  zurückbehalten  wurde. 

Ehescheidung  und  Ungültigkeit  der  Ehe.  Bei  den 
angeführten  psycho -sexualen  Störungen  haben  wir  bemerkt, 
dass  die  intellektuellen  Erscheinungen  die  physischen  Al- 
terationen dem  Grad  und  der  Qualität  der  Alterationen  nach 
nicht  gleichförmig  begleiten,  oder  ihnen  nachfolgen.  Nun  können 
wir  voraussehen,  dass  dasselbe  in  Bezug  auf  die  Ehescheidung 
(wo  sie  erlaubt  ist)  und  der  Ungültigkeit  der  Ehe  der  Fall 
sein  wird,  und  dass  also  beide  nicht  mit  einer  Gruppe  von 
Missbildungen,  wie  die  urethro- sexualen,  konstant  verbunden 
sein  werden,  und  noch  viel  weniger,  dass  ihnen  gleichförmige 
Umstände  vorhergehen,  die  geeignet  wären,  dasselbe  Ee- 
sultat  hervorzubringen.  Wenn  dagegen  die  Missbildungen  nicht 
eine  Gruppe  bilden,  sondern  vereinzelt  auftreten,  dann  bringen 
sie  mancherlei  örtliche  Störungen  hervor,  aber  keine  intellektuellen 
(psychopathischen)  Erscheinungen.  Da  wir  einige  Beispiele  von 
verschiedenartigen  Veranlassungen  zur  Ehescheidung  geben 
wollen,  erwähnen  wir  den  seltsamen,  aber  zugleich  natürlichen 
Fall  von  Volaterranoi),  von  einem  Mädchen,  das  sich  verhei- 
ratete, worauf  sich  bei  demselben  männliche  Organe  entwickelten. 
(Die  sogenannte  Verwandlung  des  Geschlechts.)  Darauf  bat 
die  Gattin  Alexander  VI.  um  Auflösung  der  Ehe,  aber  das 
Eesultat  ist  nicht  bekannt.  Ein  zweiter  Fall  wird  von  Cal- 
dani2)  im  Jahr  1794  erzählt  und  zeigt  eine   seltsame  Veran- 


^)  S.  Augustinus,  De  civitate  Dei.  Libr.  3,  Cap.  31. 
2)  L.  M.  A.  Caldani  (Padova),   Lettera   al  Dr.  V.  Zeyiani.     Mein, 
della  SOG.  ital.  Verona,  1794,  T.  VII,  p.  130. 


—    291    — 

lassung  zur  Scheidung.  Domenica  Scappato  aus  Padua,  40  Jahre 
alt,  von  hoher  Gestalt,  amenorrhoisch,  verheiratete  sich  mit 
17  Jahren,  aber  nach  18  Monaten  verklagte  sie  der  G-atte  vor 
dem  geistlichen  Grerichte  als  untauglich  zur  Ehe.  Ärztliche 
Sachverständige  vvaren  dem  Manne  günstig  und  sprachen  die 
Scheidung  vom  Bett  aus.  Die  Frau  ärgerte  sich  über  das 
Urteil  und  verlangte  die  Rückgabe  der  Mitgift,  was  der  Mann 
zugestand,  sobald  sie  regelmässig  geschieden  sein  würden. 
Dies  veranlasste  eine  neue  gerichtlich-medizinische  Unter- 
suchung der  Frau,  durch  welche  die  Untauglichkeit  der  Frau 
wegen  übermässiger  Grösse  der  Clitoris  bestätigt  wurde.  (In 
Fig.  rV  der  beigefügten  Tafel  sieht  man  vom  Präputium  zwei 
Bänder  zu  den  grossen  Schamlippen  herabsteigen,  und  zwei 
innere,  die  der  Verfasser  für  ein  doppeltes  Frenulum  hält,  das 
eine  unter  der  Clitoris  liegende  Spalte  begrenzt.)  Unter  den 
Gründen  für  die  Scheidung  verdient  besondere  Beachtung  der- 
jenige der  Frau,  weil  er  beweist,  dass  die  Veröffentlichung  körper- 
licher Fehler  einer  Frau  bei  dieser  eine  Eeaktion  hervorruft, 
die  sie  veranlasst,  einen  zweiten  Prozess  anzufangen  mit  der 
Aussicht  auf  eine  zweite  gerichtlich-medizinische  Untersuchung. 
Ein  ähnlicher  Fall  wie  der  von  Caldani  wurde  von 
Vinc.  Chiarugi  (Prof,  in  Florenz)  im  Jahre  1819  publizierti). 
Dieser  erzählt:  Rosa  N.  N.  verheiratete  sich  im  Jahre  1804 
im  Alter  von  38  Jahren ;  sie  hatte  männliche  Formen.  Aber 
nach  18  Monaten  brachte  der  Gatte  eine  Klage  auf  Ehe- 
scheidung vor  der  bischöflichen  Curie  von  Fiesole  ein.  Die 
Curie  beauftragte  einen  Arzt,  der  die  Gattin  für  eine  zur  Ehe 
unfähige  Frau  erklärte.  Aber  die  Frau  erzürnte  sich  über 
dieses  Urteil  und  wanderte  nach  Florenz  aus,  wo  sie  von  der 
Arbeit  ihrer  Hände  lebte,  während  der  Gatte  diese  freiwillige 
Trennung  11  Jahre  lang  ertrug.  Dieses  Zustandes  müde, 
fing  er  einen  neuen  Prozess  an,  um  von  dem  Florentiner  Metro- 
politan die  gesetzliche  Lösung  der  Ehe  zu  erlangen.  Dieser 
beauftragte  Prof.  Chiarugi,  den  Verfasser   des  Berichts,   mit 


1)  V.  Cliiarugi,  Sopra  una  supposta  forma  di  ermafroditismo.  Lettera 
al  Prof.  Tommasini.  Firenze  1819  (in  26").  —  Taruffi,  Note  2, 
Beob.  26.  —  Wir  wissen,  nicht,  ob  dieser  Autor  ein  Verwandter  des  jetzigen 
Prof.  Giulio  Chiarugi,  eines  trefflichen  Anatomen,  ist. 

19* 


—    292    — 

der  Untersucliung  der  Frau,  aus  welcher  Folgendes  hervorgeht: 
Eosa  N.  N.  gab  52  Jahre  an,  hatte  in  der  That  männlichen 
Habitus,  am  Arcus  pubis  eine  undurchbohrte  Eichel  mit 
Präputium  und  einem  querfingerlangen  Freuulum,  an  dessen 
Ende  sich  die  Urethra  öffnete.  Der  Verf.  schweigt  über 
das  Fehlen  des  Peniskörpers,  sagt  aber,  hinter  der  Münd- 
ung der  Urethra  seien  einige  Falten  sichtbar  gewesen, 
auf  welche  die  Rhaphe  des  Scrotums  folgte.  Dieses  wurde  dar- 
gestellt durch  zwei  an  den  Schenkeln  anliegende  kleine  Beutel, 
von  denen  jeder  eine  Hernie  enthielt.  Wenn  man  die  Hernien 
ins  Abdomen  zurückbrachte,  traten  aus  den  Leistenringen  zwei 
Hoden  hervor.  Daher  schloss  der  Verf.,  es  handele  sich  um 
einen  Mann  mit  unvollkommen  ausgebildeten  Geschlechtsteilen,  so 
dass  dieser  Mann  unfähig  war,  eine  vollständige  Copula  aus- 
zuführen. 

Es  giebt  auch  Scheidungsklagen  von  Frauen,  welche  die 
sterile  Scheidung  einem  impotenten  Gatten  vorzogen,  und  ein 
Beispiel  wurde  von  Leuckarti)  mit  einer  verheirateten 
Bäuerin  geliefert,  die  sich  sogleich  von  ihrem  Manne  trennte 
und  dann  bis  zu  ihrem  74-.  Jahre  lebte.  Bei  der  Sektion 
wies  sie  alle  männlichen  Charaktere  auf  und  zeigte  ausserdem 
zwei  Kanäle,  die  in  die  Samenbläschen  mündeten.  Hier  fügen 
wir  eine  andere  gerichtlich-medizinische  Beobachtung  an,  nicht 
wegen  einer  Trennung  der  Gatten,  sondern  wegen  der  Unter- 
suchung, ob  das  Mädchen  zur  Ehe  tauglich  sei.  Werbe  2)  er- 
zählt, dass  ein  Mädchen  mehrfach  zur  Ehe  verlangt  wurde, 
aber  nach  der  Pubertät  war  die  Menstruation  nicht  eingetreten, 
während  die  Anmut  des  Gesichts  zu  schwinden  anfing,  um 
männlichen  Zügen  Platz  zu  machen.  Darum  verlangten  die 
beunruhigten  Eltern  ein  gerichtlich-medizinisches  Gutachten  über 
den  Zustand  ihrer  Tochter.  Dieses  Gutachten  überraschte  und 
betrübte  das  Mädchen  sehr,  denn  sie  erkannte,  dass  sie  ein  Mann 
sei  und  nicht  heiraten  könne.  Es  dauerte  lange,  ehe  das  an- 
gebliche Weib  sich  von  ihrer  Beunruhigung  erholte  und  endlich 


1)  K.  G.  F.  E.  Leuckart  (Leipzig),  Illustr.  med.  Zeitschr.  1817,  Bd.  1. 
—  Taruffi,  Mem.  cit.  1899,  T.  VII,   p.  740.    —   Vgl.   pag.   64.    Beob.  6. 

^)  Observ.  sur  un  hypospadias,  qui  a  rendu  l'existence  civile  d'un  in- 
dividu  fort  ambigue.     Bullet.  Soc.  medic.  Paris  1815,  No.  5,  p.  364. 


—    293    — 

das  Gericht  ersuclite,  ihre  Geburtsakten  zu  herichtigen.  Aus 
dieser  Geschichte  folgt,  dass  nicht  nur  die  von  dem  Gatten 
verlangte  Scheidung  die  Frau  beunruhigt,  sondern  dass  sich  diese 
auch  dann  beunruhigt,  wenn  sie  öffentlich  dazu  gezwungen 
wird,  ihr  Geschlecht  berichtigen  zu  lassen. 

Endlich  noch  einen  anderen  Fall  von  wirklicher  Nullität 
der  Ehe,  der  das  geistliche  und  bürgerliche  Gericht  der  Provinz 
Eom  lange  beschäftigt  hat.  Faustina  N.  N.  verheiratete  sich 
mit  21  Jahren,  aber  ihr  Gatte  fand  Schwierigkeiten  bei  Er- 
füllung seiner  ehelichen  Pflicht,  so  dass  er  versuchte,  mit  einem 
kleinen  Messer  den  zu  engen  Teil  zu  erweitera,  doch  ohne 
Erfolg.  Unterdessen  bemerkte  Faustina,  dass  sie  ein  Organ 
besass,  das  die  Paarung  verhinderte,  erzählte  ihre  Sorgen  der 
Frau  ihres  Bruders  und  verliebte  sich  zuletzt  in  dieselbe.  Nach 
10  jährigem  Zusammenleben  mit  ihrem  Gatten  verlangte  sie  im 
Tahre  1870  von  ihm  geschieden  zu  werden.  Der  Sachverständige 
Badalonii)  erkannte  bei  der  Frau  männliche  Organe,  nämlich 
Hoden  und  einen  Penis,  und  ausserdem  Hypospadie,  weshalb 
das  Tribunal  die  Ehe  aufhob  und  den  Namen  Faustina  in 
Faustino  verbesserte.  Dies  beweist,  dass  es  Männer  giebt,  die 
die  Hindernisse  geduldig  ertragen,  und  Weiber,  die  den  Gatten 
verlassen,  um  ihren  natürlichen  Trieben  zu  folgen.  Es  lehrt 
ferner,  dass  geschlechtliche  Hindernisse  Veranlassung  zu  gefähr- 
licher Erweiterung  zu  enger  Teile  geben. 

Chirurgische  Hilfe.  Der  Versuch  des  Gatten  Faustinas 
veranlasst  uns,  einige  chirurgische  Operationen  zu  erwähnen, 
die  zur  Besserung  gewisser  angeborener  Anomalien  der  Ge- 
schlechtsteile unternommen  worden  sind;  diese  betreffen  Hypo- 
spadie, Amputation  der  Clitoris,  angeborene  Verengerung  der 
Vulva  und  Vagina  und  Eecto-Vaginalflsteln.  Die  Behandlung 
und  die  Operationsverfahren  sind  schon  praktisch  verwendet 
und  haben  keine  direkte  Beziehung  zu  den  Wirkungen  der 
sexuellen  Psychopathien,  darum  beschränken  wir  unseren  Bericht 
auf  zwei  neue,  kühne  Operationen:  die  eine,  um  den  Mangel 
eines  Organs  zu  ersetzen,   die  andere,  um  das  Geschlecht  der 


0  Grins.  Badaloni,  Bull,  della  E.  Acc.  di  Roma,  1885.  —  Gazz. 
degli  Osped.  di  Milano.  Luglio,  1885.  Con  3  fig.  —  Taruffi,  Nota  2, 
Osserr.  66. 


-    29i    — 

Kranken  zu  diagnostizieren.  Die  erste  stammt  von  Coste  in 
Marseille  (Note  2,  Beob.  31),  welcher  von  einem  21  jährigen 
menstruierten  Mädchen  erzählt,  das  sich  zu  verheiraten  wünschte, 
obgleich  sie  einen  kindlichen  Penis  ohne  Urethra  und  keine 
Scheidenöffnung  hatte,  mit  zwei  grossen  Schamlippen,  von  denen 
die  eine  einen  Hoden  enthielt.  Dennoch  stand  sie  nicht  an, 
sich  eine  künstliche  Scheide  machen  und  den  angeblichen  Penis 
(Clitoris)  amputieren  zu  lassen,  und  verheiratete  sich  8  Monate 
darauf.  Aber  der  Autor  sagt  nicht,  ob  die  angebliche  Frau 
später  Nachkommen  hatte.  Dieser  Fall  würde  von  chirurgischer 
Wichtigkeit  sein,  wenn  die  Beschaffenheit  und  die  Ausdehnung 
der  durchschnittenen  Teile  angegeben  wären. 

Von  grösserer  Wichtigkeit  ist  die  Beobachtung  von  Porroi) 
(Beob.  43),  obgleich  sie  weder  auf  die  Gruppe  der  urethro- 
sexualen  Affektionen,  noch  auf  ihre  Komplikationen  oder  ihre 
Folgen  ein  helleres  Licht  wirft,  sondern  nur  gestattet,  das 
Geschlecht  eines  mit  einem  oder  mehreren  Charakteren  der- 
selben Gruppe  behafteten  Individuums  zu  erkennen.  Wir  haben 
schon  angegeben,  wie  häufig  die  Fälle  von  zweifelhaftem  Ge- 
schlecht sind,  und  dass  dies  besonders  bei  verborgenen  Hoden 
vorkommt,  welche  oft  in  den  Leistenkanälen  zurückbleiben, 
Porro  beabsichtigte  in  einem  solchen  Falle,  den  in  der  Leisten- 
gegend verborgenen  drüsigen  Körper  blosszulegen  und  entdeckte, 
dass  es  ein  Hode  mit  allen  seinen  Eigenschaften  war.  So  hat 
er  gezeigt,  dass  man  durch  eine  unschädliche  und  leicht  zu 
heilende  Operation  eine  verhältnismässig  häufige  Frage  beant- 
worten und  einer  Familie  den  Frieden  wiedergeben  kann,  indem 
man  das  Geschlecht  eines  Kindes  bestimmt.  Was  die  klinischen 
Charaktere  des  Mädchens  betrifft;  das  als  Knabe  erkannt  wurde, 
so  verweisen  wir  auf  die  schon  angeführte  Geschichte,  der  hier 
nichts  Neues  hinzuzufügen  ist. 

Erotische  Erweiterung  der  Urethra.  Wir  haben 
schon  weiter  oben  die  merkwürdigen  Fälle  erwähnt,  bei 
denen  geschlechtliche  Hindernisse  des  Coitus  zur  Sodomie 
führten,  darunter  den  denkwürdigen  pariser  von  Luis  Anto  nius, 
dessen  Bekanntmachung  wir  Benedikt  XIV.  verdanken,  während 


^)  Prof.  Ed.  Porro,   Indagine  cruenta  per  giudicare  con  sicurezza  del 
sesso.     Gazz.  med.  lomb.     Milano,  1862,  No.  51,  p.  515. 


—    295    — 

die  These  im  Jahre  1754  vom  Parlament  verboten  wor- 
den war.  (Vgl.  p.  24:8.  Note  5.  Beobacht.  5.)  Hier  er- 
wähnen wir  nur  zwei  neuere  Fälle,  bei  denen  physische  Hinder- 
nisse zur  Erweiterung  der  Urethra  führten,  und  für  die  wir 
die  Benennung  „Erotische  Erweiterung  der  Urethra"  eingeführt 
haben.  Dieser  Titel  wird  anatomisch  seltsam  erscheinen,  aber 
für  die  Chirurgen  ist  er  durchaus  nicht  unwahrscheinlich,  da 
man  weiss,  wie  leicht  sich  die  weibliche  Urethra  erweitern 
lässt,  so  dass  sie  die  Einführung  von  Instrumenten  zur  Aus- 
ziehung des  Steins  ohne  vorhergehenden  Einschnitt  erlaubt. 

Sehr  interessant  ist  der  Fall  der  Faustina  Mauro,  die  für 
eine  Frau  mit  zwei  grossen  Schamlippen  und  einer  grossen 
Clitoris  gehalten  wurde;  später  fand  man  darin  die  Hoden  und 
einen  echten  Penis.  Da  sie  sich  in  eine  Frau  verliebt  hatte, 
verlangte  sie  die  Nichtigkeitserklärung  ihrer  Ehe  nach  10  jährigem 
Zusammenleben  mit  ihrem  Gatten.  Das  Gericht  ordnete  eine 
Untersuchung  an,  und  der  Sachverständige  fand  eine  Furche 
unterhalb  der  Clitoris,  die  sich  in  einen  Kanal  erweiterte,  der 
zu  einer  mit  Schleimhaut  bekleideten  Öffnung  führte.  Durch 
diese  Öffnung  gelangte  ein  Finger  in  die  Blase,  was  der  Sach- 
verständige für  die  Wirkung  wiederholter  Versuche  zum  Coitus 
hielt.  Er  urteilte,  es  handele  sich  um  perineale  Hypospadie 
bei  einem  Mann,  ohne  eine  Spur  von  weiblichen  Organen. 
(Beob.  66,  wo  sich  weitere  Einzelheiten  finden.) 

Die  zweite  Beobachtung  ist  ebenso  wichtig  und  rührt  von 
Do  hm  her  (Beob.  67).  Eine  Frau  von  31  Jahren,  seit  6  Jahren 
verheiratet,  zuerst  amenorrhoisch,  dann  unregelmässig  men- 
struiert, mit  weiblichem  Habitus.  Sie  hatte  zwei  Labia  majora, 
von  denen  jede  einen  beweglichen  Körper  von  verschiedener 
Grösse  enthielt  und  eine  einem  Penis  ähnliche  Clitoris,  mit 
Kapuze,  die  sich  in  die  Labia  minora  fortsetzte,  aber  keine 
Spur  von  inneren  weiblichen  Organen,  Man  bemerkte  jedoch 
eine  sehr  weite  Öffnung  der  Urethra,  so  dass  sie  die  Einführung 
des  Fingers  in  die  Blase  erlaubte,  worin  sich  Blutpolypen  be- 
fanden, welche  die  unregelmässige  Blutung  erklärten.  Das 
Interessanteste  war,  dass  die  Frau  den  Verf,  wegen  Störungen 
bei  Erfüllung  der  ehelichen  Pflicht  um  Rat  fragte;  so  erfuhr 
der  Verf.,  dass  der  Gatte,  ohne  es  zu  wissen,  sich  der  Urethra 


—    296    - 

bediente,  und  die  Frau  die  Ursache  der  Störungen;  dennoch 
zog  sie  vor,  als  Frau  in  ihrer  friedlichen  Ehe  weiter  zu  leben. 
Komplizierte  und  dunkle  Vorgänge.  Es  ist  selt- 
sam, dass  unter  den  84  gesammelten  Fällen  sich  nur  einmal 
die  Greschichte  der  Flucht  eines  jungen  Mädchens  aus  dem 
väterlichen  Hause  findet,  während  dies  unter  Personen  ohne 
Missbildung  der  äusseren  weiblichen  Geschlechtsteile  häufig 
vorkommt.  Der  Fall  gehört  Sinibaldi  an  (Beob.  2),  welcher 
erzählt,  ein  Mädchen  sei  aus  ihrem  Vaterlande  geflohen,  nach- 
dem es  seine  Umwandlung  in  einen  Mann  bemerkt  habe.  Dieser 
Fall,  ohne  weitere  Nachrichten,  lässt  sich  nur  durch  die  An- 
nahme erklären,  dass  das  angebliche  Mädchen  sich  schämte, 
seiner  Familie  seine  Umwandlung  mitzuteilen,  besonders  wenn 
zugleich  vorhandene  erotische  Triebe  ihm  beschwerlich  wurden. 
Ein  ebenso  seltsamer  Fall  ist  von  Dr.  Auria  erzählt  worden 
(Beob.  1).  Er  betrifft  eine  Frau,  bei  der  nach  der  Heirat 
Hoden  und  Penis  erschienen.  Nach  5  jähriger  Ehe  starb  der 
Gatte;  bis  dahin  hatte  sie  immer  das  Geheimnis  bewahrt.  Die 
betrübte  "Witwe  wendete  sich  an  den  Erzbischof  von  Palermo, 
um  ihm  den  seltsamen  Vorgang  mitzuteilen,  und  dieser  schickte 
sie  an  den  König  von  Spanien.  Von  den  ihr  in  Madrid  er- 
teilten Eatschlägen  wissen  wir  weiter  nichts,  als  dass  die  an- 
gebliche Frau  als  Priester  gekleidet  nach  Palermo  zurück- 
kehrte. 

Ein  anderer,  von  Lombroso  mitgeteilter  Fall  (Beob.  48) 
ist  ebenfalls  sehr  dunkel  in  Bezug  auf  den  Zusammenhang  der 
psychischen  Störungen  der  angeblichen  Frau,  so  dass  er  zu  den 
zur  Erklärung  der  Psychopathien  wenig  günstigen  Fällen  gehört. 
Ein  Mädchen  aus  guter  Familie,  mit  einem  Kropf,  mit  männ- 
lichem Habitus  und  weiblichen  Gesichtszügen,  war  maniakalisch 
und  betrübte  sich  sehr,  als  sie  ihre  geschlechtliche  Missbildung 
bemerkte.  Sie  hatte  eine  Vulva  und  grosse  Schamlippen  mit 
Hoden  und  eine  sehr  grosse  Clitoris  (Mikrophallus  mit  Hypo- 
spadie),  aber  keine  Vagina.  Mit  dieser  Beschreibung  ist  es 
unmöglich,  den  Ursprung  und  die  Natur  ihres  Leidens  zu  er- 
klären. 

Wir  haben,  so  weit  es  möglich  war,  die  biographische 
Analyse  der  von  uns  gesammelten  Fälle  vollendet  (s.  Note  2) ; 
es  bleibt  uns   noch  übrig,    über   die  von  anderen,   sowohl   aus 


—    297    — 

diesen  Thatsachen,  als  aus  den  von  ihnen  selbst  beschriebe- 
nen gezogenen  Schlüsse  zu  berichten.  Einige  versuchten 
am  Anfang  dieses  Jahrhunderts  allgemeine  Betrachtungen 
vorzutragen,  wie  Dailliez.  Er  machte  einige  ungedruckte 
oder  wenig  bekannte  Greschichten  zum  Gegenstande  einer " 
These  1),  in  der  die  Schlüsse,  wie  vorauszusehen  war,  zu 
allgemein  und  zu  kühn  waren.  So  behauptete  er,  die  Indivi- 
duen mit  zweifelhaftem  Geschlecht  bildeten  eine  Gruppe  von 
physisch  und  moralisch  krankhaften  Subjekten,  sie  seien  bald 
demoralisiert,  bald  Betrüger,  bald  doppelten  Charakters.  In- 
folgedessen ist  diese  These  der  Vergessenheit  anheimge- 
fallen. 

Ein  weiterer  Schritt  wurde  im  Jahre  1814  von  Worbe 
gethan2),  der  einige  sehr  wichtige  Beobachtungen  mitteilte, 
darunter  eine  mit  dem  Titel:  „Über  die  Hypospadie,  welche 
die  bürgerliche  Existenz  eines  Individuums  sehr  zweideutig 
machte  und  viele  einander  widersprechende  gerichtliche  Ver- 
handlungen hervorrief."  Diese  Arbeit  hatte  zwei  Verdienste: 
einmal,  dass  sie  die  Existenz  von  Individuen  beweist,  deren 
Geschlecht  man  nicht  bestimmen  kann;  ferner,  dass  dieser 
Zustand  gewöhnlich  lange  und  schwierige  Fragen  veranlasst. 
Das  erste  Verdienst  erwarb  der  berühmte  französische  Teratolog 
Is.  G.  St.  Hilaire  im  Jahre  18363),  der  bei  Sammlung  einiger 
anderen  Fälle  von  zweifelhaftem  Geschlecht  diverse  fand,  bei 
denen  der  beklagenswerte  Irrtum  begangen  worden  war,  dass 
man  hermaphroditische  Männer  zu  den  Weibern  gerechnet  hatte. 
Bei  diesen  bemerkt  der  Verf.,  dass  die  männlichen  Charaktere 
fortbestehen  trotz  der  Erziehung  und  der  häuslichen  Gewohn- 
heiten, d.  h.  der  betreffende  moralische  Charakter,  sowie  die 
physischen  Handlungen  bestehen  fort,  so  dass  der  angeborene 
Einfluss  des  männlichen  Geschlechts  sich  durch  Unterricht  und 
Kleidung  nicht  verbergen  lässt. 


^)  G.  D  ailliez  (Cambrai),  Les  sujets  de  sese  douteux.  These  de  Paris, 
1823,  Bailliere,  1893. 

2)  Worbe,  Bull,  de  la  fac.  de  med.  de  Paris,  1814—1815,  T.  IV, 
p.  364—372.  —  Taruffi,  Note  2,  Beob.  23. 

2)  Is.  G.  St.  Hilaire,  Hermaplirodisme  masculin,  T.  II,  Paris,  1836, 
Bruxelles,  1837,  p.  48. 


—    298    — 

Als  wir  vom  körperliclien  Habitus  sprachen,  zeigten  wir, 
dass  die  Angabe  St.  Hilaires  deutliche  Ausnahmen  erleidet; 
dennoch  ist  sie  oft  wahr  und  vermehrt  die  Schwierigkeit  der 
Diagnose.  Hier  erwähnen  wir  nur  den  Fall  von  Individuen, 
die  von  Geburt  an  klinisch  für  zweifelhaften  Gleschlechts  ge- 
golten hatten  und  die  unglücklichen  Folgen  trugen,  obgleich  in 
ihrer  Jugend  und  ihrem  Mannesalter  die  Wahrheit  an  den  Tag 
kam,  aber  nicht  hinreichend  beachtet  wurde.  Diese  Individuen, 
die  schon  in  früheren  Jahrhunderten  beschrieben  worden  sind 
(s.  Pinaeus,  pag.  10),  wurden  in  unserer  Zeit  besonders  in 
Frankreich  (soviel  wir  wissen)  von  einigen  Chirurgen  und  Ge- 
burtshelfern von  neuem  untersucht,  die  sie  mit  Zufügung  einiger 
besonderer  Betrachtungen  beschrieben  haben.  Z.  B.  sprach 
Follini)  eine  allgemeine  Wahrheit  aus,  dass  nämlich  in  den 
Fällen  von  Hermaphrodismus  (in  weiterem  Sinne)  die  Diagnose 
nur  bei  der  Sektion  gemacht  werden  kann.  Henriette^), 
Duf  our^)  und  Chesneut*)  haben  Beispiele  mitgeteilt,  bei  denen 
sie  auf  die  grossen  Schwierigkeiten  der  Diagnose  hinwiesen. 
In  Bezug  auf  diese  und  ohne  Zweifel  auf  andere  Beobachtungen, 
die  wir  nicht  kennen,  haben  die  deutschen  Juristen  besondere 
Verfügungen  in  das  deutsche  Gesetzbuch  eingeführt,  wie  man 
bei  Caspers)  in  einer  der  Ausgaben  zwischen  1856  und  1864 
findet. 

Allgemeines  Landrecht,  Tit.  I.,  T,  I,  §  19.  Wenn  ein  Kind 
als  Hermaphrodit  geboren  wird,  entscheiden  die  Eltern,  zu 
welchem  Geschlecht  es  gehören  soll. 

Ibid.  §  20.  Nach  zurückgelegtem  18.  Jahre  hat  der  Herm- 
aphrodit das  Recht,  selbst  sein  Geschlecht  zu  wählen. 


^)  F  oll  in,  Individue  qui  presente  ä  la  fois  les  organes  genitaux 
mäles   et   femelies.     Gaz.  des  hopit.  4  Dec.  1851. 

^)  Henriette,  Est-ce  un  gargon?  Est-ce  une  fille?  oii  les  medecins 
et  les  officiers  de  l'etat  civil  dans  l'embarras.  Journ  de  med.  Janv.  1855. 
Canstatts  Jahresber.  für  1855,  Bd.  IV,  p.  30. 

^)  Vice  de  conformation  des  organes  genitaux  externes.  Bull,  de  la 
soc.  anat.  de  Paris,  A.  31.     Paris,  1856,  Ser.  2,  T.  I,  p.  262. 

*)  Chesneut,  Question  d'identite;  vice  de  conformation  des  organes 
genitaux;  hypospadias ;  erreur  sur  le  sexe.  Ann.  d'hyg.  publ.  et  de  med. 
legale.  Paris,  1860,  Ser.  2,  T.  XIV,  p.  206—209. 

^)  J.  L.  Casper,  Praktisches  Handbuch  der  gerichtlichen  Medizin. 
1856,  Bd.  2,  4.  Aufl.  1864:.     Mit  Atlas. 


—    299    — 

Ibid.  §  21.  Nach  dieser  Wahl  werden  dann  seine  Rechte 
bestimmt. 

Ibid.  §  22.  -Wenn  die  Eechte  eines  Dritten  von  dem  Ge- 
schlecht des  angeblichen  Hermaphroditen  abhängen,  kann  dieser 
ärztliche  Untersnchung  beantragen. 

Ibid.  §  23.  Das  Resultat  der  Untersuchung  des  Sachver- 
ständigen entscheidet  sowohl  gegen  die  Wahl  des  Hermaphro- 
diten, als  gegen  die  der  Eltern. 

Nachdem  er  diese  gesetzlichen  Vorschriften  angeführt  hat, 
sagt  Casper,  wenn  ein  Arzt  bei  der  Entscheidung,  ob  ein 
Individuum  männlich  oder  weiblich  sei,  einen  Irrtum  begehe, 
sei  er  um  so  eher  zu  entschuldigen,  wenn  er  nicht  einige  sicht- 
bare und  alle  anatomischen  Zeichen  benutzen  könne.  So 
besass  Maria  Derrier  (Beob.  2)  eine  Sammlung  von  Zeug- 
nissen berühmter  Anatomen  ihrer  Zeit,  von  denen  einige  sie 
für  einen  Mann,  andere  für  eine  Frau  erklärten.  Diese  An- 
sicht Caspers  wurde  dann  im  Jahre  1861  von  Lombroso 
wiederholt,  welcher  sagte,  die  Untersuchung  von  Pseudo-Herm- 
aphroditen  während  ihres  Lebens  verlange  grosse  Vorsicht  bei 
entscheidenden  Schlüssen  i). 

Ob  das  angeführte  preussische  Gesetz  jetzt  noch  gilt,  wissen 
wir  nichts).  Aber  es  ist  bemerkenswert,  dass  es  zum  Teil  das 
römische  Recht  aufrecht  erhält,  denn  es  ist  bekannt,  dass 
UlpianS)  ein  geschicktes  Auskunftsmittel  erdachte,  um  das 
Geschlecht  eines  Neugeborenen  zu  bestimmen,  mit  dem  Unter- 
schiede, dass  das  preussische  Gesetz  eine  mit  dem  Ulpian- 
schen  übereinstimmende  Verordnung  hinzufügte,  die  für  die 
Rechte  Dritter  sorgte ;  auf  diese  Weise  genügte  das  Gesetz  für 
Fälle  von  zweifelhaftem  Geschlecht.  Ob  das  Gesetz  wirklich 
gut  war  und  alle  Klippen  vermied,  das  überlassen  wir  dem 
Nachdenken  der  Juristen,  uns  genügt  es,  dass  schon  Ulpian 
sagte:  „Quaeritur,  hermaphroditum  cui  comparamus?  et  magis 
puto  ejus  sexum  aestimandum,  qui  in  eo  praevalet." 

^)  Ges.  Lombroso,  Caso  d'  ermafrodismo.  Giorn.  delle  mal.  vener. 
Milane,  1867,  Vol.  IV,  p.  306. 

■^)  Vgl.  W.  Rudeck,  Medizin  ii.  Eecht.  2.  Aufl.  pag.  354:  Strittiges 
Geschlecht  und  Zeugungsunfäliigkeit.  Berl.  1902.  Daselbst  finden  sich  auch 
einige  Beobachtungen. 

•'')  Ul planus.  De  hermaphrodito.  Lib.  1  ad  Sabinum.  Digestorum 
liber  primus,  titulus  quintus. 


—    300    — 

Die  medizinisclieii  Arbeiten  Caspers,  die  sich  auf  die 
Gesetzgebung  beziehen,  wurden  überall  geschätzt,  und  die 
Hauptwerke  ins  Italienische  und  ins  Französische  übersetzt.  Die 
Turiner  Ausgabe  von  1869  enthält  wichtige  Anmerkungen  von 
Prof.  De  Maria,  von  denen  einei)  sich  auf  ein  60 jähriges  In- 
dividuum bezieht,  das  mehrere  Jahre  als  Gatte  mit  einer  Frau 
lebte.  Später  ergab  sich  dieser  Gatte  Ausschweifungen  mit 
Weibern.  Als  dann  die  angebliche  Frau  starb,  bewies  die 
Sektion,  dass  es  sich  um  einen  Mann  handelte.  In  dieser  Be- 
ziehung schlägt  De  Maria  nicht  gleiche,  aber  ähnliche  Ver- 
ordnungen vor,  wie  das  preussische  Gesetz,  um  schwere  Ver- 
stösse gegen  die  guten  Sitten  zu  verhindern.  Aber  De  Maria 
sagt  nicht,  welcher  Art  die  ähnlichen  Verordnungen  sein  müssten, 
rät  jedoch,  auf  jede  Weise  für  die  Fälle  dieser  Art  zu  sorgen, 
und  so  geschah  ein  weiterer  Schritt  zur  Behandlung  des  zweifel- 
haften Geschlechts. 

Diese  Vorgänge  genügten  jedoch  nicht,  um  die  Juristen 
in  Bewegung  zu  setzen ;  es  waren  neue  Anregungen  nötig,  wie 
sie  es  noch  sind,  um  die  Absicht  zu  erreichen.  Darum  hat  Veit 2) 
weitere  Fälle  von  zweifelhaftem  Geschlecht  gesammelt  und 
publiziert.  Später  beschrieb  Tardieu^)  ein  neues  Beispiel,  in 
dem  er  ebenfalls  die  Notwendigkeit  anerkannte,  ein  zweifel- 
haftes Geschlecht  anzunehmen.  Dann  behauptete  Pozzi,  das 
äussere  Aussehen  der  Geschlechtsteile  genüge  nicht  zur  Be- 
stimmung des  Geschlechts  4);  da  die  angeführten  Fälle  nicht 
genügten,  fügte  Ahlfeld^)  andere  hinzu,  bei  denen  die 
Hypospadie  das  Geschlecht  des  Individuums  zweifelhaft  machte. 


^)  Siehe  die  Übersetzung  von  C  a  s  p  e  r.  Medicina  legale,  Torino,  1869, 
Vol.  II,  p.  451.  —  Vgl.  oben  pag.  245.     Beob.  3. 

2)  J.  Veit,  Krankheiten  der  weiblichen  Geschlechtsorgane.  Erlangen, 
1867,  p.  463. 

^)  A.  Tardieu,  Question  medico-legale  de  l'identite  dans  les  rapports 
avec  les  vices  de  conformation  des  organes  sexuals,  contenant  les  Souvenirs 
et  impressions  d'un  individu,  dont  le  sexe  etait  meconnu.     Paris,  1872. 

^)  Pozzi,  Seance  du  7  Juillet  1881.  Bull.  soc.  anthropol.  de  Paris, 
1881,  p.  557. 

^)F.  Ahlfeld,  Die  Missbildungen  des  Menschen.  Hypospadie. 
Leipzig,  1882,  Abschn.  II,  p.  225-226. 


—    301    — 

Endlich  erschien  die  wichtige  Arbeit  von  Garnieri),  welcher 
versicherte,  er  habe  gegen  25  Fälle  von  diagnostischen  Irr- 
tümern gesammelt,  und  zog  daraus  den  Schluss,  das  Gesetz 
müsse  in  G-eburtszeugnissen  einen  Rückhalt  für  unbestimmtes 
Geschlecht  aussprechen.  Es  müsse  nämlich  einen  suspensiven 
Vorbehalt  mit  Erwähnung  des  unbestimmten,  zweifelhaften  Ge- 
schlechts anordnen.  Dies  ist  das  praktische  Resultat,  das 
Garnier  allen  gemachten  Beobachtungen  entnommen  hat. 

Dieses  sehr  vorsichtige  Resultat  war  aber  nur  ein  Rat  und 
zugleich  zu  allgemein;  dennoch  gewann  es  sogleich  die  Billig- 
ung von  Leblond2),  Steint),  Tourdes^)  und  Filippis). 
Aber  wir  wissen  nicht,  ob  die  später  in  Europa  eingeführten 
Gesetze  diesen  Rat  befolgt  habend);  wir  wissen  nur,  dass  zur 
Schaffung  von  Einheit  in  den  deutschen  Bundesstaaten  eine 
Kommission  von  Juristen  bestellt  worden  ist,  die  viele  Jahre 
gebraucht  hat,  um  nur  die  Motive  zum  neuen  Gesetzbuche 
zu  veröffentlichen.  Diese  wurden  dann  am  29.  Dezember 
1887  dem  Kanzler  des  Deutschen  Reichs  vorgelegt  und  1888 
veröffentlicht  unter  dem  Titel:  Motive  zu  dem  Entwürfe  eines 


1)  A.  Garnier,  Du Pseudo-hermaphrodisme  comme  impediment  medico- 
legale  ä  la  declaration  du  sexe  dans  l'acte  de  naissance.  Ann.  hyg.  publ.  et 
med.  legale,  1885,  Serie  3,  T.  XIV,  p.  293. 

2)A.  Leblond,  Du  Pseudo-hermaphrodisme  comme  impediment 
medico-legal  ä  la  declaration  du  sexe  dans  l'acte  de  naissance.  Ann.  d'hyg. 
1885,  T.  XIV,  p.  293.  Er  hebt  besonders  die  ehelichen  Schwierigkeiten 
hervor,  wenn  ein  Mann  für  ein  Weib  gehalten  wurde. 

^)  S.  Stein,  Ein  Fall  von  Hermaphroditenbildung.  Inaug.-Dissert. 
Breslau,  1887.  Ein  Fall  von  Pseudo-Hermaphrodismus  von  dunklem  Ge- 
schlecht. 

*)  G.  Tourdes  (medic.-legale),  Dict.  encyclop.  des  sc.  med.  Paris, 
1888,  Ser.  4,  T.  XII,  p.  635. 

^)  A.  Filippi  (Firenze),  Manuale  di  medicina  legale.  Firenze,  1896, 
p.  129.  Er  führt  6  Fälle  von  Veränderung  des  Geschlechts  an  und  macht 
auf  die  starke  moralische  Störung  aufmerksam,  wenn  das  Geschlecht  in  vor- 
gerücktem Alter  bestimmt  wird. 

^)  Wir  haben  kürzlich  vernommen,  dass  am  18.  August  1896  das 
Bürgerliche  Gesetzbuch  des  Deutschen  Eeichs  veröffentlicht  worden  und  am 
1.  Januar  1900  eingeführt  worden  ist.  Es  enthält  keine  Bestimmung  über 
die  Individuen  von  zweifelhaftem  Geschlecht;  aber  man  muss  den  Text  selbst 
durchsehen,  da  die  Anordnungen  sich  unter  einem  anderen  Titel  befinden 
können. 


—    302    — 

Bürgerlichen  Gesetzbuches  für  das  Deutsche  Reich,  5  Vol. 
Berlin,  1888. 

Eine  ziemlich  weitläufige  Nachricht  über  die  Motive  zu 
diesem  G-esetzbuche  wurde  von  einem  Prof.  in  Lausanne, 
E.  Lehri)  gegeben;  er  teilt  mit,  dass  in  den  genannten  Mo- 
tiven Verfügungen  zur  Bestimmung  des  Greschlechts  fehlen,  und 
fügt  als  eigene  Meinung  hinzu,  diese  Auslassung  sei  sehr  ver- 
nünftig, weil  die  angeblichen,  von  den  alten  Gesetzgebern  an- 
geführten Hermaphroditen  in  Wirklichkeit  nur  bei  solchen  In- 
dividuen angetroffen  werden,  bei  denen  die  Geschlechtsteile 
schlecht  ausgebildet  sind;  das  vorherrschende  Geschlecht  ist 
jedoch  immer  erkennbar,  und  wenn  es  das  auch  nicht  wäre,  so 
könnte  man  für  so  ausnahmsweise  Fälle  in  dem  Gesetze  nicht 
eine  abstrakte  Eegel  aufstellen.  Dieser  Tadel  veranlasst  uns 
zu  einer  Betrachtung.  Vor  allem  weiss  Prof.  Lehr  nicht,  dass 
die  Fälle  von  zweifelhaftem  Geschlecht  nicht  nur  der  Klinik, 
sondern  auch  der  teratologischen  Nosologie  angehören,  denn  sie 
wurden  öfter  durch  die  Sektion  bestätigt,  so  dass  die  oben  ge- 
nannten Ärzte  als  eine  bewiesene  Thatsache  eine  dritte  Gruppe 
von  Neugeborenen  angenommen  haben,  die  geschlechtslosen, 
oder  die  mit  unvollkommenem  Geschlecht. 

Die  Einwürfe  des  Prof.  Lehr  beziehen  sich  nur  auf  die 
von  Casper  angeführten  Artikel,  welche  die  Ähnlichkeit  für 
Wirklichkeit  nehmen,  während  die  Mehrzahl  der  von  uns  an- 
geführten Thatsachen  beweist,  dass  die  Ähnlichkeiten  oft  zum 
Irrtum  führten  und  Gelegenheit  und  Vorspiel  zu  vielen  körper- 
lichen und  moralischen  Übeln  lieferten.  Andererseits  ver- 
wechselt heutzutage  kein  Arzt  echten  Hermaphrodismus  mit 
falschem,  und  keiner,  wenn  er  den  Titel  eines  alten  oder  neuen 
Berichts  liest,  nimmt  die  unter  diesem  Namen  angeführten 
Missbildungen  für  echten  Hermaphrodismus.  Dagegen  benutzt 
er  die  Beschreibung,  wenn  sie  gut  gemacht  ist,  um  ein  Urteil 
(Diagnose)  ohne  gerichtliche  vorgefasste  Ideen  über  die  Art 
der  Missbildung  zu  gewinnen.  Wenn  dann  das  Geburtszeugnis 
mit  Rückhalt  über  das  Geschlecht  oder  über  dessen  richtige 
Bildung  spricht,  wie  Garnier  vorschlägt,  hat  man  den  Vor- 
teil,  die  Freiheit   des  Individuums   nicht   zu  beschränken,   so 

^)  E.  Lehr,  Tratte  elementaire  du  droit  civil  germanique.  Paris,  1892, 
T.  II,  Mot.  1,  p.  26. 


—     303     — 

dass  es  später  eine  gerichtlich -medizinische  Untersuchung  ver- 
anlassen kann,  um  die  Nichtigkeitserklärung  des  obigen  Eück- 
halts  zu  erreichen. 

Ferner  widersetzt  sich  Prof.  Lehr  einem  abstrakten  Ge- 
setze für  Ausnahmefälle,  und  dieser  Ausdruck  wird  gut  erklärt. 
Kein  Zweifel,  dass  die  Missbildungen  der  äusseren  Geschlechts- 
teile nicht  häufig  sind,  und  dass  zur  Aufstellung  des  genauen 
Verhältnisses  die  Eekrutenlisten  nicht  ausreichen  würden,  weil 
in  ihnen  die  Weiber  fehlen,  so  dass  man  litterarische  und  per- 
sönliche Nachrichten  benutzen  muss.  Von  den  ersten  haben 
wir  schon  eine  gute  Zahl  geliefert,  die  vermehrt  werden  kann ; 
so  haben  wir  unter  unseren  84  Fällen  12  klinisch  zweifelhafte 
Fälle  gefunden  (Beob.  25,  36,  38,  50,  55,  60,  61,  62,  64,  71,. 
72,  76)  und  4  FäUe  ohne  Hoden  (Beob.  35,  36,  71,  84).  End- 
lich genügt  es,  daran  zu  erinnern,  dass  Garnier  allein 
10  Fälle  gesammelt  hat,  und  dass,  als  Magitot  am  8.  Juni 
1863  seine  Beobachtung  (Beob.  63)  der  chirurgischen  Gesell- 
schaft von  Paris  vortrug,  viele  sich  sogleich  erhoben,  um  ähn- 
liche eigene  Fälle  anzuführen  i). 

In  Betreff  der  Nachrichten  wissen  wir,  dass  eine  Ursache 
des  Irrtums  darin  besteht,  dass  die  übermässige  Grösse  der 
Clitoris  im  Verhältnis  zu  den  grossen  Schamlippen  bisweilen 
die  Hebammen  und  noch  mehr  die  Mütter  verführt,  ein  Mäd- 
chen für  einen  Knaben  zu  halten  2). 

Wir  wissen  auch,  dass  die  Prozesse  wegen  Nullität  der 
Ehe  infolge  von  geschlechtlichen  Fehlern  eine  Zeit  lang  in 
katholischen  Ländern  vor  dem  kirchlichen  Gerichtshofe  geführt 
wurden,  und  noch  jetzt  wird  dieses  Gericht  in  gewissen  Fällen 
vorgezogen,  um  die  Öffentlichkeit  zu  vermeiden.  Die  Debatten 
werden  besonders  in  die  Länge  gezogen,  um  der  Familie  die 
Mitgift  zu  erhalten,  und  so  kommt  es  oft  zu  einem  Vergleich 
zwischen  den  Gatten,  um  sich  gegenseitig  zu  ertragen  (Beob. 
66).  Aber  solche  Fälle  können  nicht  von  uns  aufgezählt 
werden,  denn  sowohl  die  streitenden  Parteien,  als  die  Gerichte, 


^)  Garnier,  Du  Pseudo-hermaphrodisme.     Ann.   d'hygiene,   Ser.  3, 
T.  XIV,  p.  286. 

^)  Eeiner  Graaf,  De  virorum  organis  generationi  inservientibus  etc. 
C.  Taruffi,  Mem.  cit.,  p.  359,  Beob.  10.  —  Vgl.  oben  pag.  231.    Beob.  10. 


—     304    — 

halten   solche  Prozesse  geheim   imd  man   erfährt  sie  nur  zu- 
fällig auf  indirektem  Wege. 

Da  wir  diese  Missbildungen  für  zahlreich  genug  halten,  um 
eine  gesetzliche  Verordnung  zu  verdienen,  hoffen  wir,  dass  der 
schon  anderwärts  von  uns  empfohlene  Vorschlag  Garniers 
jetzt  günstig  aufgenommen  und  vervollständigt  wirdi).  Wohl- 
verstanden muss  in  unserem  Falle  der  Rückhalt  (im  G-eburts- 
schein)  sich  nicht  nur  auf  die  urethro  -  sexualen  Alterationen, 
sondern  auf  jede  äussere  Missbildung  beziehen  2),  Wir  schlagen 
hier  ein  Mittel  zur  praktischen  Ausführung  dieser  Massregel 
vor,  mit  Erhaltung  der  persönlichen  Freiheit :  es  genügt,  zuerst 
die  Geburtssclieine  mit  Rückhalt  geheim  zu  halten,  und  erst 
später,  auf  Verlangen,  werden  sie  sowohl  dem  betreffenden  In- 
dividuum, als  den  Eltern  oder  Vormündern,  oder  den  durch 
spezielle  Gesetze  bezeichneten  Behörden  mitgeteilt.  Diese 
Verlangen  werden  gewöhnlich  vorgebracht,  wenn  das  Geschlecht 
des  einen  Gatten  offenbar  geworden  ist,  entweder  durch  eine 
Operation,  oder  von  selbst,  und  dann  wird  mit  Recht  der 
Rückhalt  des  Geburtsscheins  entweder  verbessert  oder  annul- 
liert. Dies  wird  gewöhnlich  nach  Eintritt  der  Pubertät  statt- 
finden. Aber  damit  der  Antrag  auf  Annullierung  wirksam  sei, 
muss  das  Individuum  mindestens  15  Jahre  alt  sein,  oder  der 
Antrag  wird  wegen  Verehelichung,  wegen  Aushebung  u.  s.  w. 
gestellt.  Endlich  ist  es  zweckmässig,  dass  diese  Verordnungen 
in  Gesetze  verwandelt  werden,  um  wirksam  zu  sein  und  den 
Hebammen,  den  Geburtshelfern  und  den  Lehrern  dieser  Materien 
mitgeteilt  werden,  unter  Hinzufügung  der  Verpflichtung,  über 
die  angeborenen  sexuellen  Missbildungen  geeignete  Vorlesungen 
zu  halten. 

^)  Um  das  Geburtszeugnis  auszustellen,  wenn  das  Geschlecht  zweifel- 
haft ist,  und  um  es  nach  der  Pubertät  zu  verbessern,  muss  man  sich  an  die 
Juristen  wenden,  die  immer  geschickte  Glossatoren  gewesen  sind,  um  das 
Alte  mit  dem  Neuen  in  Einklang  zu  bringen. 

2)  C.  Taruffi,  Bull,  delle  sc.  med.  Gen.  1899,  Ser.  7,  Vol.  X,  p.  69 
bis  74.  Hinsichtlich  der  unglücklichen  Folgen  der  verschiedenen  Arten  von 
geschlechtlicher  Mi^sbildung  hat  Taruffi  das  bestätigt,  was  die  Ärzte  oft 
gesehen  haben  und  was  sie  empfohlen  haben,  um  solche  Folgen  zu  ver- 
meiden, damit  die  Gesetzgeber  endlich  das  nicht  seltene  Faktum  anerkennen, 
dass  es  Neugeborene  giebt,  die  weder  Kaaben  noch  Mädchen,  sondern  un- 
gewissen Geschlechts  sind.  Es  ist  zu  wünschen,  dass  die  offiziellen  Bevöl- 
kerungslisten die  Fälle  dieser  Art  berücksichtigen. 


Noten 

zum  dritten  Abschnitt  des  Hermaphrodismus. 

Äusserer,  klinischer  Pseudo- Hermaphrodismus. 
Note  1.   Zweifelhafte  und  unvollständige  Beobachtungen. 

Beob.  1.  Paolo  Zacchia,  Quaest.  medico-legales.  Romae,  1635, 
Libr.  8,  Tit.  1,  Quaest.  9,  No.  16,  17. 

Ein  Mädclieii  hatte  folgendermassen  gebildete  Geschlechtsteile.  Zwischen 
den  Lippen  der  Vulva  (uterus)  über  dem  Meatus  urinarius,  gegen  die  innere 
Öffnung  der  Vulva  gerichtet,  sah  man  eine  fleischige  Masse  in  Gestalt  eines 
männlichen  Gliedes,  von  der  Dicke  eines  massigen  Penis  und  bei  der  Erektion 
5  Querfinger  lang.  An  der  Spitze  sah  man  einen  Körper,  ähnlich  der  Glans, 
aber  ohne  Präputium,  das  durch  die  Lippen  der  Vulva  ersetzt  zu  werden 
schien.  Im  äusseren  Teile  war  er  von  callöser  Substanz,  und  die  Glans  war 
quer  durchbohrt;  aber  die  Öffnung  Hess  fast  den  kleinen  Finger  ein.  Der 
Urin  kam  nicht  aus  dieser  Öffnung,  sondern  aus  dem  Meatus,  aus  dem  er 
bei  den  anderen  Weibern  zu  fliessen  pflegt.  Die  Menstrua  kamen  nach  ihrer 
Angabe  zum  Teil  aus  dieser  Öffnung,  zum  Teil  aus  einer  anderen,  weiter 
unten  befindlichen  Öffnung  der  Vulva.  Unter  der  fleischigen  Masse  öffnete 
sich  ein  sehr  feiner  Meatus,  der  jedesmal,  wenn  man  Wein  oder  eine  andere 
Flüssigkeit  in  die  Öffnung  der  fleischigen  Masse  injizierte,  deutlich  wurde, 
und  durch  ihn  trat  ein  Teil  der  Flüssigkeit  aus,  mit  Luft  gemischt.  Die 
Nymphen  waren  sehr  dünn. 

Beob.  2.  Paolo  Zacchia,  geboren  in  Rom  im  Jahre  1584.  Quaest. 
medico-legales.  Roma,  1621—1635,  Libr.  VIT,  Tit.  I,  Cap.  2,  p.  473, 
Quaest.  8.    N.  8. 

Ein  gewisser  Daniele  (Hermaphrodit)  konnte  niemals  mit  seiner  Frau 
auskommen.  Unterdessen  wurde  er  von  einem  Genossen  geschwängert,  und 
eines  Nachts,  als  er  bei  seiner  Frau  schlief,  wurde  er  plötzlich  von  starken 
Leibschmerzen  befallen,  worauf  er  ein  Mädchen  gebar,  das  er  nur  mit  der 
rechten  Brust  säugte,  weil  die  linke  keine  Milch  hatte.  Bei  ihm  war  das 
weibliche  Geschlecht  am  meisten  entwickelt  und  befand  sich  auf  der  rechten 
Seite,  das  männliche  war  rudimentär  und  befand  sich  links.  —  Er  beschreibt 
noch  andere,  äusserlich  untersuchte  Fälle. 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  20 


—    306     — 

Beob.  3.  Fabrizio  Girolamo  d'Acquapendente,  Opera  Chirurgie a. 
Patavii,  1617,  Lugduni  Batavorum,  1723.  De  chirurgicis  operatioEibus. 
Cap.  LXXX,  p.  567.    De  Hermaphroditis. 

Er  erfuhr,  in  Perugia  und  Padova  sei  eine  Frau,  die  sich  mit  anderen 
Weibern  paaren  könne.  Während  des  verflossenen  ungarischen  Krieges 
gebar  ein  Soldat  ein  Kind ;  er  war  nur  scheinbar  ein  Mann,  in  Wirklichkeit 
aber  ein  Weib.  —  Der  weibliche  Hermaphrodismus  ist  häufiger  als  der 
männliche. 

Beob.  4.  C.  T.  Burghart,  Monstrum  pro  hermaphrodito  false 
habitum.  Medicorum  Silesiacorum  Satyrae.  Wratislaviae  et  Lipsiae,  1736, 
Satyra  I,  p.  58—64. 

Beob.  5.  Cases,  Puer  judaeus,  quoad  genitalia  monstro- 
sus,  neque  tam  hermaphroditis  adnu  merandus.  Ibid.  Satyra  III, 
p.  5—16,  2  pl. 

Beob.  6.  Tli.  Brand,  The  caseof  a  boy,  which  had  beenmis- 
taken  for  a  girl.     London,  1787. 

Beob.  7.  F.  B.  Osiander,  Neue  Denkwürdigkeiten  für  Ärzte 
und  Geburtshelfer.  Tübingen,  1790?  Bd.  I,  p.  268.  Über  die  Ge- 
schlechtsverwechselung neugeborener  Kinder. 

Sehr  spät  erkannter  Fall  von  Hypospadie. 

Beob.  8.  Saunie,  Description  des  parties  genitales  d'un 
enfant  male,  ayant  l'apparence  d'un  hermap  hrodit  e.  Bull 
fac.  med.  Paris,  1810,  T.  II,  No.  4. 

Beob.  9.  B.  W.  Seiler,  Observationes  nonnullae  de  testi- 
culorum  descensu  et  partium  genitalium  anomaliis.  Lipsiae, 
1817,  Tab.  IV,  p.  44. 

Maria  Christina  H.  war  amenorrhoisch,  hatte  weiblichen  Habitus,  sehr 
kleine  Vulva,  sehr  enge  Scheide  und  war  zum  Coitus  ungeeignet.  Der  Verf. 
nahm  an,  in  den  grossen  Schamlippen  befänden  sich  die  Hoden  und  meinte, 
es  handele  sich  um  zweifelhaftes  Geschlecht. 

Beob.  10.  F.  Girelli,  Intorno  ad  un  ermafrodito.  Comment.  del' 
Ateneo  di  Brescia,  1830,  p.  49. 

Ein  Kind  zeigte  einen  grossen  Tumor,  der  zum  Teil  eine  Öffnung 
zwischen  den  Zweigen  des  Ischion  bedeckte.  Diese  Öffnung  hatte  Ähnlich- 
keit mit  dem  weiblichen  Sinus  mit  Spuren  von  Nymphen,  aber  ohne  Clitoris. 
Seitlich,  links  von  dieser  Öffnung  ragte  ein  fleischiger  Körper  vor,  ähnlich 
einem  Penis,  aber  ohne  Präputium  und  ohne  Öffnung  der  Harnröhre.  Zwei 
grosse  Beutel  stiegen  seitlich  herab  und  umfassten  diese  Teile  in  Form  von 
grossen  Schamlippen,  enthielten  aber  keine  Spur  von  Hoden.  Der  Verf.  ist 
überzeugt,  das  Kind  sei  ein  Mädchen. 

Beob.  11.  6.  F.  Girelli,  Geschichte  eines  Neugeborenen  mit 
doppeltem  Geschlecht  etc.     Mem.  med.   Brescia,  1833,  p.  81. 

Nach  der  Beschreibung   lässt  sich  keine  begründete  Hypothese  bilden. 


—     307     — 

Beob.  12.  Jp.  Nunciante  (Napoli),  Su  d'  una  bizarra  anomalia 
delle  parti  generative.  Ann.  clin.  degli  incurab.  Luglio,  1836,  Filiatre 
Sebezio,  NapoU,  1837,  Vol.  XIII,  p.  237. 

Ein  sehr  zweifelhafter  Fall,  denn  der  Verf.  spricht  von  einer  Scheide, 
die  sich  in  die  Blase  fortsetzte,  und  sagt  nichts  von  der  Urethra.  Er  spricht 
von  birnenförmigen  Körpern  ausserhalb  der  Leistenringe,  sagt  aber  nicht,  ob 
es  die  Hoden  waren.  Er  sagt  nur  deutlich,  dass  die  Fortpflanzungsorgane 
fehlten,  und  dass  die  äusseren  weiblichen  Geschlechtsteile  normal  waren, 
ausgenommen  die  Clitoris,  die  ein  Präputium  hatte. 

Beob.  13.  T.  B.  Curling,  Gases  of  malformation  of  the  female 
sexual  Organs,  causing  difficulty  in  determining  the  sex. 
Med.  Times  and  Gaz.,  London,  1852,  Ser.  N.,  T.  IV,  p.  81 

Beob.  14.  Traxel,  Prager  Vierteljahrsschr.,  Vol.  LH,  p.  103. 
Wiener  mediz.  Wochenschr.  1856,  No,  18.  J.  L.  Casper,  Traite  de  med. 
legale.    (Übers.)     Paris,  1862,  T.  I,  p.  52. 

Dieser  Fall  wäre  wichtig  für  die  Vererbung,  wenn  in  der  französischen 
Übersetzung  die  Genealogie  wahrscheinlich  wäre. 

Beob.  15.  Czarda,  Ein  Fall  von  zweifelhaftem  Geschlecht 
bei  einem  Neugeborenen.  Wiener  mediz.  Wochenschr.  1876,  No.  44, 
Jahresber.  für  1876,  Bd.  1,  p.  300  (28). 

Beob.  16.  M.  Simon,  Ein  Fall  von  sogenanntem  Pseudo- 
Hermaphrodismus  masculinus  externus.  Inaug.-Dissert.  Er- 
langen, 1886. 

Schlecht  bestimmter  klinischer  Fall. 

Beob.  17.  G.  Antonini,  Di  un  caso  di  p  s  eudo-ermaf  r  oditismo 
in  una  famiglia  cretinosa.  Arch.  di  psych,  sc.  penali  etc.  Torino, 
1888,  Vol.  IX,  p.  247. 

Zehnjähriges  Mädchen  mit  5  cm  langem  Penis,  Öffnung  der  Urethra 
an  der  Wurzel,  darunter  eine  Art  von  zweigespaltenem  Scrotum,  das  eine 
wenig  tiefe  Höhlung  bildet,  die  mit  der  zarten  Haut  bedeckt  ist.  Vater 
epileptisch,  Mutter  mit  Kropf.     Diagnose  des  Geschlechtes  zweifelhaft. 


Note  2.   Klinische  Beobachtungen  üher  urethro  -  sexuale 
Misshildungen. 

Beob.  1.  V.  Auria,  Notizie  di  alcune  cose  notabili,  occorse 
in  Palermo  dal  1636  a  1  1665 ,  cavate  da  alcuni  manoscritti. 
Bibl.  stör,  e  letter.  di  Sicüia.    Palermo,  1869,  Vol.  II,  p.  399. 

Im  Jahre  1636  kam  nach  Palermo  eine  Frau  von  Trapani ,  seit 
5  Jahren  verheiratet.  In  dieser  Zeit  entwickelten  sich  bei  ihr  Hoden  und 
Penis.  Der  Mann  starb,  ohne  den  Fall  bekannt  zu  machen.  Die  Frau  stellte 
sich  dem  Kardinal  Doria,  Erzbischof  von  Palermo,  vor,  und  dieser  Hess  sie 
durch  mehrere  Ärzte  untersuchen.  Diese  erklärten  sie  für  einen  Mann  und 
■erlaubten  ihr   sich  zu   verheiraten.     Der  Herzog   von   Montalto,   Vizekönig 

20* 


—    308    — 

von  Sizilien,  schickte  sie  nacli  Spanien  an  S.  Majestät,  nnd  nach  einem 
Jahre  kehrte  sie,  als  Priester  gekleidet,  nach  Palermo  zurück,  mit  Bart  nnd 
dem  Namen  Don  Mario. 

Beob.  2.  G.  B.  Sinibaldi,  Geneanthropeiä,  sive  de  hominum 
gener atione.  Eomae,  1642.  Francofurti,  1669.  Libr.  II,  Tract.  1, 
cp.  7,  p.  111. 

Der  Verf.  erfuhr  von  Pater  Francesco,  ein  Mädchen  sei  von  Spoleto 
geflohen  und  in  Ancona  von  ihrem  Bruder  gefunden  worden.  Sie  wurde 
von  Furcht  ergriffen  und  gestand  ihre  Verwandlung  in  einen  Mann,  wofür 
sie  dann  vom  Gericht  erklärt  und  Pöstumo  Barattani  genannt  wurde.  Diese 
Erzählung  findet  sich  auch  bei  Marcello  Donato.  Hist.  mirab.  Libr.  VI, 
cp.  2. 

Beob.  3.  P.  Zacchia  (Eom),  Quaestionum  medico-legalium 
etc.    Lugduni,  1661.     Libr.  7,  Tit.  1,  Quaest.  IX,  p.  501. 

Ein  Knabe  von  14  Jahren,  von  weiblichem  Aussehen,  mit  vollen  Brüsten 
und  ohne  Haare,  mit  Incontinentia  urinae,  hatte  einen  kleinen  Penis  mit 
nicht  durchbohrter  Eichel  und  kurzer  Vorhaut.  In  den  Weichen  befanden 
sich  zwei  kleine  Körper,  die  für  Hoden  gehalten  wurden.  Der  Knabe  be- 
gann jedoch  mit  15  Jahren  zu  menstruieren,  daher  zweifelte  Zacchia,  ob 
die  Hoden  nicht  vielleicht  Ovarien  wären.  An  der  unteren  Wurzel  des  Penis 
war  eine  Rinne,  welche  zu  einer  mit  der  Blase  kommunizierenden  Öffnung 
führte  und  ringsum  von  einer  Falte  umgeben  war.  Die  Hoden  in  der 
Weiche  waren  klein  und  weich,  wie  die  Drüsen,  die  man  in  dieser  Gegend 
findet. 

Beob.  4.  F.  Folli  da  Borgo  S.  Sepolcro,  Eecreatio  physica  etc. 
Florentiae,  1665. 

Pag.  129.  „Monialis  virgo,  postquam  plures  annos  intra  sacra  claustra 
vixisset,  femineum  sexum  in  virilem  mutavit." 

Beob.  5.  Th.  Allen,  Exact  narrative  of  an  hermaphrodite 
now  in  London.    PhiL  trans.  of  London,  1666,  p.  624. 

Das  Scrotum  war  in  zwei  Lappen  geteilt,  von  denen  jeder  einen  Hoden 
enthielt.  Ein  undurchbohrter  Penis,  darunter  eine  Art  von  Vulva,  ohne 
Clitoris. 

Beob.  6.  A.  Haller,  Kommentare  von  Göttingen.  T.  1,  1741. 
Transact.  philos.    (Kompiliert  von  Louthorp,  Tom.  III.) 

Mädchen  von  13  Jahren  (Anna  Wild)  hatte  zwei  gerunzelte,  vom  Pubes 
gehaltene  Scrota,  jeder  einen  Hoden  enthaltend,  die  im  sechsten  Jahre  beim 
Spielen  mit  andern  Kindern  erschienen ;  der  Penis  befand  sich  an  der  ge- 
wöhnlichen Stelle. 

Beob.  7.     Betrifft  Michele  Anna  Drouart. 

G.  H.  Burghart,  Gründliche  Nachricht  von  einem  Herm- 
aphroditen.    Breslau,  1743 — 63. 

G.  Grashuis,  De  infante  Hermaphrodito  dicto  etc.  Acta  nat. 
curios.  A.  1744,  Vol.  VIII,  p.  287,  Obs.  81.  (Pro  foemina  habitus,  partus 
vere  masculus.) 


—    309    — 

C.  J.  Mertrud  (Chirurg  des  Königs  von  Frankreich),  Dissertation 
au  sujet  de  la  fameuse  herm  aphro  dite,  qui  parait  aux  yeux 
du  public.     Paris,  1749.     Avec  Fig. 

J.  F.  Morand,  Question  de  medecine  sur  les  hermaphro- 
dites.     Mem.  de  l'ac.  des  sc.  de  Paris,  1750,  p.  165. 

Frau  von  16  Jahren  mit  Penis  und  Präputium,  ohne  Urethra.  Öffnung 
der  Vulva,  in  der  man  den  Meatus  urethrae  nicht  erkennt,  trotz  des  starken 
Urinstrahls.     Scheide  kurz. 

Hoin,  Nouvelle  description  de  l'hermaphrodite  Drouard, 
tel  qu'on  le  voit  ä  Dijon  en  Aoüt  1760.     Dijon,  1761. 

Haller,  Elementa  physiologiae.     T.  VII,  Libr.  28. 

Wird  angeführt,  vielleicht  weil  Anne  Drouart  an  unregelmässiger 
Menstruation  litt,  und  Hall  er  mit  grosser  Gelehrsamkeit  über  die  Varie- 
täten der  purgatio  menstrualis  spricht.     (Sect.  III,  p.  137.) 

M.  Girardi  (Parma),  De  re  anatomica.  Prolusio,  Parmae,  1781, 
Nota  d,  p.  27. 

Er  beobachtete  A.  Drouart  im  Jahre  1779,  30  Jahre  nachdem  Morand 
sie  untersucht  hatte. 

J.  S.  Petit,  Traite  des  maladies  chirurgicales.  Paris  1790. 
T.  III,  p.  107. 

Männlich  mit  weiblichem  Aussehen. 

L.  M.  A.  Caldani  (Padova),  Lettera  a  Verardo  Zeviani.  Mem. 
della  Soc.  ital.     Verona,  1794,  Vol.  VII,  p.  130.     Mt  Tafel. 

Ausser  der  Geschichte  von  Anne  Drouart  erzählt  Caldani  eine  eigene 
Beobachtung  an  einer  amenorrhoischen  Ehefrau,  mit  Vulva  und  zwei  Quer- 
flnger  langer  Clitoris,  mit  Präputium  und  Mündung  der  Urethra  an  ihrer 
Wurzel.  Nach  unten  war  die  blind  endigende  Vagina,  drei  Zoll  tief.  Der 
Gatte  trug  auf  Scheidung  an. 

J.  Foiler,  über  angeborene  menschliche  Missbildungen 
im  allgemeinen  und  Hermaproditen  im  besonderen.  Landshut, 
1820,  2  color.  Tafeln. 

Bespricht  ebenfalls  den  Fall  von  A.  Drouart. 

Is.  G.  St.  Hilaire,  Des  anomalies  etc.  Paris,  1836,  T.  IL  Über  die 
verschiedenen  Arten  des  weiblichen  Hermaphrodismus. 

Er  fasst  die  zwischen  den  Schriftstellern  stattgehabte  Diskussion  über 
das  Geschlecht  der  A.  Drouart  zusammen,  und  schliesst,  dass  sie  in  der 
Jugend  wenig  entwickelte  Brüste,  keine  Spuren  von  Bart  und  einige  Neigung 
zum  weiblichen  Geschlechte  besass.  Später  sprosste  der  Bart,  die  Bildung 
wurde  männlich  und  ebenso  die  geschlechtliche  Neigung.  Bei  Untersuchung 
der  Geschlechtsteile  bemerkte  er  die  einem  normalen  Penis  ähnliche  Clitoris 
ohne  Meatus  urinarius  und  eine  wohlgebildete  Vulva,  die  zu  einer  blind 
endigenden  Scheide  führte,  wo  eine  kleine  Öffnung  war,  durch  die  man  in 
die  Urethra  und  dann  in  die  Blase  eindrang.  Weder  Uterus,  noch  Hoden 
wurden  gefunden,  aber  der  erstere  erschlossen,  weil  sie  menstruiert  war, 
wenn  auch  sehr  unregelmässig. 


—    310    — 

Beob.  8.  Gius.  Corigliani,  DeApuliae  androgyno.  Eacc.  d' Opusc. 
scient.  in  Venezia,  1761,  T.  46,  p.  165. 

Ein  Fall  von  kurzem,  nicht  durchbohrtem  Penis;  die  Urethra  mündet 
am  Anfange  der  Teilung  des  Scrotums.  Fehlen  der  Scheidenmündung.  Im 
Scrotum  waren  die  Hoden. 

Beob.  9.  Colle,  Anne  Grandjean,  Journal  historique.  Paris,  1765. 
-^  Dailiiez,  Les  sujets  de  sexe  douteux.    Paris,  1893. 

Anna  war  im  Jahre  1742  in  Grenoble  geboren.  Obgleich  ihr  Ge- 
schlechtsinstinkt ihrem  Geschlechte  nicht  entsprach,  wurde  sie  im  Jahre  1761 
verheiratet.  Vor  dem  Gericht  zu  Lyon  als  Hermaphrodit  verklagt,  wurde 
sie  gefangen  genommen  und  zur  Auspeitschung  verurteilt  und  für  immer 
verbannt,  weil  sie  das  Sakrament  der  Ehe  entweiht  habe.  Sie  appellierte 
nach  Paris,  wo  ihre  Geschlechtsteile  untersucht  wurden,  und  die  Sachver- 
ständigen erklärten:  der  Penis  trete  aus  den  grossen  Schamlippen  hervor, 
über  dem  Meatus  urinarius,  mit  nicht  durchbohrter  Glans.  Sie  hatte  zwei 
Arten  von  Hoden  gegen  die  Öffnung  (der  Vulva),  war  ohne  Bart.  Die  unter- 
scheidenden Organe  des  weiblichen  Geschlechts  waren  mit  vielen  trüge- 
rischen Zeichen  des  männlichen  gemischt. 

Das  im  Jalire  1765  gefällte  Urteil  hob  die  frühere  Strafe  auf,  und  er- 
klärte die  Ehe  für  missbräuchlich.  Es  erkannte  den  guten  Glauben  der  Frau 
an,  nur  die  Natur  habe  den  Irrtum  veranlasst,  und  liess  sie  sich  wieder  als 
Frau  kleiden.  —  Da  die  Sachverständigen  wenig  Einzelheiten  angegeben 
haben,  bleibt  der  Fall  immer  noch  zweifelhaft. 

Beob.  10.  P.  Tabarrani,  Atti  dell'  Acc.  di  sc.  di  Siena,  1767, 
T.  III,  Append.  p.  77,  Lettera  3,  Tab.  IX,  Fig.  1. 

Der  Verf.  spricht  sehr  gelehrt  über  einen  von  ihm  gesehenen  Fall 
von  einem  Manne  mit  nicht  durchbohrtem  Penis,  an  dessen  Wurzel  sich  die 
Urethra  öffnete.  Am  oberen  Teile  des  Scrotums  war  ein  Spalt,  der  einer 
Vulva  ähnelte.    Die  beiden  Teile  des  Scrotums  enthielten  die  Hoden. 

Beob.  11.  J.  Lepechia,  De  hermaphrodito  ad  sexum  virilem 
pertinente.  Comm.  Ac.  petrop.  Petropoli,  1772,  Vol.  XVI,  p.  525, 
Tab.  XV. 

Ein  Jüngling  mit  zweigeteiltem  Scrotum,  das  Hoden  enthielt,  mit 
Hypospadie.  Er  hatte  noch  zwei  Brüder  mit  Missbildungen  der  Ge- 
schlechtsteile. 

Beob.  12.  A.  Leto  (Palermo),  Lettera  latina.  Notizie  di  Letterati. 
Palermo,  1773,  T.  III,  1  Sett.  No.  1. 

Ein  Mädchen  nach  dem  Glauben  ihrer  Mutter,  das  in  ihrem  12.  Jahre 
ein  Junge  wurde.  Der  Verf.  fand  einen  Penis  mit  Scrotum,  das  links  einen 
Hoden  enthielt.  Zwischen  Scrotum  und  rechter  Lende  befand  sich  ein  Spalt, 
der  eine  Lippe  der  Vulva  darstellte.  Im  unteren  Teile  dieses  Spalts  sah 
man  eine  kleine  Öffnung,  aus  der  der  Urin  austrat.  Die  anderen  Zeichen 
waren  mehr  männlich  als  weiblich. 

Beob.  13.  F.  Caliiri  (Siena),  Sopra  un  preteso  ermafrodito. 
Atti  dell'  Acc.  delle  Sc.  di  Siena,  1774,  T.  V,  p.  167. 


—    311     - 

Ein  Mann  von  34  Jahren,  aber  wenig  behaart,  mit  Penis  und  Präpu- 
tium. Unter  dem  Penis  befand  sich  an  Stelle  des  Scrotums  ein  Spalt  mit 
zwei  Lippen,  die  eine  Portsetzung  des  Frenulums  schienen.  Aber  der  Spalt 
führte  zu  keinem  Kanäle,  nur  gegen  den  After  war  eine  kleine  Öffnung, 
aus  der  Urin  und  Sperma  austraten.  Die  Hoden  lagen  noch  in  den  Leisten- 
kanälen. Trotz  der  genannten  Fehler  ist  der  Verf.  der  Meinung,  man 
könne  dem  Manne  die  Ehe  erlauben,  wobei  er  sich  auf  ähnliche  Fälle  stützt. 

Beob.  14.  A.  G.  Testa,  De  re  medica  etchirurgica.  Ferrara, 
1781,  Epistola  IV,  cp.  20,  p.  145. 

Kind  von  3  Monaten,  ohne  Penis.  Statt  des  Scrotums  eine  Anschwel- 
lung mit  einem  Spalt  in  der  Mitte,  worin  sich  eine  Öffnung  befand  mit  zwei 
kleinen  Lippen,  aus  der  der  Urin  ausfloss.  In  der  Leistengegend  zwei 
Höcker,  als  einziges  Zeichen  von  Hoden. 

Beob.  15.  G.  Gentili  (Livorno),  Eelazione  d'  un  individuo  della 
specie  umana,  fino  all'  etä  di  13  creduto  femmina  e  poi 
riconosciuto  legalmente  per  maschio.  (Eacc.  d'  opusc.  medico- 
pratici).     Con  tavola.    Firenze,  1782,  Vol.  6,  p.  335. 

Ein  Jüngling,  der  für  ein  Mädchen  gehalten  wurde,  hatte  zwei  kleine 
voneinander  getrennte  Beutel  unter  dem  Pubes  und  flaumige  Behaarung  im 
Gesicht.  Der  Verf.  fand  die  Öffnung  der  Urethra  an  der  Wurzel  des  Penis, 
eine  geschlossene  Öffnung  an  der  Spitze  der  Glans,  Hoden  und  Nebenhoden 
in  den  Beuteln,  so  dass  er  schloss,  es  handele  sich  um  einen  Knaben. 

Beob.  16.  A.  F.  Löffler,  Eine  gerichtlich-medizinische  Sel- 
tenheit: weibliche  Anlage  über  zu  grosses  männliches  Glied. 
Neu.  Archiv  für  Geburtsh.  etc.     Jena,  1798—1800,  p.  376. 

Eine  dem  Verf.  unbekannt  gebliebene  Beobachtung. 

Beob.  17.  H.  A.  Wrisberg,  Commentatio  de  singulari  genita- 
lium  deformitate  in  puero  hermaphr  oditum  mentiente. 
Göttingen,  1799,  Vol.  XIII,  p.  14.  —  v.  Ammon,  Chirurgische  Krank- 
heiten, 1840,  Tafel  XX,  Fig.  3,  p.  95. 

Eine  Knabe  mit  sehr  kleinem,  mit  einer  Clitoris  zu  verwechselnden 
Penis,  vollkommener  Hypospadie,  geteiltem  Scrotum,  das  Hoden  enthielt. 
Im  rechten  Sack  war  auch  eine  starke  Hernie.  Dennoch  erwartet  der  Verf. 
die  Sektion,  um  Hermaphrodismus  auszuschliessen. 

Beob.  18.  P.  Tonni  (Mantova),  Sul  sesso  d'  un  individuo  chia- 
mato  Giacoma  Formi.     Mantova,  1802,  4  tav. 

Das  Individuum  war  23  Jahre  alt  und  hatte  zweimal  Zeichen  von 
Menstruation  gehabt.  Es  hatte  ferner  zwei  grosse  Schamlippen  und  Neigung 
zu  Männern,  so  dass  es  eine  Frau  zu  sein  glaubte.  Andererseits  hatte  sie 
Haare  an  der  Oberlippe,  männliche  Stimme,  platte  Brust,  enges  Becken, 
Hoden  in  den  Schamlippen  und  einen  sehr  kurzen  Penis  mit  Glans  und 
Präputium  und  Hypospadie,  die  sich  bis  an  die  Wurzel  erstreckte,  wo  sich 
die  erweiterte  Urethra  befand,  die  in  die  Blase  führte.  Bei  der  Unter- 
suchung durchs  Eectum  fand  man  weder  Uterus  noch  Prostata,  so  dass  der 
Verf.  ihn  für  einen  missgebildeten  Mann  erklärte. 


—     312    - 

Beob.  19.    Betrifft  Maria  Dorothea  Derrier. 

F.  H.  Wartens,  Beschreibung  und  Abbildung  einer  sonder- 
baren Miss  g  estalt  der  männlichen  Geschlechtsteile  an 
M.  D.  Derrier  aus  Berlin,  nebst  den  Meinungen  von  Stark, 
Hufeland  etc.  über  diese  Person.     Leipzig,  1803.     Mit  2  Tafeln. 

Ich  fasse  die  klinischen  Charaktere  der  M.  D.  Derrier,  geb.  in  Pots- 
dam im  Jahre  1780  zusammen,  die  für  ein  Weib  von  Hufeland  (Journ. 
d.  prakt.  Heilk.  T,  XII,  No.  3,  p.  170)  und  Mursina  (Journ.  de  chirurg. 
T.  I,  No.  3,  p.  155),  dagegen  für  einen  Mann  von  Stark  (Neues  Arch. 
T.  II,  p.  538)  und  Martens  (Beschreibung  etc.)  gehalten  wurde.  Is.  G.  St. 
Hilaire  (Des  anomalies,  Paris,  1836,  T.  II,  lib.  I,  cp.  3)  betrachtet  diesen 
Fall  als  noch  zweifelhaft  und  bringt  ihn  zu  seinen  neutralen  Hermaphroditen, 
also  zu  denjenigen,  die  weder  Männer  noch  AVeiber  sind.  Aber  Mayer 
erkannte  im  Jahre  1834  an  der  Leiche,  dass  es  sich  um  einseitigen  Herm- ' 
aphrodismus  handelte.  Maria  Dorothea  hatte  männlichen  Habitus,  einen 
Penis  mit  Hypospadie  und  ein  geteiltes  Scrotum  ohne  Hoden.  Bei  der 
Sektion  fand  man  die  Prostata,  die  Vagina,  den  nicht  durchbohrten  Uterus, 
mit  Trompeten  versehen.  Zur  Eechten  ein  Hode  mit  Samenkanälchen,  zur 
Linken  einen  dem  Ovarium  ähnlichen  Körper,  aus  Granulationen  und  Zell- 
anhäufungen bestehend,  mehr  einem  Ovarium  als  einem  Hoden  ähnlich. 

Breggen,  F.  van  der,  Jets  over  den  hermaphrodiet  M.  D.  Derrier. 
Holländisch  geschrieben.  In  dem  Auszuge  findet  sich  weder  das  Journal 
noch  das  Datum. 

Beob.  20.  G.  Bergonzoli  (Pavia),  Di  un  caso  d'  ermafroditismo. 
Bull,  scient.  di  Pavia,  1803,  No.  1,  Marzo.    (Er  spricht  von  M.  D.  Derrier.) 

Nach  der  Erklärung  des  Individuums  und  nach  den  körperlichen  Cha- 
rakteren ist  sie  entschieden  ein  Hermaphrodit,  aber  da  die  Gewissheit  so- 
wohl der  Hoden,  als  der  Ovarien  fehlt,  kann  man  sie  ein  äusserlich  bisexu- 
elles Individuum  nennen. 

Beob.  21.  G.  De  Mattheis  (Rom),  Sopra  un  apparente  cambi- 
amento  di  s  esso  negli  individui  d'  una  inter  a  f  amigiia.  Roma, 
1805.  —  Effemer.  clin.  med.  delF  anno  1804,  Milano,  1805,  Semestre  2,  p.  92. 

In  einer  Bauernfamilie  nahe  bei  Rom  wurden  4  Töchter  geboren,  von 
denen  eine  sich  verheiratete  und  Kinder  hatte,  aber  die  drei  anderen,  als 
sie  ins  reife  Alter  gekommen  waren,  änderten  die  Kleider  und  verwandelten 
sich  in  Männer.  Alle  diese  drei  Personen  hatten  einen  Penis  von  der  Grösse 
des  kleinen  Fingers,  wenn  er  sich  in  höchster  Erektion  befand.  Die  Öffnung 
der  Urethra  befand  sich  an  seiner  Wurzel,  das  Scrotum  war  in  zwei  Beutel 
geteilt,  und  sie  hatten  wenig  Bart  und  waren  klein  von  Gestalt. 

Eine  ähnliche  Thatsache  findet  sich  im  Journ.  de  la  soc.  med.  d'emulat. 
aufgezeichnet.  Vol.  V,  p.  150.  Hier  wird  erzählt,  dass  fünf  Schwestern  im 
Alter  der  Pubertät  fast  aUe  zu  Brüdern  wurden. 

Beob.  22.  Beclard,  Description  d'un  individu,  dont  le  sexe 
a  quelque  chose  d'equivoque.  Bull.  fac.  med.  de  Paris,  A.  1814— 15, 
und  1816,  T.  IV,  p.  273-288. 


—     313    - 

Ch.  Debierre  (L'hermapliroditisme,  Paris,  1886,  p.  10)  liefert 
4  Tafeln,  die  Maria  Lefort  im  Alter  von  16  und  64  Jahren  darstellen,  sowie  das 
äussere  und  innere  Aussehen  ihrer  Geschlechtsorgane.  (Er  sagt  nicht,  woher 
er  sie  genommen  hat)     Vergl.  pag.  78,  Beoh.  81. 

A.  Leblond,  Du  pseudo-hermaphroditisme  comme  impedi- 
ment  medico-legal  de  la  declaration  du  sese  dans  l'acte  de 
naissance.     Ann.  d'hyg.  puhl.  etc.,  Ser.  3,  T.  XIV,  p.  293,  299. 

Maria  Madeleine  Lefort  wurde  im  Alter  von  16  Jahren  von  B  e  cl a r  d 
untersucht.  Dieser  fand  die  Form  des  Körpers  weiblich,  mit  Brüsten,  den 
Larynx  und  die  Stimme  wie  bei  einem  Jüngling.  Mit  20  Jahren  hatte  sie 
einen  Bart  und  zeigte  einen  kegelförmigen  Körper  unter  dem  Pubes,  6  cm 
lang,  undurchbohrt,  erektionsfähig  mit  Präputium  und  mit  einem  deprimierten 
Kanal  an  der  unteren  Seite,  der  fünf  regelmässige  Öffnungen  in  der  Mittel- 
linie hatte,  aus  deren  grösster,  an  der  Wurzel  des  Kegels  stehend,  der 
Urin  ausfliesst.  Maria  Madeleine  war  im  Alter  von  8  Jahren  menstruiert, 
fühlte  Neigung  zum  männlichen  Geschlecht  und  war  überzeugt,  sie  sei  ein 
Weib,  wie  es  auch  Beclard  war,  denn  er  fand  nur  sekundäre  Charaktere, 
die  dem  männlichen  Geschlechte  zukommen.  Diese  Ansicht  wurde  nicht  von 
einer  Kommission,  bestehend  aus  Chaussier,Petit-Radel  und  P.A.Beclard, 
geteilt,  die  später  Maria  untersuchten  und  verschiedene  Meinungen  aus- 
sprachen, denn  Chaussier  meinte,  es  handele  sich  um  einen  Mann  mit 
Hypospadie,  während  Beclard  behauptete,  es  handele  sich  um  ein  Weib, 
trotz  des  Bartes.  Die  am  12.  Nov.  1864  ausgeführte  Sektion  fand  vollständig 
ausgebildete  innere  weibliche  Organe  mit  Verschluss  der  Scheide,  der  die 
Diagnose  erschwerte. 

Beob.  23.  Worbe,  Observ.  sur  un  Hypospadias,  qui  a  rendu 
l'existence  civile  d'un  individu  tres  ambigue.  Bull.  Soc.  med. 
Paris,  1815,  No.  5,  p.  364  —  Is.  G.  St.  Hilaire,  Desanomalies.    Paris,  1838. 

Maria  Margareta  war  1792  geboren,  und  zur  Zeit  der  Pubertät  zeigten 
sich  Tumoren  in  den  Leistengegenden,  die  keine  Folgen  hatten.  Sie  war 
hübsch  geworden  und  erhielt  mehrere  Heiratsanträge,  aber  mit  19  Jahren 
war  sie  noch  nicht  menstruiert;  die  Anmut  begann  zu  verschwinden  und 
ihre  Neigungen  änderten  sich,  um  männlichen  Charakter  anzunehmen,  so 
dass  ihre  Eltern  trotz  ihrer  jungfräulichen  Schamhaftigkeit  ein  gerichtliches 
Urteil  beantragten.  Mit  23  Jahren  war  Maria  4  Fuss  11  Zoll  hoch,  hatte 
eine  weisse  Haut,  eine  kräftige  Konstitution,  beginnenden  Haarwuchs  an 
der  Lippe  und  am  Kinn,  Stimme  und  Becken  männlich,  birnförmige  Brüste. 
Die  Gerichtsärzte  fanden  im  Jahre  1813  ein  geteiltes  Scrotum;  jeder  Teil 
enthielt  einen  hodenähnlichen  Körper.  Zwischen  den  beiden  Körpern  befand 
sich  der  wenig  entwickelte  Penis  mit  Präputium,  ohne  Urethra,  deren  Öff- 
nung 1^/2  Zoll  vom  After  entfernt  lag. 

Als  Worbe  der  Maria  mitteüte,  sie  sei  ein  Mann  und  könne  sich  nicht 
als  Frau  verheiraten,  war  sie  erregt,  und  es  waren  viele  Monate  nötig,  um 
sie  zu  überzeugen,  dass  sie  nicht  ein  Weib  sei.  Endlich  fasste  sie  den  Ent- 
schluss,  den  Antrag  zu  stellen,  dass  das  Gericht  ihr  Geburtszeugnis  be- 
richtigen solle. 


-     314     - 

Ausser  der  Beobachtung  W  o  r  b  e  s  werden  andere  Fälle  von  zweifel- 
haftem Geschlecht  erwähnt. 

Beob.  24.  T.  Tarozzi,  Alcuni  cenni  sul  dubbio  sesso  di  un 
individuo  umano  vivente.  Ann.  univ.  di  Med.,  Milano,  1819,  T.  IX, 
p.  279-87. 

Eine  junge  Bäuerin  von  18  Jahren,  von  mittlerer  Grösse,  mager,  ganz 
unbehaartem  Körper,  mit  vorstehendem  Schildknorpel,  ohne  Brüste,  war  immer 
amenorrhoisch  gewesen  und  fürchtete,  sich  nicht  verheiraten  zu  können ; 
darum  verlangte  sie  chirurgische  Untersuchung. 

Das  Mädchen  hatte  hervorragende  Labia  majora  mit  zerstreuten  Haaren, 
die  auch  den  Schamberg  bedeckten.  In  den  Lippen  war  ein  Hode  enthalten, 
zwischen  ihnen  befand  sich  ein  Spalt,  und  in  ihrem  oberen  Winkel  trat  eine 
gut  entwickelte  Clitoris  hervor,  aber  unter  ihr  fand  man  keinen  Meatus 
urinarias,  aber  eine  zolllange  Vertiefung,  auf  deren  Boden  man  zwei  wenig 
sichtbare  Öffnungen  wahrnahm.  Eine  in  die  obere  Öffnung  eingeführte  Sonde 
drang  in  die  Urethra  ein,  in  die  untere  Öffnung  gebracht,  drang  sie  mehrere 
Zoll  tief  ein  und  verursachte  einen  Schnitt,  aber  das  Mädchen  sprang  aus 
dem  Bette  und  floh. 

Als  er  die  Kranke  wiedersah,  drang  der  Verf.  durch  den  verursachten 
Schnitt  3  Zoll  tief  in  einen  Kanal  ein,  den  er  für  die  Vagina  hielt;  diese 
war  durch  ein  Diaphragma  geschlossen,  das  in  eine  obere,  ziemlich  enge 
Höhlung  führte.  Als  er  später  das  Mädchen  wiedersah,  fand  er  sie  erfreut 
über  das  Erscheinen  der  Menstrua,  aber  bei  der  Untersuchung  konnte  er 
weder  den  Cervix  noch  die  Labia  uterina  finden ;  die  eingeführte  Sonde  kam 
blutig  zurück,  weswegen  er  glaubte,  in  die  Uterushöhle  eingedrungen  zu 
sein.  Das  Mädchen  versicherte,  keine  vorwiegende  Neigung  für  ein  be- 
stimmtes Geschlecht  zu  fühlen,  und  bei  Druck  auf  die  angeblichen  Hoden 
keinen  Schmerz  zu  fühlen;  daher  nannte  der  Verf.  seine  Geschichte  „einen 
Fall  von  doppeltem  Geschlecht". 

Beob.  25.  T.  Tarozzi  (Prov.  Mantua),  Sesso  dubbio  indue  sorelle. 
Ann.  univ.  di  med.  Milano,  184.3,  Vol.  108,  p.  878. 

Fall  1  betrifft  die  vorhergehende  Beobachtung  (24). 

In  einer  Kolonistenfamilie  waren  4  Töchter,  von  denen  sich  2  glücklich 
verheirateten,  aber  die  dritte  war  mit  18  Jahren  amenorrhoisch,  ohne  weib- 
lichen Habitus  und  ohne  geschlechtlichen  Instinkt.  Sie  zeigte  zwei  Labia 
majora  mit  zwei  eiförmigen  Körpern,  die  zu  verschiedenen  Zeiten  hinab- 
gestiegen waren.  Zwischen  den  Schamlippen  fand  der  Verf.  nur  eine  ver- 
schliessende  Membran,  die  sich  einen  Zoll  tief  eindrücken  liess,  und  auf 
deren  Grund  er  zwei  Öffnungen  fand.  Eine  durch  die  obere  Öffnung  ein- 
geführte Sonde  gelangte  in  die  Blase.  Er  that  dasselbe  an  der  unteren 
Öffnung  und  erweiterte  sie.  Der  Finger  konnte  nur  3  Zoll  tief  eindringen 
und  stiess  gegen  ein  halbmondförmiges  Diaphragma,  aber  mit  einer  Sonde 
gelangte  er  in  eine  zweite,  einen  Zoll  lange  Höhle,  und  dies  erlaubte,  dass 
bald  darauf  die  Menstruation  eintrat;  das  Mädchen  verheiratete  sich,  blieb 
aber  unfruchtbar.  In  der  Überzeugung,  es  handele  sich  um  Vagina  und 
Uterus,  vermutete  der  Verf.,  die  ovalen  Körper  seien  die  Ovarien,  um  so  mehr. 


—     315    — 

als  er  die  Nebenhoden  nicht  finden  konnte,  noch  auch  irgend  ein  Exkretions- 
produkt  der  Hoden. 

Fall  2.  Die  jüngere  Schwester  war  23  Jahre  alt,  als  sie  untersucht 
wurde.  Sie  zeigte  männlichen  Habitus  und  hatte  eine  Clitoris  von  der  Grösse 
des  grössten  Fingers.  Aber  das  seltsamste  war  ein  dem  Scrotum  ähnlicher 
Beutel,  der  sich  in  das  Perineum  und  in  die  Leistenhaut  fortsetzte,  aber  mit 
einem  Querspalt  unter  der  Clitoris,  aus  dem  der  Urin  im  Strahl  ausfloss. 
Der  Verf.  schnitt  diesen  Beutel  vertikal  ein  und  konnte  die  Labia  majora 
entdecken,  von  denen  jede  einen  rundlichen  Körper  enthielt,  einem  Hoden 
ähnlich.  Er  fand  auch  die  Nymphen,  den  Meatus  urinarius  und  das  Hymen, 
das  er  einschneiden  wollte,  konnte  aber  den  Grund  der  Scheide  nicht  unter- 
suchen, weil  das  Mädchen  sich  weigerte  und  floh.  Er  erfuhr  jedoch,  dass 
sie  später  Menstruationsbeschwerden  hatte  und  steril  blieb. 

Beob.  26.  V.  Chiarugi  (Firenze),  Sopra  una  supposta  specie  di 
ermafroditismo.     Diss.,  Firenze,  1819,  con  tavola. 

Im  Jahre  1804  verheiratete  sich  eine  gewisse  Rosa  N.  N.  in  der  Über- 
zeugung, sie  sei  ein  Weib,  aber  nach  10  monatlicher  Ehe  verlangte  der  Gatte 
von  der  bischöflichen  Curie  von  Fiesole  die  Auflösung  der  Ehe  wegen  ehe- 
licher Unfähigkeit  der  Frau,  und  die  Anklage  wurde  von  dem  sachverstän- 
digen Arzte  unterstützt,  um  so  mehr,  weil  er  sie  ohne  Hoden  fand.  Die 
Frau,  durch  dieses  Urteil  und  gegen  den  Mann  gereizt,  verliess  das  eheliche 
Dach  und  begab  sich  nach  Florenz.  Nach  11  jähriger  Trennung  wandte  sich 
der  Mann,  in  der  Überzeugung,  dass  die  Ehe  ungesetzlich  sei,  an  den  Metro- 
politanbischof  von  Florenz. 

Eosa  sagte,  sie  sei  52  Jahre  alt.  Sie  hatte  männliche  Formen,  ent- 
wickelte Brüste,  Hernien  in  beiden  Weichen,  wenig  erhöhten  und  mit  nicht 
dichten  Haaren  besetzten  Mons  Veneris.  Der  Verf.  sagt,  es  sei  eine  ganz 
männliche,,  aber  nicht  durchbohrte  Glans  vorhanden  gewesen  (vom  Penis 
schweigt  er),  mit  einem  Frenulum,  das  sich  von  der  Spitze  der  Glans  nach 
unten  zwei  Daumen  breit  weit  erstreckte,  wo  die  Öffnung  der  Urethra  er- 
schien. Statt  des  Scrotums  zeigten  sich  zwei  bewegliche,  an  die  Schenkel 
angelehnte  Beutel.  Nach  Zurttckbringung  der  Hernien  ins  Abdomen  er- 
schienen die  Hoden  mit  den  Nebenhoden.  Infolgedessen  wurde  die  Person 
für  einen  Mann  erklärt. 

Beob.  27.  Idem,  Sopra  una  supposta  specie  d'  ermafrodi- 
tismo.   Firenze,  1819.     Con  tavola. 

Vollständige  Hypospadie,  geteiltes  Scrotum,  die  Hoden  enthaltend;  auf 
einer  Seite  auch  ein  Ovarium. 

Beob.  28.  A.  W.  Otto,  Neue  seltene  Beobachtungen  zur 
Anatomie  etc.     Berlin,  1824,  p.  133.     Ein  weiblicher  Hermaphrodit. 

Ein  preussischer  Husar  fiel  vom  Pferde,  brach  einige  Rippen,  und 
wurde  Diener  des  Regiments.  Der  Verf.  sagt  nicht,  wie  der  Soldat  als 
Weib  erkannt  wurde;  er  erzählt  aber,  dass  er  verschiedene  wollüstige  Hand- 
lungen mit  einem  Mädchen  verübte,  die  ein  Urteil  des  CoUegium  medicum 
in  Breslau  veranlasste. 


—     316    — 

Die  Frau  war  mittelgross,  Habitus,  Anne,  Becken  und  Füsse  waren 
mehr  weiblich,  als  männlich;  sie  bekannte,  sie  habe  männlichen  Charakter, 
Mut  lind  geschlechtliche  Neigungen.  Seit  langer  Zeit  habe  sie  keinen  Um- 
gang mit  Männern,  nachdem  sie  zweimal  abortiert  habe. 

Bei  Untersuchung  der  Geschlechtsteile  zeigte  sich  eine  Clitoris,  IV2  Zoll 
lang  und  daumensdick,  mit  Eichel  und  Vorhaut,  die  sich  seitlich  in  zwei 
kleine  Lippen  fortsetzte.  Zwischen  diesen  befand  sich  oben  der  Meatus 
urinarius,  unter  dem  Eingang  zur  Scheide.  Die  Scheide  war  eng  und  runzelig, 
und  man  gelangte  durch  sie  zur  Öffnung  des  Uterus,  der  rund  und  glatt 
war.  Das  Corpus  uteri  war  nach  hinten  gebogen.  Die  Labia  majora  waren 
klein  und  mager,  ohne  Hoden  oder  Ovarien.  Sowohl  der  Pubes,  als  die  Ober- 
lippe waren  behaart. 

Beob.  29.  A.  W.  Otto,  Ein  männlicher  Hermaphrodit,  der 
in  drei  Ehen  als  Frau  gedient  hat.  Seltene  Beob.  zur  Anat., 
Physiol.  u.  s.  w.  Zweite  Sammlung,  Berlin,  1824,  p.  123,  Tafel  III,  Fig.  1 
und  2. 

Geteiltes  Scrotum  und  rudimentärer  Penis  mit  nicht  durchbohrter 
Eichel.  Die  Urethra  öffnete  sich  zwischen  beiden  Hälften  des  Scrotums, 
von  denen  jede  einen  hodenähnlichen  Körper  enthielt.  Wegen  dieser  und 
anderer  äusserer  Charaktere  erklärte  der  Verf.  das  Weib  für  einen  miss- 
hildeten  Mann. 

Beob.  30.  Duges  et  Toussaint,  Memoire  sur  l'hermaphroditisme. 
Ephem.  de  Montpellier,  Mai  1827.  —  is.  G.  St.  Hilaire,  Des  anom alles  etc. 
Paris,  1836,  T.  II,  p.  60. 

Josephine  Badre  war  als  Weib  gekleidet  und  missbrauchte  oft  die  den 
Weibern  gestatteten  Freiheiten.  Mit  24  Jahren  zeigte  sie  männlichen  Habitus, 
tiefe  Stimme,  unentwickelte  Brüste,  Thorax  und  Becken  männlich,  wenig 
Bart.  Trotz  des  gekrümmten  Penis  (so  dass  das  Sperma  in  die  Scheiden- 
spalte floss),  war  sie  den  Weibern  ergeben,  und  ebenso  dem  Tabak  und 
Alkohol.  Sie  besass  einen  kurzen,  dicken  Penis,  die  Glans  war  wenig  vom 
Präputium  bedeckt.  Ausserdem  war  der  Penis  ohne  Urethra  und  durch 
Stränge  am  Perineum  befestigt,  die  beim  Hinabsteigen  auseinander  traten, 
so  dass  sie  einen  mit  roter  Schleimhaut  ausgekleideten,  2  Zoll  langen  Spalt 
bildeten.  An  seinem  Ende  befand  sich  die  Öffnung  der  Urethra,  die  Öffnung 
der  Vulva  vortäuschend. 

Hoden  und  weibliche  Organe  wurden  nicht  angetroffen.  Daher  wurde 
Josephine  nur  wegen  der  (natürlich  nicht  untersuchten)  Samenflüssigkeit  für 
einen  liederlichen  Mann  erklärt. 

Beob.  31.  Coste  de  Marseille,  Amputation  d'un  pseudo-penis 
chez  une  jeune  fille.  Journ.  des  connaiss.  med.  Paris,  1835 — 36,  Vol.  III, 
p.  105. 

Ein  Mädchen  von  21  Jahren  mit  weiblichem  Habitus  und  sanfter  Stimme 
hatte  einen  Penis  ähnlich  dem  eines  14  jährigen  Knaben,  mit  Glans  und 
Präputium,  aber  ohne  Urethra,  indem  die  Öffnung  4  Linien  unter  dem  Penis 
mündete;  aus  ihm  flössen  regelmässig  die  Menstrua.  Von  den  Seiten  dieser 
Öffnung  stiegeti  zwei  Nymphen  herab,   und  statt  des  Scrotums  waren  zwei 


—     317    — 

etwas  rudimentäre  Labia  majora  vorhanden;  am  Ursprung'  der  rechten  Lippe 
enthielt  sie  einen  Hoden.  Der  Eingang  zur  Scheide  fehlte.  Der  Verf.  glaubte, 
Uterus  und  Ovarien  müssten  vorhanden  sein,  was  er  aus  der  Menstruation 
schloss. 

Da  das  Mädchen  wünschte,  sich  zu  verheiraten,  stand  der  Verf.  nicht 
an,  eine  künstliche  Scheide  zu  bilden  und  die  Clitoris  zu  amputieren.  Er 
sagt  nicht,  ob  es  ihm  gelang',  das  Collum  uteri  zu  fühlen,  erzählt  aber, 
8  Monate  nach  der  Operation  habe  das  Mädchen  geheiratet  und  den  Coitus 
ohne  Schwierigkeit  ausgeführt;  aber  als  er  schrieb,  hatte  sie  noch  keine 
Kinder.  (Der  Verf.  schweigt  über  die  Zeit  und  über  den  inneren  Zustand 
der  Teile.) 

Beob.  32.  A.  Nanula  (Napoli),  Caso  d'  apparente  ermafroditismo. 
Filiatre-Sebezio.    Napoli,  1838,  Vol.  XVI,  p.  420. 

Eine  vorgebliche  Frau  von  24  Jahren  besass  einen  kleinen  Penis  von 
der  Länge  der  letzten  Phalanx  des  kleinen  Fingers,  mit  nicht  durchbohrter 
Eichel  und  Präputium  ohne  Frenulum.  Das  Scrotum  war  der  Länge  nach 
in  zwei  Hälften  geteilt,  von  denen  jede  einen  Hoden  enthielt.  Unter  dem 
Penis  befand  sich  die  erweiterte  Öffnung  der  Urethra.  Sie  hatte  weder 
Bart,  noch  Brüste,  und  männliche  Neigungen. 

Beob.  33.  F.  A.  v.  Ammon,  Die  angeborenen  chirurgischen 
Krankheiten  des  Menschen.     Berlin,  1842,  p.  93,  Tafel  XX,  Fig.  1,  2. 

Ein  Mann  mit  Hypospadie  wurde  lange  für  eine  Frau  gehalten  und 
Marie  Eosine  genannt.  Er  hatte  ein  zweiteiliges  Scrotum  und  in  jeder 
Hälfte  eine  Hernie  mit  Hydrocele. 

Beob,  34.  G.  C.  Fenoglio,  Singulare  deformitä  delle  parti 
generative  in  un  soldato.  Giorn.  delle  sc.  med.  Torino,  1842,  A.  V, 
Vol.  III,  p.  301. 

Ein  Soldat  hatte  an  Stelle  des  Penis  nur  die  Glans ,  die  aus  dem 
oberen  Teile  des  Scrotums  hervorragte.  Dieses  war  zweigeteilt  und  jede 
Hälfte  enthielt  einen  wohlgebildeten  Hoden.  Der  Verf.  sagt,  die  Samen- 
stränge hätten  gefehlt. 

Beob.  35.  G.  C.  Fenoglio  (Turin),  Mostruositä  nei  genitali 
identica  intre  individuidella  medesimafamiglia.  Giorn.  delle 
sc.  med.  Torino,  1843,  A.  VI,  Vol.  XVIII,  p.  176. 

Von  gesunden  Eltern  wurden  5  Kinder  geboren.  Von  diesen  hatten 
das  zweite,  dritte  und  fünfte  dieselbe  Missbildung,  so  dass  der  Verf.  nur 
das  zweite  beschreibt.  Dieses  war  5  Jahre  und  8  Monate  alt,  1  m  162  mm 
hoch,  mit  verhältnismässig  entwickeltem  Körper  und  männlichen  Neigungen. 

Der  Schamberg  war  schon  behaart,  der  Penis  dem  eines  9  jährigen 
Kindes  ähnlich;  die  Öffnung  der  Urethra  war  durch  ein  glänzendes  Häutchen 
verschlossen  und  an  der  Wurzel  des  Penis  war  eine  Öffnung,  aus  der  der 
Urin  floss.  Scrotum  und  Hoden  fehlten.  Kein  Anzeichen  von  Clitoris  oder 
Scheide,  noch  Brüsten.  Der  Verf.  hofft,  dass  die  männlichen  Charaktere 
deutlich  werden,  sagt  es  aber  den  Eltern  nicht  sicher  zu. 


—    318    - 

Beob.  36.  Harris,  Caso  di  sesso  dubio  con  menstruazione 
dal  pene.  London  med.  Gaz.,  Sept.  1847.  Ann.  univ.  di  naedic.  Milano, 
1848,  Vol.  126,  p.  204. 

Bin  Negersklave  in  Virginien,  18  Jahre  alt,  von  männlichem  Aussehen, 
kräftigen  Formen,  dicken  Lippen  und  weiblicher  Stimme  und  Füssen  ähnlich 
den  Männerfüssen  seiner  Easse.  Dagegen  besitzt  er  starke  Brüste  mit 
weiblichen  Charakteren,  einen  behaarten  Schamberg,  und  zugleich  einen 
kleinen  Penis,  hinreichend  nach  aussen  vorragend.  Unter  dem  Penis  be- 
findet sich  eine  nach  dem  Perineum  gerichtete  Spalte  mit  lang  behaarten 
Labien,  wie  die  Labia  majora  der  Weiber,  aber  sie  enthalten  keine  Hoden. 
Der  Spalt  ist  VI2  Zoll  tief  und  in  den  Wänden  nahe  am  Grunde  fühlt  man 
die  Corpora  cavernosa  penis. 

Dieser  Sklave  ist  seit  3—4  Jahren  regelmässig  durch  den  Penis  men- 
struiert, mit  den  gewöhnlichen  Symptomen  der  Menstruation.  Seine  Neigung 
gehört  ausschliesslich  den  schwarzen  Frauen.  Aus  diesen  Angaben  schliesst  der 
Verf.,  dass  die  weiblichen  Charaktere  vorherrschen  und  vermutet,  da  das 
Individuum  nur  ein  einziges  männliches  Organ,  den  Penis,  und  zwar  un- 
vollkommen, besitzt,  dass  sich  im  Becken  der  innere  weibliche  Geschlechts- 
apparat befinde.  Er  meint  femer,  dass  dieser  Annahme  die  Neigung  zu  den 
Weibern  nicht  widerspricht,  denn  er  schreibt  sie  der  Nachahmung  und  der 
erhaltenen  Erziehung  zu.  Dennoch  bleibt  die  Frage  zweifelhaft,  denn  man 
weiss  nicht,  ob  das  Individuum  jemals  eine  Samenentleerung  gehabt  hat, 
oder  sie  zu  haben  fähig  ist,  und  wissenschaftlich  bleibt  auch  der  Vorgang 
dunkel,  mittelst  dessen  die  Menstruation  durch  den  Penis  stattfindet. 

Beob.  37.  R.  Virchow,  Weiblicher  Hermaphrodismus.  Ver- 
band!, der  phys.  med.  Gesellsch.  in  Würzburg,  1852,  T.  III,  p.  359. 

Eine  Frau  von  77  Jahren,  die  niemals  menstruiert  gewesen  war,  hatte 
Urethra  und  Vagina  zu  einem  engen  Kanal  vereinigt  (Sinus  uro-genitalis), 
der  an  der  Wurzel  der  Clitoris  mündete.  Diese  war  vergrössert  und  mit 
einem  Präputium  versehen. 

Beob.  38.  P.  Coilenza  (Marina  Napoletana),  Caso  d'  eimafrodito 
vivente  neutro-later ale.  II  Filiatre  Sebezio.  Napoli,  1853,  Vol.  65, 
p.  179. 

Ein  33jähriger  Mann  mit  weiblichen  Formen  und  grossen  Brüsten 
hatte  niemals  männliche  Neigungen  gefühlt.  Dabei  besass  er  einen  Penis 
mit  Urethra,  aus  der  bisweilen  eine  Flüssigkeit  austrat,  die  aber  niemals 
Spermatozoen  enthielt.  Der  Penis  war  1  Zoll  6  Linien  lang  und  wurde 
von  dem  nach  rechts  gerichteten  Scrotum  nach  links  gedrängt.  Dieses 
enthielt  auf  der  linken  Seite  zwei  Körper;  der  eine  wurde  für  den  Hoden 
der  andere  für  den  Nebenhoden  gehalten ;  auf  der  rechten  Seite  befand  sich 
ein  unregelmässiger,  harter,  unempfindlicher  Tumor,  der  auf  Druck  aus  der 
Glans  eine  milchige  Flüssigkeit  austreten  Hess.  Mit  der  Sonde  gelangte 
der  Verf.  in  einen  Kanal,  der  in  die  rechte  fossa  iliaca  führte,  ohne  die 
Blase  zu  erreichen.     Durch  das  Eectum  fand  er  die  Prostata  nicht. 

Der  Verf.  hielt  den  Tumor  auf  der  rechten  Seite  des  Scrotums  für 
eine  Hernia  uterina ;  nach  unserer  Meinung  war  es  eine  Hernie  der  katarrha- 


-    319    — 

lisch   affizierten   Blase.     Es   fehlten   also    auch   die   klinischen   Zeichen  von 
Hermaphrodismus,  und  der  Fall  muss  unter  die  zweifelhaften  gestellt  werden. 

Beoh.  39.  Huette,  Hermaphrodisme  apparent  chez  le  sexe 
masculin.  Soc.  de  Biol.  Seance  Dec.  1855.  Gaz.  med.  de  Paris,  1856, 
Ser.  III,  Tom.  XI,  p.  141. 

Ein  Weib  mit  männlichen  Instinkten.  Im  Alter  von  17  Jahren  zeigte 
sie  ein  zweigeteiltes  Scrotum  mit  den  Hoden  und  einen  rudimentären  Penis 
mit  nicht  durchbohrter  Glans.  Unter  dem  Penis  befand  sich  die  Öffnung 
der  Urethra,  durch  welche  eine  Sonde  in  die  Blase  gelangte.  Bei  der 
Untersuchung  fand  man  keinen  Körper  zwischen  Rectum  und  Blase. 

Beob.  40.  Larrey,  Hermaphrodisme.  Bullet,  de  la  Soc.  de  chir. 
21.  Sept.  1859.     Gaz.  des  Hop.  1859,  p.  450. 

Ein  Mädchen  von  21  Jahren,  Namens  Alexandrine  Hortense,  hatte 
einen  rudimentären,  nicht  durchbohrten  Penis ;  äusserlich  fehlten  die  Hoden; 
das  zweigeteilte  Scrotum  glich  zwei  grossen  Schamlippen,  der  Meatus 
urinarius  befand  sich  am  Ursprung  des  Penis.  Das  Präputium  verlängerte 
sich  an  den  Seiten  in  Gestalt  von  Nymphen,  die  Hoden  befanden  sich  in 
den  Bauchringen,  der  Bart  zeigte  sich  und  die  Stimme  war  tief.  Sie  hatte 
keine  merklichen  geschlechtlichen  Neigungen. 

Beob.  41.  Dr.  F.  Torchio,  Deformitä  degli  organi  genital i. 
Giorn.  della  E.  Acc.  di  Torino,  1860,  Vol.  38,  p.  8.     Con  tav. 

In  Turin  starb  eine  65  Jahre  alte  Witwe ;  ihre  Leiche  hatte  männliche 
Formen ;  kein  Rest  von  Brüsten,  Bart  spärlich.  Unter  dem  Pubes  ragte 
die  Glans  hervor,  von  der  Grösse  eines  Daumens,  uudurchbohrt  und  nicht 
vom  Präputium  bedeckt,  welches  kuiz  war  und  an  der  Basis  die  Ränder 
einer  Rinne  bildete,  die  die  Urethra  vertrat,  und  die  kleinen  Schamlippen 
vortäuschten.  Die  Öffnung  der  Urethra  befand  sich  4  cm  tiefer  am  Anfang 
des  Scrotums,  so  dass  Hypospadie  entstand.  Das  Scrotum  war  nach  oben 
gezogen  und  zweiteilig,  und  enthielt  die  Hoden.  Die  innere  Untersuchung 
fand  keine  Spur  von  weiblichen  Organen. 

Das  Leben  dieses  Individuums  war  sehr  abenteuerlich;  es  hatte  2  Jahre 
lang  als  Ehefrau  gelebt,  ehe  es  Witwe  wurde. 

Beob.  42.  Chesneut  (La  Rochelle),  Question  d'identite.  Vice 
de  conformation  des  organes  genitaux.  Hypospadias.  Ann. 
d'hyg.  publ.  et  de  med.  leg.  Juillet  1860,  p.  206.  —  E.  Goujon,  Gas 
d'hermaphrodisme  bisexuelimparfaitchezl'homme.  Journ. 
de  l'Anat.  et  de  la  Physiol.  Paris,  1869,  A.  VI,  p.  599.  Planches  XVI  et 
XVII.  —  Tardieu,  Question  med.  leg.  de  l'identite.    Paris,  1874. 

Alessia  B.  wurde  in  einem  Dorfe  von  braven  Eltern  im  Jahre  1838  geboren. 
In  ihrer  Jugend  besuchte  sie  religiöse  Schulen  und  trat  im  Jahre  1860  als  Lehre- 
rin in  ein  Pensionat.  Zur  Pubertätszeit  hatte  sie  kein  Zeichen  von  Menstrua- 
tion und  blieb  amenorrhoisch.  Sie  war  mager,  der  Ausdruck  ihres  Gesichts 
schwankte  zwischen  dem  der  beiden  Geschlechter;  ihre  Stimme  war  sanft, 
auf  der  Oberlippe  und  an  den  Armen  befand  sich  Flaum.  Brust,  Becken 
und  Hüften  waren  männlich.  Sie  schloss  (so  erzählt  sie)  innige  Freundschaft 
mit  einer  Genossin  in  der  Pension,  wurde  dann  von  unbestimmten  Gefühlen 


—     320     — 

bewegt  die  zu  einer  wahren  Leidenschaft  wurden,  die  man  jetzt  geschlecht- 
liche Umkehrung  nennen  kann. 

Hierauf  betrafen  Alessia  verschiedene  Unglücksfälle,  die  sie  bestimmten, 
sich  von  Chesneut  untersuchen  zu  lassen,  der  einen  Bericht  gab,  worin 
sie  für  einen  Hermaphroditen  mit  Vorwiegen  des  männlichen  Geschlechts 
erklärt  wurde. 

Durch  dieses  Urteil  erregt,  genötigt,  nicht  nur  die  Kleidung  zu  wech- 
seln, sondern  auch  auf  ihre  Neigungen  und  gesellschaftlichen  Beziehungen 
zu  verzichten,  zog  sie  sich  zurück  und  beschäftigte  sich  bei  einer  Eisen- 
bahnverwaltung; aber  es  gelang  ihr  nicht,  dieses  Leben  zu  ertragen;  so 
wurde  sie  von  Lypemanie  ergriffen  und  erstickte  sich,  30  Jahre  alt,  mit 
Kohlensäure. 

G  0  u  ]  0  n  machte  die  Sektion  und  fand  einen  nicht  durchbohrten  Penis, 
unter  dem  sich  die  Vulva  befand,  in  welche  die  Urethra  und  die  Ductus 
ejaculatorii  mündeten;  aber  man  fand  weder  Uterus  noch  Ovarien.  Das 
Scrotum  war  zweiteilig  und  enthielt  rechts  einen  Hoden,  während  der  linke 
im  Leistenringe  zurückgehalten  wurde. 

Beob.  43.  Prof.  Ed.  Porro,  Indagine  cruenta  per  giudicare 
con  sicurezza  del  sesso.  Gaz.  med.  Lombarde.  Milano,  1862,  p.  515^ 
No.  51. 

In  einer  PamiÜe  wurden  zwei  Vettern  mütterlicher  Seite  geboren, 
beide  mit  geschlechtlichen  Missbildungen,  von  denen  der  eine  seinen  Zu- 
stand nicht  ertrug  und  sich  mit  17  Jahren  ertränkte. 

In  einer  anderen  Familie  wurde  ein  Mädchen  geboren  und  einer  Amme 
übergeben,  weil  die  Mutter  an  Verblutung  gestorben  war.  Das  Kind  wuchs, 
zeigte  immer  mehr  männliche  als  weibliche  Neigungen  und  kümmerte  sich 
wenig  um  häusliche  Arbeiten;  mit  18  Jahren  wurde  sie  zur  Ehe  begehrt. 
Aber  die  Grossmutter  hegte  Verdacht  über  ihr  Geschlecht  und  liess  sie 
untersuchen,  und  Prof.  Inzani  erklärte,  sie  sei  männlichen  Geschlechts. 
Da  das  angebliche  Mädchen  nicht  mehr  Weiberkleider  tragen  wollte,  welche 
die  Familie  aus  verschiedenen  Gründen  beizubehalten  wünschte,  entschloss 
sie  sich,  das  väterliche  Haus  zu  verlassen  und  ein  gerichtliches  Urteil  über 
die  Natur  ihres  Geschlechts  zu  verlangen. 

Prof.  Porro  wurde  beauftragt  und  untersuchte  sie  am  8.  Dez.  1882. 
Er  fand  ihre  Grösse  zu  159  cm,  ihr  Gewicht  zu  51  400  g.  Die  Haare  schwarz 
und  hart. 

Sie  hatte  gut  entwickelte  Brüste  von  weiblichem  Typus.  Bauch  ein- 
gezogen, Linea  alba  unbehaart,  die  Beine  an  den  Knien  konvergierend,  das 
Becken  weit  und  weiblich.  Bei  Entfernung  der  Schenkel  voneinander  sah 
man  die  Vulva  mit  mehr  als  normal  entwickelter  Clitoris,  die  Glans  aus  der 
Hülle  nur  1^/2  cm  hervorragend.  (Die  ganze  Länge  betrug  3  cm.)  Von  der 
Basis  der  Glans  gingen  zwei  Labia  minora  aus,  einen  Halbkanal  bildend,  der 
sich  in  einen  4^/2  cm  langen ,  in  die  Blase  führenden  Kanal  fortsetzte. 
Ausser  den  kleinen  waren  auch  die  grossen  Schamlippen  in  gewöhnlicher 
Gestalt  vorhanden;  sie  enthielten  im  äusseren  Leistenring  jede  einen  rund- 
lichen Körper,  die  bei  Druck  nicht  schmerzten   und  nicht  sicher  als  Hoden 


—    321    — 

zu  erkennen  waren,  und  ebensowenig  als  Ovarien.    Durch  das  Kektum  fand 
man  weder  Prostata,  noch  Uterus. 

Der  Verf.  bemerkte,  dass  ausser  der  Gegenwart  der  Brüste  die  Person 
niemals  Menstruation,  noch  Molimina,  oder  Neigung  zu  einsamen  Genüssen 
gehabt  hatte,  während  sich  zwei  Körper  im  Kanal  befanden,  die  man  für 
Hoden  halten  konnte,  sowie  dass  weitere  körperliche  Zeichen  da  waren,  die  für 
männliches  Geschlecht  sprachen.  Dennoch  konnte  er  nicht  zur  Gewissheit 
über  das  Geschlecht  gelangen  und  beschloss,  nach  Chloroformierung  die 
Leistenkörper  zu  untersuchen.  Nachdem  er  die  rechte  Genito-Urethralfalte 
geöffnet  hatte,  fand  er,  dass  es  sich  um  den  Hoden  und  den  wenig  ent- 
wickelten Nebenhoden  handelte,  brachte  den  Hoden  in  die  Scheiden- 
haut zurück,  an  die  er  zwei  Nähte  anlegte,  und  vereiaigte  endlich  die 
äussere  Wunde  mit  4  Knopfnähten  nach  allen  antiseptischen  Kegeln;  nach 
6  Tagen  nahm  er  die  Nähte  weg  und  fand  fast  vollständige  Vereinigung 
per  primam. 

Beob.  44.  Bailly,  Hermaphrodisme.  Bull.  Ac.  med.  Paris,  1863, 
T.  I,  p.  341. 

Ein  Mann  von  38  Jahren  ohne  Bart,  mit  geteiltem  Scrotum  und  Hypo- 
spadie  im  höchsten  Grade.  In  jeder  Hälfte  des  Scrotums  befand  sich  ein 
Hode. 

Beob.  45.  J.  L.  Casper  (Berlin),  Praktisches  Handbuch  der  ge- 
richtlichen Medizin,  1856,  Bd.  2,  (1864,  Übersetzung). 

Eine  ledige  Frau  von  37  Jahren,  von  männlichem  Habitus,  ohne  Brüste, 
mit  schmalem  Becken;  das  Scrotum  war  in  zwei  Säcke  geteilt,  in  jedem  be- 
fand sich  ein  Hode ;  der  Penis  war  ungewöhnlich  kurz.  An  seiner  Wurzel 
mündete  die  Urethra,  und  an  seiner  unteren  Seite  lief  eine  Kinne,  in  wel- 
cher nahe  an  der  Krone  der  Eichel  zwei  kleine  elytische  Öffnungen  (Ejaku- 
lationskanäle)  sichtbar  waren.  Zwischen  den  beiden  Scrotalsäcken  befand 
sich  ein  mit  roter  Schleimhaut  bekleideter  Spalt.  Diese  angebliche  Frau 
hatte  Umgang  mit  einem  ebenfalls  ledigen  Weibe,  das  ein  Kind  gebar  mit 
derselben  Missbildung  der  Geschlechtsteile,  die  wir  bei  der  angeblichen  Frau 
beschrieben  haben. 

Beob.  46.  Jac.  Facen  von  Fonzaso  (Prov.  BeUuno),  Gazz.  med.  delle 
prov.  Venete.     Padova  1865,  A.  VIII,  p.  297.    Append. 

Verf.  untersuchte  einen  30jährigen  Mann  von  weiblichem  Aussehen 
und  Formen.  Er  hatte  eine  Glans  mit  Meatus  urinarius,  aber  ohne  Vorhaut 
und  Penis,  so  dass  die  Glans  sitzend  und  nicht  verlängerungsfähig  war,  wie 
die  Clitoris.  Sie  war  ihr  auch  darin  ähnlich,  dass  an  den  Seiten  zwei 
nymphenartige  Falten  herabstiegen.  Auch  die  Labia  majora  waren  vor- 
handen, aber  diese  enthielten  die  Hoden  mit  ihren  Samensträngen.  Von 
einer  Vagina  keine  Spur.  Der  Mann  wollte  sich  verheiraten,  hatte  Ejaku- 
lation des  Samens,  und  dabei  wurde  die  Eichel  hart.  So  war  nur  das  äussere 
Aussehen  weiblich. 

Beob.  47.  Idem,  Androgynismo.  Giom.  Veneto  di  Sc.  med.  Ser.  3, 
Tom.  m,  p.  163.  Venezia,  1865.  Gazz.  med.  lombarda,  Milano,  1865, 
p.  354. 

Taruffi,  Hermapkrodismns.  21 


—     322     - 

Ein  Knabe  von  13  Jahren,  von  weiblicliem  Habitus  hatte  statt  des 
Scrotums  zwei  Hautfalten,  von  denen  jede  eine  bohn engrosse  Drüse  enthielt. 
Nach  oben  vereinigten  sich  beide  Falten  in  einen  Winkel,  unter  dem  sich 
eine  kleine  Glans  ohne  Präputium  verbarg,  und  unter  der  Glans  befand  sich 
die  Öffnung  der  Urethra  und  ein  geschlossenes  Grübchen,  ähnlich  den  Nymphen. 
Der  Bursche  erreichte  das  30.  Jahr  ohne  Bartwuchs,  mit  breiter  Brust,  stark 
•  entwickelten  Brüsten  und  Neigung  zu  den  Frauen.  Er  war  niemals  men- 
struiert, bemerkte  dagegen  eine  vorübergehende  Härte  der  Glans  (ohne  Ver- 
längerung), worauf  Ejakulation  von  Sperma  folgte  (ohne  mikroskopische 
Untersuchung),    so  dass  der  Verf.  glaubte,    es  handele  sich  um  einen  Mann. 

Beob.  48.  C.  Lombroso,  Caso  singulare  di  ermaf roditismo 
maschile  transversale  in  una  maniaca.  Giorn.  ital.  delle  malatt. 
vener.    MUano,  1867,  T.  IV,  p.  306—310. 

Maria,  26  Jahre  alt,  Zwilling,  Tochter  von  kropfigen  Eltern,  mit  weib- 
lichem Gesicht  und  männlichem  Kumpf.  Sie  liebte  zuerst  einen  Mann,  und 
wurde  sehr  betrübt,  als  sie  ihre  geschlechtliche  Missbildung  bemerkte.  Sie 
litt  an  Manie.  Sie  war  ohne  Haare  an  den  Geschlechtsteilen.  Die  Labia 
majora  waren  gross  und  enthielten  Hoden.  Die  Clitoris  war  ungewöhnlich 
gross,  25  mm  lang;  der  Verf.  hielt  sie  für  einen  kurzen  Penis,  mit  darunter- 
liegender Mündung  der  Urethra.  Der  Scheidenkanal  fehlte.  Sie  hatte  Nei- 
gung zu  Weibern. 

Idem,  Caso  di  pseudo-ermafroditismo  transversale  ma- 
schile.   Ann.  univ.  di  med.  (Omodei).    Milano,  1874,  T.  227,  p.  478—481. 

Der  Fall  ist  derselbe  wie  der  vorige,  mit  gerichtlich-medizinischen  Be- 
trachtungen. 

Beob.  49.     Über  Katharina  Hohmann. 

A.  Beer,  Beschreibung  eines  Hermaphroditen.  Deutsche 
Kün.,  1867,  No.  34.    Jahresber.  für  1867,  Bd.  I,  p.  263  (29). 

K.  Rokitanski,  Fall  von  Hermaphrod.  vera  lateralis.  AUgem. 
Wiener  med.  Zeitg.,  1868,  No.  27.    Virchows  Arch.,  Bd.  43  und  44. 

B.  S.  Schultze,  Der  Hermaphrodit  Katharina  Hohmann  aus 
Mellrichstadt.    Virchows  Archiv,  1868,  Bd.  43,  p.  320. 

V.  Friedreich  (Heidelberg),  Der  Hermaphrodit  Kath.  Hohmann. 
Virchows  Archiv,  1869,  Bd.  45,  p.  1. 

Kath.  H.  war  45  Jahre  alt. 

R.  Virchow,  Vorstellung  eines  Hermaphroditen  in  der 
Berliner  med.  Gesellschaft.  Berliner  kün.  Wochenschr.,  1872,  No.  49. 
Jahresber.  für  1872,  Bd.  I,  p.  230. 

Kath.  H.  war  48  Jahre  alt. 

L.  Giuntoli,  Caso  straordinario  d' ermafroditismo.  L' Impar- 
ziale.    Firenze,  1873.    A.  13,  p.  682.    (Kritische  Arbeit.) 

A.  Ceccherelli,  ün  caso  d'  ermafroditismo.  Lo  Sperimentale. 
Firenze,  1874,  T.  33,  p.  198.    (Kritische  Arbeit.) 


—    323     — 

R.  Boddaert,  Etüde  sur  rhermafroditisme  lateral.  Ann.dela 
Soc.  de  med.  de  Gand.,  1874.  Kritisches  Studium  über  die  über  Katharine 
Hohmann  gelieferten  Arbeiten  nnd  über  12  andere  ähnliclie  Fälle.  Er 
schliesst,  es  fehle  der  genügende  Beweis  für  das  gleichzeitige  Vorhandensein 
eines  Hoden  und  eines  Ovariums. 

Katharina  Hohmann  aus  Bayern  hatte  im  Alter  von  40  Jahren  vor  kurzem 
die  Menstruation  verloren,  hatte  reichliche  Behaarung  und  Brüste,  aber 
männlichen  Habitus.  Sie  hatte  einen  schlaffen  Penis,  die  Glans  war  ohne 
Meatus  urinarius;  das  Präputium  fiel  herab,  so  dass  es  eine  Vulva  vor- 
täuschte, aus  der  nach  oben  der  Urin  austrat  (Hypospadie).  Dies  führte  zur 
Verwechselung  des  Penis  mit  einer  Clitoris.  Zur  Eechten  befand  sich  ein 
Scrotum  mit  einem  einzigen  gut  entwickelten  Hoden. 

Katharina  versicherte,  immer  geschlechtlich  gleichgiltig  gewesen  zu  sein, 
aber  sie  war  jederzeit  zum  Coitus  geneigt  und  hatte  immer  reichliche  Eja- 
kulationen, so  dassVirchow  in  der  Samenflüssigkeit  lebende  Spermatozoen 
finden  konnte,  aber  eine  Prostata  fand  er  nicht.  Schnitze  hatte  schon 
vorher  nach  der  Untersuchung  auf  die  Gegenwart  der  Scheide,  eines  einem 
kleinen  Uterus  ähnlichen  Körpers  mit  einem  Strang,  der  rechts  zu  einem 
Organ  lief,  das  man  für  ein  Ovarium  hielt,  geschlossen;  man  konnte  daraus 
folgern,  es  handele  sich  um  einen  lebenden  alternierenden  Hermaphroditen. 
Aber  diese  Annahme  wurde  beim  Tode  Katharinas,  in  ihrem  57.  Jahre  nicht 
bestätigt,  denn  die  Sektion  wurde  nicht  ausgeführt. 

Beob.  50.  Eug.  Sarzana  (Ceccano),  Ermafroditismo  anormale. 
Giorn.  med.  di  Roma,  1868,  T.  IV,  p.  474—481. 

Eine  Bäuerin,  namens  Faustina,  30  Jahre  alt.  Mit  17  Jahi'en  wurde 
sie  menstruiert,  aber  die  Menstrua  hörten  auf.  In  der  Folge  litt  sie  zu  un- 
bestimmten Zeiten  an  Nasenbluten,  genoss  aber  dann  vortrefflicher  Gesund- 
heit, so  dass  sie  sich  mit  19  Jahren  verheiratete  und  dann  11  Jahre  lang 
gesund  blieb.  Aber  sie  blieb  steril.  An  Kinn  und  Oberlippe  erschienen  nur 
wenige  Haare.  Sie  war  von  hoher  Gestalt  und  passte  besser  für  Feld-  als 
für  häusliche  Arbeiten.  Sie  hatte  keine  Brüste,  aber  die  Stimme  war 
weiblich,  ebenso  das  Becken.  Sie  hatte  wenig  Neigung  zu  sinnlichen  Ge- 
nüssen. 

An  den  Genitalien  zeigte  die  Vulva  das  Aussehen  eines  geteilten 
Scrotums,  aus  zwei  grossen  Schamlippen  gebildet.  Aus  der  linken  Lippe 
stand  ein  etwas  harter,  beweglicher  Körper  von  der  Grösse  eines  Tauben- 
eis hervor,  an  dessen  oberem  Teile  ein  Strang  befestigt  war,  der  in  den 
Leisteniing  eindrang.  Die  rechte  Lippe  trat  weniger  hervor  und  enthielt 
einen  weicheren  und  kleineren  Körper,  als  die  linke. 

Statt  der  Clitoris  fand  sich  ein  dem  Penis  ähnliches  Anhängsel,  aber 
ohne  Urethra  und  nicht  erektionsfähig.  Es  war  so  dick  und  lang  wie  der 
Daumen,  mit  nicht  durchbohrter  Eichel,  runzligem  Präputium,  das  nach 
unten  gefaltet  war  und  sich  äusserlich  in  die  grossen  Lippen  und  die  Falten 
der  Scheidenmündung  fortsetzte.  Wenn  man  die  genannten  Lippen  ausein- 
ander bog,  sah  man  einen  Spalt,  der  von  dem  oberen  Ende  des  genannten 
Anhängsels  ausging,  und  sich  in  den  Scheidenkanal  verlängerte,  wo  sich  in 

21* 


—    324     — 

Entfernung  von  ungefähr  einem  Zoll  die  Öffnung  der  Urethra  Ijefand,  die  in 
die  Blase  führte.  Der  Scheidenkanal  war  ziemlich  eng,  2  Zoll  tief  und 
endete  blind;  er  lehnte  sich  an  das  Rectum  an.  Die  Untersuchung  durch, 
den  After  ergab  kein  Zeichen  eines  Uterus. 

Der  Verf.  war  sich  der  Schwierigkeit  bewusst,  eine  Diagnose  aufzu- 
stellen. Indessen  stützte  er  sich  auf  gewisse  klinische  Beobachtungen  und 
besonders  auf  mehr  oder  weniger  beachtenswerte  Schlüsse  und  erklärte  die 
Person  für  eine  Frau.  Wir  sind  dagegen  geneigt,  anzunehmen,  es  handele 
sich  vorzüglich  um  Pseudo-Hermaphrodismus,  also  um  das  Fortbestehen  von 
Teilen  der  Müll  er  sehen  Kanäle,  wovon  wir  schon  Beispiele  angeführt 
haben  (Taruff  i,  Memorie  elc,  A.  1899,  Ser.  V,  T.  VII,  p.  720,  721,  Note  3), 
wobei  andere  Fehler  nicht  ausgeschlossen  sind;  man  muss  also  zweifelhaftes 
Geschlecht  annehmen. 

Beob.  51.  E.  Antonini,  Un  uomo-donna  ippo  er  atico.  Fano,  1869, 
Ser.  III,  T.  XV,  p.  403-411. 

Klinische  Beobachtungen  an  einer  27jährigen  Bäuerin,  mit  Penis,  ge- 
teiltem Scrotum,  Hypospadie.  Jede  Hälfte  des  Scrotums  enthielt  einen 
Hoden. 

Beob.  52.  Wal<e,  Gase  of  mal  formation  of  the  sexual  Or- 
gans.    Med.  Times  and  Graz.,  Oct.  15.    Jahresber.  1870,  Vol.  I,  p.  297. 

E.  G.  Wake  wurde  von  einem  alten  Manne  konsultiert,  der  an  einer 
Herzkrankheit  und  Anfällen  von  Hemicrania  litt,  unter  deren  Einfluss  er 
nicht  urinieren  konnte.  Die  Blase  war  voll,  aber  um  den  Katheter  einzu- 
führen, fand  man  den  Penis  nicht,  und  an  seiner  Stelle  einen  1^/2  Zoll  langen 
Blindsack.  Erst  am  Boden  desselben  fand  man  die  atrophische  Eichel,  di& 
mit  Mühe  aus  der  äusseren  Öffnung  herausgezogen  wurde,  um  den  Kathe- 
terismus auszuführen,  wobei  eine  Blutung  eintrat.  Der  moralische  Zustand 
des  Mannes  erlaubte  keine  anamnestischen  Fragen;  wahrscheinlich  war  er 
seit  30  Jahren  verheiratet,  ohne  Kinder  zu  haben.  Diesen  Fall  konnte  man 
bei  oberflächlicher  Untersuchung  denen  mit  zweifelhaftem  Geschlecht  zu- 
zählen. 

Beob.  53.  Reverchon  (Paris),  Marie  Chupin.  Etüde  medico  legale. 
Annal.  med.  psychologiques,  Paris,  1871,  Ser.  V,  T.  IV,  p.  371. 

Donat.  Raffegeau,  Du  role  des  anomalies  congenitales  des 
organes  genitaux.     These.    Paris,  1884,  p.  97,  Beob.  12. 

Die  Familie  der  Weberin  Maria  Chupin  bewohnte  ein  Dorf;  sie  hatte 
drei  Demente  von  Seiten  der  Mutter  und  einen  Epileptiker  von  Seiten  des 
Vaters  gehabt.  Erst  mit  13  Jahren  lernte  sie  lesen,  und  statt  der  Men- 
struation traten  Haare  auf,  die  sie  später  abrasieren  musste,  was  die  Scherze 
ihrer  Freundinnen  nicht  verhinderte.  Sie  war  von  .sanftem,  etwas  melan- 
cholischem Charakter,  den  religiösen  Übungen  sehr  ergeben,  und  ohne  irgend 
welche  geschlechtlichen  Neigungen.  Aber  mit  15  Jahren  begannen  Streitig- 
keiten mit  ihrem  älteren  Bruder,  dem  Haupt  der  Familie,  der  sie  beschuldigte, 
die  Arbeit  zu  vernachlässigen,  und  nahmen  so  zu,  dass  der  Charakter  Marias 
undankbar,   seltsam   und  reizbar  wurde.    Im  Alter  von  25  Jahren   war   sie 


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genötigt,  bei  einer  Cousine  zu  schlafen,  was  ihr  Gelegenheit  gab,  zu  be- 
merken, dass  sie  anders  gebildet  war  als  diese,  und  Veranlassung  gab,  dass 
ihre  moralische  Störung  bedeutend  zunahm,  und  sie  zuletzt  Zeichen  von 
Wahnsinn  äusserte. 

Um  sich  ganz  von  dem  Joche  der  Familie  zu  befreien  und  nicht  nach 
Hause  zurückkehren  zu  müssen,  beschloss  sie  ein  Verbrechen  zu  begehen. 
Sie  ergriff  ein  Kind  einer  Nachbarin  und  warf  es  in  den  Brunnen  und  stellte 
sich  dann  dem  Gerichte.  (Glücklicherweise  wurde  das  Kind  gerettet.)  Maria 
wollte  das  Verbrechen  am  liebsten  an  einem  Kinde  begehen,  in  der  Über- 
zeugung, dass  dieses  in  den  Himmel  käme. 

Aus  dem  Gefängnis  kam  Maria  ins  Irrenhaus,  wo  Eeverchon  sie 
untersuchte  und  einen  genauen  Bericht  machte,  worin  er  ihre  NichtVerant- 
wortlichkeit feststellte  (aber  nicht  den  Beweis  lieferte,  dass  der  Wahnsinn 
geheut  sei)  und  bewies,  dass  sie  ein  Mann  sei,  so  dass  sie  männliche  Kleider 
anlegen  miisste.  Dann  wurde  sie  in  ein  anderes  Irrenhaus  gebracht,  wo 
Dr.  Eaffegeau  sie  untersuchte,  der  folgenden  Bericht  giebt: 

Maria  war  171  cm  hoch,  hatte  einen  Bart,  braune  Haare  und  männ- 
liche Stimme.  Sie  hatte  einen  Penis  mit  Hypospadie  der  ganzen  Länge 
nach;  das  Scrotum  war  geteilt  und  mit  einer  Krümmung,  die  bei  Erektion 
durch  Zug  an  den  Seitenrändern  der  offenen  Urethra  zunahm,  versehen.  In  der 
Furche  des  Scrotums  befand  sich  die  Öffnung  der  Urethra,  die  3  cm  breit 
war  und  den  Urin  austreten  Hess.  Unter  ihr  war  ein  zweiter  Kanal,  9  cm 
lang,  von  jenem  durch  eine  dünne  Scheidewand  getrennt,  der  blind  endigte. 
Endlich  fand  der  Verf.  im  rechten  Teile  des  Scrotums  einen  atrophischen 
Hoden  mit  Nebenhoden ,  nachdem  er  einen  Leistenbruch  zurückgebracht 
hatte. 

Obgleich  Maria  ihre  That  bereute,  behielt  sie  seltsame  Ideen,  legte 
Kleinigkeiten  übermässiges  Gewicht  bei,  misstraute  den  Menschen  und  zeigte 
im  ganzen  eine  Störung  des  Gleichgewichts  ihres  Verstandes,  so  dass  der 
Direktor  der  Anstalt  sie  nicht  zu  entlassen  wagte. 

Beob.  54.  Sim.  Duplay,  De  l'hypospadias  perineo-scrotale  etc. 
Arch.  gen.  de  medic.  Paris,  1874,  Vol.  1,  p.  670,  Beob.  1,  pl.  1. 

Beob.  1.  Ein  Jüngling  von  21  Jahren  litt  an  perineo-scrotaler  Hypo- 
spadie. Auf  der  oberen  Seite  war  der  Penis  wohlgebildet;  aber  auf  der 
unteren  war  er  in  die  Mitte  des  Scrotums  eingegraben.  Beim  Aufheben  sah 
man,  dass  die  Glans  ohne  Meatus  urinarius,  und  dagegen  nach  unten  ge- 
furcht und  mit  dem  Scrotum  durch  einen  inneren,  leicht  ausgehöhlten  Strang 
verbunden  war,  in  Gestalt  einer  26  mm  langen  Rinne,  die  an  der  Öffnung 
der  Hypospadie-Öffnung  endigte.  Diese  bestand  aus  einem  antero-posterioren 
Spalt,  der  nach  hinten  am  mittleren  Teile  des  Scrotums  lag.  Das  Scrotum 
und  der  Pubes  waren  behaart.  Auf  der  rechten  Seite  befand  sich  ein  grosser 
Hode,  auf  der  linken  ein  atrophischer.  Wenn  er  stehend  harnt,  wird  ein 
Teil  des  Urins  nach  vorn  gespritzt,  der  andere  Teil  lief  über  das  Scrotum 
auf   die  Schenkel.    Die  Erektion  vermehrte   die  Krümmung  des  Penis,   und 


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die  Glans  vertiefte  sich  noch  mehr  ins  Scrotiim.     Jeder  Versuch  zum  Coitus 
war  unmöglich  gewesen. 

Folgt  die  Operation  mit  glücklichem  Erfolg. 

Beob.  2.  Ein  4 jähriges  Mädchen,  Tochter  gesunder  Eltern,  hatte 
5  Brüder  mit  Hypospadie  der  Eichel,  während  die  beiden  Schwestern  keinen 
Fehler  zeigten.  Das  Mädchen  litt  an  perineo-scrotaler  Hypospadie  mit 
Krümmung  des  Penis  nach  unten,  wo  er  an  einer  mittleren  Furche  des 
Scrotums  festzuhaften  schien,  auf  deren  Boden  die  Urethra  mündete.  Wenn 
man  den  Penis  aufhob,  bemerkte  man  einen  1^2  cm  langen  Strang,  der  die 
vollständige  Aufrichtung  verhinderte.  Der  Mittelspalt  sah  aus,  als  bestände 
das  Scrotum  aus  zwei  grossen  Schamlippen,  von  denen  die  rechte  einen 
grossen  Hoden  enthielt.  Dieser  Knabe  urinierte  kniend,  wie  die  Weiber. 
(Folgt  die  Operation  in  mehreren  Zeiten.) 

Beob.  3.  Ein  4 jähriger  Knabe  von  guter  Konstitution  hatte  eine 
perineo-scrotale  Hypospadie  mit  bedeutender  Krümmung  des  Penis.  Diesem 
fehlte  die  Unterseite  ganz,  weil  die  Glans  an  der  abnormen  Öffnung  der 
Urethra  festhing,  die  sich  im  mittleren  Teile  des  Scrotums  befand.  Bei  der 
Ausdehnung  erkannte  man,  dass  der  Penis  buchstäblich  zusammengefaltet 
war.  Die  beiden  Hoden  waren  ins  Scrotum  herabgestiegen  und  das  Kind 
konnte  nur  kniend  harnen.     (Folgt  die  Operation.) 

Beob.  55.  Dr.  Leopold  (Leipzig),  Ein  männlicher  Scheinzwitter. 
(Pseudo-Hermaphrodismus  masculinus  externus.)  Arch.  für  Gynäkol.  Leipzig, 
1875,  Bd.  VIII,  H.  3,  p.  487. 

Bäuerin  von  30  Jahren,  amenorrhoisch,  mit  weiblichem  Habitus.  Sie 
verheiratete  sich  mit  25  Jahren,  genoss  die  Ehe,  und  hatte  keine  anderen 
Neigungen  als  weibliche.  Die  äusseren  Geschlechtsteile  waren  normal, 
aber  atrophisch.  Die  Symphysis  Pubis  ragte  vor;  die  Vagina  war  glatt, 
8  cm  lang.  Bei  der  Untersuchung  Hess  sich  nicht  erkennen,  ob  ein  rudi- 
mentärer Uterus  oder  Ovarien  vorhanden  waren.  Aber  bei  der  Untersuchung 
durch  den  After  fand  der  Verf.  im  hinteren  Douglas  sehen  Raum  einen 
halbmondförmig  durch  das  kleine  Becken  ausgespannten  Strang,  der  in  der 
Tiefe  knochenhart  war,  und  Leopold  dachte  an  die  Beste  eines  Exsudats 
mit  Verhärtung  des  Peritonealblattes.  Dann  fand  er  im  oberen  Teile  der 
Labia  majora  zwei  rundliche,  mandelgrosse  Körper,  die  durch  Stränge  ins 
Becken  eindrangen  und  die  er  für  Hoden  mit  Samensträngen  hielt. 

Beob.  56.  Dr.  Leopold  (Leipzig),  Pseudo-Hermaphroditus  mas- 
culinus externus.  Arch.  für  Gynäk.  1875,  Bd.  Vill,  p.  487,  Bd.  IX, 
p.  324,  1877,  Bd.  XI,  p.  357.     Mit  Taf. 

Eine  als  Weib  getaufte,  erzogene  und  gekleidete  Bäuerin  hatte  Haare 
im  Gesicht,  Stimme  und  Larynx  waren  männlich  und  die  Brust  flach.  Ausser- 
dem hatte  sie  einen  6  cm  langen  Penis  mit  einer  Furche  unterhalb,  die  bis 
zur  Glans  reichte.  Das  Scrotum  fehlte,  aber  es  fanden  sich  zwei  Labia 
majora,  beide  enthielten  Hoden.  Unter  der  Wurzel  des  Penis  befanden  sich 
auch  zwei  Öffnungen;  die  obere  führte  in  die  Blase  (Hypospadie),  die 
untere   in   einen   blind  endigenden  Kanal   (männliche  Scheide).    Die  Person 


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war  vom  17.  bis  46.  Jahre  menstruiert.    Dennoch  erklärte  sie  Leopold  für 
einen  Mann. 

Beob.  57.  Baur,  Umtaufung  eines  Zwitters.  Anz.  für  St.  der 
Vorzeit.    1875,  No.  4,  p.  119,  Jahresber.  für  1875,  Bd.  378.    (7) 

B.  führt  ein  Dokument  des  Notars  Wolff  vom  Jahre  1527  an,  worin 
angegeben  wird,  dass  eine  Hermaphroditin  den  Namen  Elisabeth  führte.  In 
einem  post  scriptum  von  einer  anderen  Hand  wii'd  gesagt,  Elisabeth  sei 
später  für  einen  Mann  erkannt  und  verbrannt  worden. 

Beob.  58.  Schöneberg,  Ein  Fall  von  anscheinender  Zwitter- 
bildung.    Berl.  klin.  Wochenschr.  1875,  No.  17. 

Ein  Individuum  von  16  Jahren  mit  männlichem  Habitus  hatte  an- 
scheinend äussere  weibliche  Geschlechtsteile.  Aber  die  Labia  majora  ent- 
hielten die  beiden  Hoden,  und  zwischen  ihnen  erschien  der  5—6  cm  lange 
Penis  mit  nicht  durchbohrter  Glans,  und  darunter  eine  Öffnung  mit  einer 
Art  von  Hymen,  die  in  einen  blind  endigenden,  6  cm  tiefen  Kanal  führte, 
in  dem  man  keine  portio  vaginalis  erkannte. 

Beob.  59.  C.  J.  Borge,  Hypospadie.  Norske  Magaz.  for  Laege- 
videnskaben.     Christiania,  1876,  Jahresber.  für  1877,  Bd.  1,  p.  266. 

Eine  Person  von  32  Jahren  von  weiblichem  Aussehen  hatte  ein  geteiltes 
Scrotum  mit  Hypospadie.  Die  Hoden  lagen  in  der  Pubesgegend.  Zwischen 
Uterus  und  Rectum  fand  man  kein  Organ. 

Beob.  60.  Fr.  Schauta,  Ein  Fall  von  Zwitterbildung  bei 
einem  Erwachsenen.  Wiener  med.  Wochenschr.  1877,  No.  42,  43, 
Jahresber.  für  1877,  Bd.  1,  p.  265.    (8) 

Ein  Individuum  von  30  Jahren  hatte  einen  Penis  mit  Hypospadie,  an 
dessen  Ba,sis  man  einerseits  in  die  Blase,  andererseits  in  eine  enge  Scheide 
gelangte.  Bei  der  Untersuchung  fand  man  einen  dem  Uterus  ähnlichen 
Körper,  aber  weder  Hoden,  noch  Ovarien. 

Obgleich  sie  als  Weib  getauft  und  auch  menstruiert  war,  war  sie  doch 
wahrscheinlich  ein  Mann. 

Beob.  61.  Edw.  Swasey,  An  interesting  case  of  malformation 
of  the  female  sexual  organs,  representing  either  a  variety 
of  hermaphroditisme,  or  of  double  congenital  ovarian  her- 
niawith  absence  of  uterus.  The  amer.  journ.  of  obstetr.  and  diseases 
of  women  and  children,  1881,  Vol.  XIV,  No.  1. 

Eine  Köchin  von  36  Jahren  hatte  Habitus,  Stimme  und  Thorax  weib- 
lich. Sie  litt  an  doppeltem  Leistenbruche,  der  Mons  Veneris  war  wohlge- 
bildet, die  Clitoris  gross,  die  Labia  klein,  das  Hymen  erhalten,  die  Scheide 
3  Zoll  tief.  Dagegen,  versichert  der  Autor,  fehlten  Uterus  und  Ovarien.  In 
den  grossen  Schamlippen  lagen  zwei  Körper,  ziemlich  hart,  taubeneigross, 
von  denen  zwei  Stränge  nach  dem  Leistenkanal  liefen,  die  den  Zweifel  er- 
regten, es  seien  Ovarien,  wie  in  den  Fällen  von  Steglehner  und  Cham- 
bers; um  so  mehr,  da  die  Frau  erzählte,  seit  ihrem  15.  Jahre  fliesse  statt 


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der  Menstruation  eine  ungiünöse  Flüssigkeit  aus  einer  Fistel  ihres  Sternums 
aus.    Also  war  sie  amenorrhoisch  und  ohne  Uterus. 

Beoh.  62.  Steimann,  Zur  Kasuistik  der  Zwitter.  Deutsche  med. 
Wochenschr.,  1881,  No.  19,  p.  269. 

Ein  Knabe  Ton  17  Jahren  änderte  sein  Geschlecht  dreimal;  zuerst  hiess 
er  Joseph,  dann  Therese,  nach  10  Jahren  wieder  Joseph,  und  zuletzt  wieder 
Therese.  Er  hat  weiblichen  Habitus,  Hypospadie  und  regelmässige  Menstru- 
ation. In  den  grossen  Schamlippen  fühlt  man  keinen  drüsigen  Körper;  er 
wurde  in  die  Mädchenschule  geschickt. 

Beob.  63.  M.  Magitot,  Nouveau  cas  d'hermaphroditisme.  Bull, 
de  la  Soc.  de  chir.,  Seance,  8  Juin  1881,  p.  445.  —  Gaz.  des  hopit.,  1881, 
No.  69. 

Ernestine  war  mit  13  Jahren  2  Tage  lang  menstruiert,  was  sich  mehr- 
mals wiederholte,  mit  gleichzeitiger  Entwickelung  der  Brüste.  Mit  15  Jahren 
fühlte  sie  Neigung  zu  Jünglingen  und  mit  17  Jahren  verheiratete  sie  sich 
und  lebte  zufrieden  mit  ihrem  Gatten  11  Jahre  lang.  Aber  die  geschlecht- 
lichen Zusammenkünfte  konnten  nicht  regelmässig  von  statten  gehen,  weil 
der  Mann  niemals  eindringen  konnte,  und  die  Frau  gewahr  wurde,  dass  sie 
auch  ein  (kleines)  Glied  besitze  und  Ejakulationen  habe,  deren  normale  Be- 
schaffenheit man  dann  erkannte. 

Als  sie  Witwe  geworden  war,  zeigte  sich  bei  ihr  lebhafte  Neigung  zu 
Weibern  und  sie  schloss  mehrere  Verbindungen.  Im  Alter  von  40  Jahren 
fand  sie  Magitot  178  cm  hoch,  von  männlichem  Habitus,  aber  ihre  Brüste 
waren  sehr  gross,  die  Areolen  ähnelten  den  weiblichen,  die  Stimme  war 
weiblich,  während  ihre  Gesichtszüge  nichts  sexuell  bestimmtes  hatten.  Sie 
besass  einen  nicht  durchbohrten  Penis,  ähnlich  dem  eines  12  jährigen  Kindes, 
mit  hypospadischer  Einne  und  seitlichem  Strang.  Ernestine  hatte  zwei 
grosse  Schamlippen,  deren  eine  einen  Hoden  enthielt ;  zwischen  ihnen  befand 
sich  ein  blind  endigender  Trichter,  in  den  die  Urethra  mündete.  Bei  der 
Untersuchung  durchs  Rectum  fand  man  weder  Prostata  noch  Uterus. 

Beob.  64.  F.  Marchand  (Giessen),  Ein  neuer  Fall  von  Herm- 
aphrodismus  (Herrn,  spurius  mas  culinus?).  Virchows  Archiv, 
1883,  Bd.  92,  p.  586.     Jahresber.  für  1883,  Bd.  I,  p.  205  (13). 

Marie  Eaab,  29  Jahre  alt,  hatte  weiblichen  Habitus  (lange  Haare, 
Fehlen  des  Barts,  gut  entwickelte  Brüste,  weibliche  Haut).  Männlich  war 
das  Gesicht,  der  Larynx,  die  Stimme  und  die  Muskelformen.  An  den  Ge- 
schlechtsteilen wogen  wieder  die  weiblichen  Formen  vor;  sie  hatte  einen 
grossen,  nicht  durchbohrten  Penis,  nach  unten  mit  zwei  Frenulis  versehen, 
welche  zugleich  mit  einer  Membran  die  kleinen  Schamlippen  vortäuschten; 
diese  endigten  halbmondförmig  über  einem  kleinen  Vestibulum,  in  welches 
die  Urethra  und  Scheide  mündeten.  Auch  zwei  Labia  majora  waren  vor- 
handen, die  keine  Hoden  enthielten.  In  der  Narkose  erkannte  M.  eine  9  cm 
lange  Scheide,  einen  gut  entwickelten  Uterus  mit  zwei  seitlichen  Körpern, 
die  man  sowohl  für  Ovarien,  als  für  Hoden  halten  konnte.  Kein  Anzeichen 
von  Prostata  oder  Samenbläschen. 


—     329    — 

Der  Verf.  hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  es  sich  um  einen  männlichen 
Hermaphroditen  handele,  kann  aber  einen  echten  seitlichen  Hermaphrodismus 
nicht  ausschUessen. 

Beob.  65.  Ed.  Porro  (Milano),  Ermafroditismo:  indagine 
cruenta  per  giudicare  del  sesso.  Gazz.  med.  lombarda.  Milano, 
1882,  No.  51,  p.  315.  Italia  med.  Genova,  1883,  15.  Febbr.,  Anno  XVII,  p.  21. 
(Wiederholung  von  Beob.  43.) 

Ein  Mädchen,  F.,  Waise  von  Mutterseite,  erreichte  das  Alter  von 
15  Jahren,  ehe  die  Grossmutter  den  unregelmässigen  Zustand  ihrer  ge- 
schlechtlichen Funktionen  bemerkte ;  aber  der  Vater  erwartete  einen  Heirats- 
antrag, um  sie  untersuchen  zu  lassen,  da  sie  schon  18  Jahre  alt  war.  So 
wurde  der  Professor  I  n  z  a  n  i  von  Parma  gerufen,  der  sie  für  einen  Mann 
erklärte. 

Alis  häuslichen  Gründen  fuhren  die  Eltern  fort,  die  F.  gegen  deren 
Willen  als  Mädchen  zu  behandeln,  und  nach  einem  Jahre  floh  sie  aus  dem 
Hause,  um  ihr  Geschlecht  gerichtlich  anerkennen  zu  lassen,  und  es  gelang 
ihr,  folgendes  Gutachten  von  einer  Kommission  zu  erhalten,  deren  Präsident 
Prof.  Porro  war. 

Die  F.  zeigt  männliche  Formen  mit  Ausnahme  der  Brüste,  nach  innen 
gebogene  Knie,  ist  beständig  amenorrhoisch,  ohne  Geschlechtstrieb,  noch 
Neigung  zu  einsamen  Genüssen.  Bei  Untersuchung  der  Gesclüechtsteile 
findet  man  unter  dem  Pubes  die  Clitoris  mehr  als  gewöhnlich  entwickelt, 
oben  in  die  Kapuze  gehüllt,  die  in  zwei  kleinen  Flügeln  herabsteigt,  so  dass 
sie  zwei  kleine  Schamlippen  vortäuschen,  die  nach  innen  einen  Halbkanal 
darstellen,  der  vom  Glans  6  cm  weit  nach  dem  After  hinzieht  und  zu  einem 
4  cm  langen  Kanäle  führt,  welcher  einen  weiblichen  Katheter  leicht  in  die 
Blase  einlässt.  An  den  Seiten  der  kleinen  befinden  sich  zwei  grosse 
Schamlippen,  die  zwei  rundliche,  unempfindliche  Körper  enthalten,  an  einem 
kräftigen  Strange  hängend.  Bei  der  Untersuchung  durch  das  Rectum  findet 
man  keinen  harten,  noch  voluminösen  Körper,  wodurch  das  Vorhandensein 
von  Prostata  und  Uterus  ausgeschlossen  wird. 

Um  die  Frage  zwischen  Hoden  und  Ovarien  zu  entscheiden,  schlug 
der  Verf.  die  direkte  Untersuchung  vor,  und  die  F.  war  gern  dazu  bereit, 
um  ihren  Zustand  zu  entscheiden  und  um  sich  als  Mann  kleiden  zu  können. 
Am  9.  Dez.  1882  öffnete  er  die  rechte  genio-crural-Falte,  und  erkannte  den 
Hoden  mit  wenig  deutlichem  Nebenhoden  und  Samenstrang.  Die  Wunde 
heilte  fast  ganz  per  primam  intentionem. 

Beob.  66.  Vikt.  Piazzesi,  Acta  sanctae  Sedis,  redacta  studio 
etc.,  1883,  Vol.  XXI.  —  .  Gius.  Badaloni,  Bull.  E.  Acc.  med.  di  Roma, 
1885.  Gazz.  degli  Osped.  di  Milano,  Luglio,  1885.  Con  3  Fig.  — 
A.  Filippi,  Manuale  di  med.  legale.    Firenze,  1896,  p.  138. 

Die  Natur  des  Geschlechts  von  Faustina  Mauro  von  Ceccano  bildete 
den  Gegenstand  eines  Prozesses,  der  zuerst  (1870)  vor  der  römischen  Curie, 
und  dann  (1884)  vor  dem  Civilgerichte  von  Ceccano  verhandelt  wurde;  das 


—     330     — 

letztere  entschied,  es  handele  sich  um  einen  Mann  mit  Hypospadie,  nach 
dem  Gutachten  Badalonis.     Die  Geschichte  ist  kurz  folgende : 

Faustina  Mauro,  getauft  und  eingetragen  als  weiblichen  Geschlechts, 
verheiratete  sich,  obgleich  sie  nicht  menstruiert  war,  mit  21  Jahren.  Der 
Gatte  fand  bald  Schwierigkeit  beim  Coitus,  wollte  die  Geschlechtsteile  selbst 
untersuchen  und  erweiterte  mit  einem  kleinen  Messer  einen  in  der  Urethra 
gelegenen  Spalt,  erreichte  aber  seinen  Zweck  nicht.  Faustina  bemerkte, 
dass  ein  Organ  in  Erektion  geriet,  das  den  Coitus  verhinderte,  und  klagte 
ihre  Not  einer  verheirateten  Frau,  in  die  sie  sich  verliebte,  und  mit  der  sie 
dann  ihrer  Leidenschaft  freien  Lauf  Hess.  So  kam  sie  nach  lOjähriger  Ehe 
dahin,  sich  von  ihrem  Gatten  zu  trennen  und  stellte  vor  der  römischen  Curie 
den  Antrag  auf  gesetzliche  Scheidung.  Unterdessen  lebte  sie  im  Hause 
ihres  Bruders,  dessen  Frau  die  genannte  Geliebte  war,  und  das  Gericht  be- 
auftragte Dr.  B  adaloni  mit  der  Untersuchung  des  des  Ehebruchs  mit  einer 
Ehefrau  beschuldigten  Weibes. 

Der  Sachverständige  fand,  dass  das  Individuum  männlichen  Habitus 
zeigte,  und  dass  vom  Pubes  zwei  grosse  Schamlippen  (Oschioschisis)  herab- 
stiegen, die  zwei  Hoden  enthielten.  Von  der  Höhe  der  Lippen  erhob  sich 
ein  Xörper,  ähnlich  einem  Penis  (dafür  wurde  er  von  B.  gehalten),  mit  einer 
Furche,  die  bis  3  cm  vom  Anus  reichte,  wo  er  sich  in  eine  Öffnung  ver- 
wandelte, welche  die  Einführung  des  Fingers  bis  in  die  Blase  erlaubte.  Die 
Furche  war  mit  blassroter  Schleimhaut  ausgekleidet,  und  die  Weite  des 
Kanals   wurde   für   die  Wirkung  wiederholter  Versuche  zum  Coitus  erklärt. 

Der  Penis  war  4^/2  cm  lang  und  Faustina  sagte,  bei  der  Erektion  er- 
reiche er  9  cm.  Da  sich  bei  der  Untersuchung  weder  Scheide  noch  Uterus 
gefunden  hatte,  und  da  man  erfahr,  Faustina  habe  Ejakulationen  von  Sperma, 
das  an  den  Schenkeln  herabfloss,  erklärte  B.  die  Frau  für  einen  Mann  mit 
vollkommener  Hypospadie  des  Penis  und  das  Gericht  hob  die  Ehe  auf  und 
verbesserte  den  Namen  in  Faustino  Mauro. 

Beob.  67.  R.  Dohrn,  Ein  verheirateter  Zwitter.  Arch.  für 
GynäkoL  1883,  Bd.  22,  p.  225.     Jahresber.  für  1883,  Bd.  1,  p.  294.    (5) 

Eine  Frau  von  31  Jahren,  die  immer  amenorrhoisch  gewesen  war,  war 
seit  6  Jahren  verheiratet  und  hatte  wenig  entwickelten  Geschlechtstrieb. 
Sie  litt  in  dieser  Zeit  an  unregelmässigen  Blutungen  aus  den  Geschlechts- 
teilen. Gesicht,  Stimme  und  Becken  waren  weiblich,  die  Haare  lang  und 
kein  Bart  vorhanden.  Die  Geschlechtsteile  waren  behaart;  vom  Pubes  stiegen 
zwei  Hautfalten  herab,  ähnlich  den  grossen  Schamlippen ;  die  rechte  enthielt 
einen  beweglichen,  m»hr  als  taubeneigrossen  Körper,  der  sich  in  einen 
nach  dem  Leistenringe  laufenden  Strang  fortsetzte;  in  der  linken  fühlte 
man  dieselben  Dinge,  aber  kleiner.  Zwischen  den  beiden  Falten  waren  zwei 
andere,  kleinere,  die  nach  oben  sich  vereinigten,  um  eine  Kapuze  für  die 
Clitoris  zu  bilden,  die  einem  Penis  ähnlich  war.  Nach  unten  lag  die  Mün- 
dung der  Urethra,  durch  die  man  den  Finger  bis  in  die  Blase  einführen 
konnte. 

Keine  Spur  der  Vagina,  bei  der  Untersuchung  nichts,  was  an  Uterus, 
Trompeten   oder   Ovarien,    oder    auch   an   die   Prostata   erinnerte.     An   der 


—     331    — 

Vorderseite  der  Blase  bemerkte  maa  eiaen  harten  Körper,  den  man  für  einen 
männlichen  Uterus  hielt. 

Die  Frau  konsultierte  den  Verf.  wegen  der  Störungen,  die  sie  bei  Er- 
füllung ihrer  ehelichen  Pflicht  erfuhr,  und  dieser  vermutete,  dass  in  Er- 
mangelung der  Scheide,  der  Gatte  sich  ohne  es  zu  wissen,  der  Urethra  be- 
diente. Diese  war  auch  der  Sitz  von  blutenden  Polypen,  und  dies  erklärt 
die  unregelmässigen  Blutungen.  Aber  das  seltsame  ist,  dass  die  Frau  nach 
erlangter  Kenntnis  ihrer  männlichen  Natur  vorzog,  ihr  weibliches  Leben  in 
ihrer  mhigen  Ehe  fortzusetzen. 

Beob.  68.    Pean,  Gaz.  des  höpit.  1884,  Fevr.,  p.  105.    N.  14. 

Louise,  27  Jahre  alt,  amenorrhoisch,  mit  tiefer  Stimme,  mit  dichtem 
Bart  an  Wangen  und  Lippen,  wenn  sie  ihn  nicht  rasiert,  langem  Frauen- 
haar, von  nervösem  Temperament,  missbrauchte  den  Coitus  mit  ihren  Ge- 
nossinnen und  litt  an  Incontinenz  des  Spermas.  Sie  verlangte  die  Richtig- 
stellung ihres  Geschlechts  und  unterwarf  sich  der  klinischen  Untersuchung. 
Man  fand  den  Pubes  behaart,  darunter  einen  in  Erektion  8^/2  cm  langen 
Penis,  ohne  Präputium  und  ohne  Urethra.  Bei  der  Erektion  krümmte  sich 
der  Penis  wegen  einer  fibrösen  Ehaphe,  die  die  ganze  Unterseite  des  Penis  ein- 
nahm. 3  cm  tiefer  befand  sich  eine  Öffnung,  aus  der  der  Urin  und  unter  wol- 
lüstigen Gefühlen  das  Sperma  ausfloss.  Unter  dieser  Öffnung  war  eine 
1^/2  cm  lange,  2  cm  tiefe  Spalte,  die  eine  Vulva  vortäuschte.  Sie  zeigte 
ferner  zwei  Lab.  majora,  hervorgebracht  durch  die  Teilung  des  Scrotums, 
das  auf  jeder  Seite  nach  oben  einen  Hoden  enthielt.  Bei  der  Untersuchung 
durch  das  Eectum  fand  man  weder  Scheide  noch  Uterus,  und  nur  Spuren 
einer  Prostata. 

Beob.  69.  R.  Gerin,  Hermaphrodisme.  Gaz.  des  Hop.  1884, 
p.  1108. 

Ein  26  jähriger  Mann  mit  weiblichem  Habitus  und  normaler  Vulva,  aber 
mit  einer  35  mm  langen  Clitoris  mit  Eichel  und  Präputium,  aber  ohne  Meatus 
und  ohne  Carunculae  myrtiformes.  Die  Urethra  mündete  am  Ursprünge  der 
Clitoris,  die  Scheide  endigte  blind.  Man  fühlte  kein  Geschlechtsorgan, 
aber  in  den  grossen  Schamlippen  fanden  sich  zwei  ovale  Körper,  die  für  Hoden 
gehalten  wurden,  vielleicht  weil  das  Weib  niemals  Anzeichen  von  Menstru- 
ation, keine  Neigung  zu  Männern,  kein  wollüstiges  Gefühl  an  der  Clitoris, 
auch  nicht  beim  Coitus  mit  einem  Manne  gehabt  hatte. 

Beob.  70.  T.  Garnier,  Du  pseiido-hermaphrodisme.  Ann.  d'hyg.  etc. 
1885,  Ser.  3,  T.  XIV,  p.  290. 

Ein  Mädchen,  das  frühzeitig  seine  Mutter  verloren  hatte,  war  ame- 
norrhoisch und  litt  viele  Jahre  hindurch  verschiedene  Beschwerden  an  den 
Geschlechtsorganen,  was  sie  an  der  richtigen  Bildung  derselben  zweifeln 
Hess,  besonders  nachdem  sie  den  Coitus  versucht  und  viel  mehr  schmerzhaft 
als  angenehm  gefunden  hatte.  Mit  27  Jahren  verliebte  sie  sich  in  eine 
Frau  und  entschloss  sich  nun,  sich  untersuchen  zu  lassen. 

Sie  war  von  männlichem  Habitus,  ohne  Brüste,  mit  tiefer  Stimme, 
aber  ohne  Kinnbart  und  nur  leichtem  Schnurrbart.    Der  Penis  ist  undurch- 


—     332     — 

bohrt  und  hängt  herab,  da  er  durch  die  Urethra  herabgezogen  wird,  die  in  der 
Zweiteilung  des  Scrotums  befestigt  ist,  in  dem  sich  die  Hoden  befinden  und 
kein  Anzeichen  einer  Öffnung  zu  finden  ist.  Die  Urethra  öffnet  sich  4  cm 
entfernt  von  der  Glans.     Die  Prostata  ist  fühlbar. 

Beob.  71.  Gaffe  de  Nantes,  Joum.  de  med.  et  de  chir.  prat. 
Paris,  1885,  Fevrier. 

Ein  junger  Mann  von  24  Jahren,  Waise,  Klostergärtner,  fühlte  Ge- 
schlechtstrieb, der  später  sehr  lebhaft  wurde,  mit  häufigen  Erektionen,  ohne 
Vorliebe  für  ein  besonderes  Geschlecht.  Er  versuchte  den  Coitus  mit  Wohl- 
gefallen, doch  wie  er  sagt,  ohne  Ejakulation.  Dennoch  wünschte  er  zu  hei- 
raten, aber  vorher  wollte  er  sich  untersuchen  lassen. 

Das  Individuum  war  bartlos,  hatte  eine  sanfte  Stimme,  zarte  Gesichts- 
linien, kleine  Hände  und  Füsse,  entwickelte  Brüste  mit  grossen,  erektilen 
Warzen,  vorstehenden  Hüften,  wohlgerundeten  Nates.  Der  Mons  Veneris 
war  behaart,  sowie  die  Lab.  majora,  die  keinen  festen  Körper  enthielten. 
Es  waren  auch  Lab.  minora  vorhanden,  aber  rudimentär;  eine  bei  Erektion 
5  cm  lange  Clitoris,  mit  unvollständigem  Präputium  und  Urethralöffnung 
unterhalb  der  Eichel.  Unter  der  Clitoris  und  zwischen  den  kleinen  Scham- 
lippen war  ein  18  mm  tiefer  Trichter  ohne  Öffnung. 

Der  Verf.  blieb  in  Zweifel,  vermutete  aber,  es  handele  sich  um 
eine  Frau. 

Beob.  72.  S.  Pozzi  (Paris),  Sur  deux  nouveaux  cas  de  Pseudo- 
hermaphrodisme.    Soc.  de  Biol.  1885,  Ser.  8,   T.  XII,  Memoires,  p.  23. 

1.  Ein  18 jähriger  Bursche  hatte  weiblich  entwickelte  Brüste.  Spur 
von  kleinen  Schamlippen,  die  aus  der  Ehaphe  des  Scrotums  hervorragten. 
Allgemeine  Atrophie  der  äusseren  Geschlechtsteile. 

2.  Derselbe  Fall  von  E.  Gerin  angegeben,  mit  zwei  Figuren  unter 
dem  Titel :  Weibliche  Entwickelung  der  Brüste,  Lab.  majora  und  minora, 
Hymen,    Scheide,    atrophischer  Penis,   Hoden  in   den   grossen   Schamlippen. 

Beob.  73.  Idem,  Pseudo-hermaphrodite  mal.  Compt.  rend.  soc. 
biol.  Seance  26  Janv.  1884,  p.  42. 

Klinische  Beobachtung  einer  Frau  mit  Penis,  Hypospadie  und  Vulva, 
deren  Lab.  majora  die  Hoden  enthielten.     Hymen,  Atresia  vaginae. 

Beob.  74.  G.  Buchanan,  Hermaphrodite  aged  9  Years,  in 
whom  two  testicles  were  excised  from  the  Labia  majora. 
Glasgow  med.  Journal,  March  1885.  Brit.  med.  Times,  14  Febr.  1885.  — 
G.  Herrmann,  Dictionn.  encycl.  sc.  med.  Ser.  4,  T.  III,  p.  629. 

Ein  9  jähriges  Mädchen,  nach  den  äusseren  Organen  und  dem  Aussehen 
weiblich  hatte  Nymphen,  Hymen,  Clitoris  und  Scheide  weiblich;  sie  hatte 
auch  Labia  majora,  aber  diese  enthielten  einen  beweglichen  Körper  mit 
einem  Strange,  der  in  den  Leistenkanal  lief  und  für  einen  Hoden  gehalten 
wurde. 

Beob.  75.  M.  Wermann  (Dresden),  Ein  Fall  von  Pseudo-Herm- 
aphrodismus  masculinus  completus.  Virchows  Arch.  1886, 
Bd.  104,  p.  81,  Taf.  II,  Fig.  3,  4. 


—     333     — 

Eine  18  jährige  Person  mit  weiblichem  Habitus,  ebensolchen  äusseren 
Greschlechtsteilen  und  mit  einer  6  cm  langen,  blind  endigenden  Scheide. 
Der  Utenis  wurde  nicht  gefunden,  wohl  aber  2  runde  Körper  an  den  Seiten 
der  Symphyse,  die  man  nicht  untersuchen  konnte;  dennoch  wurde  das  Ge- 
schlecht für  männlich  erklärt. 

Beob.  76.  P.  Descoust,  Sur  un  cas  d'hermaphrodisme.  Ann. 
d.  Hyg.  1886,  T.  XVI,  p.  87. 

Ein  Mädchen  von  21  Jaliren,  amenorrhoisch,  153  cm  hoch,  mit  eckigem 
Gesicht,  zahlreichen  Haaren  an  den  Lippen  und  am  Kinn,  schmaler  Brust 
und  männlichen  Brustdrüsen,  fühlte  bei  Berührung  mit  Frauen  wollüstige 
Krämpfe  mit  Absonderung  einer  weisslichen  Flüssigkeit.  Sie  hatte  einen 
glatten  Pubes,  2  cm  langen  Penis  mit  nicht  durchbohrter  Glans  und  beweg- 
lichem Präputium.  Unter  dem  Penis  war  ein  Spalt,  wie  eine  kleine  Vulva, 
14  cm  tief  und  blind  endigend,  in  den  die  Urethra  mündete.  An  den  Seiten 
des  Spalts  befanden  sich  2  Labia  majora,  die  keinen  Körper  enthielten.  Die 
rectale  and  hypogastrische  Untersuchung  fand  weder  Uterus  noch  Hoden; 
die  mikroskopische  Untersuchung  des  angeblichen  Spermas  fand  keine 
Spermatozoen.  Trotz  des  negativen  Befunds  dachte  der  Verf.  an  männliches 
Geschlecht. 

Beob.  77.  G.  Abeles  (Wien),  Ärztlicher  C  entral-Anzeiger. 
Wien,  10.  Aug.  1892,  No.  23,  4.  Jahrg. 

Ein  Kind,  von  dem  der  Verf.  nicht  behaupten  konnte,  ob  es  weiblich 
sei,  also  ob  es  grosse  Schamlippen  (die  kleinen  fehlten),  einen  Sinus  uro- 
genitalis  mit  Atresie  der  Vagina  und  eine  bedeutend  entwickelte  Clitoris 
habe,  oder  männlichen  Typus  mit  geteiltem  Scrotum,  Hypospadie  und  einem 
hohen  Grad  von  Kryptorchismus. 

Beob.  78.  Guermonprez  (Lille),  Une  erreur  de  sexe  avec  ses 
consequences.  Ann.  d'hyg.  publ.  et  de  med.  legale.  Paris,  1892,  Sept. 
et  0  et  obre. 

Louise  X.  trat  mit  12  Jahren  bei  einem  Bäcker  in  Dienst.  Dann, 
wechselte  sie  mehrmals  die  Herren  wegen  zu  schweren  Dienstes.  Dann 
ging  sie,  22  Jahre  alt,  gegen  den  Willen  ihrer  Eltern  mit  einer  Frau  nach 
Antwerpen ,  um  in  einem  Kaffeehaus  zu  dienen.  Sie  erzählte,  sie  sei 
niemals  menstruiert  gewesen,  habe  aber  an  Erektionen  und  Ejakulationen 
gelitten,  und  dann  den  Coitus  versucht,  der  aber  schmerzhaft  war,  da  die 
Frauen  sie  nicht  anzogen,  und  bald  ergab  sie  sich  einem  liederlichen,  un- 
sittlichen Leben. 

Sie  hatte  einen  kurzen  Hals,  hervorstehende  Schilddrüse,  keine  Brüste, 
männliches  Becken,  männliche  Gesichtszüge,  einen  Bart,  den  sie  zweimal 
täglich  rasieren  musste,  Haare  am  Pubes  bis  zum  Nabel,  kein  Promontorium. 
Ferner  hatte  sie  links  einen  Leistenbruch,  der  nach  Eeduktion  einen  Hoden 
mit  Nebenhoden  und  Canalis  deferens  zurückliess,  endlich  eiaen  kleinen. 
Penis,  unter  welchem  eine  Mittelfurche  bis  zu  einem  roten,  unregelmässigen 
Trichter  lief.  Der  Verf.  fügt  weiter  nichts  hinzu,  als  dass  es  sich  um  einen 
Hypospadiäus  handelte.     Dieser  Mann  war  damals  23  Jahre  alt. 


—     334    — 

Beob.  79.  Messner  (Wiesbaden),  Ein  neuer  Fall  von  Herm- 
aphrodismus  verus  (unilateralis ?)  am  Lebenden  untersucht  und 
beschrieben.     Virchows  Archiv,  1892,   Bd.  129,  p.  203.    Mit  1  Tafel. 

Die  Diagnose  stützt  sich  auf  einen  grossen  Hoden  im  rechten  Leisten- 
kanal, im  linken  lag  wahrscheinlich  ein  Ovarium.  (Anat.  Unters,  nötig.) 
Dieses  Individuum,  31  Jahre  alt,  war  seit  7  Jahren  als  Mann  verheiratet, 
obgleich  er  zwei  starke  Brüste  hatte.  Er  besass  einen  Penis  mit  Urethra, 
aber  nur  ein  rudimentäres,  in  zwei  Hälften  geteiltes  Scrotum,  das  in  zwei 
Anschwellungen  an  die  Leistenringe  angeheftet  war.. 

Beob.  80.  C.  Marton ,  Spurius  hermaphroditisme.  Brit.  med. 
Journ.,  1895,  p.  81. 

Äusserlich  weibliche  Charaktere  und  wesentlich  männliche  Organe. 
Bei  dem  Herabsteigen  der  Hoden  entwickelten  sich  Haare  am  Pubes, 
schwollen  die  Brüste  an  und  zeigten  sich  Symptome  von  Hysterie. 

Beob.  81.  Paul  S.  Kaplan,  Herphrodismus  und  Hypospadie. 
Inaug.-Dissert.    Berlin,  1895. 

Ein  Kind  von  4  Jahren  mit  weiblichem  Habitus  starb  an  Katan-h.  Bei 
der  Sektion  fand  man  eine  abnorme  Clitoris,  perineale  Hypospadie,  einen 
männlichen  Uterus  zwischen  der  Öffnung  der  Urethra.  Man  fand  weder 
Hoden  noch  Ovarien  (wenigstens  spricht  von  diesen  Organen  nicht  der 
Jahresbericht  für  1895,  Bd.  II,  p.  433). 

Beob.  82.  Grüner,  Utero  e  trombe  di  Fallopio  in  un  uomo. 
Giorn.  della  K.  Accad  di  Torino,  1897,  p.  257. 

Einem  Manne  von  36  Jahren,  verheiratet,  kinderlos,  Telegraphist, 
fehlte  der  rechte  Hode ;  links  war  ein  Leistenbruch  und  ein  harter, 
höckriger  Hode.  Durch  eine  Operation  wurde  der  Leistenkanal  geöffnet, 
und  der  Verf.  fand  einen  zweihörnigen,  an  der  Prostata  festsitzenden  Uterus 
zwischen  Blase  und  Eectum,  und  ausserdem  einen  Ductus  deferens,  der  am 
Collum  uteri  hinlief  und  sich  verlor,  indem  er  sich  in  der  Nähe  der  rechten 
Tuba  in  kleine  Kanäle  teilte.  Der  Mann  hatte  immer  seine  ehelichen 
Pflichten  erfüllt,  niemals  aus  der  Urethra  Blut  verloren,  und  seine  äusseren 
Geschlechtsteile  waren  vollkommen  wohlgebildct. 

Beob.  83.  G.  Chiarleoni,  Due  casi  di  deformazione  esterna. 
Clin,  ostetrica  delF  Univ.  di  Palermo. 

Im  Jahre  1898  sah  der  Verf.  zwei  Schwestern  von  17  und  15  Jahren, 
die  noch  kein  Zeichen  von  Menstruation  gehabt  hatten. 

Die  ältere  war  von  hoher  Gestalt,  mit  männlichen  Gliedern  und  einem 
Rumpf  von  männlicher  Form.  Keine  Spur  von  Haaren  im  Gesicht,  spärliche 
in  den  Achselhöhlen  und  am  Pubes,  sanfte  aber  männliche  Stimme,  massige 
Intelligenz,  Furchtsamkeit,  Brüste  gut  entwickelt,  mit  erektilen  Warzen.  An 
den  Seiten  des  Pubes  bemerkte  man  zwei  Körperchen  von  Taubeneigrösse, 
die  man  als  im  Leistenkanal  liegend  betrachten  konnte,  mit  Verteilung  der 
Schamhaare,  wie  sie  den  Weibern  eigen  ist.  Unterhalb  des  Pubes  befand 
sich  ein  3  cm  langes  Körperchen,  das  in  eine  undurchbohrte  Glans  endigte; 


—    335     - 

es  war  mit  einer  Rinne  versehen,  die  unterwärts  in  einen  5  cm  langen  Kanal 
auslief,  der  in  die  Blase  mündete.  Die  Rinne  war  mit  ScMeimhaut  bekleidet, 
die  mit  der  Blase  zusammenhing.  Keine  Spur  von  Scrotum.  Bei  der  recto- 
vaginalen  Untersuchung  fand  man  weder  Scheide,  noch  Uterus,  noch  Ovarien. 
Per  Verf.  meint,  es  handele  sich  um  einen  Mann  mit  perinealer  Hypospadie, 


Text  zu  dieser  Figur  auf  Seite  336  (Beob.  84). 


die  er  vulviform  nennt,  und  sich  von  der  gewöhnlichen  Hypospadie  durch 
die  Gegenwart  der  Brüste,  das  Fehlen  des  Scrotalspalts  und  des  Scrotums 
seihst  unterscheidet. 

Die  jüngere  Schwester  war  ebenfalls  männlich,  mit  Brüsten.  Auch  in 
diesem  Falle  hatten  sich  die  Hebamme  und  die  Mutter  im  Geschlechte  geirrt. 
Sie    war   von    zänkischem  Charakter    und    widersetzte    sich   der   klinischen 


-     336     - 

TTntersaclimig.   Per  Verf.  teschäftigr  sich  mii:  der  wenig  erfreulicheii  sozialen. 
Zukunft  der  beiden  Schwestern. 

Beob.  S4.  C.  Taruffi.  Mem.  della  E.  Accad.  delle  so.  delT 
istit-  di  Bologna.  1899.  Ser.  V.  Tom.  \  IL.  p.  759.  Con  tarola.  Vgl. 
p.  9i. 

Virginia  i£auii,  geboren  in  Born  im  Jahre  1859.  erzählte  folgendes.  Sie 
hatte  zwei  Scbwestem  am  Leben  und  war  mit  16  Jahren  schon  menstruiere. 
Zuerst  füMte  sie  Neigung  zum  männlichen  Geschlecbt.  so  dass  sie  zweimal 
schwanger  wurde,  obgleich  der  Coitus  ihr  Schmerz  Terursachte.  aber  die 
Schwangerschaft  wurde  jedesmal  durch  Abortus  tuiterbrochen.  Sie  erzählte 
ferner,    sie  habe  später  auch  Neigung  zum  weiblichen  Geschlechte  gefühlt. 

Im  Alter  von  20  .Jahren  war  Virginia  138  cm  hoch:  sie  hatte  kurze 
Beine,  ausser  Verhältnis  zum  Eumpfe.  Ihre  Haut  war  überall  braun,  ausser 
an  der  Brust,  wo  sie  weiss  war.  Die  Haare  waren  schwarz,  auch  am  Gesicht 
und  am  Pubes.    Die  Brüste  tmd  die  Stimme  waren  männlich. 

Als  Virginia  im  -Jahre  1896  nach  Bologna  kam,  hatte  sie  einen  dichten 
schwarzen  Bart,  Haare  Ton  derselben  Farbe,  sehr  lang.  Sehr  wichtig  ist  es, 
dass  Dr.  Eavaglia  während  ihres  Aufenthaltes  in  der  Stadt  die  Menstrua- 
tion, bei  ihr  beobachtete. 

Virginia  hatte  unter  dem  Pubes  eiuen  voiatehenden,  fleischigen  Cylinder, 
der  im  schlaffen  Zustande  5^  2  cm  mass,  mit  Eichel  und  Präputium  und 
Andeutimg  Tom  Frenulum.  Dr.  Eavaglia  erfuhr,  dass  die  Eichel  ursprüng- 
lich nach  unten  an  der  Haut  des  CyHnders  festhing,  und  dass  ein  Chirurg 
an  der  Stelle  des  Frenulums  durch  das  zusammengezogene  Gewebe  einen 
Querschnitt  gemacht  hatte.  Auf  diese  "Weise  konnten  sich  die  Teile  ver- 
längem.  und  man  erkannte  das  Fehlen  der  Urethra,  indem  nur  eiue  Furche 
mit  glatter  Oberfläche  und  einigen  blind  endigenden  Laktmen  übrig  war. 

Fnter  dem  Cylinder  zeigten  sich  die  Labia  majora.  zwischen  denen  man 
auch  die  Labia  minora  erkannte,  und  nach  oben  die  llündtmg  der  Urethra. 
Zwischen  diesen  Lippen  drang  man  leicht  in  die  Scheide  ein  und  erreichte 
mit  dem  Finger  das  Collum  uteri.  Aber  bei  der  Untersuchung  entdeckte 
man  weder  Hoden,  noch  Eierstocke,  weder  in  den  Schamlippen,  noch  in  den 
Weichen.    Die  Untersuchung  durch  das  Eectum  wurde  nicht  erlaubt. 


Hier  ist  es  zweckmässig,  eine  BemerkuDg  über  vorstehende 
Beobachtungen  zu  \siederholen,  dass  ihre  Zahl  nämiich  für  eine 
Monographie  genügend  scheint,  aber  nicht  hinreicht,  um  einige 
Fragen  über  die  Häufigkeit  zu  beantworten,  wie  man  aus 
Kapitel  n  sehen  kann.  Denn  hier  sind  die  hauptsächlichen 
Charaktere  angegeben,  und  bei  einigen  kann  man  nicht  immer 
feststellen,  ob  es  sich  um  einen  Penis  oder  eine  Clitoris,  um 
zweifelhaftes  Geschlecht,  oder  tun  einen  Anorchiden,  oder  um 
weiblichen  oder  gemischten  Habitus  handelt. 


—     337     — 

Daraus  folgt,  dass  man  bei  der  Bestiiimnmg  der  Häufigkeit 
der  einzelnen  Charaktere,  wozu  wir  die  folgenden  Tabellen 
hergestellt  haben,  die  Summen  als  annähernd  richtig  annehmen 
muss,  nicht  als  genaue  Angaben.  Dies  Eesultat  ist  zwar  un- 
vollkommen, aber  doch  nicht  ohne  Dichtigkeit,  denn  wir  haben 
im  Vorhergehenden  die  Vergleiche  aller  Charaktere  ünt€r  ein- 
ander nicht  erschöpft:  das  mögen  andere  thun  als  Zugabe  zu 
den  in  den  Tabellen  angeführten  Angaben. 


i  amifi.  HexmaphrodiHmus.  22 


338     — 


Talbelle  I 


Bürger- 

Habitus 

a  2 

licher 

des 

Penis 

Clitoris 

Scrotum 

Hoden 

Männliche 

Stand 

Körpers 

Urethra 

1 

Witwe 

ver- 
schwiegen 

— 

— 

— 

— 

— 

2 

Mädchen 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

3 

14  Jahre 

weiblich 

Mikro- 
phallus 

inguinal 

Hypospadie 

4 

Nonne 

— 

" 

' 

" 

5 

Jüngling 

— 

undurch- 
bohrt 

— 

Oschio- 
schisis 

scrotal 

Meatus  atreti- 
cus 

6 

Mädchen 

von 
13  Jahren 

natürlich 

" 

Oschio- 
schisis 

scrotal 

~ 

7 

Junge 

weiblich,  we- 

— 

nach  d.Pu- 

— 

—    ■ 

Mündung  in  d. 

Frau 

nig  ent- 
wickelt, mit 
Brüsten 

bertät  ist 
d.  Clitoris 
ein.  atre- 
tischen 
Penis  ähn- 
lich 

Scheide 

8 

Mann, 

— 

Mikro- 



Oschio- 

scrotal 

scrotale   Hypo- 

Alter un- 

phallus 

schisis 

spadie 

bekannt 

9 

Gattin 

ohne  Bart, 
Tribade 

Penis  un- 
durch- 
bohrt 

" 

Oschio- 
schisis 

scrotal 

Hypospadie 

10 

Mann 

Penis  un- 
durch- 
bohrt 

— 

Oschio- 
schisis 

scrotal 

11 

Jüngling, 
Alter  un- 
bekannt 

Penis  mit 
Hypo- 
spadie 

Oschio- 
schisis 

scrotal 

Hypospadie 

12 

Mädchen 

Habitus 
männlich 

Penis 
natürlich 

— 

— 

scrotaler 

Monor- 

chide 

— 

13 

Mann  von 

Habitus 

Penis  mit 

— 

ohne 

inguinal. 

Mündung    am 

31  Jahren 

männlich 

abnormem 
Kanal 

Scrotum, 
Schwel- 
lung 

Sperma 
trat  mit  d. 
Urin  aus 

Perineum 

U 

Kind  von 
3  Mon. 

ohne  Penis 

Mündung  durch 

die  Scrotalan- 

schwellung 

15 

Bursche 

Habitus 

Penis  un- 

— 

Oschio- 

scrotal 

PerinealeHypo- 

vor  der 

weiblich 

durch- 

schisis 

spadie 

Pubertät 

bohrt 

16 

Unbek. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

17 

Kind  vor  d. 

— 

Mikro- 

— 

Oschio- 

scrotal 

totale    Hypo- 

Pubertät 

phallus 

schisis 

spadie 

i 


339 


entnommen  aus  Note  2. 


Anatomi- 
sches Ge- 
schlecht 


Menstrua- 
tion und 
Amenorr- 
hoe 


Leisten- 
bruch 


Änderung 
des  Ge- 
schlechts 


Ge- 
schlechtl. 

Nei- 
gungen 


Erblich- 
keit 


Weibliche 
Organe 


Varie- 
täten 


Menstru- 
iert mit 
15  Jahren 


Ge- 

schlechts- 

verwand- 

lung,  nach 

vielen 

Jahren 

enthüllt 


Menstrua- 
tion un- 
regel- 
mässig 


Hoden 


S.  Beob.  1 
(Auria) 


in  spätem 
Alter 


Vulva  u. 

Vagina 

endigen 

bHnd 


zweifel- 
hafte Um- 
kehrung 


zwei  Brü- 
der mit  ge- 
schlechtl. 
Missbild. 


Hernie 
rechts 


22* 


340 


Tabelle  11 


Bürgerl. 
Stand 

Habitus 

des 
Körpers 

Penis 

Clitoris 

Scrotum 

Hoden 

Männliche 
Urethra 

18 

Mann  von 

Männlicher 

Mikro- 



— 

— 

Hypospadie    an 

32  Jahren 

Habitus,Neig. 
zu  Männern 

phallus 
mit  Eichel 

der  Wurzel  des 
Penis 

19 

Maria  Do- 

Habitus 

■ — 

— 

Oschio- 

ohne  Hod. 

Hypospadie  des 

rothea 

männlich 

schisis 

Penis 

20 

Dieselbe 
klin.  u. 
anatom. 

Diagnose 

— 

— 

— 

— 

— 

21 

Dieselbe, 

Statur  klein, 

Mikro- 

— 

Oschio- 

— 

scrotale    Hypo- 

nach der 

wenig  Bart 

phallus 

schisis 

spadie 

Pubertät 

22 

Madelaine 
Lefort,  16 
Jahre  alt 

Mit  20  Jahren 

dichter   Bart, 

Brüste 

— 

Clitor.  un- 
durchbrt., 
m.  Präp. 
22mmlng. 

— 

~ 

Hypospadie 

23 

Frau 

weiblich,   mit 

Mikro- 

_ 

Oschio- 

scrotal 

ohne  Urethra, 

19  Jahr,  ame- 

phallus 

schisis 

perineale  Hypo- 

norrhoisch. 

mit  Prä- 

spadie 

Brüste     birn- 

putium 

förmig 

24 

Bäuerin, 

weiblich, 

— 

Clitor.  gut 

— 

ein  Hode 

Mündung  in  die 

18  Jahre 

Amenorrhoe 

entwickelt 

in  einer 
Schamlpp. 

Scheide 

25 

Weib  von 

ohne  weibl. 

— 

Clitor.  gut 

— 

Hoden  un- 

Mündung  in  die 

18  Jahren 

Habitus, 
Heirat  steril 

entwickelt 

gew.  in  d. 
Schamlpp. 

Scheide 

26 

Frau  von 

Habitus 

Männliche 

— 

2  kleine 

inguinal 

Hypospadie  der 

52  Jahren 

männlich,  mit 
Brüsten 

Glans,  un- 
durch- 
bohrt, 

ohnePenis 

leere  Beut. 

Eichel 

341    — 


entnommeii  aus  Note  2. 


Anatom. 

Ge- 
schlecht 


Menstruat 
u.  Ame- 
norrhoe 


Lei- 
sten- 
brüche 


Wechsel 
des  Ge- 
schlechts 


Ge- 
schlechtl. 
Neigungn. 


Erhüch- 
keit 


Weibliche 
Organe 


Varietäten 


Herm- 
aphrodit 

(nekro- 
skopisch) 


zweifel- 
haft 


Zeichen 
von  Men- 
struation 


menstru- 
iert mit 
8  Jahren 


Amenorrh. 
menstr.  n. 
18  Jahren 

mit  18 

Jahren 

amenorrh. 


Anschein. 

geschl. 
Umkehrg. 


Änderg.  d. 

Geschl. 
mehr  mo- 
ralisch, als 

physisch 


Anschein. 

Geschl.- 

Verändrg. 


Geschl.- 
Verändrg. 
mehr  mo- 
ralisch, als 

physisch 


Apathie 


doppel- 
seitige 
Hernie 


Vulva  u.  Hod 
in  den  grossen 
Schamlippen 

Sekt.:Scheide, 

üter.,Tromb., 

lHod.,10var., 

Prostata 


SBrüd.von 

4m.Hypo- 

spadie 


Inn.weibl.  Ge- 
schlechtsorg, 
vollst.  Ver- 
schluss der 
Scheide 


2  Schwest. 
V.  4  m.  sex. 
Missbüdg. 


Vulva  m.  Lab. 

maj.  U.Uterus 

atrophisch 

Vulva  mit  2 

gross.  Scham- 
lippen 


Gerichtlich 
mediz.  ürtei 


Neig,  zukeia. 
Ge  schlechte 


I 


—     342 


Talbelle  n 


So 
S  <» 

am 

Bürgerl. 
Stand 

Habitus 

des 
Körpers 

Penis 

Clitoris 

Scrotum 

Hoden 

Männliche 
Urethra 

27 

Kind, 

— 

Totale 

— 

Scrotum 

— 

totale  Hypo- 

Alter   un- 

Hypo- 

geteüt 

spadie 

hekannt 

spadie 

28 

Soldat 

weibl.,    Neig- 
ungen männl. 

11/2  ZoU 
lang,  dick, 
m.  Präput. 
und  Glans 

Mündung    in 
den  Scheiden- 
eingang 

29 

Frau 

männlich. 

Mikro- 

— 

Oschio- 

scrotal 

Mündung  aus 

schlecht  ge- 

phallus. 

schisis 

dem  Scrotum 

bildet 

nicht 
durch- 
bohrt 

30 

Frau, 

männl.,  Neig- 

Penis 

— 

— 

verborge- 

totale Hyposp., 

21  Jahro 

ungen  männl. 

klein,  ge- 
krümmt 

ner  Sperm. 
erkannt 

Mündung  an  d. 
Scheidenöffng. 

31 

Mädchen 

weiblich 

kindlicher 

Penis   mit 

Glans  und 

Präput. 

leichte  Hypo- 
sp adie   unter 
dem  Penis 

32 

Frau, 

weiblich,  ohne 

Mikroph., 

— 

Oschio- 

scrotal 

Hypospadie 

24  Jahre 

Brüste,  Neig- 
ung männlich 

undurchb. 
mit  Glans 
u.  Präput. 

schisis 

33 

Frau 

weiblich 

— 

— 

Oschio- 
schisis 

scrotal, 
Hydrocele 

Hypospadie 

34 

Soldat 

Glans 
sitzend 

Oschio- 
schisis 

scrotal 

I 


343     — 


entnommen  aus  Note  2. 


Anatom. 

Ge- 
schleclit 


Menstr. 
u.  Ame- 
norrhoe 


Leis- 
ten- 
brüche 


Wechsel 
des  Ge- 
schlechts 


Ge- 
schlechtl. 
Neigungn. 


Erbüch- 
keit 


Weibliche 
Organe 


Varietäten 


Herm- 

aphrod. 

alternans 


Men- 
struation 


\ 


bilat. 
Hernie 


bilat. 
Hernie 


Hermaphrod. 
alternans 


Vagina,  Uter. 
retroversus 


Zwei  Aborte 


Atresie  der 
Scheiden- 
öffnung 


Amput.  der 

Clit.,  künstl. 

Vagina,  Coit. 

steril 


Von  5 
Brüdern 
hatten  3 
dieselbe 

Miss- 
bildung 


—    344     — 


Talbelle  III 


Civilstand 

Habitus 

des 
Körpers 

Penis 

Clitoris 

Sero  tum 

Hoden 

Männliche 
Urethra 

35 

Mädchen, 
5  Jahre 

männliche 
Neigungen 

Penis 
atretisch 

fehlt 

fehlt 

fehlen 

Hypospadie 
am  Penis 

36 

Afrikaner, 
18  Jahre 

Stimme 

weiblich, 

Brüste  stark 

Mikro- 
phallus 

" 

Labia  maj. 

fehlen 

perineale 
Hypospadie 

37 

Frau  von 
77  Jahren 

Neigung  zu 
Weibern 

' 

Hyper- 
trophie m. 
Präput. 

Urethra  mit 

Scheide 
verbunden 

38 

Mann, 
33  Jahre 

weibl.,  grosse 
Brüste 

besitzt 

eine 
Urethra 

rechts 
gewendet 

der  rechte 

i.Scrotum, 

links  im 

Tumor 

39 

Mädchen, 
17  Jahre 

männliche 
Neigungen 

Penis  ru- 
dimentär, 

Glans 
atretisch 

Oschio- 
schisis 

nicht  ge- 
funden 
(Kryptor- 
chie) 

Hypospadie 

40 

Frau, 
21  Jahre 

Stimme  tief, 

keine  geschl. 

Neigungen, 

Bart  erscheint 

Penis  ru- 
dimentär, 
undurch- 
bohrt 

zweilapp. 

inguinal 

Hypospadie 

41 

Witwe, 
73  Jahre 

männlich, 
keine  Brüste 

undurch- 
bohrt,kurz 

— 

zweiteilig 

scrotal 

ohne  Urethra 

42 

Mädchen, 
Lehrerin, 
nach  der 
Pubertät 

unent- 
schieden 

undurch- 
bohrt 

zweigetlt. 

scrotaler 

Hode  reclits 

inguinaler 

links 

Urethra  und 

Samengänge 

münden  in  die 

Vulva 

43 

Jüngling 
(FaU  2) 

weibl.  Brüste, 
Habitus 
weiblich 

stark 
entwickelt 

inguinal 

44 

Mann, 
49  Jahre 

ohne  Bart 

— 

— 

Oschio- 
schisis 

scrotal 

Hypospadie 

45 

Unver- 
heirateter, 
37  Jahre 

männlich, 
ohne  Brüste 

kurz 

Oschio- 
schisis 

scrotal 

Hypospadie 

unten, 
Meatus  oben 

46 

Mann, 
30  Jahre 
(FaU  1) 

weiblich 

ohne  Prä- 
putium, 
durchbhrt. 

— 

— 

i.  d.  Labiis 
maj.  Eja- 
kulation. 

— 

47 

Bursche, 
13  Jahre 
(FaU  2) 

weiblich,  mit 

30  Jahr.  Bart 

und  Brüste 

Mikro- 
phallus, 
ohne  Prä- 
putium 

zwei 
Hautfalt. 

bohnengr., 
scrot. Eja- 
kulat, aus 
dem  Penis 

Mündung 
unter  d.  Glans 

48 

Mania- 
kalische, 
26  Jahre 

Gesicht  weibl. 

Eumpf  männl. 

(liebte  zuerst 

eine  Frau) 

Mikro- 
phallus 

zweiteilig 

scrotal, 
ohne  Sper- 
matozoen 

Hypospadie 
der  Eichel 

—    345    — 


entnommen  aus  Note  2. 


Anatom. 

Ge- 
schlecht 

Menstr. 
und  Ame- 
norrhoe 

Inguinal- 
Hernie 

Änderung 
des  Ge- 
schlechts 

Ge- 
schlechtl. 
Neigung. 

ErbHch- 
keit 

Weibliche 
Organe 

Ver- 
schiedenes 

— 

— 

— 

— 

— 

2Brüd.v.5 
m.Hyposp. 

— 

männliche 
Neigungen 

Geschl. 
zweifelh. 

menstr. 

durch  den 

Penis 

Amenorr- 
hoe von 
Anfang  an 

" 

' 

" 

Diagnose 
zweifelh. 

vielleicht 
Blasen- 
hernie 

nicht 
erkannt 

— 

— 

— 

— 

ohne  ge- 
schlechtl. 
Neigung. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

abenteuer- 
liches Leben 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Selbstmord 

männlich, 

Chirurg. 

bestätigt 

männlich 

— 

— 

— 

— 

FaU  1.  Zwil- 
linge m.  ge- 
schl.  Miss- 
bildg.,  einer 

ertränkt, 

zwei  Yetter 

ebenso. 

FaU  2. 

Vulva  mit 

Lab.  maj. 

und  min. 

d.  erste  Vetter 
ertränkt 

ohne  Bart 

zwei 
Hoden 

Z.Weibern 

Erblich- 
keit 

— 

hatte  Umgang 
mit  einer  Tedig. 
Frau,  d.  einen  d. 
G-rossvat.  älinl. 
Sohn  gebar. 

männlich, 

mit  weibl. 

Habitus 

Vulva  mit 
Lab.  maj. 
und  min. 

" 

Amenorr- 
hoe 

— 

— 

— 

Amenorr- 
hoe 

— 

— 

— 

— 

—  - 

—    346    — 


Tabelle  lY 


Civilstand 


Habitus 

des 
Körpers 


Penis 


Clitoris 


Scrotum 


Hoden 


Männliche 
Urethra 


Frau, 
40  Jahre 


Bäuerin, 
30  Jahre 


Bäuerin, 
27  Jahre 

Alt.  Mann 

(weg- 
gelassen) 

Weberin, 
13  Jahre 


Jüngling, 
21  Jahre 


Bäuerin, 
30  Jahre 


Bäuerin, 
nach  der 
Pubertät 

Herm- 
aphrodit 
(1537) 

Bursche, 
16  Jahre 

Mann, 
32  Jahre 

Mann, 
30  Jahre 


Köchin, 
40  Jahre 


Bursche, 
17  Jahre 


männl.,  gross. 
Brüste,  ge- 
schlechtlich 

gleichgültig 

weiblich,  mit 
19  Jahr,  ver- 
heiratet 


Charakt.   sanft 

oline  Ge- 
schlechtstrieb, 
mit  25  Jahr,  be- 
merkte sie  ihre 
abweichde.  Bil- 
dung, H.  männl. 


weiblich,  yer 
heirat.,  steril 

männlich 


schlaff,  ohn. 
Meat.,  Prä- 
putium her- 
abfallend, 
aber  z.  Coi- 
tus  geeignet 


Penis 


krummer 
Penis 


Penis   ge- 
krümmt 


6  cm  lang 


ähnlich 
einem  nicht 
durchbohrt. 
Penis  mit 
Präputium, 
ohn.Urethr. 


männlich 
weiblich 
männlich 

weiblich 

ungewiss 


6  cm  lang, 
undurchb. 

Penis 


Penis 


unbekannt 


Clitoris 
hyper- 
plastisch 

unbekannt 


lateral 


geteilt 


Oschio- 
schisis 


Oschio- 
schisis 


2  Labia 
majora 


2  Labia 
majora 

Oschio- 

schisis 


2  Labia 
majora 

2  Labia 
majora 


ein     scro- 
taler  Hode 


2  scrotale 

Hoden, 
vermutet 


scrotal 


1  scrotaler 
Hode 


scrotal 


scrotal 


scrotal 
inguinal 


2  Drüsen  m. 
Strängen 
nach  d.  Lei- 
stenlaufend 

Anor- 
chidie 


Hypospadie  mit 

Ausfluss  des 

Samens 


Hypospadie 


Hypospadie, 

Mündung  ins 

Scrotum 


urethral.  Rinne, 

perineo-scrotal. 

Hypospadie 


Hypospadie 


Hypospadie 


Vulvif  orm.  Hypo- 
spadie, durcfi  die 
man  in  d.  Blase  u. 
Vagina  gelangte 

Mündung  un- 
bekannt 


Hypospadie 


-     347     — 


entnommen  aus  Note  2. 


Menstr. 
und  Ame- 
norrhoe 


Leisten- 
brüche 


Ände- 
rung des 
Geschl. 


Ge- 
schlechtl. 
Neigungn. 


Erblich- 
keit 


Weibliche 
Organe 


Bemerkungen 


Menstrua- 
tion ver- 
loren 


unter- 
drückt mit 
17  Jahren 


Ame- 
norrhoe 

menstru- 
iert von 
17-46  J. 


zweifelhaft, 

wechselte 

den  Namen 

3  mal 


men- 
struiert 


ame- 
norrhoisch 


Menstrua- 
tion regel- 
mässig 


Apathie 


gleich- 
gültig 


Apathie 


2  Leist.- 
brüche 


Urethr.  münd. 
in  d.  Scheiden- 
öffnung, Vag. 
endigt  blind 


Kanal  blind, 

9  cm  lang 

(Vagina) 


verheiratet, 

steril,   ohne 

Uterus 


zu  dunkler 
Fall 


tötete  ein 
Kind,  Irren- 
haus 


öBrüd.mit 
Hyposp.  in 
der  Glans 


Atrophie  der 
äusseren  Ge- 
schlechtsteile, 
Vagin.Ocmlang 

Männliche 
Scheide 


Öffnung  der 
Vulva,  Vagina 
blind,  6  cm  lang 


Vagina  münd 

in  d.  Urethra, 

Uterus 

Vagina  3  Zoll 
lang 


Hermaphro- 
dit,   lebendig 
verbrannt 


348    — 


Talbelle  Y 


1-^ 

Civilstand 

Habitus  des 
Körpers 

Penis 

Clitoris 

Sero  tum 

Hoden 

Männlicher 
Uterus 

63 

Witwe 

männl.,  grosse 
Brüste,  Nei- 
gung männl. 

kindlich, 
nicht 
durch- 
bohrt 

-  — 

2  Labia 
majora 

scrotalmit 
Ejakulat. 

Rinne,   Hypo- 
spadie,  Mün- 
dung, zwischen 
den  Labiis 

64 

Frau, 
29  Jahre 

weiblich  mit 
Brüsten 

gross,  un- 

durch- 
bohrt,  mit 
2  Frenuli  s 

2  Labia 
majora 

Mündung  zwi- 
schen den  Ver- 
längerungen d. 
Frenuli 

65 

Frau 

weiblich  mit 
Brüsten 

— 

gross 

2  Labia 
majora 

ein  Hode 
scrotal 

'■ — 

66 

Frau, 
51  Jahre 

männlich 

31/2  cm 
lang 

— 

2  Labia 
majora 

2  Hoden 

Hypospadie 
total 

67 

Frau, 
31  Jahre 

weiblich 

ähnlich 

einem 

Penis  mit 

Kapuze 

2  Labia 
majora 

ungleich 

in  d.  Labia 

majora 

der  Finger 
kann  durch  die 
Urethra  in  die 
Blase  eingehen 

68 

Frau, 
27  Jahre 

männlich, 
dichter  Bart 

3V2  cm  lang, 
ohne  Prä- 
putium und 
Urethra,  bei 
d.  Erektion 
gekrümmt 

2  Labia 
majora 

scrotal 

aus  der  Urethra 
floss  Sperma 

69 

Mädchen, 
26  Jahre 

weiblich, 

Neigung  zu 

Männern 

klein 

2  Hoden 

70 

Waise  vor 

der 
Pubertät 

männlich, 

ohne  Brüste 

oder  Bart 

undurch- 
bohrt, 

hängend 
zurück- 

zweige- 
teilt 

scrotal 

Hypospadie 

71 

Gärtner, 
24  Jahre 

weiblich, 
Brüste  gross 

gezogen 

Clitoris 
5  cm  lang 

Labia 
majora 

fehlen 

Öffnung  der 

Urethra  unter 

der  Glans 

72 

Mädchen, 
24  Jahre 

weiblich,  mit 
Brüsten 

aus  der 

Rhaphe 

traten  die 

Lab.minora 

hervor 

73 

Frau 

— 

mit  Penis 

— 

Labia 
majora 

scrotal 

Hypospadie  des 
Penis 

74 

Mädchen, 
9  Jahre 

weiblich 

— 

Clitoris 
sichtbar 

— 

scrotal 

— 

75 

Frau, 
18  Jahre 

— 

— 

— 

— 

inguinal, 
Körper  neb. 
dem  Pubes 

76 

77 

Mädchen, 
21  Jahre 

Kind  von 
zweifel- 
haftem Ge- 
schlecht 

männlich, 

Neigung    zu 

Weibern 

ungewiss 

Penis   2  cm 
lang,  un- 
durchbohrt, 

bewegl. 
Präputium 

ungewiss 

oder  Cli- 
toris 

Labia 
majora 

Kryptor- 
chidie 

Kryptor- 
chismus 

vulviforme 
Hypospadie 

Hypospadie 

entnommen  aus  Note  2. 


—    349 


Anatomi- 
sches Ge- 
schlecht 

Menstrua- 
tion, Ame- 
norrhoe 

Änderung 
des  Ge- 
schlechts 

Ge- 
schlecht- 
liche Nei- 
gungen 

Erblich- 
keit 

Weibliche 
Organe 

Verschiedenes 

männlich 

Menstrua- 
tion 



— 

— 

— 

weder  Uterus 

noch  Prostata 

gefunden 

— 

ungewiss, 
vielleicht 
Herm- 
aphrodit 

Ame- 
norrhoe 

weder  Pro- 
stata noch 
Samen- 
bläschen 
Lab.  majora 
und  minora 

männlich 

— 



— 

— 

— 

— 

Erweiterung 
d.  Urethra 

männlich 

immer 
amenorrh. 

wollte  als 

Weib  weiter 

leben 

— 

Ame- 
norrhoe 



— 

— 

— 

Vulva  1^/2  cm 
tief 

weder  Scheide 
noch  Uterus, 
noch  Prostata 

— 

Ame- 
norrhoe 

— 

— 

sexuelle 
Parese 

— 

Vulva  und 
Vagina 

Fehlen 
des  Uterus 

männlich 

Ame- 
norrhoe 

Coitus 

schmerzhaft, 

verliebte  sich 

in  ein  Weib 

zweifel- 
haft 

— 

— 

— 

— 

— 

unter  der  Cli- 

toris  18  mm 

tieferTrichter 

— 

zweifel- 
haft 



Atrophie  der 
äusseren  Ge- 
schlechtsteile 

männlich 

— 

— 

- 

— 

— 

Hymen,  Atre- 
sie  d.  Scheide 

— 

männlich 

— 



— 

— 

— 

Hymen  und 
Scheide 

— 

männlich 

zweifel- 
haft 

Ame- 
norrhoe 

— 

— 

— 

— 

Vulva,  Schei- 
de blind,  6  cm 
lang 

Uterus  u.  Ho- 
den fehlen 

—  , 

— 

— 



— 

— 

— 

— 

— 

350 


Tabelle  YI 


Civilstand 

Habitus 

des 
Körpers 

Penis 

Clitoris 

Scrotum 

Hoden 

Männliche 
Urethra 

78 

Frau, 

männl.,  Bart, 

Mikro- 

_ 

ein  scrot. 

Hypospadie 

22  Jahre 

Coitus 
schmerzhaft 

phallus 

Hoden 
links 

j» 

79 

Mann, 

männl.,  zwei 

Penis  mit 

— 

Scrotum 

ein  Lei- 

— 

31  Jahre 

grosse  Brüste, 
seit  7  Jahren 
verheiratet 

Urethra 

klein,  aus 
zwei  An- 
schwellg. 
bestehend 

stenhode 

rechts,  ein 

zweifelh. 

Körper 

links 

80 

Mann 

weiblich, 
mit  Brüsten 

Penis 

— 

Scrotum 

scrotal 

— 

81 

Eind, 
4  Jahre 

weiblich 

Hyper- 
plastisch 

— 

perineale 
Hypospadie 

82 

Mann, 
36  Jahre, 
verheirat. 

männlich 

normal 

— 

normal 

Links  mit 
Tumor 

normal 

83 

Mädchen, 

männlich, 

Mikro- 

kein 

inguinal 

Kinne  unter- 

17 Jahre 

Gesicht  unbe- 
haart, Brüste 

phallus 

■ 

Scrotum 

halb, perineale 
vulviforme 
Hypospadie 

84 

Frau, 

gemischt,  zu- 

Penis 51/2 

_ 

Labia  maj. 

fehlen 

Urethralrinne 

31  Jahre 

erst  Neigung 

zu  Männern, 

2  Ä.borte,  dann 

zu  Weibern 

cm  lang  m. 

Eichel  und 

Vorhaut 

a.  Scheid.- 
eingang 

- 

351    — 


entnommen  aus  Note  2. 


Anatom. 

Ge- 
schlecht 

Menstr. 
und  Ame- 
norrhoe 

Leisten- 
brüche 

Änderung 
des  Ge- 
schlechts 

Ge- 
schlechtl. 
Neigung. 

Erblich- 
keit 

Weibliche 
Organe 

Ver- 
schiedenes 

— 

immer 
Amenorr- 
hoe 

Leisten- 
bruchlinks 

— 

— 

— 

— 

— 

männlich 

männlich 

— 



— 



— 

— 

— 

unbekannt 

— 

— 

— 

— 

— 

männl.  Uterus 

fühlbar  durch 

die  Öffnung 

der  Urethra 

Hoden  u. 

Ovarien 

unbekannt 

männlich 

Hernie  des 

Uterus  u. 

d.  Hodens 

links 

Hernie  des 

Uterus 

ohne 
Kinder 

Mann  mit 



— 

_ 

_ 

2  jüngere 

wed.  Scheide, 

_ 

Brüsten 

Schwe- 
stern mit 
denselben 
Missbildg, 

noch  Uterus, 

noch  Ovarien 

gefunden 

zweifelh. 

Vagina  und 

Collum  uteri, 

wederOvarien 

noch  Hoden 

gefunden 

-    352    - 


Tabelle  I. 


Zusammenfassung 


Habitus 

Männliche 

Civilstand 

des 

Penis 

Clitoris 

Scrotum 

Hoden 

Urethra 

Körpers 

1 

Cha- 

Varie- 

Geschlecht 

raktere 

Varietäten 

täten 

Formen 

Sitz 

Mündung 

Weiber,  Beob. 

weiblich, 

natürlich,  Beob. 

Hyper- 

zwei- 

inguinal. 

Hypospadie  des 

1,2,3,4,6,7, 

Beob.  3,  7, 

6,  12 

plasie, 

lappig. 

Beob.  3, 13 

Penis,  Beob.  3 

9,12 

9,15 

Beob.  7 

V 

Beob.  5, 6, 

8,9,10,11, 

15,17 

Männer,  Beob. 

männlich. 

Mikrophallus, 

ohne  Scro- 

scrotal, 

Hypospadie  des 

5,  8,   10,  11, 

Beob.  12, 

Beob.  3,  8,  17 

tum, 

Beob.  5,  6, 

Scrotums,Beob. 

13,  14,  15,  17 

13 

ge- 
mischt  — 

aplasisch, 
Beob.  14. 

undurchbohrt, 
Beob.5,9,10,15 

Hypospadie, 
Beob.  11 

Kanal  abnorm, 
Beob.  13 

Beob.  13 

8,9,10,11, 
12,15,17 

8,  9,  14 

Hypospadie  des 

Perineums, 

Beob.  13 

in  die  Scheide, 
Beob.  7, 15 

offene  Urethra 
im  Penis, 
Beob.  17 

Summa  16  B. 

S.  6  Beob. 

S.  12  Beob. 

S.  1  Beob. 

S.  9  Beob. 

S.ll  Beob. 

S.  8  Beob. 

-    353    - 


der  Tall)elleu. 


Tabelle  I. 


Anatom. 

Ge- 
schlecht 


Menstr. 
und  Ame- 
norrhoe 


Leis- 
ten- 
brüche 


Änderung 
des  Ge- 
schlechts 


Ge- 
schlechtl. 

Neigungn. 


Ver- 
erbung 


Weibliche 
Organe 


Ver- 
schiedenes 


männlich, 
Beob.  4,  9 


S.  2  Beob. 


Menstr. 

vorzeitig, 
Beob.  3 


Leis- 
ten- 
bruch 
rechts, 
Beob. 
17 


Erwachs. 
Weib, 
Beob.  4 


Menstr. 

unregelm., 

Beob.  7 


S.  2  Beob. 


S.  IB. 


S.  1  Beob. 


InversioD, 
Beob.  9 


S.  1  Beob, 


Zwei 
Brüder, 
Beob.  11 


S.  1  Beob. 


Vulva  und 

Vagina 

endigen  blind, 

Beob.  7 


Dem  männl. 
Geschlecht 
geht  Ge- 
schlechts- 
veränderung 
vorher, 
Beob.  4 


S.  1  Beob. 


Summa  1  B. 


T  a  r  Ti  f  f  i ,  Hermaphrodismus. 


23 


-    354 


\ 


Tabelle  II. 


Civilstand 


Habitus 

des 
Körpers 


Penis 


Clitoris 


Scrotum 


Hoden 


Männliche         < 
Urethra        I 


Geschlecht 

weiblich, 
Beob.  19,  20, 
21,  22,  23,  24, 
25,  26,  29,  30, 

81,  32,  33 

Männer, 
Beob.  18,  27 

(Knabe)  28, 34 


Cha- 
raktere 

weiblich, 
Beob.    23, 

24,  28,  31, 
32,33 

männlich, 

Beob.    19, 

21,  22,  29, 

30 

gemischt, 
Beob.    18, 

25,  26  (mit 
Brüsten) 


Varietäten 

natürlich  — 

gekrümmt, 
Beob.  30 

Mikrophallus, 

Beob.  18, 21, 23, 

29,  31,  32 

Glans  sitzend, 
Beob.  26,  34 


Varie- 
täten 

hyper- 
plastisch, 
Beob.    22, 
24,  25,  28 


Form 

zweiteilig 

(Oschio- 

schisis), 

Beob.    19, 

21,  23,  26, 

27,  29,  32, 

38,34 


Sitz 

inguinal, 
Beob.  52 

scrotal, 

Beob.  23, 

29,  32,  33, 

34 

labial, 

Beob.  24, 

25 

ver- 
borgen, 
Beob.  30 
(Sperma) 


Sa.  17  Beob. 


S.14Beob, 


S.  9  Beob. 


S.  4  Beob. 


S.  9  Beob. 


S.  9  Beob. 


Mündung 

Hypospadie  der 
Eichel,  Beob.  26 

—  des  Penis, 

Beob.  18, 19, 22, 

81,  32,  38 

—  des  Scro- 
tums,  Beob.  21, 

29 

—  des  Peri- 
neums, Beob.  28 

vaginal,  Beob. 

24,  25,  28 

offene  Urethra, 
Beob.  27,  30 


S.  15  Beob. 


355    — 


TabeUe  n. 


Ana- 

Menstr. 

Lei- 

Änderung 

Ge- 

tomisches 

und  Ame- 

sten- 

des Ge- 

schlechtl. 

Ver- 

Weibliche 

Ver- 

Geschl. 

norrhoe 

brüche 

schlechts 

Neigungn. 

erbung 

Organe 

schiedenes 

Herm- 

Zeichen 

bila- 

schein- 

drei Brü- 

Vulva mit 

aphrodit, 

von 

teral. 

bare  Um- 

der, Beob. 

Hoden  in  den 

Beob.    19, 

Menstr., 

Beob. 

kehrung, 

21 

Labien,  Beob. 

27  (alter- 

Beob.  18 

26,33 

Beob.  18 

18 

nans) 

zwei 

Vorzeitige 

üm- 

Schwstrn., 

Vagina  und 

zweifel- 

Menstr., 

kehrung, 

Beob.  25 

Uterus  mit 

haftes  Ge- 

Beob. 22 

Beob.  22 

1  Hoden, 

schlecht, 

fünf  Brü- 

Beob. 19 

Beob.  25 

Ame- 

Apathie, 

der,  Beob. 

norrhoe, 

Beob.  24 

34 

innere  Or- 

Beob.   24, 

gane  vollstän- 

25 

dig,  Verschl. 

der  Vagina, 

Beob.  22 

Vulva  u.  Ute- 
rus atroph., 
Beob.  24 

Vulva  mit  2 

Lab.  maj., 

Beob.  25 

Vagina  — 

Uterus  retro- 

vers.,Beob.28 

Vagina  atre- 
tica,  Beob.  31 

S.  3  Beob. 

S.  5  Beob. 

S.  2B. 

S.  3  Beob. 

S.  3  Beob. 

S.  7  Beob. 

23* 


Tabelle  IH. 


—    356    — 


Habitus 

Civilstand 

des 
Körpers 

Penis 

Clitoris 

Sero  tum 

Hoden 

Männliche 
Urethra 

Geschlech.t 

Cha- 
raktere 

Varietäten 

Varie- 
täten 

Formen 

Sitz 

■  Mündung 

Weiber, 

weiblich, 

natürlich, 

Hyper- 

zweiteilig. 

inguinal. 

Hypospadia 

Beob.  87,  89, 

Beob.  36, 

Beob.  88 

plasie, 

Beob.  86, 

Beob.  43 

balanica, 

40,  41,  42,  48 

38,44,46, 

Beob.  37, 

89,40,41, 

Beob.  47,  48 

47 

ohn.  Präputium, 

43 

42,44,45, 

scrotal. 

Beob.  46,  47 

46,48 

Beob.  38, 

H.  penidea. 

Männer, 

männlich, 

ohne 

44,45,46, 

Beob.  35, 39, 40 

Beob.  85,  86, 

Beob.  85, 

undurchbohrt, 

Clitoris, 

verlegt, 

48 

38,43,44,45, 

87,39,40, 

Beob.  35,  42 

Beob.  35 

Beob.  88 

H.perinealis, 

46,47 

41,  48,  45 

Mikrophallus 

rudi- 

Kryptor- 
chiden. 

Beob.  36,  49 

gemischt. 

und 

mentär. 

Beob.  39 

Mündung 

Beob.  42, 

undurchbohrt. 

Beob.  47 

in  die  Vulva, 

48 

Beob.  39, 40, 45 

fehlt, 
Beob.  35 

fehlen, 

Beob.  35, 

36 

Beob.  42 

ohne  Urethra, 
Beob.  41 

Sa.  14  Beob. 

S.  14  Beob. 

Summa8Beob. 

S.  8  Beob. 

S.  12  Beob. 

S.  9  Beob. 

Summa  9  Beob. 

357 


Tabelle  in. 


Anatom. 

Ge- 
schleclit 


Menstr., 
Amenorr- 
hoe 


Lei- 
sten- 
brüche 


Änderung 
des  Ge- 
schlechts 


Ge- 
schlechtl. 
Neigung. 


Ver- 
erbung 


Weibliche 
Organe 


Ver- 
schiedenes 


zweifel- 
haft, 

Beob.  36, 
38 

männlich; 

Beob.  43, 
44,  45,  46 


vicar- 

ierend, 

Beob.  36 

Amenorr- 
hoe 
Beob.  37, 
47,48 


Blasen 
bruch 
(ver- 
mutet) 
B.  38 


für 
Weiber, 
Beob.  45 

Apathie, 
Beob.  40 


zwei 

Brüder, 

Beob.  35 

Zwillinge, 
Beob.  43 

demGross- 

vater 

ähnlich, 

Beob.  45 


Vulva  mit 
Labia  majora 
und  minora, 
Beob.  43,  46 


S.  6  Beob. 


S.  4  Beob. 


S.IB. 


S.  2  Beob. 


S.  3  Beob. 


Sa.  2  Beob. 


—    358 


Tabelle  IV. 


Habitus 

Civilstand 

des 
Körpers 

Penis 

Clitoris 

Sero  tum 

Hoden 

Männliche 

Urethra 

Geschlecht 

Cha- 
raktere 

Varietäten 

Varie- 
täten 

Formen 

Sitz 

•Mündung 

Weiber, 

weiblich. 

undurchbohrt, 

hyper- 

zweiteilig 

scrotal, 

Hypospadia 

Beob.  49,  50, 

Beob.  50, 

schlaff. 

plastisch, 

(oschio- 

Beob.  49, 

penidea. 

51,53,55,56, 

53,55,59, 

Beob.  49,  58 

Beob.  54, 

schisis). 

50,51,53, 

Beob.  49, 50, 59 

61 

61 

regelmässig. 

64 

Beob.  50, 
53,54,56, 

54,  56,  58 

H.  scrotalis. 

Beob.  51,  56, 

58,59,61, 

inguinal, 

Beob.  53     -■ 

Männer, 

männlich. 

59,  60 

62 

Beob.  59, 

Beob.  52,  54, 
58, 59,  60,  62 

Beob.  49, 
56,  58,  60 

gekrümmt, 
Beob.  53,  54 

seitlich, 
Beob.  49 

61 

H.  perineo- 
scrotalis, 
Beob.  54 

Hermaphrodit 

Beob.  57 

gemischt, 
Beob.  62 

• 

Einne  am  Penis, 
Beob.  56 

H.  perinealis 

mit  der  Blase 

verbunden, 

Beob.  60 

Sa.  14  Beob. 

S.lOBeob. 

Summa  8  Beob. 

S.2Beob. 

S.  9  Beob. 

S.9Beob. 

Summa  7  Beob. 

I 


—    359 


Tabelle  lY. 


Anatom. 

Menstr., 

Lei- 

Änderung 

Ge- 

Ge- 

Amenorr- 

sten- 

des Ge- 

schlechtl. 

Ver- 

Weibliche 

Ver- 

schlecht 

hoe 

brüche 

schlechts 

Neigung. 

erbung 

Organe 

schiedenes 

männlich, 

regel- 

dop- 

Apathie, 

Apathie, 

Vagina,  blind 

Beob.  56 

mässig. 

pelter, 

Beob.  49, 

Beob.  49, 

endigend, 

Beob.  56, 

B.  61 

50,53 

50,53 

Beob.  50,  53, 

zweifel- 

62 

58 

haft, 

Hypo- 

Beob.  50, 

Amenorr- 

spadia 

äussere  Teile 

55,60,61, 

hoe, 

balanica 

atrophisch. 

62 

Beob.  55, 
61 

Unter- 

(5  Brüder), 
Beob.  54 

Beob.  55 

Scheide 
männlich. 

drückung, 

Beob.  56 

;  Beob.  49, 

50 

• 

Mündung  der 

Urethra  in 

dieVaginamit 

Uterus, 

Beob.  60 

Vagina  kurz, 
Beob.  61 

S.6Beob. 

S.  6  Beob. 

S.IB. 

S.  3  Beob. 

S.4Beob. 

Sa.  7  Beob. 

360     — 


Tabelle  Y. 


Habitus 

Civilstand 

des 
Körpers 

Penis 

Cütoris 

Sero  tum 

Hoden 

Männliche 
Urethra 

Gechlecht 

Cha- 
rakter 

Varietäten 

Varie- 
täten 

Formen 

Sitz 

Mündung 

Weiber,  Beob. 

weiblich, 

natürlich,  Beob. 

Hyper- 

2 Labia 

inguinal. 

Hypospadia  pe- 

63,  64,  65,  66, 

Beob.  65, 

73, 

plasie, 

majora. 

Beob.  75 

nidea  Beob.  63, 

67,  68,  69,  70, 

67,  69,  71, 

Beob.  65, 

Beob.  63, 

66 

72,  73,  74,  75, 

74,  75 

undurchbohrt. 

66,  69,  74, 

64,  65,  66, 

scrotal, 

76 

Beob.  64,  70 

77 

67,  68,70, 

Beob.  63, 

Mündung 

männlich. 

71,  73,  77 

65,  66,  68, 

zwischen  den 

Männer,  Beob. 

Beob.  63, 

MikrophaUus, 

70,  72 

Prenuli,  Beob. 

71 

66,  68,70, 
76 

Beob.  69 

Lab.  maj.. 

64 

ungewiss, 

undurchbohrt 

Beob.  67, 

Urethra  erwei- 

Beob. 77 

gemischt, 
Beob.  64, 

und  Mikro- 
phaUus, Beob. 

69 

tert,  Beob.  67 

77 

63,  76 

kurz,  Beob.  65, 

gekrümmt   und 
kurz,  Beob.  6 

ungewiss,  Beob. 

77 

fehlen, 
Beob.  71 

Kryptor- 

chiden, 

Beob.  76, 

77 

Samenfluss 

unter  d.  Penis, 

Beob.  68 

Hypospadia  pe- 
nidea,  Beob.  75, 

76,  77 

S.  d.  B.  15 

S.  d.  B.  13 

S.  d.  B.    9 

S.  d.  B.  5 

S.  d.  B.  10 

S.  d.  B.  12 

S.   d.  B.  8 

-     361 


Tabelle  Y. 


Anatom. 

Ge- 
schlecht 

Menstrua- 
tion, Ame- 
norrhoe 

Lei- 
sten- 
brüche 

Änderung 
des  Ge- 
schlechts 

Ge- 
schlechtl. 
Neigungn. 

Ver- 
erbung 

Weibliche 
Organe 

Ver- 
schiedenes 

männlich, 

Ame- 

sexuelle 

Fehlen  von 

Beob.  63, 

norrhoe, 

Parese, 

Uterus  und 

66,  67,  70, 

Beob.  63, 

Beob.  69 

Prostata, 

73,  74,  76, 

67,  68,  69, 
70,  76 

Beob.  63 

zweifel- 

Lab. maj.  et 

haft,  Beob. 

min.,  Beob.  65 

64,  71,  72, 
76 

' 

Vulva  1^2  cm 
tief,  Beob.  68 

Vulva  mit 

Vagina,  Beob. 

69,  75 

Trichter 
unter  der  Cli- 
toris,  18  mm 
lang,  Beob.  71 

Atrophie  der 
äusseren  Ge- 
schlechtsteil., 
Beob.  72 

Hymen  mit 
Atresie  d.  Va- 
gina, Beob.  73 

Uterus  und 

Hoden  fehlen, 

Beob.   76 

S.d.B.ll 

S.  d.  B.  6 

S.  d.  B.  1 

S.  d.  B.  9 

362     — 


Tabelle  Tl. 


Civilstand 

Habitus 

des 
Körpers 

Penis 

Clitoris 

Scrotum 

Hoden 

Männliche 
Urethra 

Geschlecht 

Charakter 

Varietäten 

Varie- 
täten 

Formen 

Sitz 

Mündung 

Weiber,  Beob. 

männlich. 

regelmässig, 

hyper- 

2 Schwell- 

scrotal, 

Hyposp.  penid., 

78,  88,  84 

Beob.  78, 

Beob.  79,  80, 

plastisch, 

ungen, 

Beob.  78, 

Beoh.  78 

Männer,  Beob. 

79,  82,  83 

82,  84 

Beob.  81 

Beob.  79 

80 

H.  perin.,  Beob. 

79,  80,  81,  82 

weiblich, 

Mikro  Phallus, 

regel- 

inguinal, 

81 

Beob.  80, 
81 

Beob.  78,  83 

mässig, 
Beob.  80, 

'  82 

Beob.  79, 
82,  83 

Rinne  am  Penis 
u.  Hypospadie 

gemischt, 

fehlen, 

perin.,  Beob.  88 

Beob.  84 

fehlt, 
Beob.  83 
Lab.  maj., 
Beob.  84 

Beob.  84 

Rinne  am  Penis, 
Beob.  84 

Sa.  d.  B.  7 

Sa.  d.  B.  7 

Sa.  d.  B.    6 

Sa.  d.  B.  1 

Sa.  d.  B.  5  Sa.  d.  B.  6 

Sa.  d.  B.    4 

Allgemeine 


Civilstand 


Habitus 

des 
Körpers 


Penis 


Clitoris 


Scrotum  i    Hoden 


Männliche 
Urethra 


Tab.  I 
Tab.  II 
Tab.  III 
Tab.  IV 


8a.d.B.16 


Sa.d.B.6 


Sa.d.B.17Sa.d.B.14 


Sa.d.B.l4 
Sa.d.B.14 


Tab.  V      [Sa.d.B.15 
Tab.  VI     Sa.  d.  B.  7 


Ganze 
Summe 


83  Beob. 


Sa.d.B.14 
Sa.d.B.lO 
Sa.d.B.13 
Sa.d.B.7 

64  Beob.*) 


Sa.d.B.12 
Sa.  d.  B.  9 
Sa.  d.  B.  8 
Sa.  d.  B.  8 
Sa.  d.  B.  9 
Sa.  d.  B.  6 

52  Beob. 


Sa.  d.  B.  1 
Sa.  d.  B.,4 
Sa.  d.  B.  3 
Sa.  d.  B.  2 
Sa.  d.  B.  5 
Sa.  d.  B.  1 

16  Beob. 


Sa.  d.  B.  9 
Sa.  d.  B.  9 
Sa.d.B.12 
Sa.  d.  B.  9 
Sa.d.B.10 
Sa.  d.  B.  5 


54  Beob.     56  Beob 


Sa.d.B.ll 
Sa.  d.  B.  9 
Sa.  d.  B.  9 
Sa.  d.  B.  9 
Sa.d.B.12 
Sa.  d.  B.  6 


Sa.  d.  B.  8 
Sa.d.B.15 
Sa.  d.  B.  9 
Sa.  d.  B.  7 
Sa.  d.  B.  8 
Sa.  d.  B.  4 

51  Beob. 


")  Habitus  weiblich  29 
„  männlich  27 
„        gemischt  8 


363 


Tabelle  Tl. 


Anatom. 

Ge- 
schlecht 

Menstrua- 
tion, Ame- 
norrhoe 

Leisten- 
brüche 

Änderung 
des  Ge- 
schlechts 

Ge- 
schlechtl. 
Neigungn. 

Ver- 
erbung 

Weibliche 
Organe 

Verschie- 
denes 

männlich. 

Ame- 

inguinal. 

zwei 

männlicher 

Beob.  79, 

norrhoe, 

Beob.  78. 

Zwillinge, 

Uterus, 

80,  82,  83 

Beob.  78 

Hernie  des 

Beob.  83 

Beob.  81 

unbe- 

Uterus 

Hernie   des 

kannt. 

links. 

Uterus, 

Beob.  81 

Beob.  82 

Beob.  82 

zweifel- 

Vagina et 

haft,  Beob. 

coUum  uteri. 

1     " 

Beob.  84 

Sa.  d.  B.  6 

Sa.  d.  B.  1 

Sa.  d.  B.  2 

Sa.  d.  B.  1 

Sa.  d.  B.  3 

Znsammeiistellims", 


Ana- 
tomisches 
Geschl. 

Menstrua- 
tion, Ame- 
norrhoe 

Leisten- 
brüche 

Änderung 
des  Ge- 
schlechts 

Geschl. 
Neigungn. 

Ver- 
erbung 

weibliche 
Organe 

Ver- 
schiedenes 

Sa.d.B.2 

Sa.  d.  B.  2 

Sa.  d.B.  1 

Sa.  d.B.  1 

Sa.d.B.l 

Sa.  d.B.  1 

Sa.d.B.l 

Sa.  d.  B.  1 

Sa.  d.  B.  3 

Sa.d.B.5 

Sa.d.B.2 

— 

Sa.  d.B.  3 

Sa.  d.  B.  3 

Sa.  d.B.  7 

— 

Sa.  d.  B.  6 

Sa.d.B.4 

Sa.  d.  B.  1 

— 

Sa.d.B.2 

Sa.  d.  B.  3 

Sa.  d.  B.  2 

— 

Sa.  d.  B.  6 

Sa.  d.  B.  6 

Sa.  d.B.  1 

— 

Sa.  d.B.  3 

Sa.  d.  B.  4 

Sa.  d.B.  7 

— 

Sa.d.B.ll 

Sa.  d.  B.  6 

— 

— 

Sa.  d.  B.  1 

— 

Sa.  d.  B.  9 

— 

Sa.  d.  B.  6 

Sa,  d.  B.  1 

Sa.  d.  B.  2 

— 

— 

Sa.d.B.l 

Sa.  d.  B.  3 

— 

34  Beob. 

24  Beob. 

7  Beob. 

1  Beob. 

10  Beob. 

12  Beob. 

29  Beob. 

1  Beob. 

—    364    — 

Note  3.    Änderung  des  GrescMechts. 

Beob.  1. 

Aristoteles  und  Galenus  meinten,  die  Geschlechtsteile  des 
Mannes  unterschieden  sich  von  denen  des  Weibes  nur  durch  die  Lage,  so  dass 
die  äusseren  des  einen  Geschlechts  denen  des  anderen  vollkommen  ähnlich 
seien,  aber  innerlich  lägen,  daher  wurde  die  Verwandlung  einer  Frau  in 
einen  Mann,  die  bisweilen  vorzukommen  scheint,  dem  äusseren  Auftreten  der 
vorher  im  Inneren  vorhandenen  Organe  zugeschrieben. 

Beob.  2.  Hippokrates,  Epidemicor.  Libr.  VI,  Lectio  8,  No.  32.  De 
Phartus  Pistae  uxore. 

Er  bringt  zwei  Beobachtungen  von  Frauen,  die  nach  dem  Aufhören  der 
Menstruation  ein  männliches  Aussehen  annahmen. 

Beob.  3.     Plinius,  Historia  naturalis.     Libr.  VII,  Cp.  4. 

„Es  foeminis  mutari  in  mares  non  fabulosum.  Invenimus  in  annalibus, 
P.  Licinio  Crasso  etc.  Cicio  Cassio  Longino  coss.  Cassini  puerum  factum 
ex  virgine  sub  parentibus,  jussuque  auspicum  in  insulam  desertam:  sed  et 
Licinius  Mucianus  prodidit,  visum  a  se  Argis  Ariscontem  virum,  cui  nomen 
Arescusa  fuit;  cum  antea  uti  foemina  ad  nuptias  traducta  esset,  in  virum 
tamen  evasit,  barba  et  virilitate  proveniente,  uxorem  quoque  duxit." 

Anderswo  sagt  er:  „Gignuntur  homines  utriusque  sexus.  Quos  herm- 
aphroditos  vocamus,  olim  androgynos  vocatos  et  in  prodigiis  habitos,  nunc 
vero  in  deliciis." 

Beob.  4.     Aulus  Gellius,  Noctium  atticarum.     Libr.  IX,  Cp.  4. 

„Ex  foeminis  inquit  (de  Caenide  et  Caeneo)  mutari  in  mares  non  est 
fabulosum." 

Beob.  5.  Phlegon  (Lydia),  De  rebus  mirabilibus.  Brunsvig,  1839, 
Cp.  IV,  7. 

Erzählt  von  einem  Mädchen,  das  zur  Zeit  des  Kaisers  Claudius  zum 
Mann  wurde. 

Beob.  6.  St.  Augustin,  De  civitate  Dei.  Libr.  III,  cp.  81.  —  Vola- 
terranus  (Kaff.  Maffei),  Comment  ariorumurbanorum.  Libr.  XXIX, 
Tit.  de  vesica  (?)  in  fine.     Romae,  1506. 

Augustinus  erzählt,  zur  Zeit  des  Papstes  Alesander  IV.  habe  ein 
Mädchen,  das  geheiratet  hatte,  sich  in  einen  Mann  verwandelt,  und  fügt 
hinzu,  diese  Verwandlung  finde  auch  bei  Hühnern  statt.  Volaterranus 
fügt  hinzu,  die  zum  Mann  gewordene  Frau  habe  ein  Gesuch  an  den  Papst 
gerichtet,  er  möge  die  Ehe  aufheben. 

Beob.  7.  Albertus  Magnus,  De  animalibus.  Libr.  XVIII,  cp.  4, 
Komae,  1478. 

Er  erzählt,  zu  seiner  Zeit  habe  ein  Mädchen  mit  anscheinend  normalen 
Geschlechtsteilen  gelebt;  aber  in  der  Zeit  der  Pubertät  änderten  sich  diese. 
Man  rief  Ärzte,  diese  durchschnitten  eine  Membran,  und  sogleich  erschienen 
die  männlichen  Organe.  A.  M.  glaubt,  nicht  das  Geschlecht  habe  sich  ge- 
ändert, sondern  das  zuerst  Verborgene  sei  nur  offenbar  geworden. 


_    365    — 

Beob.  8.    Decimus  Magnus  Ausonius  (Bordeaus),  Opera.    Parma,  1449, 

Firenze,  1517,  Amstelodami,  1671.    Epigr.  69,  p.  43. 

Quae  sexum  mutarint. 

Vallelianae  (nova  res  et  vix  credenda  pactis 

Sed  quae  de  vera  promitur  historia) 

Foeminam  in  speciem  convertit  masculus  alis,  etc. 

J.  Wier  (geb.  1515,  gest.  1588),  Opera  omnia.  Amstelodami,  1660. 
Libr.  IV,  cp.  24.  —  De  la  naturelle  tr ansmut ation  du  sexe 
humain.     Paris,  1885.     Vol.  I,  p.  598. 

Er  glaubt  (mit  den  Griechen),  dass  die  Materie  bei  der  Zeugung  von 
der  Frau  geliefert  wird,  so  dass  ein  Weib,  das  zum  Manne  wird,  ein  dem 
Penis  ähnliches  Organ  verborgen  haben  muss.  Da  nun  die  Natur  etwas  Un- 
vollkommenes vervollkommnen  kann,  so  kann  sie  die  Clitoris  wachsen  lassen 
bis  sie  einem  Penis  ähnelt  und  äusserlich  sichtbar  wird,  entweder  durch  den 
Antrieb  der  Menstruation,  oder  durch  geschlechtlichen  Eeiz.  So  wird  es 
bewiesen,  dass  die  Natur  sich  dem  Besseren  zuneigt,  und  niemals  dem 
Schlechteren.    Denn  niemals  hat  sich  ein  Mann  in  ein  Weib  verwandelt. 

Beob.  9.  G.  Fulgosus,  De  dictis  factisgue  memorabilibus: 
a  rerum  humanarum  primordio  usque  in  ipsius  tempus:  illis 
exceptis,  quae  luculenter  Max.  Valerius  edidit:  opus  aBap- 
tista  Fulgoso  vernacula  lingua  conscriptum:  et  a  Camillo 
Grilino  latinum  factum.  Jacobus  Ferrarius,  Mediolani,  1508,  im- 
pressit  in  Folio:  Libr.  I,  Mirabilibus.  2.  edit.  Parisiis,  1518,  in  4to.  Beide 
Ausgaben  befinden  sich  in  der  Universitätsbibliothek  zu  Eom. 

Lodovico  Garreo  aus  Salerno  erzählt,  er  habe  fünf  Töchter,  von 
denen  die  beiden  älteren  im  15.  Jahre  sich  in  Männer  verwandelten,  indem 
plötzlich  der  Penis  erschien. 

Beob.  10.   G.  Pontano,  Delle  cose  celesti.    Libr.  X,  Venetiis,  1519. 

Er  erfuhr  von  Antonio  Panormita,  dass  bei  einer  seit  14  Jahren  ver- 
heirateten Frau  das  natürliche  Glied  erschien,  daher  sie,  um  dem  Spotte  zu 
entgehen,  Mönch  wurde  und  ihr  ganzes  Leben  in  der  Minerva  in  Eom  lebte, 
wo  sie  begraben  liegt. 

Eine  andere  Frau,  erzählt  Pontano,  die  seit  12  Jahren  verheiratet 
war,  wurde  ein  Mann  und  nahm  eine  Frau.  Der  Eichter  Hess  auf  Befehl 
des  Königs  Ferdinand  der  zum  Manne  gewordenen  Frau  ihre  Mitgift  zurück- 
geben. 

Beob.  11.  B.  Varchi,  Lezione  sopra  la  generazione  dei  mos- 
tri,  fatta  da  lui  nell'Accad.  Fiorentina  1' anno  1548.  Lezioni 
raccolte  nuovamente  etc.     Firenze,  1590,  p.  103. 

Er  glaubt  nicht,  dass  ein  Mann  ein  Weib  werden  könne,  wohl  aber 
dass  ein  Weib  sich  bisweilen  in  einen  Mann  verwandele. 

Beob.  12.    J.  Berengarius  in  Mundinum.    Fol.  210.    Bononiae,  1521. 

„Mares  perpetuo  servant  sexum,  quia  natura  non  intendit  in  specie 
humana  generare  nil  perfectius  masculo;  sed  interdum  repertum  est,  foeminas 
convariare  sexum,  quia  natura  semper  cupit  perfectionem." 


—     366     — 

Beob.  13.  J.  Wier,  Histoire  des  illusions  et  impostures  des 
diables,  etc.  Paris,  1579.  1885,  T.  II,  p.  598,  cp.  XXIII.  Transformation 
naturelle  du  sexe  humain. 

Verf.  sammelt  viele  Geschichten  dieser  Art. 

Beoh.  14.  Realdo  Colombo,  De  re  anatomica.  Venezia,  1559.  Libr. 
XV,  p.  268. 

Eine  äthiopische  Frau,  welche  die  Lombarden  Zigeunerin  nannten,  war 
von  unvollkommenem  Geschlecht  und  konnte  weder  als  Mann,  noch  als  Frau 
fungieren.  Der  Penis  übertraf  nicht  wenige  Finger  an  Länge  und  Dicke. 
Die  Öffnung  der  Vulva  war  so  klein,  dass  sie  kaum  den  kleinen  Finger  ein- 
liess.  Sie  wünschte,  dass  ihr  der  Penis  durch  eine  chirurgische  Operation 
abgetragen  und  die  Öffnung  der  Vulva  vergrössert  würde.  Der  Verfasser 
operierte  sie  nicht,  weil  er  fürchtete,  ihr  zu  sehr  zu  schaden. 

Beob.  15.  Amato  (portugiesischer  Arzt),  Curationum  medicina- 
lium.     Cent.  IL     Lugduni,  1580.    Venetiis,  1653,  p.  150.     Curatio  39. 

„In  qua  agitur  de  puella  in  virum  versa,  priapum  usque  ad  id  tempus 
intus  latitantem  extra  ejecit." 

In  der  Anmerkung  berichtet  Amato  über  mehrere  ähnliche  Fälle  aus 
der  römischen  Litteratur. 

Beob.  16.  G.  Mercuriali  (Forli),  Variarum  lectionum  etc.  Libri- 
sex.    Venetiis,  1598.     Libr.  VI,  cp.  20,  p.  136. 

Er  nimmt  an,  dass  Weiber  sich  in  Männer  verwandeln  können,  aber 
nur,  wenn  sie  Jungfrauen  sind,  nicht,  wenn  sie  schon  verheiratet  sind  und 
in  vorgerücktem  Alter  stehen. 

Beob.  17.  A.  Pare,  Opera  Chirurgie a.  L.  XXIII,  cp.  5.  De  sexus 
mutatione.     Francof.  ad  Moenum,  1594,  p.  729. 

„Homines  ex  foeminis  mutari  in  mares  non  esse  fabulosum.  At  ex 
maribus,  qui  in  foeminas  degeneraverint ,  nusquam  in  historia  repertum. 
INatura  semper  enim  tendit  progressusque  facit  ab  imperfectis  ad  perfecta, 
nunquam  contra  turpi  relapsu  a  perfectis  ad  imperfecta  refertur." 

Beob.  18.  Anibr.  Pare,  Histoires  memorables  de  certaines 
femmes,  qui  sont  degenerees  en  hommes.  Oeuvres  completes,  L. 
25,  cp.  VI,  Paris,  1607,  p.  1015.  —  Oeuvres  etc.  revue  etc.  par  J.  F.  Mal- 
gaigne.    Paris  1840.    T.  III,  cp.  VII,  p.  19. 

Ein  Mädchen  von  25  Jahren  wollte  einen  Graben  überschreiten  und 
war  gezwungen,  zu  springen.  In  diesem  Augenblicke  zeigten  sich  die  Ge- 
nitalien und  der  Penis.  Die  Chirurgen  sahen,  dass  sie  ein  Mann  war,  und 
das  geistliche  Gericht  gab  ihr  einen  männlichen  Namen. 

Beob.  19.  J.  Duval,  Traite  des  Hermaphrodite s.  Ronen,  1612. 
Paris  1880,  p.  325,  Ch.  51. 

Die  Geschlechtsveränderungen  geschahen  nicht  durch  eine  Schöpfung, 
noch  durch  Umkehrung  der  Geschlechtsteile,  sondern  dadurch,  dass  das  zu- 
erst verborgene  offenbar  geworden  ist.  Wenn  also  die  äusseren  Zeichen 
dem  weiblichen  Geschlecht  angehören,  und  zu  einer  Zeit  ein  zur  Zeugung 
genügendes  männliches  Glied  erscheint,  nennt  es  der  Verf.  Gynanthrope. 


—     367     — 

Beob.  20.  A.  Merindolo,  Aquensis.  De  possibili  sesus  meta- 
morphosi  disputatio.     Aquis  Sextiis,  1608. 

Verf.  leugnet  die  Androgynen  und  erklärt  sie  durch  den  yerborgenen 
Zustand  der  Hoden. 

Beob.  21.  G.  Schenk  jun.,  Observationum  medicarum  etc. 
Francof.,  1609,  Libr.   IV.  ~  De  genitalibus  partibus,  p.  573. 

Verf.  sammelt  einige  Geschichten  von  angeblichen  Hermaphroditen  und 
von  Fällen  von  zweifelhaftem  Geschlecht,  die  später  aufgeklärt  wurden. 

Beob.  22.  F.  Plater  (Basel),  Observationum.  Basel,  1614,  Libr. 
III,  p.  580. 

„Anna  Jacob,  hermaphroditus  putatus,  quia  scrotum  illius  pudendum 
muliebre  nonnihil  repraesentabat." 

Beob.  23.  S.  Wlajolo  (Asti),  Episcopus  Vulturariensis.  Dies 
caniculares.  Moguntiae,  1650.  Vol.  I,  p.  65,  squ.  Foeminarum  in  mares 
mutatio. 

Beob.  24.  F.  Licetus,  De  monstris,  1634.  Amsterdam,  1665.  Libr. 
II,  cp.  54,  p.  173. 

Verf.  glaubt,  dass  Weiber  sich  hätten  in  Männer  verwandeln  können. 
Er  stützt  sich  auf  die  Autorität  des  Plinius,  des  Delechampius 
(Kommentators  des  Plinius),  des  J.  Fulgosius,  des  Albertus  Mag- 
nus, des  Volaterranus,  Pbilologia,  Lib.  24.  Albertus  Magnus, 
De  animal.  tr.  2,  cap.  3.     Volaterranus,  Lib.  24,  cp.  de  Vesica. 

Beob.  25.  G.  Gimma  (Bari),  De  hominibus  et  animalibus  fa- 
bulosis.    1714,  cp.  22,  p.  219. 

Gegen  die  Meinung  derer,  die  glauben,  Weiber  könnten  sich  in  Männer 
verwandeln,  glaubt  er,  sie  seien  immer  Männer  gewesen,  deren  Geschlechts- 
teile zuerst  in  einer  Spalte  verborgen  waren. 

Beob.  26.  R.  Cocchi,  Lezioni  fisico-anatomiche.  Livorno, 
1775.     Opera  postuma.     Lez.  V,  p.  53. 

Er  schreibt  der  ausserordentlichen  Grösse  der  Clitoris,  so  dass  sie 
einen  Penis  vortäuscht,  die  Meinung  der  Alten  über  die  Umwandlung  des 
Geschlechts  zu. 

Beob.  27.  Saviard,  Eecueil  d'observations  chirurgicales. 
Paris,  1784,  p.  150. 

Marguerite  kam  1693  nach  Paris  in  Männerkleidung  und  glaubte,  ein 
Hermaphrodit  zu  sein.  Der  Verf.  erkannte,  dass  sie  einen  Vorfall  des 
Uterus  hatte. 

Beob.  28.  G.  Hannaeus,  De  hermaphrodito.  Acta  med.  et  philos. 
Hafniensia.     Hafniae,  1677.     T.  IV,  p.  183—85.     Beob.  79. 

Ein  Weib,  das  als  Mann  erkannt  wurde. 

Beob.  29.  D.  Christ.  Walter,  De  hermaphrodito  notatu  digno. 
Acta  nat.  curios.     1715.     Cent  III  et  IV,  p.  305. 

Was  man  für  einen  Androgynen  hielt,  war  nur  ein  Mann  mit  Hypo- 
spadie. 

Beob.  30.  M.  Schurig,  De  hermaphroditis  et  sexum  mutan- 
tibus.    Francof.  ad  Moenum,  1720,  p.  561—721. 

Idem.     Sp ermatologia  etc.    Ibidem. 


—    368    — 

Beob.  31.  F.  B.  Oslander,  Über  die  Geschlechtsverwechsel- 
ung neugeborenerKinder.  Denkw.  f.  Heilk.  und  Geburtsh.  Göttingen, 
1795,  T.  II,  p.  462—476. 

Beob.  32.  V.  Malacarne,  Trasmutazione  (apparente)  di 
femmina  in  maschio.  Mem.  soc.  ital.  dei  40.  Modena,  1802.  Vol.  IX, 
p.  109. 

Scrotum  2  teilig,  Penis  mit  vollständiger  Hypospadie,  darunter  ein 
Sinus,  den  der  Verf.  als  Einwärtsbiegung  des  Scrotums  erklärt. 

Beob.  33.  Schweickhard,  Geschichte  eines  lange  Zeit  für  einen  Herm- 
aphroditen gehaltenen  wahren  Mannes.  Hufelands  Journ.  prakt.  Arz- 
neik.    Berlin,  1803.    Bd.  XVII. 

Beob.  34.  Alberti,  Prof.  Eelazione  di  un  parto  mostruoso, 
avvenuto  iu  Brescia  il  10  Die.  1810.  Comm.  dell' Acc.  di  scienze  etc. 
del  MeUa  1810.     Brescia,  1811,  p.  48. 

Die  Monstruosität  bestand  in  den  Geoitalien,  der  Fötus  wurde  zuerst 
für  weiblich  gehalten,  und  dann  als  männlich  erkannt. 

Beob.  35.  J.  A.  Bock,  Beschreibung  und  Abbildung  der  missgebildeten 
Geschlechtsteile  eines  7jährigen  Kindes,  welches  bis  jetzt  für  ein  Mädchen 
erklärt  wurde,  nun  aber  als  Knabe  erklärt  worden  ist.    Berlin,  1811,  in  4*0. 

Beob.  36.  F.  Blumenbach,  Comment.  soc.  seien t.  Göttingen,  1813, 
p.  8.  —  Fabricae  androgynae  femin a.  Handb.  d.  Naturgesch.  1825, 
p.  20. 

Er  bespricht  die  Geschlechtsverwandelung,  auch  bei  Tieren. 

Beob.  37.     Kob,  Gam.,  De  mutatione  sexus.    Berlin,  1823. 

Beob.  38.  Fronmüller,  Beschreibung  eines  als  Mädchen 
erzogenen  männlichen  Zwitters.  Zeitschr.  f.  Staatsarzneik.  Er- 
langen, 1834.    Bd.  27,  p.  205. 

Beob.  39.  F.  Legros,  Homme  hypospade,  pris  pendant  22  ans 
pour  une  femme.  Journ.  connaiss.  med.  chir.  Paris,  1835 — 36.  T.  III, 
p.  273—76. 

Beob.  40.  Otto,  Eine  Mannsperson,  die  bis  ins  28.  Jahr  für 
ein  Mädchen  angesehen  und  als  solches  erzogen  wurde. 
Zeitschr.  f.  d.  ges.  Mediz.,  Hamburg,  1845,  Bd.  28,  p.  237. 

Beob.  41.  E.  A  Peck,  Auswahl  einiger  seltener  und  lehrreicher  FäUe  etc. 
Dresden,  1858. 

Berichtet  über  Fälle  von  Hypospadie,  deren  Geschlecht  erst  spät  er- 
kannt wurde. 

Beob.  42.  Blanche,  Anomalie  des  organes  genitaux  externes; 
organes  femelles  pris  d'abord  pour  des  organes  mäles.  Bull. 
soc.  anat.  de  Paris,  1867,  T.  42,  p.  21—23. 

Beob.  43.  T.  Grahm,  Gase  of  hypospadia  with  cleft  scrotum, 
believed  a  female  til  16  years  of  age.  With  remarks  by  P. 
D.  Handy  side.    Edinburgh,  1873,  in  8  <>. 


—    369    — 

Beob.  44.  J.  Donath  in  Budapest.  —  J.  Wier,  (Histoires  etc.  des 
diables,  des  magiciens,  sorcieres  etc.)  Virchows  Arch.,  1886, 
Bd.  104,  p.  205. 

Der  Verf.  betrachtet  die  historischen  Nachrichten  über  Geschlechts- 
veränderung und  fügt  wichtige  Betrachtungen  hinzu. 


Note  4.   Hypertropliie  der  Clitoris. 

Beob.  1.  Reiner  Graaf,  De  mulierum  organis  generationi 
inservientibus.     Tract.  novus.     Leyden,  1672.  p.  18. 

Ein  Mädchen  wurde  als  Knabe  getauft;  nach  einigen  Tagen  starb  es, 
und  man  fand,  dass  die  Clitoris  durch  ihre  Grösse  einen  Penis  vortäuschte. 

Beob.  2.  D.  Katzki,  Monstri  hermaphroditici  historia.  Acta 
med.,  Berolini,  1721,  Dec.  1,  Vol.  IX,  p.  61. 

Verf.  sezierte  einen  acephalen  Fötus,  der  an  der  Öffnung  der  Vulva 
einen  Penis  (mentula)  und  innerlich  einen  zweihörnigen  Uterus  hatte.  S. 
Taruffi,  Storia  della  teratologia.  Bologna,  1882,  T.  II,  p.  65  und  191. 
(Weib  mit  grosser  Clitoris.) 

Beob.  3.  M.  A.  Caldani,  Lettera  diretta  a  Zeviani.  Mem.  di 
Matern,  e  phys.  della  Soc.  ital.  Verona,  1794,  T.  VII,  p.  130,  Taf.  VII. 

Eine  Frau  von  männlichem  Aussehen  hatte  eine  fast  10  cm  (?)  lange 
undurchbohrte  Clitoris,  ferner  eine  doppelte  Scheide;  in  eine  der  Scheiden 
mündete  der  Uterus.     Der  Verf.  meinte,   es  handele  sich  um  eine  Frau. 

Beob.  4.  E.  Malvani,  Kendiconto  delle  ammalate  ricoverate 
nel  Ospizio  celtico  etc.    Torino,  1830. 

Eine  Prostituierte  hatte  eine  Clitoris  in  Gestalt  eines  Penis,  die  am- 
putiert wurde. 

Beob.  5.  G.  Tortosa,  Istituzioni  di  medicina  forense.  Bologna, 
1836,  T.  I,  p.  106. 

Verf.  berichtet  über  eine  ungedruekLe  Beobachtung  des  Dr.  Portin ari 
über  einen  Neugeborenen,  der  für  männlich  galt.  Dieser  Arzt  erkannte  die 
1  ZoU  lange  Clitoris  ohne  Präputium ;  die  Labia  täuschten  ein  Scrotum  vor, 
aber  ohne  Hoden,  Unter  der  Clitoris  befand  sich  die  Öffnung  der  Urethra 
und  das  Hymen,  das  keine  Öffnung  zeigte. 

Tortosa  sammelte  viele  Fälle  von  zweifelhaftem  Geschlecht ,  oder 
welche,  die  falsch  beurteilt  wurden. 

Beob.  6.  P.  G.  Herwett,  Case  of  doubtfull  sex.  Brit.  med.  Journ. 
1857,  No.  35.     Canstatts  Jahresber.  für  1857,  Bd.  IV,  p.  29. 

Ein  angebliches  Mädchen  von  5  Jahren  hatte  eine  grosse  Clitoris,  die 
ein  Chirurg  exstirpiert  hatte  und  die  wieder  gewachsen  war.  Jetzt  war  sie 
daumendick  und  hatte  keine  Glans.  Das  Mädchen  hatte  zwei  Labia  majora, 
die  keinen  Körper  enthielten,  und  zwischen  ihnen  lag  die  Öffnung  der  Urethra. 
Die  Geschlechtsteile  waren  mit  roten  Haaren  bedeckt,  ohne  Anzeichen  von 
Vagina  oder  Uterus. 

Taruffi,  Hermaphrodismus.  24 


-    370    - 

Beob.  7.  Debout  et  Huguier,  Developpement  anormal  du 
clitoris.  Occlusion  vulvaire  avec  orifice  au  dessous  du 
clitoris.  InLeonLefort,  Desvicesdeconformationde  l'uterus 
et  du  vagin.     Paris,  1863,  p.  203. 

Frau  von  39  Jahren,  mit  weiblichen  Instinkten;  die  Menstruation  war 
schmerzhaft  und  geschah  durch  eine  Ölnung  unter  der  Mündung  der  Urethra, 
folglich  unter  der  Clitoris,  die  5  cm  lang  und  mit  einem  Präputium  ver- 
sehen war.  Die  beiden  Labia  majora  hatten  die  gewöhnliche  Lage,  aber 
die  linke  war  bcutelförmig  und  enthielt  einen  eiförmigen  Körper,  den  der 
Verf.  für  ein  Ovarium  hielt.  Wenn  man  die  Lippen  auseinanderzog,  fand 
man  eine  häutige  Scheidewand,  ohne  andere  Öffnung  als  die  oben  genannte. 
Durch  diese  führte  Huguier  eine  Sonde  ein,  die  er  gegen  den  Anus  richtete, 
und  machte  dann  einen  Einschnitt,  der  ihm  erlaubte,  eine  Art  von  Hymen 
zu  sehen,  das  die  Scheide  verschloss.  Nach  Erweiterung  der  Öffnung  ge- 
lang es  ihm,  mit  dem  Speculum  das  Collum  uteri  zu  sehen,  das  ziemlich 
klein  war.    Die  Kranke  genas. 

Beob.  8.  L.  Golinelli  (Bologna),  Descrizione  anatomica  di  un' 
abnorme  conf  orm  azione  delle  parti  genitali  femminili.  Bull, 
sc.  med.  Bologna,  1868,  Ser.  V,  Vol.  V,  p.  109—118,  2  schlechte  Abb. 

Neugeborene  mit  enorm  entwickelter  Clitoris,  Atrophie  der  Nymphen 
und  angeborener  Adhäsion   des  Osculum  vaginale  an  seinem  unteren  Teile. 

Beob.  9.  G.  Saviotti,  Anomalia  negli  organi  genitali  ex- 
terni.    Gazz.  delle  clin.  Torino,  1868,  Vol.  IV,  p.  673. 

Ein  bald  nach  der  Geburt  gestorbenes  Kind  zeigte  in  den  äusseren 
Geschlechtsteilen  ein  Anhängsel  von  der  Dicke  des  kleinen  Fingers  eines 
Erwachsenen,  3  cm  lang,  ohne  Öffnung  für  die  Urethra.  Die  Haut  setzte 
sich  in  die  der  hypogastrischen  Gegend  fort  und  nahm  die  Form  eines  Prä- 
putiums an,  wenn  man  sie  über  das  Ende  des  Anhängsels  zog;  unter  dessen 
Wurzel  befand  sich  die  Öffnung  der  Urethra.  An  den  Seiten  bemerkte  man 
zwei  Hautvorsprünge  vom  Aussehen  der  Labia  majora,  ohne  eine  Spur  von 
Hoden.  Nach  Öffnung  des  Abdomens  fand  man  den  Uterus  und  die  Ovarien 
mit  ihren  Ligamenten  gut  entwickelt.  Die  Vagina  kommunizierte  aber 
nicht  mit  der  Blase,  noch  mit  dem  Rectum,  sondern  endigte  blind  gegen  das 
Perineum. 

Beob.  10.  R.  Jacoby,  ZweiFällevonHermaphroditenbildung. 
Inaug.-Diss.,  Berlin,  1885. 

Der  erste  Fall  betraf  wahrscheinlich  einen  äusseren  weiblichen  Pseudo- 
Hermaphrodismus,  der  zweite  eine  Hypertrophie  der  Clitoris,  ohne  bestimmten 
äusseren  Habitus. 

Beob.  11.  C.  Taruffi,  Della  elefantiasi  della  clitoride. 
Mem.  etc.  1901,  Ser.  V,  T.  VIL  p.  318  und  Ibidem,  Note  3,  p.  359,  Beob.  40. 

Sammlung  von  40  Beobachtungen  und  Nachweis  der  angeborenen 
Affektion  in  3  Fällen.     Vgl.  oben  p.  229  ff. 

Er  bringt  auch  den  Fall  von  Diemer broeck  (Fall  2)  von  einem 
Mädchen  mit  Bart,  Clitoris  von  der  Dicke  eines  Penis,  einem  Hoden  im  Lab. 
majus.,  Hypospadie  am  unteren  Teile  des  Penis. 


371 


Note  5. 

Vincenzo  Gioberti,  Del  rinnovamento  civile  d'  Italia.  Parigi  a 
Torino,  1851,  p.  219  fg. 

„  .  .  .  .  Allzugross  ist  der  Unterschied  zwischen  den  antiken  Juristen 
und  den  jetzigen.  Die  ersteren  waren  nicht  einfache  Prozessführer,  sondern 
praktische,  in  den  öffentlichen  Angelegenheiten  bewanderte  Männer,  hatten 
eine  vorzügliche  bürgerliche  Erziehung  genossen,  waren  in  jeder  Wissen- 
schaft erfahren,  mit  jenem  positiven,  römischen  Geiste  ausgestattet,  der 
unter  unseren  Rechtsgelehrten  unbekannt  oder  sehr  selten  ist." 

„  .  .  .  .  Die  Jurisprudenz  ist  nicht  von  guter  Wirkung,  wenn  sie  ausser 
der  positiven  Kenntnis  der  Gesetze  und  der  Praxis  der  Prozesse  nicht  jene 
Kenntnisse  besitzt,  ohne  welche  die  Abgabe  politischer  Aussprüche  ein  Fliegen 
ohne  Flügel  oder  ein  UrteU  eines  Blinden  oder  Tauben  über  Farben  oder 
Töne  ist." 

„Die  gerichtlichen  Gewohnheiten,  wenn  sie  nicht  von  anderen  Eigen- 
schaften begleitet  und  gemässigt  werden,  schaden  dem  Staatsmann,  statt  ihm 
zu  nützen,  daher  kümmerten  sich  die  weisen  Herrscher  des  alten  Florenz 
wenig  um  die  Rechtsgelehrten  und  lachten  über  sie.  Der  krittliche  Geist 
des  Gerichts  beschäftigt  sich  mit  Einzelheiten  und  ist  unfähig,  die  Dinge 
von  einer  gewissen  Höhe  zu  betrachten  und  ihr  Ganzes  zu  umfassen;  man 
arbeitet  mit  Worten  und  ergreift  nicht  die  Ideen  und  die  Wirklichkeit. 
Dies  ist  vielleicht  der  Grund,  warum  bei  den  politischen  Bewegungen  der 
verflossenen  Zeit  von  allen  liberalen  Berufen  in  Piemont  die  Ärzte  die  beste 
EoUe  gespielt  haben,  denn  die  Medizin,  die  an  einem  natürlichen  Gegen- 
stande ausgeübt  wird  und  sich  auf  die  Erfahrung  stützt,  erzieht  den  ge- 
sunden Verstand,  während  die  Advokatur  ihn  schädigt,  weil  sie  zum 
grossen  Teil  in  künstlichen,  willkürlichen  Übereinkünften  wurzelt  und  sinn- 
reiche Künste  und  Fiktionen  benutzt,  die  zwar  dazu  dienen,  den  Geist  zu 
schärfen,  aber  das  praktische  Gefühl  der  Menschen  für  das  Leben  abstumpfen. 
Die  Liebe  und  das  Studium  der  Jurisprudenz  ist  zwar  bei  denen,  die  Pro- 
zesse führen,  an  sich  sehr  lobenswert,  aber  einer  von  jenen  Vorzügen,  die 
leicht  in  Fehler  übergehen.  Denn  es  ist  schädlich,  wenn  es  übermässig  ist, 
oder  sich  mehr  um  den  Buchstaben  als  um  den  Geist,  mehr  um  die  juristischen 
Formeln  als  um  die  Gerechtigkeit  kümmert.  Ausserdem,  das  es  sich  an  un- 
gewöhnliche Zeiten  schlecht  anpasst,  in  denen  man  oft  von  den  gewohnten 
Eegeln  absehen  und  den  Vorschriften  das  unveränderliche  Gesetz  der  höheren 
Vernunft  vorziehen  muss,  kann  man  nicht  sagen,  dass  es  der  Moralität  und 
der  Achtung  vor  dem  Gesetz  nützt.  Denn  wenn  es  auf  einer  Seite  den 
Menschen  zum  Sklaven  der  Gesetzbücher  macht,  verleitet  es  ihn  auf  der 
anderen,  ihren  Sinn  durch  subtile  Auslegungen,  durch  sinnreiche  Ausflüchte 
und  scharfsinnige  Kritteleien  zu  fälschen.  So  ähnelt  das  Verfahren  der 
Advokaten  von  dieser  Seite  dem  der  Kasuisten  und  Jesuiten.  Man  wird 
sagen,  dass  dieser  Fehler  diejenigen  nicht  betrifft,  die  mit  dem  Studium  der 
positiven  Vorschriften  das  der  natürlichen  der  Menschen  und  Geschichte 
verbinden,  und  ich  gebe  es  gern  zu,  behaupte  aber,   dass  diese  Verbindung 

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-     372     - 

in  Piemont  sehr  selten  ist.  Daher  kommt  es,  dass  die  Art,  wie  daselbst 
auch  die  gesetzlichen  Fragen  behandelt  werden,  die  französischen  und 
neapolitanischen  Juristen  bisweilen  lächeln  macht." 

Das  leichte  Eeden  und  die  Uebung  im  öffentlichen  Disputieren,  das 
die  Juristen  beim  Prozessführen  erwerben,  verleiht  ihnen  die  Herrschaft  in 
den  Versammlungen;  so  entsteht  die  Gewohnheit,  die  Zeit  mit  unnützen 
Eeden  hinzubringen,  wichtige  Entscheidungen  aufzuschieben,  mehr  auf  die 
Form ,  als  auf  das  Wesen  der  Sache  zu  achten,  die  Klauseln  und  Be- 
schränkungen zu  vermehren ,  und  in  den  Phrasen  nach  einer  fast 
mathematischen  Genauigkeit  zu  streben,  statt  sie  nach  dem  praktischen 
Nutzen  -  und  nach  der  Zweckmässigkeit  für  den  gewünschten  Zweck 
einzurichten.  Diese  Liebe  zur  Genauigkeit  giebt  ihnen  auch  nicht 
den  bei  den  lateinischen  Juristen  von  Giordani  gerühmten  Vor- 
teil, die  griechische  Nüchternheit,  denn  sie  sind  mehr  wortreich,  als  be- 
redsam, weil  die  Sparsamkeit  und  das  Mass  beim  Eeden  von  der  Menge 
der  Kenntnisse  abhängt;  je  mehr  es  an  Ideen  mangelt,  desto  reichlicher 
fliessen  die  Worte,  sie  verachten  das  mannigfaltige  Wissen,  besonders  die 
Philosophie,  die  seinen  Gipfel  bildet,  ohne  die  man  (vorausgesetzt,  dass  sie 
gesund  und  ihres  Namens  würdig  sei)  selten  richtige  Kenntnis  von  den 
Dingen  und  den  Menschen  erwirbt ;  und  in  dieser  Wissenschaft  waren  die 
alten  Eechtsgelehrten  sehr  erfahren.  Da  sie  nicht  zum  Denken  geneigt 
sind,  mögen  sie  lieber  schwatzen,  als  handeln,  mehr  zurückhalten  und 
hindern,  als  in  Bewegung  setzen.  So  fruchtbar  sie  an  Einwürfen  und 
Zweifeln  sind,  so  unfruchtbar  sind  sie  an  nützlichen  Entscheidungen  und 
kräftigen  Entschlüssen.  Sie  sind  weitschweifig  beim  Urteilen  und  ver- 
wickelt und  furchtsam  bei  der  Ausführung.  Und  bei  der  Ausführung  neigen 
sie  mehr  zum  Engen  als  zum  Grossen,  mehr  zum  Schein,  als  zum  Wesen, 
mehr  zum  zweckwidrigen  Widerstände,  als  zu  klugem  Nachgeben,  mehr 
zur  Hinderung  der  Freiheit  der  Bürger  durch  tausend  Hemmnisse,  als  zur 
Beförderung  ihrer  Freiheit." 


Vierter  Abschnitt. 

über  einen  menschlichen  Fötns  ohne  Geschlechtsteile  und 
ohne  Harnröhre  (Agenosoma). 

Mit  einer  Abbildung. 

Als  ich  von  der  geburtshilflichen  Schule  für  das  patho- 
logische Museum  einige  teratologische  Präparate  erhalten  hatte, 
für  welche  Jene  kein  wissenschaftliches  Interesse  hatte,  fiel  mir 
sogleich  ein  unreifer  Fötus  durch  die  Dicke  seines  Unterleibs 
auf,  der  von  starkem  Ascites  ergriffen  zu  sein  schien.  Zugleich 
erfuhr  ich,  dass  das  Abdomen  geöffnet  und  wieder  zugenäht 
worden  war,  und  dass  das  Präparat  in  jener  Schule  seit  un- 
denklicher Zeit  ohne  irgend  eine  historische  Angabe  aufbewahrt 
worden  war.  Trotz  dieser  Umstände  unternahm  ich  die  Unter- 
suchung in  der  Hoffnung,  dass  die  hauptsächlichsten  Verände- 
rungen noch  erkennbar  sein  würden,  und  dies  traf  zum  grössten 
Teile  ein. 

Beobachtung.  Der  Fötus  befand  sich  in  einem  Gefäss  mit 
ziemlich  schwachem  Alkohol,  an  dessen  Deckel  er  mit  einem 
Faden  befestigt  war.  Der  das  Vorderhaupt  durchbohrte.  Diese 
Art  der  Befestigung  hatte  dem  oberen  Teile  eine  pyramidale 
G-estalt  gegeben  (was  in  der  Zeichnung  verbessert  worden  ist, 
s.  Abbildung  pag.  374)  und  den  Eest  des  Kopfes  verlängert 
(Fig.  1  ist  auf  2/3  der  Wirklichkeit  verkleinert).  Der  Fötus 
war  150  mm  lang  und  wog  (mit  Ausnahme  des  Nabelstrangs 
und  der  Placenta)  180  g.  Der  Kopf  trug  keine  Haare,  aber 
die  Nägel  waren  angedeutet;  die  Glieder  waren  sehr  dünn,  und 
die  Füsse  nach  aussen  gewendet  (Fig.  2). 


—    374     _ 

Der  Bauch  war  ausserordentlich  gross,  von  ovaler  G-estalt, 
das  Ende  nach  oben  verengt,  und  stieg  hinab,  so  dass  er  nach 
vorn  die  Beine  verbarg.  In  der  Mittellinie,  zwischen  dem  mitt- 
leren und  unteren  Drittel,  entsprang  der  Nabelstrang,  der  sehr 


I    % 


dünn  war,  und  sich  auf  der  anderen  Seüe  in  die  verhältnis- 
mässig kleine  Placenta  fortsetzte.  Wenn  man  den  herab- 
hängenden Teil  des  Bauchs  in  die  Höhe  hob,  sah  man  zuerst 
keine  äusseren  Geschlechtsteile,  aber  bei  aufmerksamer  Be- 
trachtung erkannte  man  den  Umriss  eines  kleinen  Scrotums, 
dessen  Rhaphe  leicht  erhaben  war,  und  über  dem  Umriss  ragte 


—     375    — 

eine  kleine  halbkugelige  Papille  hervor,  nicht  grösser,  als  ein 
Nadelkopf,  an  deren  Spitze  man  eine  blinde  Öffnung  sah,  so 
dass  die  Papille  einer  rudimentären  Glans  ohne  Vorhaut  ähnelte 
(Fig.  3  in  natürlicher  Grösse). 

Als  ich  den  Bauch  auf  der  linken  Seite,  wo  er  zugenäht 
war,  wieder  geöffnet  hatte,  fand  ich  ihn  zu  meinem  Erstaunen 
mit  in  Alkohol  getränkter  Baumwolle  gefüllt,  nach  deren  Weg- 
nahme sich  eine  grosse,  mit  eigener  Wand  versehene,  von  der 
Bauchwand  trennbare  Höhle  zeigte,  die  kein  Eingeweide  ent- 
hielt, so  dass  es  sich  nicht  um  die  Höhle  des  Peritoneums 
handeln  konnte.  Sie  hatte  nach  oben  die  Leber  und  das  Dia- 
phragma in  die  Höhe  geschoben,  und  mass  in.  ihrem  Längs- 
durchmesser 7  cm,  im  grössten  Querdurchmesser  6  cm,  ohne  die 
Hei  auseinander  zu  drängen.  Die  Wand  des  Sacks  war  dicker 
als  die  Bauchwand;  doch  war  letztere  sehr  dünn. 

An  der  äusseren  Beschaffenheit  des  Sacks  war  zu  bemerken, 
dass  er  auf  der  Vorderseite  glatt  war  und  nach  oben  an  einem 
schlaffen,  nach  rechts  verlaufenden  Darmstück  festhing,  das 
blind  endigte,  und  dass  auf  der  andern  Seite  das  genannte 
Darmstück  mit  einer  unter  der  Leber  liegenden  Darmschlinge 
zusammenhing.  Zu  bemerken  ist  auch,  dass  der  noch  nicht 
getrennte  Nabelstrang  mit  dem  Sacke  zusammentraf,  wo  er  sich 
befestigte,  und  von  dem  Ansatzpunkte  ging  ein  Filament  aus, 
das  ebenfalls  adhärierte  und  beim  Hinabsteigen  einen  Bogen 
nach  links  beschrieb,  so  dass  man  glaubte,  es  handele  sich  um 
die  Nabelarterie  dieser  Seite,  obgleich  keine  Verbindung  mit 
den  Art.  iliacae  sichtbar  war. 

Von  hinten  gesehen,  war  der  Sack  ebenfalls  glatt,  ausge- 
nommen, dass  an  der  oberen  Seite,  an  der  sich  membranöse 
Stücke  und  kurze  fibröse  Filamente  (Reste  des  durch- 
schnittenen Bindegewebes)  und  zwei  kleine  rötliche  Körperchen 
befanden,  von  fleischiger  Beschaffenheit,  die  am  Sacke  fest- 
hingen, den  Seiten  der  Wirbelsäule  entsprechend.  Der  linke 
hatte  die  Gestalt  und  Grösse  einer  Bohne,  der  rechte  war  etwas 
grösser  und  missgebildet.  Beide  erkannte  ich  sehr  leicht  als 
Nieren  unter  dem  Mikroskop  i). 


^)   Obgleich  die  Schnitte    durch   die   Nieren    mehreren  Färbemethoden 
widerstanden,   erkannte  man   doch  in   der  linken  sehr  deutlich  einige  Glo- 


-     376     - 

Im  Innern  des  Sacks  sah  ich  sogleich,  dass  die  Wand 
auch  auf  dieser  Seite  glatt  und  blass  war,  ausgenommen  in  der 
Lebergegend,  wo  sie  rötlich  war.  An  der  Ansatzstelle  des 
Nabelstrangs  fand  ich  einen  kreisförmigen  Rand  mit  geschlosse- 
nem Boden,  der  ein  Hirsekorn  aufnehmen  konnte,  und  diese 
Öffnung  hielt  ich  für  die  Eintrittsstelle  des  schon  obliterierten 
Urachus.  Bei  Untersuchung  des  hinteren,  inneren  Teils  des 
Sackes  fand  ich  nach  oben  links  eine  sehr  kleine  Öffnung,  die 
einen  Zahnstocher  einliess,  der  nach  kurzem  Weg  in  den  ge- 
nannten bohnenförmigen  Körper  gelangte,  so  dass  ich  sogleich 
auf  den  Gedanken  kam,  der  durchlaufene  Weg  sei  ein  Ureter 
und  das  Körperchen  eine  Niere.  Als  ich  rechts  eine  ähnliche 
Öffnung  suchte,  fand  ich  nur  eine  kurze  Spalte,  die  eine 
Schweinsborste  ein  kleines  Stück  einliess,  die  aber  nicht  das 
grössere  Körperchen  erreichte,  so  dass  ich  vermutete,  der 
Ureter  sei  obliteriert.  Im  Innern  des  Sacks  fand  sich  keine 
Öffnung. 

Innerhalb  des  Abdomens  und  ausserhalb  des  Sackes  fand 
ich  weder  die  Milz,  noch  das  Pankreas,  noch  die  Nebennieren, 
noch  die  Geschlechtsorgane,  noch  ein  Anzeichen  von  Uterus 
oder  Prostata.  Und  als  ob  diese  Mängel  nicht  hinreichten, 
fehlte  auch  der  Dickdarm,  das  Rectum  und  die  Afteröffnung. 
Ich  fand  nur  den  Dünndarm,  die  Nieren,  die  Blase  und  die 
Leber  ohne  Gallenblase.  Dieses  Organ  zeigte  noch  als  Be- 
sonderheit die  auffallende  Atrophie  beider  Lappen,  aber  nicht 
der  Gallengänge,  die  man  deutlich  sah,  wie  sie  auf  der  konkaven 
Seite  sich  im  Ductus  hepaticus  vereinigten,  der  direkt  zum 
Darme  lief. 

Der  Darm  bestand  nur  aus  einem  Knäuel,  ausgestreckt  be- 
stand es  aus  einer  langen  Schlinge  des  Dünndarms  mit  seinem 
Mesenterium,  die  an  einem  Ende  eine  kleine  Anschwellung 
zeigte,  der  Form  nach  dem  Magen  ähnlich,  nach  oben  blind 
endigte  und  am  Zwerchfell  festsass;  das  andere  Ende  der 
Schlinge  war  ebenfalls  geschlossen,  und  hing  am  oberen  Ende 
des  beschriebenen  Sackes  fest. 

Am  oberen  Teil  des  Fötus  unterliess  ich  die  Untersuchung 
des  Kopfs,   weil  er  zu  sehr  alteriert  war,  um  einen  nützlichen 

merali  Malpighiani  mit  ihren  Kapseln,  sowie  einige  Sammelröhren,  was  man 
in  der  rechten  Niere  weniger  deutlich  sah. 


—     377     — 

Befund  zu  versprechen,  und  beschränkte  mich  auf  die  Beob- 
achtung des  Mundes  und  der  Höhle  des  Pharynx,  wo  ich  nichts 
ungewöhnliches  fand.  Am  Halse  konnte  ich  weder  die  Schild- 
drüse, noch  die  Thymus  erkennen;  im  Thorax  fand  ich  ein 
wohlgebildetes  Herz,  im  Pericardium  eingeschlossen,  mit  deut- 
lichem Truncus  aorticus,  ohne  die  Lungenarterie  zu  unter- 
scheiden. In  Verbindung  mit  den  Zweigen  der  Aorta  lagen 
rechts  zwei  Lungenlappen,  und  links  nur  einer.  Wenn  man 
eine  dünne  Sonde  in  den  Pharynx  einführte,  drang  sie  in  einem 
einzigen,  ziemlich  engen  Kanal  abwärts,  der  mit  wenig  deut- 
lichen Verzweigungen  an  den  beiden  Lungen  festhing  und 
dann  sich  in  einen  nach  dem  Diaphragma  gerichteten  Strang 
verwandelte,  wo  er  sich  verlor.  Bei  Öffnung  des  Kanals  be- 
merkte ich,  dass  die  Teile  verhältnismässig  dick  waren,  doch 
ohne  Zeichen  von  Knorpelringen,  und  dass  kein  anderer,  mit 
diesem  paralleler  Kanal  vorhanden  war,  so  dass  ich  vermutete, 
es  handle  sich,  wie  man  besser  in  anderen  Fällen  gesehen 
hat,  um  Verschmelzung  des  Ösophagus  und  der  Trachea  zu 
einem  einzigen  Kanäle. 

Betrachtungen.  Wenn  man  die  vielen  in  diesem  Fötus 
gefundenen  Mängel  mit  einander  vergleicht,  so  folgt  ohne 
Zweifel,  dass  die  im  Abdomen  beobachteten  die  schwersten 
sind  und  genauere  Untersuchung  verdienen,  aber  um  ihre  Wich- 
tigkeit zu  beurteilen,  also  die  Häufigkeit  eines  jeden  sowohl 
für  sich  allein,  als  im  Verhältnis  zu  den  anderen,  muss  man 
durchaus  den  Zustand  der  Wissenschaft  in  diesem  Punkte 
kennen,  für  den  allerdings  nur  wenige  und  zerstreute  Nach- 
richten vorliegen,  so  dass  lange  Nachforschungen  nötig  waren, 
um  eine  gute  Anzahl  davon  zu  sammeln. 

Wenn  wir  mit  den  äusseren  Geschlechtsorganen  anfangen, 
so  ist  zu  erwähnen,  dass  der  Penis  an  unserem  Fötus  durch 
eine  kleine,  halbkugelige  Papille  dargestellt  wurde,  mit  glatter 
Spitze,  wo  man  eine  kleine,  blinde,  elliptische  Öffnung  sah, 
ohne  Anzeichen  eines  Präputiums.  Beim  Suchen  nach  ähn- 
lichen Beobachtungen  fanden  wir  zunächst  14  Beispiele,  bei 
denen   der   Penis   ganz  fehlte  i),    so   dass  man    in   den   Hand- 


^)    S.    Note   1.      Wahrscheinlich    könnte    man    bei    Fortsetzung    der 
Nachforschungen    die    Zahl    der   Fälle,    in    denen    der   Penis   fehlte,   ver- 


-    378    - 

büchern  auch  diesen  Mangel  hinzufügen  muss.  In  den  ange- 
führten Beispielen  war  ein  Scrotum  vorhanden,  bald  mit,  bald 
ohne  Hoden,  und  in  letzterem  Falle  erschien  der  Sack  welk, 
aber  nicht  rudimentär.  In  9  von  obigen  Fällen  floss  der  Urin 
aus  einer  unmittelbar  über  dem  Scrotum  liegenden  Öjffinung, 
und  in  4  (Beob.  7,  10,  15,  16)  öffnete  sich  die  Blase  direkt 
oder  durch  die  Urethra  in  das  Rectum.  Ferner  ist  zu  be- 
merken, dass  in  den  Archiven  der  Wissenschaft  nicht  jede  An- 
gabe vom  Fehlen  des  Penis  richtig  ist,  denn  bisweilen  handelt 
es  sich  nur  um  den  Anschein,  indem  er  in  einer  Spalte  des 
Scrotums  verborgen  ist,  wie  aus  den  Beobachtungen  von  Testa, 
Steinhaus!)  und  einigen  anderen  folgt,  die  wir  anderswo 
erwähnt  haben  2). 

Wenn  diese  Erscheinungen  in  Bezug  auf  den  Penis  nicht 
genau  dem  unsrigen  gleichen,  so  kommen  ihm  zwei  andere 
sehr  nahe,  weniger  in  den  Komplikationen.  (S.  Note  1, 
Beob.  13,  17.)  Der  erste  gehört  Facen,  einem  venetianischen 
Arzte,  der  einen  30jährigen  Mann  sah,  welcher  eine  Glans  mit 
durchgängigem  Meatus  hatte,  ohne  den  Rest  des  Penis  und 
ohne  Präputium,  Diese  Grians  war  nicht  ausdehnungsfähig. 
Er  unterschied  sich  also  von  unserem  Falle,  weil  das  Scrotum 
nicht  rudimentär,  sondern  zweiteilig  war  und  jeder  Teil  einen 
Hoden  enthielt;  dennoch  hatte  der  Mann  ein  weibliches  Aus- 
sehen. Das  zweite  Beispiel  eines  rudimentären  Penis  wurde 
von  Voll  an  einem  Fötus  gefunden,  mit  dem  Unterschied,  dass 
der  Penis  aus  einem  kleinen  am  Pubes  gelegenen  Körper  be- 
stand, den  man  nur  mit  dem  Mikroskop  entdecken  konnte, 
und  dass  das  Scrotum  zwar  klein  war,  aber  einen  Hoden  ent- 
hielt. 

Wenn  wir  zur  Untersuchung  des  Standes  der  Wissenschaft 
in  betreff   der   angeborenen   Mängel    des   Scrotums   übergehen, 


meliren,  und  wir  bemerken,  dass  Debierre  (Anatomie,  T.  II,  p.  706)  Re- 
volat  citiert,  ohne  bibliographischen  Nachweis.  Unter  den  13  Beobacht- 
ungen kamen  in  der  1.,  5.  und  11.  noch  Atresie  des  Afters  hinzu. 

1)  S.  obige  Note,  Beob.  4,  12. 

2)  S.  Note  2,  Beob.  8.  Wir  haben  hier  auch  die  Fälle  hinzugefügt,  in 
denen  der  Penis  nicht  im  Scrotum  vergraben  war,  sondern  nur  adhärierte, 
denn  man  kann  erstere  als  die  frühzeitigere  Wirkung  desselben  Vorgangs 
betrachten,  der  die  zweite  hervorgebracht  hat. 


—    379    — 

wollen  wir,  um  unsere  Aufgabe  zu  beschränken,  die  bei  echten 
oder  scheinbaren  Hermaphroditen  angetroffenen  Anomalien  über- 
gehen, und  nachträglich  die  Fälle  betrachten,  in  denen  zum 
Fehlen  des  Scrotums  noch  das  des  Penis  hinzukam,  um  den 
Bericht  über  5  Beobachtungen  voraus  zu  schicken,  in  denen 
das  Fehlen  des  Scrotums  einfach  war.  (S.  Note  3.)  In 
diesen  war  jedoch  die  Einfachheit  nicht  vollständig,  denn 
es  war  zwar  ein  Penis  vorhanden,  aber  sehr  klein,  und  man 
kann  schon  das  voraussehen,  was  aus  den  späteren  Beobacht- 
ungen besser  hervorgehen  wird,  nämlich  ein  fast  konstantes 
Verhältnis  zwischen  den  Entwickelungsmängeln  eines  äusseren 
Geschlechtsteils  mit  denen  eines  anderen,  ebenfalls  äusseren, 
während  diese  Eegel  bei  den  inneren  Organen  nicht  zutrifft; 
denn  in  einigen  der  angeführten  Fälle  fehlten  die  Hoden  nicht, 
sondern  waren  vorhanden.  In  keinem  derselben  fand  sich  die 
Anfangsentwickelung  des  Scrotums,  die  wir  bei  unserem  Fötus 
angetroffen  haben.  Aber  dieser  Unterschied  ist  nicht  von 
grosser  Bedeutung. 

Das  gleichzeitige  Fehlen  der  beiden  äusseren  G-eschlechts- 
organe  war  schon  lange  an  den  Monstren  ohne  Herz  und  Ge- 
hirn (Angi-omphalo-pagus)  bemerkt  worden  i),  sowie  an  denen, 
bei  welchen  die  beiden  Beine  mehr  oder  weniger  vollständig 
verschmolzen  sind  (Syrenomelia)  2),  und  sehr  oft  in  Fällen  von 
Blasen-Ectrophie,  sei  sie  einfach,  oder  im  Zustand  einer  Kloake, 
besonders  bei  Weibern  (Hypogastro-etro-schisis)  s).  Aber  hier 
ist  zu  bemerken,  dass  diese  Missbildung,  ehe  ihre  Natur  be- 
kannt war,  bisweilen  als  „Fehlen  der  Geschlechtsteile"  be- 
zeichnet wurde.  (Siehe  Note  4a.)  Das  Verdienst,  er- 
kannt zu  haben,  dass  dieses  Fehlen  auch  als  primäre 
Erscheinung  vorkommt,  gehört  Gurlt,  der  im  Jahre  1832,  auf 
drei  Beobachtungen  gestützt  (ein  Kalb,  ein  Schwein  und  ein  Pferd), 


1)  C.  Taruffi,  Storia  deUa  teratologia,  T.  II,  p.  188. 

2)Idein-Ibid.em,  T.  VII,  p.  523.  Den  dort  angeführten  Fällen 
kann  man  folgenden  hinzufügen:  J.  Bast  er,  Descriptio  foetus  monstrosi 
sine  nllo  sexus  signo.  Tab.  II,  Fig.  1.  Philosoph,  transact.  Vol.  46,  for 
the  years  174:9  and  50,  p.  479.  Es  handelte  sich  um  Syrenomelie,  wie  man 
deutlich  an  der  Figur  sieht. 

3)  Idem-Ibidem,  T.  VII,  p.  463  u.  501. 


-    380    — 

das  Genus  Perocormus  anaedoen  aufstellte  i),  das  er  dann  im 
Jahre  1877  bestätigte,  indem  er  die  Beschreibung  eines  Lammes 
als  weiteres  Beispiel  beifügte  2), 

Dieses  Genus  wurde  jedoch  in  der  menschlichen  Teratologie 
nicht  angenommen,  vielleicht  aus  Mangel  an  Beobachtungen, 
und  dagegen  spricht  nicht,  dass  Etienne  G.  St.  Hilaire 
Agenosomus  einen  Fötus  mit  Eventration  des  Darms,  ohne 
Geschlechtsteile,  nannte,  und  dass  sein  Sohn  Isidore  aus  der 
Vereinigung  beider  Mängel  ein  zur  Familie  der  Coelosomen 
gehörendes  Genus  mit  demselben  Namen  bildete  3).  Es  war 
vielmehr  nötig,  beim  Menschen  einfache  Thatsachen  aufzufinden, 
wie  die  Gurlt sehen  und  aus  ihnen  den  Agenosomus  zu  bilden. 
Diese  Thatsachen  waren  übrigens  zum  Teil  schon  vorher  vor- 
handen, zum  Teil  kamen  sie  später  hinzu,  so  dass  wir  ihrer  22 
haben  sammeln  können,  bei  denen  das  Fehlen  der  äusseren 
Geschlechtsteile  vollständig  war,  und  die  also  unserem  Falle 
nicht  ganz  gleichen,  sowie  4,  bei  denen  die  äusseren  Organe 
kaum  angedeutet  waren  (Note  5).  Dabei  haben  wir  alle 
Weiber  ausgeschlossen,  bei  denen  die  angeborene  Verwachs- 
ung der  Labia  majora  das  Agenosoma  vortäuschte  (Note  6). 
Wenn  wir  jedoch  von  Sammlung  einfacher  Thatsachen  sprechen, 
leugnen  wir  die  Komplikationen  nicht,  aber  wir  verketten  nicht 
eine  Sache  mit  der  anderen,  und  noch  weniger  schliessen  wir 
die  Fälle  ein,  bei  denen  man  das  Fehlen  der  Organe  als 
sekundär  betrachten  kann,  wie  bei  den  Acardiacis  (oder  Ace- 
phalen)  und  Syrenomelen. 

Da  sich  unseres  Wissens  niemand  mit  diesem  Gegenstande 
beschäftigt  hat,  erlauben  wir  uns,  einige  Folgerungen  hinzu- 
zufügen, die  wir  aus  ihrem  Vergleich  gezogen  haben.  Vor 
allem  hat  die  Nekroskopie  Thatsachen  genug  ans  Licht  ge- 
bracht, um  annehmen  zu  können,  dass  von  den  26  Fällen  8 
dem  weiblichen  Geschlecht  angehörten  (Beob.  5,  13,  16,  18, 
19,  20,  22,  23)  und  5  dem  männlichen  (Beob.  4,  6,  10,  12,  14), 
während  die  anderen  entweder  nicht  seziert  wurden,  oder  ein 
negatives   Eesultat    lieferten    (Friese,    Pinard).      Diese   be- 


^)  E.  F.  Gurlt,  Lehrbuch  der  pathologischen  Anatomie,  T.  II,  p.  94, 
Art.  17. 

-)  Idem,  Über  tierische  Missgeburten.    Berlin,  1877,  p.  16. 

^)  Is.  G.  St.  Hilaire,  Des  anomalies,  etc.   T.  II,  Libr.  I,  cp.  3.   1836. 


—    381     - 

weisen,  dass  zwisclieii  den  inneren  und  äusseren  Organen  in 
ihrer  Entwickelung  kein  Verhältnis  stattfindet  i).  Bemerkens- 
wert ist  auch  die  Zahl  der  Fälle,  in  denen  Atresia  ani  mit 
oder  ohne  Fehlen  des  Eectums  vorhanden  war,  denn  dies  trat 
15  mal  ein  und  nur  ein  einziges  Mal  fand  sich  einfache  Ver- 
engerung; ferner  haben  wir  die  Beobachtung  von  Müller,  bei 
der  ausser  dem  Kectum  auch  ein  grosser  Teil  des  Colons 
fehlte.  Seltsam  ist  auch  die  bisweilen  gefundene  Komplikation, 
dass  eines  oder  beide  Beine  mangelhaft  waren,  ja  ganz  fehlten 
(Schellier,  Vrolik,  Gurney,  Müller,  Eisenack  und 
Hubert). 

Man  hat  andere  Komplikationen  gefunden,  aber  wir  wollen 
nur  die  erwähnen,  die  unserem  Falle  nahe  stehen,  also  die, 
welche  das  Harnsystem  betreffen.  Im  allgemeinen  fand  sich 
bei  den  angeführten  Beobachtungen  unter  dem  Schambogen 
eine  Öffnung,  durch  die  der  Urin  nach  aussen  abfloss.  Aber 
nicht  immer  war  der  Defekt  so  leicht.  So  sagt  z.  B.  Friese, 
das  gewöhnliche  Stück  der  Urethra  sei  verschlossen  gewesen, 
während  sich  am  Perineum  ein  Tumor  befand;  die  Beobachtung 
(No.  15)  ist  uns  so  unvollkommen  zugekommen,  dass  sie  uns 
keine  Klarheit  giebt.  Dasselbe  lässt  sich  von  denen  von 
Kristeller  und  Baistrocchi  sagen  (Beob.  18,  22),  bei  denen 
die  Blase  in  einen  grossen  Sack  verwandelt  war,  aber  von  der 
Urethra  wird  nichts  gesagt.  Dennoch  werden  wir  über  diesen 
Glegenstand  noch  einige  weitere  Notizen  geben.  Endlich  werden 
einige  schwerere  Fälle  erwähnt,  in  denen  die  Blase  und  die 
Urethra  (Hubert)  und  sogar  die  Nieren  und  Ureteren  fehlten 
(Schellier  und  Pinard). 

In  Betreff  der  4  Beobachtungen,  bei  denen  die  äusseren 
Geschlechtsteile  rudimentär  waren,  müssen  wir  über  die  von 
Ford  (Beob.  5)  jede  Betrachtung  unterlassen,  denn  es  fehlen 
alle  Einzelheiten.  Wir  machen  es  nicht  ebenso  mit  dem  selt- 
samen Falle  von  Rossi,  denn  es  handelte  sich  um  eine  Ehe- 
frau mit  verschlossener  Vulva  und  nicht  sichtbarer  Clitoris, 
während  Urethra  und  Anus  offen  waren,   und  sich  über  dem 


^)  Die  Unabhängigkeit  der  Entwickelung  der  äusseren  und  inneren 
Geschlechtsteile  stimmt  nicht  nur  mit  der  Embryologie  überein,  sondern  wir 
haben  sie  auch  im  Jahre  1882  hervorgehoben,  als  wir  von  den  Omphalo- 
Angiopagen  sprachen.     S.  die  oben  angegebene  Seite  der  „Storia". 


After  eine  sehr  feine  Öffnung  befand,  die  den  Austritt  der 
Menstruation  erlaubte,  und  die  man  für  fällig  hielt,  die  Sper- 
matozoen  einzulassen.  Auf  jeden  Fall  wurde  die  Frau 
schwanger,  und  am  Perineum  wurde  ein  künstlicher  Weg  ge- 
bahnt, um  die  Geburt  des  Fötus  zu  erlauben  (Beob.  11).  Im 
Falle  von  Guttmann  dagegen  mündeten  Vagina  und  Urethra 
zusammen  durch  eine  sehr  kleine  Öffnung  unter  der  Clitoris, 
und  diese  besass  eigentümlicher  Weise  drei  Corpora  cavernosa 
(Beob.  23). 

Der  für  uns  wichtigste  Fall  ist  der  von  Gurney,  denn 
statt  der  Genitalien  sah  man  eine  Verlängerung  der  Haut, 
unter  der  eine  Eichel  erschien;  dies  ist  vollkommen  dem  ähn- 
lich, was  wir  in  rudimentärer  Gestalt  in  unserem  Falle  sahen, 
mit  Ausnahme  der  Hautverlängerung.  Ebenso  ähnlich  ist 
unser  Fall  dem  oben  erwähnten  von  Facen.  Wir  bedauern 
jedoch,  dass  Gurney  nicht  die  Sektion  gemacht  hat,  um  sein 
Schweigen  über  das  Volumen  des  Abdomens  zu  erklären,  denn 
er  sagt,  die  Öffnung  der  Urethra  und  der  Scheide  hätten  ge- 
fehlt. Ausser  der  Ähnlichkeit  mit  der  Glans  bietet  weder  der 
von  Gurney  noch  einer  der  anderen  citierten  Fälle  die  Zahl 
und  Schwere  der  Komplikationen,  die  wir  in  unserem  Falle 
gefunden  haben. 

Ausser  den  äusseren  Geschlechtsorganen  fehlten  bei 
unserem  Fötus  auch  die  inneren  vollständig,  was  nicht  nur 
selten  auf  die  genannte  Weise  zusammentrifft,  sondern  auch 
an  sich  nicht  häufig  ist.  So  ist  es  den  Untersuchungen  von 
Godardi)  ni^^  später  von  Gruber^)  nicht  gelungen,  mehr 
als  8  Fälle  von  Fehlen  der  Hoden  aufzufinden,  die  durch  die 
Sektion  bewiesen  wären.  Dieser  geringen  Zahl  können  wir 
aber  noch  3  Beispiele  hinzufügen,  das  eine  von  Marzuttini^), 


^)  E.  Godard,  Absence  congenitale  des  deux  testicules.  Gaz.  med. 
de  Paris,  1860.  No.  30,  p.  461.  —  Godard  citiert  auch  die  Fälle  von 
Itard  deEiaz,  Mem.  de  la  soc.  de  med.  d'emulat.  Paris,  An.  VIII  (1803), 
p.  293  und  von  Ansieux:  Journ.  med.  cMr.  Pharm,  de  Corvisart,  T.  XIV, 
p.  262.  Paris,  1807,  und  was  Itard  betrifft,  können  wir  versichern,  dass 
die  Sektion  nicht  gemacht  wurde. 

^)  W.  Grub  er.  Über  die  congenitale  Anorchie  beim  Menschen.  Österr. 
med.  Jahrb.,  Bd.  XV,  p.  38.    Wien,  1868. 

^)  G.  B.  Marzuttini.  —  S.  Taruffi,  Storia  deUa  teratologia. 
T.  VII,  p.  267,  Beob.  5. 


—     383     — 

das  zweite  von  Neuhaus  (Note  7,  Beobachtung  9)  und  das 
dritte  von  Friesei);  aber  bei  alledem  ist  unsere  Angabe 
richtig,  dass  nämlich  zwischen  den  Mängeln  der  inneren  und 
äusseren  Organe  keine  Wechselbeziehung  vorhanden  ist,  denn 
in  den  11  angeführten,  hodenlosen  Fällen  findet  sich  nur  der 
von  Friese  (Beob.  6),  der  ohne  äussere  Genitalien  war  und 
unter  den  26  Fällen  von  Aplasie  derselben  haben  wir  nur 
Friese  selbst  angetroffen,  während  Pinard  (Note  5,  Beob.  15 
und  21)  eine  sehr  zweifelhafte  Beobachtung  bekannt  ge- 
macht hat. 

Auch  die  in  unserem  Fötus  gefundenen  Alterationen  des 
uropoetischen  Systems  sind  an  sich  selbst  nicht  neu,  denn  wir 
haben  schon  die  Beobachtungen  von  Kristeller  und 
Baistrocchi  angeführt,  bei  denen  der  Urin  in  der  Blase  zu- 
rückgehalten wurde,  so  dass  diese  die  G-rösse  eines  Fötus- 
kopfs angenommen  hatte  (Note  5,  Beobachtungen  18,  22), 
aber  keiner  von  beiden  erklärte  den  Grund  der  Erscheinung. 
Dasselbe  lässt  sich  von  dem  ähnlichen  Falle  von  Cornelli 
sagend),  welcher  berichtet,  die  Urethra  sei  von  Hypospadie 
und  Alteration  befallen  gewesen,  aber  über  die  Ursache  der 
Eetention  schweigt.  In  unserm  Falle  war  dagegen  der  Grund 
offenbar,  weil  die  Urethra  fehlte  und  die  Öffnung  ver- 
schlossen war,  und  dieser  Fehler  ist  mehrfach  bei  Weibern 
beobachtet  worden,  wobei  im  Gegenteil  Incontinentia  urinae 
eintrat  (Note  8),  mit  Ausnahme  des  Falles  von  Friese, 
dessen  Geschlecht  man  nicht  kennt  und  bei  dem  die  Urethra 
rudimentär  und  verschlossen  war. 

Es  giebt  allerdings  Beobachtungen  mit  dem  Titel  „ohne 
Urethra",  aber  wenn  man  den  Bericht  prüft,  findet  man, 
dass  es  sich  um  einen  höchsten  Grad  von  Hypospadie  handelte. 
Der    erste,     der     die     Sache     so     ungenau    bezeichnete,    war 


1)  Note  6,  Beob.  15.  In  dieser  Note  haben  wir  auch  die  Beobacht- 
ungen vonPinard  angeführt  (Note  5,  B.  21),  wagen  aber  nicht,  sie  mit  den 
Fällen  von  Fehlen  der  Hoden  zusammenzustellen,  da  er  nicht  ausgeschlossen 
hat,  dass  die  beiden  im  Unterleib  gefundenen  Körperchen  solche  seien. 

2)  A.  Cornelli,  Über  einen  Fall  von  Geburtshindernis,  bedingt  durch 
xiusdehnung  der  fötalen  Harnblase.  Wiener  med.  Wschr.  Nr.  37,  1879. 
Jahresber.  für  1879,  Bd.  1,  p.  254.     S.  Note  8. 


—     384    — 

Tulpiusi),  aber  das  Auffallendste  ist,  dass  Voigtel^)  den 
Fall  als  Beispiel  vom  Fehlen  der  Urethra  erwähnt.  Wir  be- 
dauern, dass  wir  nicht  die  Beobachtungen  von  Murray, 
Mo  uro,  Herold^)  haben  prüfen  können,  um  zu  sehen,  ob  sie 
einen  so  groben  Irrtum  vermieden  haben.  Es  ist  jedoch  wahr, 
dass  Schellier  und  Hubert  nicht  nur  das  Fehlen  der 
Urethra,  sondern  auch  das  der  Blase  gesehen  haben  (was  mit 
unserem  Falle  keine  Ähnlichkeit  hat),  und  Pinard  fand 
selbst  das  Fehlen  der  Nieren  (Note  5,  Beob.  15,  21,  24). 
Diese  Fälle  M''aren  mit  Fehlen  der  äusseren  Geschlechtsteile 
verbunden,  aber  wegen  ihrer  geringen  Zahl  nützen  sie  nicht, 
sondern  widersprechen  schon  dem  Gesetz  von  Ahlfeld^), 
welches  so  lautet:  „Wenn  die  äusseren  Genitalien  fehlen, 
findet  man  auch  ausnahmslos  Fehlen  oder  Unvollkommenheit 
der  Blase,  der  Ureteren  (abhängig  von  der  der  Nieren),  der 
Scheide,  des  Uterus  und  oft  des  Rectums." 

Endlich  fand  sich  bei  unserem  Fötus  nicht  nur  Atresie 
des  Anus,  sondern  es  fehlte  auch  das  ganze  Colon  mit  Ein- 
schluss  des  Coecum.  So  gewöhnlich  nun  die  erste  Erscheinung 
ist,  so  seltsam  ist  die  zweite,  wie  auch  die  enorme  ange- 
borene Ausdehnung  der  Blase  selten  ist,  die  vielleicht  Ursache 
der  Aplasie  war.  Ein  solches  auffallendes  Fehlen  des  Dick- 
darms wird  nur  von  Baudeloque  angegeben^),  welcher  sagt, 
in  einem  Neugeborenen  habe  sich  von  dem  Colon  nur  das 
Coecum  gefunden,  ohne  den  Appendix  vermiformis.  Müller 
fand  ausser  dem  Fehlen  des  Eectums  nur  einen  Teil  des 
Colons  (Note  6,  Beob.  19),  und  Schupp  ert^)  fand  das  Colon 


0  W.  Tulpius,  Observationes.    Libr.  IV,  p.  36,  Amstelodami,  1672. 

2)  F.  G.  Voigtel,  Handb.  der  path.  Aiiat.,  Bd.  IV,  p.  348,  Halle, 
1805. 

^)  Angeführt  bei  Meckel,  Handb.  der  pathol.  Anatomie,  Bd.  1,  p. 
654,  Leipzig,  1812. 

4)  F.  Ahlfeld,  Arch.  für  Gynäkol.    Berlin,   1879.    Bd.  XIV,  p.  282. 

^)  Baudeloque,  SediUot  recueil  periodique.  T.  I.  Diese  Angabe 
stammt  von.  Meckel,  Handb.  der  path.  Anat.  Bd.  I,  p.  500,  und  ist  falsch. 
Aber  am  meisten  bedaure  ich,  dass  es  mir  nicht  einmal  mit  Hilfe  von 
Kollegen  gelungen  ist,  sie  zu  berichtigen. 

'')  Schuppert,  Absence  congenitale  du  colon  descendant.  New-Or- 
leans   med.  T.  V,  No.  2,   1858.     Canstatt  Jahresb.   für   1859,   Bd.  IV,  p.  7. 


—    385    — 

descendens  in  einen  Strang  verwandelt.  Aber  das  Fehlen  des 
ganzen  Colons  zugleich  mit  dem  Coecum  ist  nur  von  Her  sing 
beschrieben  worden^),  und  derselbe  Fall  von  Alessandrini^) 
bei  einem  Kalbe,  während  es  sich  bei  den  Fällen  vonEeefer 
und  Melean^)  nicht  um  Fehlen,  sondern  um  Trennung 
zwischen  zwei  Teilen  des  Colons  handelte. 


^)  Hersing,  Med.  Zeitung,  herausg.  von  dem  Verein  für  Heilk.  in 
Prenssen.  Bd.  XV,  No.  15,  1845.  Angeführt  von  Förster,  Die  Missbild- 
ungen u.  s.  w.,  p.  124. 

2)  A.  Alessandrini,  Catalogo  del  Gabinetto  d'  Anat.  compar.  Bo- 
logna, 1852.    Sez.  X,  No.  2343,  p.  424. 

^)  Eeefer  und  Melean,  Giorn.  ital.  di  Veterin.  milit.  A.  1,  No.  11, 
p.  344,  1888. 


Taruffi,  Hermaphrodismus.  25 


Noten 

zum  vierten  Abschnitt  des  Hermaphrodismus. 

Note  1.     Ohne  Penis,  oder  rudimentärer  Penis. 

Beob.  1.  J.  G.  Schenck  jun.,  Observationum  medicarnm  rara- 
rum.     Francofurti,  1609,  p.  577,  Libr.  IV. 

Ein  Kind  wurde  geboren  mit  einem  Nabelbrucbe,  obne  Penis,  aber  mit 
offener  Mündung  der  Urethra,  aus  der  Urin  tröpfelte.   Im  Scrotum  2  Hoden. 

Beob.  2.  T.  Bartholino,  Historiarum  anatomicarum  rariorum. 
Cent.  I,  Amstelodami,  1654,  Beob.  65.     Vir  sine  pene  et  podice. 

Beob.  3.  Castera,  Description  d'un  enfant  avec  un  scrotum, 
mais  la  verge  manquait  entierement  etc.  Hist.  et  Mem.  de  la 
Soc.  E.  de  medic.  de  Paris.    Ann.  1780  et  1781.    Hist.  p.  323. 

Beob.   4.    A.   G.  Testa   (Ferrara),   De    re   medica   et  Chirurgie a. 
Ferrara,  1781,  Epist.  IV,  cp.  20,  p.  145. 

Im  Jahre  1778  wurde  in  das  Hospital  von  St.  Maria  nuova  in  Florenz 
ein  kräftiges,  blühendes  Kind  von  3  Monaten  gebracht,  dem  Penis  und 
Scrotum  fehlten,  auch  waren  keine  Labia  majora  vorhanden.  An  der  Stelle, 
wo  man  beim  Manne  den  Penis  zu  finden  pflegt,  waren  die  Hautdecken 
etwas  erhaben  und  in  der  Mitte  durch  eine  Furche  geteilt,  die  eine  echte 
weibliche  Spalte  vortäuschte.  Nannoni  fand  mittelst  einer  Sonde,  dass 
in  dieser  Furche  sich  eine  Öffnung  befand,  und  sah,  als  er  die  beiden  sie 
bedeckenden  Lippen  etwas  entfernte,  unter  ihnen  eine  echte,  wenn  auch 
kleine  Glans.  Es  war  also  klar,  dass  man  die  beiden  Lippen  nicht  als 
Präputium  betrachten  konnte.  In  der  Leistengegend  zeigten  sich  zwei  Vor- 
sprünge, die,  wie  er  vermutete,  die  Hoden  enthielten ;  doch  konnte  man  sie 
weder  durch  das  Gefühl,  noch  durch  das  Gesicht  erkennen.  Die  erwähnte 
Furche  war  nur  das  Septum  des  geteilten  Scrotums. 

Beob.  5.  D.  Carminati,  Nota  al  Diz.  di  chir.  del  Louis.  Venezia, 
1795,  Vol.  III,  p.  60. 

Der  Verf.  extrahierte  einen  hydrocephalen  Fötus  mit  Atresia  ani. 
Diesem  Fötus  fehlte  der  Penis,  obgleich  er  Hoden  im  Scrotum  hatte. 


—     bö/      — 

Beob.  6.  J.  F.  H.  Heyfelder,  Schmidts  Jahrb.  1835,  Bd.  VIII, 
p.  125.  —  Ahifeld,  Arch.  für  Gynäkol.    Bd.  XIV,  p.  279.     Berlin,  1879. 

Hydrocephaler  Fötus  mit  doppelter  Hasenscharte,  oben  enger,  unten 
weiter,  Brust  und  Hängebauch,  wie  bei  einer  Schwangeren.  Er  hatte  ein 
Scrotum  ohne  Hoden,  mit  einer  warzigen  Hervorragung  am  unteren  Ende, 
und  verschlossenem  Anus.  Es  fehlten  Penis,  Dickdarm,  Nieren,  Blase  und 
Hoden. 

Beob.  7.     Himminger,  Med.  chir.  Zeitg.  1853,  p.  824. 

Neugeborener,  ohne  Penis,  mit  Hoden  im  Scrotum.  Die  Urethra  mün- 
dete in  den  Mastdarm. 

Beob.  8.  A.  Nelaton,  Absence  de  penis.  Gaz.  des  hopit.  1854, 
No.  12.    Canstatt  für  1854,  Bd.  IV,  p.  3. 

Beob.  9.  A.  D.  Rörberg,  Verband  1.  schwed.  Ärzte  in  Stock- 
holm 1856-57.  Journ.  für  Kinderkrankh.  Bd.  XXXV,  Erlangen,  1860, 
p.  426. 

Ein  monströses  Kind  hatte  7  Finger  an  der  linken,  6  an  der  rechten 
Hand,  6  am  linken  Fusse  und  5  am  rechten.    Es  besass  keinen  Penis, 

Beob.  10.  Goschler,  Mangelhafte  Bildung  der  äusseren  Ge- 
nitalien. Prager  Viertel] ahrsschr.  Bd.  III,  p.  89.  Canstatt,  1859,  Bd. 
IV,  p.  7  und  16. 

Einem  wohlgebildeten  Manne  von  27  Jahren,  mit  blondem,  üppigem 
Bart,  Haaren  am  Pubes,  Ehaphe  am  Scrotum,  fehlte  der  Penis  ganz. 

In  der  vorderen  Wand  des  Eectums,  in  der  Höhe  von  5  Linien,  ent- 
deckte man  eine  runde  Öffmmg,  aus  welcher  der  Urin  floss.  Vor  dem  After 
befand  sich  ein  dreieckiges,  verkümmertes  Stück  Haut,  das  vsde  ein  Hahnen- 
kamm von  der  Rhaphe  entsprang,  das  schnell  anschwoll  und  wieder  runzlich 
wurde. 

Wenn  die  Geschwulst  mehrere  Minuten  dauerte,  war  sie  oft  mit 
Samenverlust  aus  der  genannten  Urinöffnung  begleitet.  Wenn  man  durch 
sie  eine  Fischbeinsonde  einführte,  gelangte  man  in  die  Blase  durch  einen 
ungefähr  1^/2  ZoU  langen  Kanal  von  normaler  Weite.  Der  Sphincter  der 
Blase  schloss  gut  und  der  Mann  urinierte  alle  3—4  Stunden  freiwillig ;  in  der 
Zwischenzeit  blieben  der  After  und  die  anliegenden  Teile  trocken.  Am 
Scrotum,  an  den  Hoden  und  Samensträngen  fand  man  nichts  Abnormes. 

Beob.  11.  Olshausen,  Monatsschr.  für  Geburtskunde.  Bd. 
XVm,  p.  98.    Berlin,  1861. 

Einem  Kinde  mit  gut  entwickeltem  Scrotum  fehlte  der  Penis  ganz. 
Es  hatte  eine  kleine  Öffnung  in  der  unteren  Wand  des  Bauches,  die  in  die 
Blase  führte,  in  welche  der  Enddarm  mündete.     Atresie  des  Anus. 

Beob.  12.  J.  Steinhaus,  Scheinbar  gänzlicher  Mangel  des 
Penis.  Vorhandensein  desselben  unter  dem  oberen,  vor- 
deren Segmente  der  Scrotalhaut.  Wien.  Med.  Halle,  1862,  T. 
III,  p.  315. 

Beob.  13.  J.  Facen  (Fonzasco),  Gaz.  med.  prov,  venete.  A.  VIII, 
p.  297.    Padova,  1865.    Appendice. 

Verf.  besuchte  einen  Mann  von  30  Jahren,  der  das  Aussehen  und  die 
Formen  eines  Weibes  hatte.    Seine  Glans  hatte  den  Meatus  urinarius,  aber 

25* 


weder  Präputium,  noch  Penis,  so  dass  die  Glans  sitzend  war  und  sich  nicht 
verlängern  konnte,  wie  die  Clitoris.  Sie  glich  dieser  um  so  mehr,  als  an 
ihren  Seiten  zwei  Arten  von  Nymphen  herabstiegen.  Auch  die  Lab.  majora 
waren  vorhanden,  enthielten  aber  die  Hoden  und  Samenstränge.  Von  einer 
Vulva  war  keine  Spur.  Der  Mann  wünschte,  sich  zu  verheiraten,  hatte 
Samenentleerungen  und  dann  wurde  die  Glans  hart,  so  dass  er  nur  äusser- 
lich  das  Aussehen  eines  Weibes  hatte. 

Beob.  14.  Fr.  H.  G.  Birnbaum,  Monatsschr.  für  Geburtskunde. 
1865,  Bd.  XXVI,  Supplm.,  p.  290.  —  Ahlfeld,  1.  c.  p.  280. 

Ein  Fötus  hatte  eine  unvollkommene  verknöcherte  Unterkinnlade, 
kurze  Arme  und  Beine  mit  6  Fingern  an  Händen  und  Füssen.  Hypoplasie 
der  Lungen,  des  Herzens  und  der  Nieren,  die  einer  kleinen  platten  Kapsel 
glichen,  ohne  Ureteren.  Der  Dickdarm  endigte  blind;  die  Blase  hatte  die 
Gestalt  eines  langen  Kanals,  in  dem  man  die  Öffnung  der  Urethra  nicht 
nachweisen  konnte.  Der  Penis  fehlte,  die  Hoden  befanden  sich  in  einem 
zweiteiligen  Scrotum.  Zwischen  den  Falten  des  Scrotums  sah  man  eine 
kleine  Öffnung,  eine  Andeutung  des  Harnkanales,  in  der  keine  Sonde  ein- 
drang. 

Beob.  15.  W.  E.  Green,  Congenital  absence  of  the  penis. 
Omoeop.  J.  Obst.  New- York,  1879—80.  T.  I,  p.  423.  Citiert  im  Index 
Catalogue  of  Washington. 

Beob.  16.  Collier,  Brit.  med.  Journ.  23.  Febr.  1889.  Eiforma 
med.  A.  V,  1.  Semester,  No.  113.  Missbildung  der  äusseren  männlichen 
Genitalien. 

Fehlen  des  Penis.  Hoden  gut  entwickelt  und  in  die  Scrotal-Scheiden 
herabgestiegen.  Angeborener,  beiderseitiger  Leistenbruch.  Die  Urethra 
öffnet  sich  in  die  vordere  Wand  des  Eectums. 

Beob.  17.  Rauber  in  Nordhausen.  Angeborener  Mangel  des 
männlichen  Gliedes.  Virchows  Ar  eh.  B.  CXXI,  p.  604,  Taf.  X, 
Fig.  3,  1890. 

Die  Urethra  mündete  in  das  Rectum  eines  Mannes  von  38  Jahren. 
Er  hatte  ein  gut  gebildetes  Scrotum  mit  2  Hoden  von  gewöhnlicher  Grösse, 
deren  Samengänge  man  in  die  Leistenkanäle  verfolgen  konnte.  Bisweilen 
fühlte  er  geschlechtlichen  Reiz  und  dann  einen  Kitzel  in  der  vorderen 
Wand  des  Rectums  mit  Pollution. 

Beob.  18.  A.  Voll,  Über  eine  seltsame  Missbildung.  (Fehlen 
des  Penis  und  des  Afters,  Kommunikation  zwischen  Blase  und  Rectum. 
Diss.  Würzburg,  1890,  Jahresber.  für  1890,  Bd.  I,  p.  249.     (4). 

Beim  Fötus  fehlte  die  Öffnung  des  Anus  und  der  Urethra.  Man  sah 
nur  einen  kleinen  häutigen  Beutel  statt  des  Scrotums.  Der  linke  Hode 
befand  sich  im  Leistenkanal  und  der  rechte  unten  im  Hodensack.  Nach 
Ablösung  der  Verbindung  zwischen  Blase  und  Rectum  erschienen  die  Can. 
deferentes  und  die  Samenbläschen.  Die  Prostata  fehlte,  dagegen  fand  sich 
an  der  Symphisis  pubis  ein  kleiner  Körper,  der  für  einen  kleinen  Penis  ge- 
halten wurde,  was  die  mikroskopische  Untersuchung  bestätigte. 


389    — 


Note  2.   Adhärenzen  des  Penis  am  Serotum. 

Beolb.  1.  E.  Kolb,  Adherence  con geniale  du  penis  au 
serotum.     Gaz.  med.  de  l'Algerie,  Alger,  1860,  Vol.  XXII. 

Beob.  2.  Warten,  Angeborene  Verwachsung  des  Penis  und 
Scrotums.  Virchows  Arcli.,  Bd.  XXVIII,  p.  555,  1863,  Canstatt  für 
1863,  IV,  S.  3—10,  p.  43. 

Beob.  3.  R.  F.  Weir,  Two  cases  of  congenital  curvature  of 
the  penis,  with  hypospadias  and  adhesion  to  tlie  serotum. 
New  York  medical,  1874,  T.  XIX,  p.  281. 

Beob.  4.  J.  Bouteiller,  Phimosis  scrotal.  Vergerudimentaire. 
Epispadie  jusqu'  ä  ses  dernieres  limites.  Union  med.  de  la 
Seine  infer.,  Eouen,  1875,  T.  XIV,  p.  27. 

Beob.  5.  J.  Dougall,  Attacliement  of  penis  and  serotum. 
Brit.  med.  Journ.,  London,  1882,  p.  696. 

Beob.  6.  H.  Chretien,  Palmature  penienne  sans  hypospadias. 
Gez.  hebd.  de  med.  et  de  chir.,  Paris,  1887,  T.  XXIV,  No.  31,  p.  501. 

Verwachsung  der  Glans  mit  der  Haut  des  Scrotums  und  strangartiges 
Herabziehen  des  Penis  durch  Verkürzung  des  Corp.  cavern.  urethrae. 

Beob.  7.  T.  Busacchi,  Casi  rari  d'  affezioni  congenite.  Arch. 
d'  ortopedia,  Milano,  1891,  T.  IX. 

Angeborene  Verwachsung  des  Penis  und  Scrotums. 

Beob.  8.  F.  Lemke  (Hamburg),  Angeborener  Mangel  des 
Penis.    Virchows  Arch.,  Bd.  CXXXIII,  p.  181,  1893.    Mit  zwei  Figuren. 

Ein  Kind  von  5  Monaten  zeigte  ein  normales  Serotum,  in  dessen 
unterem  (?)  und  vorderen  Teile  sich  eine  Öffnung  befand,  aus  der  Urin 
tröpfelte.  Am  hinteren  Rande  dieser  Öffnung  entsprang  die  normale 
Rhaphe.  Bei  Untersuchung  mit  dem  Finger  entdeckte  man  den  tief 
liegenden,  vom  Serotum  umgebenen  Penis,  das  auch  die  beiden  Hoden 
enthielt. 

Der  Verf.  bemerkt,  ein  ähnlicher  Fall  werde  in  Schmidts  Jahrb., 
Bd.  CCXVI  erwähnt. 


Note  3.    Fälle  von  Hypoplasie  des  Scrotums. 

Beob.  1.  T.  Kerckring,  Specilegium  anatomicum.  Amsterdam, 
1670,  p.  33. 

Ein  Kind  von  3  Jahren  hatte  weder  Hoden,  noch  Serotum,  aber  eine 
kleine  Rinne,  wie  ein  nicht  durchbohrter  Penis,  unter  der  sich  eine  kleine 
Öffnung  befand,  aus  der  der  Urin  frei  ausfloss. 

Beob.  2.  Itard  de  Riaz,  Mem.  de  la  soc.  med.  d'emulation. 
T.  III,  An.  VIII,  1800,  p.  293. 

Verf.  beschreibt  einen  Jüngling  von  28  Jahren,  apathisch,  ohne  ge- 
schlechtliche Neigungen,   der  seit   seiner  Kindheit   an  Incontinentia  urinae 


-    390     - 

litt,  der  statt  kräftiger  Entwicklung  weiche,  glatte,  haarlose  Haut  hatte, 
seihst  am  Kinn,  und  matte  Stimme.  Die  Brust  und  das  Becken  hatten 
weihliches  Aussehen.  Der  Penis  war  einen  Zoll  lang  und  kleinfingerdick, 
die  Glans  war  so  gross,  wie  eine  Erhse  und  das  Präputium  hing  daran 
fest.  Das  Scrotum  fehlte,  die  Haut  war  an  seiner  Stelle  geschrumpft  und 
enthielt  weder  Hoden  noch  Samenstränge. 

Längs  der  Mittellinie  des  Perineums  hefanden  sich  zwei  Hautf alten, 
die  sich  herührenden  grossen  Schamlippen  ähnelten.  Der  Pubes  war 
schwach  behaart. 

Beob.  3.  F.  Macari,  Idrorachite  congenita.  Gaz.  dell'  assoc. 
med.  degli  stati  Sardi.     A.  VI,  p.  41,  Torino,  1856. 

Eine  Ehefrau  gebar  bei  ihrer  fünften  Schwangerschaft  einen  Knaben 
mit  mehreren  ungenügend  beschriebenen  Missbildungen.  Man  erfährt  jedoch, 
dass  ein  hydrorhachitischer  Lumbar-Tumor  vorhanden  war,  Enterocele  in 
der  Linea  alba,  Fehlen  des  Rectums,  doppelter  Pes  varus.  An  den  Ge- 
schlechtsteilen fehlte  das  Scrotum,  der  Penis  war  vorhanden,  und  wenige 
Linien  unter  dem  durchgängigen  Kanal  der  Urethra  fanden  sich  zwei 
kleine  Öffnungen  mit  fibro-cartilaginösen  Rändern,  seitlich  neben  der 
Rhaphe  des  Perineums  liegend,  kaum  einige  Millimeter  tief,  ähnlich  zwei 
durchschnittenen  Arterien  (der  Verf.  konnte  ihre  Natur  nicht  bestimmen). 
Die  Hoden  lagen  im  Leistenkanale. 

Beob.  4.  L.  E.  Nagle,  A  monstruosity  of  sex.  New  Orleans, 
Journ.  of  medic,  April  1869,  Jahresber.  für  1869,  Vol.  I,  p.  172. 

Verf.  berichtet  über  einen  19jährigen  Bedienten,  der  bald  Katherina, 
bald  Johann  genannt  wurde.  Er  hatte  ganz  weiblichen  (oder  skrophulösen) 
Habitus,  bartloses  Gesicht,  unentwickelte  Brüste  und  eine  Weiberstimme. 
Die  Untersuchung  zeigte  als  einziges  Geschlechtsorgan  einen  IV2"  langen, 
1/2"  dicken  Penis  mit  stark  entwickeltem,  von  der  Urethra  durchbohrten 
Präputium.  Keine  Spur  von  Scrotum,  Schamlippen,  Hoden  oder  Scheide. 
Auch  durch  das  Rectum  entdeckte  man  weder  Uterus,  noch  Prostata.  Die 
Basis  des  Penis  und  der  Mons  Veneris  waren  mit  feinen,  spärlichen  Haaren 
bedeckt. 

Es  ist  noch  zu  bemerken,  dass  aus  dem  Penis  niemals  Samenerguss 
stattfand,  und  dass  das  Individuum  angab,  es  fühle  sich  geschlechtlich  von 
Männern  angezogen,  doch  fühlte  es  niemals  geschlechtlichen  Reiz.  Der 
Verf.  hält  den  Fall  für  bilateralen  Anorchismus. 

Beob.  5.  J.  Jones,  Singular  and  distressing  case  of  mal- 
formation  of  genital  organs.  Med.  Record,  New  York,  1871,  T.  VI, 
p.  198. 

Ein  Mann  ohne  Bart  mit  weiblichem  Habitus.  Penis  ^ji  Zoll  lang, 
übrigens  wohlgebildet.  Scrotum  sehr  klein,  ohne  Hoden.  Nachsuchungen 
durch  das  Rectum  brachten  keine  Aufklärung. 


391 


Note  4.    Ectopia  vesicae  ohne  äussere  Geschleclitsorgane. 

Beob.  1.  T.  Bartholinus,  Historiarum  anatomicarum  ra- 
riorum.  Cent.  1,  Beob.  65,  Amstelodami,  1654,  p.  103.  Vir  sine  pene  et 
podice. 

Verf.  sah  in  Latium  einen  Mann  von  40  Jahren,  kräftig  und  gesund, 
der  keine  Spur  von  After  oder  Genitalien  hatte.  Dies  machte  sein  Ge- 
schlecht zweifelhaft,  und  doch  erhielt  er  den  Namen  Anna.  Im  Alter  von 
24  Jahren  war  aber  an  Kinn  und  Wangen  der  Bart  erschienen,  und  Anna 
wurde  nun  als  Mann  betrachtet.  In  Betreff  der  Atresie  des  Afters  erfuhr 
der  Verf.,  dass  nach  Beendigung  der  Verdauung  Eibrechen  eintrat,  dass  der 
Mann  aber,  um  den  üblen  Geschmack  der  Nahrungsmittel  im  Munde  zu 
vermeiden,  ein  Hörn  einführte.  Der  Urin  tröpfelte  wie  Milch  von  den 
Brustwarzen  aus  einer  schwammigen  Höhle,  nahe  an  der  Stelle  des  feh- 
lenden Nabels.  Aus  dieser  Beschreibung  schloss  Breschet  1824  (Arch. 
gen.  de  med.  T.  IV,  p.  567,  Paris,  1824),  es  habe  sich  um  Ectopia  vesicae 
gehandelt  und  so  erklärt  es  sich,  dass  Bartholini  die  äusseren  Ge- 
schlechtsteile nicht  erkannte.  Aber  das  Erbrechen  als  Ersatz,  das  später 
auch  von  Denys  gesehen  wurde*  bleibt  immer  ausserordentlich. 

Beob. 2.  B.  Saviard,  Nouveau  r  ecueil  d'observations  chirurgi- 
cales.    Paris,  1702,  p.  308. 

Verf.  sezierte  ein  neugeborenes  Kind  ohne  äussere  Geschlechtsteile,  bei 
dem  sich  nur  eine  Kloake  nach  aussen  öffnete ;  in  diese  mündeten  die  beiden 
Hörner  des  Uterus  mit  sehr  kurzen  Scheiden.  Die  linke  Scheide  stand  mit 
der  Urethra  in  Verbindung,  und  diese  mit  dem  am  Ende  verengten  Eectum. 
Es  war  nur  ein  Ureter  vorhanden,  der  aus  beiden  auf  dem  Sacrum  liegen- 
den Nieren  entsprang  und  senkrecht  in  die  gemeinschaftliche  Kloake  her- 
abfiel. 

Beob.  3.  Devilleneuve,  Sur  une  nouvelle  espece  de  hernie 
naturelle  de  la  vessie  urinaire  et  sur  une  pri vation  pres - 
que  totale  de  sexe.  Journ.  de  med.  chir.  etc.  Paris,  1767,  T.  XXVII, 
pag.  26. 

Beob.  4.  6.  P.  M.  Dana,  Descriptio  foetus  absque  pene  et 
Vulva,  ultra  biennium  viventis,  obscurique  sexus  ideo 
habiti.  Mem.  de  1'  Acad.  des  sc.  de  Turin,  T.  VIII,  p.  309.  Annee,  1786—87. 
Cum  tabula. 

Da  er  die  Ektopie  der  Blase  bei  einem  Knaben  nicht  erkannt  hatte, 
leugnete  er  die  Gegenwart  äusserer  Geschlechtsteile. 

Beob.  5.  Gottfr.  Fleischmann  (Erlangen),  De  vitiis  congenitis 
circa  thoracemet  abdomen.     Erlangen,  1811,  p.  33,  Tab.  II,  III. 

Ein  reifer  Fötus  hatte  einen  omphalo  -  neutralen  Bruch,  doppelten, 
widernatürlichen  Anus  und  ektopische  Harnblase.  Die  äusseren  Geschlechts- 
teile und  der  After  fehlten,  und  in  der  Gegend  der  Geschlechtsteile  fand 
man  nur  einen  senkrechten  Spalt.    Innei'lich  fand  der  Verf.  die  Nieren,  die 


-    392    - 

Ureteren,  die  in  die  genannte  Blase  mündeten,  und  die  Hoden,  die  nach  ver- 
schiedenen Richtungen  verschoben  waren. 

Beob.  6.  P.  S.  Denys,  Arch.  gen.  de  med.  1824,  Ser.  I,  T.  IV, 
p.  562. 

Ein  78jähriger  Bettler  war  seit  seinem  10.  Jahre  paraplegisch  und 
zeigte  eine  Knochenverdickung  an  der  Verbindungsstelle  der  Lenden-  und 
Eückenwirbel.  Das  Becken  und  die  Beine  waren  atrophisch;  die  Hoden 
waren  sehr  klein  und  Anus  und  Urethra  nach  aussen  verschlossen. 

Der  Mann  entleerte  nichts,  weder  festes,  noch  flüssiges,  durch  die 
natürlichen  Wege ,  höchstens  einige  Tropfen  Urin  durch  den  Nabel,  half 
sich  aber  mit  den  Nahrungsmitteln,  die  er  in  Mengen  zu  sich  nahm,  auf 
folgende  Weise:  7  oder  8  Minuten,  nachdem  die  Speisen  in  den  Magen  ge- 
langt waren,  wurden  sie  in  Gestalt  eines  grünlichen,  schaumigen,  etwas 
ekelhaft  riechenden  Breies  leicht  erbrochen.  Verf.  sagt  nicht,  ob  der  Urin 
durch  den  Nabel  oder  auf  anderen  Wegen  entleert  wurde,  fügt  aber  hinzu, 
dass  der  Mann  sich  nicht  nackt  zeigen  wollte. 

(Wir  haben  diese  ausserordentliche,  fast  vergessene  Beobachtung  an- 
geführt, obgleich  sie  nicht  die  Ektopie  der  Blase  betrifft,  weil  sie  die  von 
Bartholini  bestätigt,  die  für  unwahrscheinlich  gehalten  wird.) 

Beob.  7.  Reinecke,  Fall  eines  seltenen  Vitium  primae  con- 
formationis.  Deutsche  mediz.  Wochenschr.,  1881,  No.  34,  p.  468.  Jahres- 
bericht für  1881,  Bd.  I,  p.  280.    (6). 

Ein  Mädchen  von  15  Jahren,  von  schwachem,  chlorotischem  Habitus, 
hatte  einen  Nabelbruch  und  Austritt  der  Blase  aus  einer  Bauchspalte.  In 
die  Blase  floss,  wie  gewöhnlich,  der  Urin  durch  die  Ureteren.  Die  knöcherne 
Symphyse  des  Pubes  fehlte,  und  ebenso  alle  Geschlechtsteile,  nämlich  die 
Labia  majora,  die  Nymphen,  die  Clitoris  und  der  Scheideneingang.  Nur 
zwei  kleine  behaarte  Hautstreifen  erstreckten  sich  vom  Anus  zur  Leisten- 
gegend, und  zwei  warzenartige  Produkte  bildeten  unter  der  Blasen-Ektopie 
die  einzigen  Anzeichen  von  äusseren  Teilen. 

Beob.  8.  Curtillet,  Un  cas  d'extrophie  du  cloaque  interne, 
accompagnee  de  l'absence  des  organes  genitaux  et  de  mal- 
formations  graves  des  organes  abdominaux  etdu  squelette. 
Arch.  provin.  de  Chir.     Annee  2,  1893.     (Nicht  bestätigt.) 


Note  5.    Mehr  oder  weniger  Tollständiges  Fehlen  der 
äusseren  Geschlechtsteile. 

Beob.  1.  Hali  Rhodoham  (ägyptischer  Arzt  im  11.  Jahrb.),  Commen- 
tarius  in  artem  parvam  Galen i.  Libr.  III,  Art.  medicinalis.  Text  77. 
Venetiis,  1496.  (Nach  Häs  ers  Geschichte  der  Medizin.)  S.  J.  G.  Schenck  jun., 
Observationum  etc.     Francofurti,  1609,  Libr.  IV,  Obs.  IL 


—    393    — 

Verf.  sah  einen  Neugeborenen,  der  weder  Vulva,  noch  Penis,  noch 
Hoden  hatte,  so  dass  er  einem  Kastraten  glich.  Aus  einer  kleinen  Öffnung 
floss  der  Urin. 

Beob.  2.  Nie.  de  Blegny,  Zodiacus  medico-gallicus.  Genevae, 
1680,  p.  78,  Beob.  9.    Foetus  sine  sexus  discrimine. 

Ein  Fötus  von  neun  Monaten  hatte  keine  anderen  Anzeichen  vom  Ge- 
schlecht, als  einen  kleinen  Vorsprung  in  der  Gegend  des  Penis  oder  der 
Clitoris,  mit  Durchbohrung  in  der  Mitte,  aber  ohne  Verbindung  mit  der 
Blase. 

Beob.  3.  Le  Prieur  de  Lugeris  (in  der  Champagne),  Sur  un  enf  ante- 
ment.  Journ.  des  savants,  Janv.  1690,  p.  41.  Diese  Mitteilung  (wir  wissen 
nicht,  wie)  rührt  von  Hall  er  her,  Bibliotheca  anatomica,  T.  I,  p.  740,  und 
wird  J.  Faber  zugeschrieben,  Journ.  des  savants,  1690,  wo  sie  den  Titel 
führt:  Foetus  male  formatus  et  absque  partibus  genitalibus. 

Ein  Kind  wurde  9  Tage  vor  der  Zeit  geboren,  wenig  über  einen  Fuss 
lang,  mit  nach  aussen  gewendeten  Händen  und  Füssen.  Das  Geschlecht 
liess  sich  nicht  erkennen;  man  sah  nur  eine  Öffnung,  in  die  man  den  kleinen 
Finger  einführen  konnte  an  der  Stelle  der  männlichen  Geschlechtsteile.  Wir 
fügen  nichts  zu  der  schlechten  Beschreibung  hinzu,  und  können  über  die 
Missbildung  kein  Urteil  abgeben. 

Beob.  4.  G.  Prochaska  (Prag),  Adnotationum  academicarum 
fasc.  alter.     Sect.  IV,  p.  84.     Pragae,  1781.     Tab.  VII. 

Ein  viermonatlicher  Abort  wurde  mit  einem  grossen  Teile  des  Dünn- 
darms frei  unter  dem  Nabelstrange  hängend  geboren.  Er  wurde  ganz  ohne 
äussere  Geschlechtsteile  gefunden.  Die  Hoden  fanden  sich  im  Abdomen. 
Die  Afteröffnung  war  sehr  klein.  Von  dem  Knie  des  rechten  Beines  ent- 
sprang ein  kurzer  Stumpf,  dessen  Spitze  etwas  gekrümmt  war  und  ein 
Knochenstück  enthielt,  das  der  Verf.  für  eine  zweite  Tibia  erklärte.  An 
diesem  Beine  war  der  Fuss  atrophisch  und  ohne  Zehen,  und  endigte  in  einer 
bogenförmigen  Spitze.     Das  linke  Bein  war  normal. 

Beob.  5.  E.  Ford,  An  account  of  a  child  born  without  organs 
of  generation.  In  G.  Simmons,  Mpdifal  facts  and  observations.  Vol. 
V,  p.  10.    London,  1795.     Foetus   ohne   Genitalien.     (Citiert  von  Meckel.) 

Die  inneren  Geschlechtsteile  fehlen,  die  äusseren  sind  nur  angedeutet. 
Das  Kectum  mündete  in  die  Urethra. 

Beob.  6.  J.  Penada,  Mostro  umano  singularissimo.  Mem.  dell' 
Acc.  di  Padova,  1809,  p.  49.     Con  tavola. 

Eine  junge  Frau  gebar  im  Jahre  1806  einen  alterierten  Fötus  mit 
mehreren  Missbildungen,  der  bald  nach  der  Geburt  starb,  und  entleerte  dann 
eine  grosse  Mola.  Bei  dem  Fötus  war  der  Nabelstrang  an  seinem  Ursprung 
vom  Abdomen  getrennt,  um  einen  ovalen  Bruchsack  aufzunehmen  von 
6  Pariser  Zoll  Durchmesser.  Dieser  Sack  war  aber  der  Länge  nach  offen, 
so  dass  man  den  darin  liegenden  Dünndarm  und  ausserdem  die  rechte  Niere 
sah;  alle  diese  Organe  waren  durch  die  Nabelöffnung  ausgetreten.  Dem 
Fötus  fehlten  die   äusseren  Geschlechtsteile   und   die  Afteröffnung,    so  dass 


-     394     - 

die  Hautfläche  vom  Pubes  bis  zum  Coccyxs  giatt  war,  ohne  eine  Spur 
der  fehlenden  Organe.  Innerhalb  des  Abdomens  fand  der  Verfasser  zwei 
kleine  Hoden  am  Bindegewebe  des  M.  Psoas  liegend.  Ausserdem  fand  er 
die  Blase  mit  einem  ersten  Rudiment  der  Urethra,  das  aus  dem  Blasen- 
halse entsprang,  aber  nicht  über  die  Grenzen  des  Beckens  hinausging.  Auch 
die  Corpora  cayernosa  fehlten. 

An  den  Armen  waren  die  Finger  miteinander  durch  eine  Membran 
verbunden.  Das  rechte  Bein  bestand  in  einem  Stück  Schenkel,  das  keine 
Muskeln  oder  Knochen,  sondern  nur  weiches  Bindegewebe  enthielt.  Am 
linken  waren  die  Zehen  verwachsen,  wie  die  Finger  an  der  Hand. 

Der  Verf.  schreibt  dem  Stoss  der  Mola  d-as  Zerreissen  des  Bruchsacks 
zu,  dem  Drucke  derselben  die  mangelnde  Entwickelung  eines  Beins  und  das 
Fehlen  der  äusseren  Geschlechtsteile,  und  um  diese  mechanische  Wirkung 
wahrscheinlich  zu  machen,  nimmt  er  an,  die  Mola  habe  in  derselben  Hülle 
gelegen  wie  der  Fötus. 

Beob.7.  N.M.  — Hufelands  Journal  der  prakt.  etc.  Berlin,  1812  (?). 
Citiert  von  Fournier,  Gas  rares.    Dict.  sc.  med.,  T.  IV,  p.  166,  Paris,  1813. 

Eind  von  3  Jahren,  in  Berlin  gestorben,  das  sowohl  äusserÜch  wie 
innerlich  ohne  jede  Spur  von  Geschlechtsteilen  war,  so  dass  man  sein  Ge- 
schlecht nicht  vermuten  konnte.  Die  Neigungen  und  die  Haltung  des  Kindes 
deuteten  aber  auf  das  weibliche  Geschlecht.  Die  Mündung  der  Urethra  war 
von  keinem  Eand  umgeben  und  hatte  die  Grösse  einer  halben  Linse.  Zwischen 
Blase  und  Eectum  wurde  nichts  gefunden. 

Beob.  8.  Kretschmar,  Horns  Archiv,  Bd.  1,  St.  3,  p.  349,  Berlin, 
1815.     (Nicht  bestätigt.) 

Beob.  9.  Baillet,  Journ.  de  Med.  T.  LIII,  1822  (?).  De  inf ante  sine 
genitalibus  et  ano.     (Nicht  bestätigt.) 

Beob.  10.  D.  W!.  P,  Schellier,  Foetus  monobrache,  monopode 
et  agame,  parvenu  ä  peupresau  terme  de  la  naissance.  Arch. 
gener.  de  med.,  T.  III,  p.  415,  Paris,  1823. 

Der  Fötus  wurde  tot  geboren  und  zeigte  folgende  Eigentümlichkeiten. 
Die  rechte  Schulter  wurde  durch  einen  ^/g  Zoll  langen  Knochen  dargestellt, 
der  Radius  fehlte,  die  Hand  war  sehr  unvollkommen.  Statt  des  rechten  Beines 
befand  sich  in  der  Cavitas  cotyloidea  ein  blinder  Hautsack,  unvollkommen 
einem  Scrotum  ähnlich,  der  leer  war  und  nicht  mit  der  Bauchhöhle  kommu- 
nizierte. Atresia  ani.  Der  Verf.  beschreibt  nicht  den  Zustand  der  Haut  am 
Perineum  infolge  des  Fehlens  der  äusseren  Genitalien,  das  im  Titel  ange- 
kündigt wird. 

Nach  Öffnung  des  Bauches  sah  man  die  Pars  sigmoidea  des  Colons, 
statt  hinunterzusteigen,  an  den  Nabelstrang  herantreten,  wo  er  blind  endigte. 
Die  Appendix  des  Coecams  entsprang  an  der  Stelle,  wo  das  Coecum  sich 
mit  dem  Colon  verbindet,  und  war  3  Zoll  lang.  Die  Nieren  fehlten,  aber 
nicht  die  Nebennieren,  auch  die  Blase  fehlte,  sowie  der  ganze  Rest  der 
Harnwege.  Es  fanden  sich  endlich  zwei  drüsige  Körper,  ohne  Ausführungs- 
gänge ;  der  Verf.  konnte  nicht  entscheiden,  ob  es  Ovarien  oder  Hoden  seien. 


—    395     — 

Der   eine   Körper   lag   rechts    von    der    Wirbelsäule,    der    andere   nahe   am 
Leistenringe. 

Beob.  11.  F.  Rossi  (Turin),  Mem.  della  E.  Acc.  delle  sc.  di 
Torino.     T.  XXX,  p.  155,  1826,  Beob.  1.     De  vaginae  obstnxctione. 

Dr.  Berruti  wurde  zu  einer  28jährigen  Ehefrau  gerufen,  die  seit 
3  Tagen  in  Wehen  lag,  ähnlich  den  Geburtswehen,  und  niemals  menstruiert 
gewesen  war.  Der  Arzt  bemerkte,  dass  jede  Spur  von  äusseren  Geschlechts- 
teilen, sowie  Haare  am  Pabes  fehlten,  schickte  die  Kranke  in  das  Hospital 
di  S.  Giovanni. 

Dr.  Rossi  bestätigte  das  Fehlen  der  Vulva  und  selbst  einer  Spalte; 
er  fand  aber  eine  sehr  enge  Öffnung,  aus  der  der  Urin  floss,  und  einen 
normalen  After.  Da  er  glaubte,  es  handele  sich  um  Retention  der  Menstrua 
(obgleich  die  Brüste  geschwollen  waren),  machte  er  einen  Einschnitt,  der 
unter  der  kleinen  Öffnung  für  den  Urin  anfing  und  nahe  an  den  After  reichte. 
Er  machte  ihn  3  Finger  tief  und  stiess  auf  einen  Körper,  den  er  für  den 
Kopf  eines  Fötus  erkannte.  Dann  erweiterte  er  den  Schnitt,  was  den  Aus- 
tritt des  Fötus  erlaubte. 

Bei  Wiederholung  der  Untersuchung  der  äusseren  Teile  fand  der  Verf. 
zuletzt  eine  sehr  enge  Öffnung  nahe  am  Sphincter  ani,  durch  welche  eine 
Sonde  in  die  Scheide  gelangte,  und  aus  der  die  Lochien  austraten.  Nach 
8  Tagen  erschienen  die  äusseren  Zeichen  der  Pubertät,  und  nach  zwei 
Jahren  gebar  die  Frau  mit  grosser  Schwierigkeit  durch  den  künstlichen 
Weg.  Der  Gemahl  bekannte,  dass  er  den  Coitus  durch  das  Rectum  aus- 
geführt hatte. 

Beob.  12.  G.  F.  Faber  (Magdeburg),  Duorum  monstrorum  huma- 
norum.    Diss.,  Berolini,  1827.     Cum  tab. 

Oberhalb  gut  gebildeter  Fötus,  aber  nach  unten  zeigte  er  einen  Darm- 
bruch im  Nabelstrange,  Atresie  des  Afters,  UnvoUkommenheit  der  Füsse  mit 
bedeutender  Verminderung  der  Zahl  der  Zehen  und  Fehlen  der  äusseren 
Geschlechtsteile,  mit  Ausnahme  von  zwei  Hautwarzen  an  den  Seiten  des 
Pubes. 

Im  Abdomen  fand  man  zwei  Hoden,  das  Rectum  war  am  Ende  ver- 
schlossen, Nieren,  Urethra  und  Blase  fehlten  ganz. 

Beob.  13.  Jenisch,  Württemb.  Correspondenzblatt,  Bd.  VII, 
No.  7.  Schmidts  Jahrb.  1840,  Bd.  XXVIII,  p.  141.  Citiert  von  Ahl- 
f  e  1  d. 

Ein  totes  Kind  ohne  Anzeichen  von  Genitalien  und  Afteröffnung.  Statt 
des  linken  Fusses  fand  sich  ein  1^2  Zoll  langes,  zeigeflngerdickes  Rudiment, 
das  einen  dünnen  Knochen  enthielt.  Die  linke  Hälfte  des  Beckens  war 
atrophisch. 

Beob.  14.  Gurney,  Lancet,  London,  1840,  Vol.  1,  No.  26.  Citiert  von 
Ahlfeld,  Arch.  für  GynäkoL,  1879,  p.  280. 

Statt  der  Genitalien  zeigte  der  Fötus  eine  Hautverläügtrung,  unter 
der   eine   Glans   lag.     Übrigens   kein   Anzeichen   von    Scrotum ,   von   Labia 


—    396    — 

majora,  von  Öffnung  der  Scheide,  der  Urethra,  des  Recti;ms.  Ausserdem 
war  der  rechte  Arm  verkürzt,  mit  nur  4  Fingern,  und  das  rechte  Bein 
vp-ar  ebenfalls  kurz,  der  Fuss  verkrümmt.  Die  Sektion  vt^urde  nicht  ge- 
macht. 

Beob.  15.  Friese,  Caspers  Wochenschr.  1841,  No.  52.  Ahl- 
feld, Arch.  für  Gynäkol.,  Bd.  XIV,  p.  281,  Berlin,  1879. 

Ein  neugeborenes  Kind  hatte  keine  Anzeichen  von  äusseren  Genitalien, 
statt  ihrer  zeigte  sich  ein  Hauttumor,  der  sich  bis  an  die  Afteröffnung  er- 
streckte. Es  fehlten  die  Hoden,  die  Nebenhoden,  die  Samengänge  und 
Bläschen.  Die  Blase  hatte  die  Grösse  eines  Taubeneies,  die  Urethra  war 
rudimentär  und  verschlossen.     Der  Anus  war  durchgängig. 

Beob.  16.  W.  Magee,  Gase  of  absence  of  externalgenitals 
and  formation  of  an  artificial  vagina.  Lancet,  London,  1841 — 42, 
T.  II,  p.  575.     (Nicht  bestätigt.) 

Beob.  17.  W.  Vrolik,  Tabulae  ad  illustrandam  embryo- 
genesin  etc.     Amstelodami,  1849,  Tafel  LXIII,  Fig.  1. 

Der  Fötus  war  8  Monate  alt,  ohne  Beine,  aber  in  der  linken  Cavitas 
cotyloidea  lag  dßv  Kopf  des  Femurs.  Das  Becken  war  rudimentär,  und  das 
rechte  Ileum  kaum  angedeutet.  Man  sah  keine  Anzeichen  der  äusseren 
Genitalien,  und  unter  dem  Ansatz  des  Nabelstranges  befand  sich  ein  kleiner 
Kanal  (dessen  Bedeutung  nicht  angegeben  wird).  Die  linke  Niere  fehlte, 
die  rechte  kommunizierte  mit  der  Blase  durch  einen  Ureter.  Der  Nabel- 
strang enthielt  nur  eine  Arterie  und  umgab  den  Hals  und  die  linke  Achsel- 
höhle. 

Beob.  18.  Kristeller,  Enorme  Ausdehnung  der  Harnblase, 
bedingt  durch  Fehlen  der  Harnröhre.  Monatsschr.  für  Geburtsk. 
Bd.  XXVII,  p.  165,  Berlin  1866. 

Die  enorme  Geschwulst  des  Abdomens  zwang  den  Geburtshelfer  zur 
künstlichen  Extraction  des  Fötus,  der  ungefähr  7  Monate  alt  war.  Der 
schlaffe,  dünne  Nabelstrang  hing  am  Abdomen  5  cm  über  seiner  Ansatz- 
stelle fest.  Die  Afteröffnung  fehlte  und  im  Perineum  war  kein  Anzeichen 
der  genito-urinären  Öffnungen.  Dagegen  sah  man  auf  dem  Mons  Veneris 
eine  Papille  von  der  Grösse  eines  Sandkorns,  von  zwei  kleinen  Hautfalten 
umgeben,  ohne  Öffnung,  so  dass  sie  das  Rudiment  einer  Clitoris  vortäuschte. 

Im  Abdomen  und  ausserhalb  des  Peritoneums  war  ein  grosser  Sack, 
in  den  die  beiden  Ureteren  mündeten.  Der  Sack  hatte  45  cm  Umfang, 
ohne  eine  Ausgangsöffnung  und  stand  nur  mit  den  beiden  Ureteren  in  Ver- 
bindung. Er  war  mit  Schleimhaut  und  verschiedenen  Arten  von  Epithelien 
ausgekleidet  (die  der  Verf.  weder  beschreibt,  noch  abbildet)  und  zeigte 
Querfurchen.  In  dem  Becken  fand  der  Verf.  kein  anderes  Organ.  Der 
Nabelstrang  war  an  dem  Urinsacke  befestigt.  Zwischen  der  Bauchwand 
und  dem  Sacke,  oberhalb  des  Ansatzes  des  Nabelstrangs  verliefen  von 
rechts  nach  links  zwei  parallele  Kanäle  von  roter  Farbe,  3  cm  lang, 
schlingenförmig  gebogen.  An  dem  untern  war  ein  drüsiges,  zollgrosses  Or- 
gan befestigt.  Dieser  Kanal  stand  nicht  in  Verbindung  mit  der  Blase,  so 
dass  man  ihn  für  eine  fallopische  Tuba  mit  einem  Ovarium  hielt. 


—    397    - 

Der  Dickdarm  endigte  blind,  am  oberen,  hinteren  Teile  der  Blase ;  die 
anderen  Eingeweide  waren  durch  die  Blase  nach  oben  gedrängt. 

Der  Verf.  zeigte  Virchow  das  Monstrum,  der  es  für  weiblich  hielt, 
und  den  Sack,  der  beim  ersten  Anblick  eine  Harnblase  schien,  für  einen 
Genito-urinar-Sack  erklärte,  also  als  aus  Scheide,  Uterus  und  Blase  be- 
stehend, was  er  aus  den  verschiedenen  Arten  von  Epithelien  schloss. 

Beob.  19.  A.  D.  Müller,  Verschiedene  Missbildungen  bei 
einem  neugeborenen  Kinde.  Ugeskrift  for  Laeger,  R.  III,  Bd.  V, 
p.  329,  Kopenhagen,  1868.     Jahresber.  für  1868,  Bd.  I,  p.  175. 

Bei  einem  Mädchen,  das  33  Stunden  nach  der  Geburt  starb,  fehlte  der 
untere  Teil  des  linken  Beins  ;  der  Stumpf  war  mit  Haut  bedeckt,  die  zwar 
beweglich  war,  aber  am  Ende  einen  vertrockneten  Schorf  zeigte.  Die 
übrig  gebliebenen  Teile  der  Tibia  und  Fibula  hielten  sich  bis  ans 
Ende  getrennt,  und  äusserlich  fand  man  am  Periost  eine  käsige,  gelblich- 
weisse  Substanz  und  eine  eiterartige  Flüssigkeit. 

Die  äusseren  Genitalien  fehlten,  man  fand  nur  hinter  der  Symphysis 
pubis  eine  3  cm  lange  Hautfurche;  am  oberen  Ende  dieser  Furche  war 
eine  kleine  Öffnung,  aus  welcher  etwas  Urin  ausfloss.  Von  einer  After- 
öffnung war  keine  Spur. 

Bei  der  Sektion  fand  man  Fehlen  eines  Teils  des  Colons  und  des 
Eectums.  Die  Blase  hatte  die  Grösse  eines  Apfels,  mit  stark  verdickter 
Muskelhaut;  es  fehlten  die  Mündungen  der  Ureteren,  aber  sie  setzte  sich 
in  die  Urethra  fort  (die  äusserlich  an  der  angegebenen  Stelle  mündete)  und 
kommunizierte  nach  hinten  mit  einer  anderen  Höhle,  denn  hinter  der  Blase 
befanden  sich  zwei  andere  Säcke  ungefähr  von  derselben  Grösse;  der  eine 
trat  rechts  hervor,  der  andere  links,  der  rechte  war  voU  von  Urin  und 
kommunizierte  mit  dem  hinteren  Teile  der  Blase  nahe  am  Ursprünge  der 
Urethra  durch  eine  Öffnung  von  8  mm  Umfang.  Dieser  Sack  bestand  aus 
der  Scheide,  die  unten,  unter  dem  Blasenhalse  blind  endigte  und  nach  oben 
das  CoUum  uteri  umfasste.  Er  hatte  sehr  dicke  Wände  und  die  Schleim- 
haut war  quer  gerunzelt.  Der  Uteras  war  8  cm  lang.  Der  links  von  der 
Blase  liegende  Sack  wurde  dagegen  durch  Erweiterung  des  linken  Ureters 
gebildet,  der  in  Kammern  geteilt  war ;  seine  Mündung  in  die  Blase  wurde 
nicht  gefunden,  musste  aber  vorhanden  sein,  weil  sich  Urin  in  ihr  vorfand. 
Auf  derselben  Seite  zeigte  die  Nebenniere  die  gewöhnliche  Grösse  und 
Lage ;  die  Niere  war  dagegen  sehr  klein,  lag  an  den  Lendenwirbeln  und 
von  ihr  entsprang  der  erwähnte  Ureter,  der  •  aber,  ehe  er  hinabstieg,  nach 
links  lief.  Die  rechte  Niere  lag  an  der  gewöhnlichen  Stelle,  litt  aber  an 
cystischer  Degeneration ;  ihr  Ureter  war  sehr  dünn  und  endigte  blind  in 
dem  Bindegewebe  zwischen  Scheide  und  Blase. 

Der  Ösophagus  zeigte  den  gewöhnlichen  sackförmigen  Verschluss  in 
seinem  oberen  Teüe,  während  der  untere  Teil  in  die  Bifurkation  der 
Trachea  mündete.    Alle  anderen  Organe  waren  gesund. 

Beob.  20.  H.  P.  Eisenach  (Eotenburg),  Ein  weiblicher  Fötus 
ohne  Harn,  Darm  und  Geschlechts  ö  ff  nungen,  daneben 
Meropus.    Inaug.-Dissert.  zu  Marburg.    Eotenburg,  1878. 


-     398    - 

Ein  sonst  woHgebildetes  Kind  hatte  aplasische  untere  Gliedmassen 
ohne  Anzeichen  einer  Öffnung  in  der  Perinealgegend,  und  ohne  Genitalien. 
Am  Becken  bemerkte  der  Verf.  nur,  dass  es  abgeplattet  war,  indem  die 
beiden  Cristae  ant.  sup.  ilei  7  cm  von  einander  entfernt  waren ;  die  Sym- 
physis pubis  war  fühlbar  und  schien  geschlossen  und  durchscheinend.  An 
die  beiden  Cotyli  waren  die  beiden  Beine  beweglich  angegliedert ;  dem 
linken  fehlten  Fibula  und  Fuss,    das  rechte  war  missgebildet  und  aplasisch. 

Die  Nebennieren  waren  gross,  während  Nieren  und  Ureteren  fehlten, 
mit  Ausnahme  eines  kleinen  dunkelbraunen  Knäuels  links.  Auf  derselben 
Seite  erkannte  man-  ein  Ovarium  und  eine  Thromba  in  Verbindung  mit 
einer  Kloake,  die  einen  wegsamen  Urachus  besass,  der  zum  Nabel  lief.  Es 
war  nur  eine  Nabelarterie  vorhanden. 

Beob.  21.  Pinard,  Bull,  de  la  soc.  anat.  Ser.  5,  T.  XVIII,  p.  686. 
E.  Lancereaux,  Traite   d'anat.  path.  T.  I,  p.  121,  Note  1,  Paris,  1875. 

Acranischer  Fötus  mit  vollständiger  Spina  bifida,  ohne  äussere  Ge- 
schlechtsteile. Bei  der  Sektion  fand  man  den  Ösophagus  in  einen  Strang 
verwandelt,  der  nach  unten  an  der  Trachea  festsass  und  den  Magen  er- 
reichte. Das  Rectum  war  mit  Mecouium  gefüllt  und  endigte  in  einer  Spitze, 
die  sich  im  Grunde  des  Beckens  verlor.  Es  fehlten  Nieren,  Ureteren,  Blase 
und  innere  Geschlechtsteile.  Unterhalb  der  Leber  fand  sich  jedoch  ein 
drüsiger  Körper  von  Linsengrösse,  und  ein  ähnlicher  Körper  im  Becken; 
aber  der  Verf.  sagt  nichts  über  ihre  Natur. 

Beob.  22.     E.  Baistrocchi   (Parma),  Riv.   clin.   di  Bologna.    1882. 

Ein  macerierter  Fötus  wog  2360  Gramm  und  war  42  cm  lang.  Auf- 
fallend war  an  ihm  das  Fehlen  der  äusseren  Geschlechtsteile  und  der  Um- 
fang des  Abdomens.  (Der  Verfasser  schweigt  über  den  Zustand  des 
Perineums,  des  Anus  und  über  eine  vielleicht  vorhandene  Öffnung.) 

Nach  Öffnung  des  Bauchs  floss  eine  Menge  blutigen  Serums  aus 
(330  com)  und  sogleich  zeigte  sich  ein  kugliger  Tumor,  von  der  Grösse 
des  Kopfes  des  Fötus,  fluktuierend,  gefüllt  mit  urinöser  Flüssigkeit,  so  dass 
der  Verf.,  da  er  anderwärts  keine  Blase  fand,  den  Tumor  selbst  für  die 
Blase  hielt.  Es  fehlten  weder  Magen,  noch  Milz,  noch  Leber,  noch 
Pankreas.  Der  Dünndarm  war,  ausser  dem  Duodenum,  95  cm  lang  und 
das  Colon  38  cm.  Dieses  endigte  am  oberen  Teile  der  Blase,  an  dem  es 
festsass. 

Vor  der  Blase  fand  der  Verf.  rechts  ein  Ovarium  mit  der  fallopischen 
Trompete  und  links  einen  kleinen  röhrigen  Strang  ohne  Ovarium,  und 
sowohl  dieser,  als  die  Trompete  setzten  sich  an  eine  kleine  birnförmige 
Höhle,  mit  der  Spitze  nach  unten,  an,  die  der  Verf.  für  einen  rudimentären 
Uterus  hielt.  Es  fand  sich  nur  eine  Niere  (es  wird  nicht  gesagt,  wo?)  mit 
zwei  Ureteren,  die  geschlängelt  zwischen  den  vorderen  Schichten  der  Blase 
verliefen  und  nahe  bei  einander  links  mündeten.  Im  oberen  Teile  der  Blase 
war  eine  andere  Öffnung,  die  der  Stelle  entsprach,  wo  sie  am  Dickdarm 
festhing,  aber  nicht  mit  der  Blase  kommunizierte.  An  der  Niere  befand 
sich  eine  kleine  Nebenniere,  und  ebenso  rechts,  doch  können  wir  nicht  be- 
haupten, dass  beide  von  derselben  Natur  waren. 


-     399     - 

In  Bezug  auf  den  links  liegenden  dünnen  Strang  sagt  der  Verf.,  dass 
sein  oberes  Ende  nicht  frei  war,  sondern  ebenfalls  in  die  Wand  der  Blase 
eindrang  und  zu  der  Niere,  nicht  zum  Ovarium  lief;  sonst  äussert  er  sich 
nicht  über  die  Natur  dieses  Stranges  oder  seine  Beziehung  zur  Niere.  So 
schweigt  er  auch  darüber,  ob  eine  Spur  der  Urethra  und  ihrer  inneren  Öff- 
nung vorhanden  war.  Endlich  fand  er  eine  einzige  Nabelarterie  als  Fort- 
setzung einer  primären  Iliaca.     (Er  sagt  nicht,  welcher.) 

Beob.  23.  P.  Guttmann,  Fall  von  Scheinzwitterbildung. 
BerHner  klin.  Wschr.  1882,  No.  35,  p.  5U.  Jahresber.  für  1882,  Bd.  I, 
p.  277. 

Bin  Neugeborener  hatte  eine  nicht  durchbohrte  Clitoris  mit  drei 
Corpora  cavernosa.  Vulva  und  Introitus  vaginae  fehlten.  Vagina  und 
Urethra  mündeten  zusammen  unter  der  Clitoris  durch  eine  nadelkopfgrosse 
Öffnung,  nach  Art  des  Sinus  üro-genitalis.  Innerlich  waren  die  weiblichen 
Organe  normal.  Das  Mädchen  war  4  Monate  lang  für  einen  Knaben  ge- 
halten worden. 

Beob.  24.  Hubert,  Description  d'un  Foetus  monstrueux  du 
genre   des   agenosomes.    Journ.   de  med.   de  Bruxelles,  1887,  No.  20. 

Bei  einem  Fötus  wurden  die  Genitalien  durch  einen  kleinen,  fleischigen 
Knoten  zwischen  den  Beinen  dargestellt.  Ausserdem  fehlten  Blase  und 
After.  Links  befand  sich  am  Bauche  eine  grosse  Öffnung,  durch  welche 
die  in  zwei  Lappen  geteilte  Leber,  das  Netz,  eine  Niere  und  viele  Därme 
ausgetreten  waren.  Die  Beine  waren  stark  missbildet,  der  Kopf  mit  sehr 
langen  Haaren  bedeckt,  die  Wirbelsäule  skoliotisch.  Kein  Zeichen  von 
Vererbung. 

Beob.  25.  L.  B.  Snow,  Total  absence  of  all  organs  of  repro- 
duction.  Med.  Eecord,  New-York,  1892,  Vol.  XLI,  p.  41.  (Nicht  be- 
stätigt.) 

Beob.  26.  D.  G.  Sharpe,  Medical  world.  PhUadelphia,  1893.  (Ci- 
tiert  von  Sajous.  Annual.) 

Ein  Kind  mit  Atresia  ani  und  ganz  ohne  äussere  Genitalien  geboren. 
Die  Sektion  wird  nicht  erwähnt. 


Note  6.    Atresia  vulyae. 

Beob.  1.  P.  De  Wlarchettis  (Padua),  Sylloge  rariarum  Obser- 
vation um,   cum   additionibus   posthumis.    Patavii,   1675,   p.  132. 

Ich  beobachtete  ein  sehr  vornehmes  Mädchen  von  2  Jahren,  welches 
an  Verwachsung  der  Lippen  der  Geschlechtsteile  und  der  Vagina  litt, 
während  der  Meatus  urinarius  unverletzt  blieb.  Um  den  natürlichen  Zu- 
stand herzustellen,  war  ich  genötigt,  einzuschneiden  und  die  Lippen  und 
die  Scheide  von  einander  zu  trennen.  In  die  Mitte  des  Schnitts  musste  ich 
einen  mit  Alaun-Ei  weis  und  Rosenwasser  getränkten  Tampon  während  der 
ersten  5  Tage  einführen  und  während  der  8  folgenden  einen  solchen  mit 
Bleiweiss  und  Kampher 


-     400     - 

Beob.  2.  F.  B.  Osiander,  Annalen  der  Entbindungsanstalt  etc. 
Bd.  I,  p.  159.  Göttingen,  1800.  (Atresie  der  Nymphen  bei  einem  zwei- 
jährigen Kinde.) 

Beob.  3.  Goeze,  De  Atresia.  Helmstedt,  1802,  p.  41,  bei  einem  er- 
wachsenen Mädchen.  Cit.  von  Voigtel,  path.  Annal.  Bd.  III,  p.  425, 
1805. 

Beob.  4.  F.  Steinmetz,  Über  Atresia  vulvae.  Eusts  Magaz. 
für  die  ges.  Heilk.     Bd.  XI,  p.  477.     Berlin,  1821. 

Beob.  5.  V.  Hempel  (St.  Goar),  Labior.  pudend.  bei  einem  14 
Tage  alten  Kinde  operiert.  Gemeinsame  Zeitschr.  für  Geburtskunde. 
Bd.  VI,  p.  145.     Weimar,  1825. 

Beob.   6.     Nloczynski,   De    atresia   pudend.     Diss.     Berolini,   1850. 

Beob.  7.  A.  Bouchacourt,  Recherches  sur  l'atresie  vulvaire. 
Bull,  de  la  soc.  de  chir.  de  Paris,  1855—56,  T.  VI,  p.  316.  Gaz.  hop.  Paris, 
1856,  T.  XXIX,  p.  10. 

Beob.  8.  F.  Cooley,  Occlusion  of  the  Labia  majora,  Operation. 
St.  Louis,  med.  chir.  Journal,  1856,  T.  XIV,  p.  239. 

Beob.  9.  Hutin,  De  l'atresie  vulvaire  con genitale.  Gaz.  des 
höpitaus,  Paris,  1856,  p.  298. 

Beob.  10.    G.   Antal,   Atresia   vulvae   labialis.    Budapest,  1876. 

Beob.  11.  G.  C.  Ogle,  Absence  of  external  organs  of  gene- 
ration.     Maryland  M.  J.  Balt.,  1878,  T.  III,  p.  307. 

Beob.  12.  Mabaret  du  Basty,  Absence  d'une  partie  des  organes 
genitaux  externes  chez  deux  soeurs.  Progres  med.  Paris,  1890,  T. 
XII,  p.  508. 

Der  Verf.  beschreibt  nur  den  Befund  bei  der  jüngeren  Schwester,  weil 
er  deutlicher  ist,  als  bei  der  älteren.  Die  jüngere  Schwester  war  35  Jahre 
alt,  kräftig,  von  mehr  männlichem  Aussehen ;  der  ganze  Körper  behaart,  so 
dass  sie  sich  oft  rasieren  musste.    Die  Brüste  waren  rudimentär. 

Das  Becken  zeigte  weiblichen  Charakter,  und  statt  der  Geschlechts- 
organe sah  man  eine  tiefe  Furche,  die  vom  Pubes  bis  zum  After  reichte. 
Im  oberen  Teile  dieser  Furche,  sogleich  unter  der  Symphysis,  war  die 
Ciitoris,  4  cm  lang,  erektionsfähig,  am  Ende  von  einer  Hautfalte  umgeben 
(die  der  Verf.  nicht  für  ein  Präputium  gelten  lassen  will).  Unter  ihr  be- 
fand sich  die  Öffnung  der  Urethra,  und  in  gleicher  Entfernung  von  Urethra 
und  After  drang  man  mit  einiger  Schwierigkeit  mittelst  einer  Sonde  durch 
die  Spalte  in  einen  engen  Kanal  ein,  5  cm  tief,  und  die  Frau  sagte,  durch 
diese  Öffnung  flössen  jeden  Monat  regelmässig  die  Menstrua  ab.  Die 
grossen  und  kleinen  Schamlippen  fehlten  ganz. 

Beob.  13.  P.  Rauschning,  Über  congenitale  Verwachsung  der 
kleinen  Labien,  nebst  D  ar  Stellung  dreier  diesbezüglicher 
Fälle.    Diss.    Königsberg,  1890,  Taf.  4. 

Beob.  14.  A.  Benivieni  (Florenz),  De  abditis  nonnuUis  etmi- 
randis  morborum  et  sanationum  causis.  Florentiae,  1506.  Beob.  XL 


-    401    - 

Der  Verf.  erzählt,  ein  bösartiges  Geschwür  habe  die  Vulva  einer  Frau 
zerstört,  und  doch  habe  die  Frau  noch  10  Jahre  gelebt.  Der  Index-Cata- 
logue  von  Washington  stellt  diese  Beobachtung  (die  dem  gegenwärtigen 
Verzeichnisse  entnommen  ist)  unter  die  angeborenen  Missbildungen  der 
weiblichen  Genitalien,  indem  er  sich  auf  R.  Dodonaeus  stützt.  (Med. 
obs.  exempla  rara,  12^,  Coloniae,  1581,  p.  155.) 


Note  7.    Angeborenes  Fehlen  beider  Hoden  (Anorchia 
duplex)  an  der  Leiche  bestätigt. 

Beob.  1.  B.  Cabrol,  Alphabet  anatomique.  Tournon,  1594. 
Lyon,  1614,  p.  84. 

Ein  Soldat  wurde  wegen  Notzucht  gehängt  und  der  Verf.  fand  bei 
der  Sektion  keine  Hoden,  weder  im  Scrotnra,  noch  innerlich. 

Beob.  2.  Anonymus,  Commercium  litterar  um.  Norimbergae, 
1732.    Ebdomas  II,  p.  10,  par.  5. 

In  Hannover  starb  ein  Bettelkind  und  in  der  Leiche  fand  man  keine 
Hoden,  weder  im  Scrotum,  noch  im  Abdomen. 

Beob.  3.  Schulzen,  Descriptio  foetus  hydroc.  Upsala,  ohne 
Jahreszahl.  Diese  einfache  Angabe  wird  von  J.  F.  Meckel  geliefert,  als 
Beispiel  des  Fehlens  beider  Hoden.  (Handb.  d.  path.  Anat.,  Bd.  1,  p.  685, 
Note.)  Aber  weder  Grub  er,  noch  andere  haben  diese  Dissertation  finden 
können,  um  die  Geschichte  des  Falles  zu  untersuchen. 

Beob.  4.  Kretschmar,  Beobachtung  eines  widernatürlichen 
Afters  und  eines  Mangels  der  S  amenwerkz  euge  bei  einem 
Neugeborenen,  oder  eines  natürlichen  Kastraten.  Arch.  für 
mediz.  Erfahrung  von  E.  Hörn,  Bd.  I,  p.  349.    Leipzig,  1801. 

Ein  Kind  lebte  8  Tage  lang  ohne  Anus  und  ohne  Hoden,  denn  der 
Verf.  fand  diese  weder  im  Scrotum  (das  zweiteilig  war),  noch  in  den  weichen 
Teilen,  noch  unter  den  Nieren.  Auch  die  Samen-Gefässe  und  Bläschen 
fehlten. 

Beob.  5.  A.  Fischer  (Boston),  The  americ.  journ.  of  the  med. 
sciences.  Philadelphia,  1838.  Vol.  XXIII,  p.  352.  London  med.  Gaz. 
Vol.  XXVm,  p.  817. 

Ein  45jähriger,  an  Pneumonie  gestorbener  Buchhalter  hatte  weibliche 
Stimme,  keinen  Bart  und  gab  niemals  Anzeichen,  dass  er  Geschlechtsteile 
besass.  An  der  Leiche  fand  man  das  Scrotum  klein,  schlaff  und  ohne 
Hoden.  Die  Schleidenhaut  war  beiderseits  normal,  auf  ihr  breitete  sich  der 
Cremaster  aus,  der  kleine  Samenstrang  lag  da  wie  gewöhnlich.  Die  Vasa 
deferentes  waren  auf  beiden  Seiten  von  gewöhnlicher  Dicke  und  endigten  in 
einem  Blindsack. 

Beob.   6.     Friese,   Merkwürdige  Missgeburt.    J.   L.   Casper, 
Wochenschr.  für  die  ges.  Heilk.,  Jahrg.  1841,  Berlin,  p.  848,  No.  52. 
Taruffi,  Hermaphrodismus.  2G 


—     402     - 

Ein  18  Zoll  langer  Fötus  starb  V2  Stunde  nach  der  Geburt.  Er  hatte 
keine  äusseren  Grenitalien,  aber  einen  Hautrand  bis  zum  Anus.  Am  rechten 
Arme  fehlte  die  Hand,  und  am  Vorderarme  entfernten  sich  die  Enden  der 
Ulna  und  des  Radius  voneinander  4  Zoll  weit,  und  blieben  durch  eine  Mem- 
bran ohne  Muskeln  verbunden.  Hinter  dem  Leistenringe  lagen  zwei  Bläs- 
chen von  Erbsengrösse,  voll  wässeriger  Flüssigkeit,  die  mit  dem  Peritoneum 
in  Verbindung  standen. 

Es  gab  kein  Anzeichen  von  Hoden,  Nebenhoden,  Samensträngen  und 
Prostata ;  die  Urethra  war  nur  an  ihrem  Ursprünge  erkennbar,  der  Eest  war 
obliteriert.     Die  anderen  Körperteile  waren  wohlgebildet. 

Beob.  7.  Le  Gendre  et  Bastien,  Anorchidie  double,  observee 
sur  un  foetus.  Soc.  de  biolog.,  A.  1859,  p.  144:.  Gaz.  med.  Paris,  1859, 
No.  4,  p.  650. 

An  einem  Fötus,  der  geatmet  hatte,  sahen  die  Verf.  ein  kleines, 
schlaffes  und  leeres  Scrotum.  Nach  Öffnung  des  Abdomens  fanden  sie  weder 
Hoden,  noch  Nebenhoden,  obgleich  sich  in  jedem  Leistenkanale  ein  Samen- 
strang befand,  ohne  peritoneale  Verlängerung.  Die  Vasa  deferentes  begannen 
im  Scrotum  einige  Millimeter  unter  dem  äusseren  Leistenringe  mit  abge- 
rundetem Ende,  waren  ein  Stück  weit  von  Bündeln  des  Gubernaculum 
testis  umgeben  und  endigten  in  den  Samenbläschen.  Die  Samengefässe 
waren  weniger  dick  als  gewöhnlich;  alle  anderen  Organe  normal. 

Beob.  8.  E.  Godard,  Rech  er  dies  teratologiquessur  l'appa- 
reil  seminal  de  l'homme.     Paris,  1860,  p.  84,  Vol.  V  et  VI. 

Im  Hospital  de  la  Charite  zu  Paris  starb  ein  61  jähriger  Ciseleur  an 
einem  Herzleiden.  Er  war  schwach  von  Körper  und  Charakter  gewesen, 
ohne  Bart,  von  weiblichem  Aussehen,  liebte  geistige  Getränke  und  war  oft 
betrunken. 

Die  Leiche  war  175  cm  lang  mit  weiss  und  grau  gemischtem  Haar  und 
rötlicher  Behaarung  in  den  Achselhöhlen  und  am  Pubes.  Der  Penis  war 
von  der  Grösse  des  kleinen  Fingers.  Das  Scrotum  fehlte  ganz  und  an 
seiner  Stelle  war  die  Haut  leicht  gefaltet  und  liess  die  Rhaphe  sehen.  Die 
Leistenkanäle  waren  leer.  Auch  im  Abdomen  und  im  Becken  wurden  Hoden 
und  Nebenhoden  umsonst  gesucht.  Die  Vasa  deferentes  hatten  je  einen 
Durchmesser  von  1^/2  mm.  Sie  traten  aus  der  Prostata  etwas  gewunden 
aus,  liefen  um  die  Blase  herum  und  verwandelten  sich  in  Stränge,  die  im 
Peritoneum  der  Leistengegend  endigten.  Die  Samenblasen  waren  weniger 
voluminös,  als  die  V.  deferentia,  und  die  V.  ejaculatoria  gut  angeordnet. 
Die  Blase  hatte  ein  Divertikel  der  Schleimhaut. 

Beob.  9.  E.  Neuhaus,  Ein  seltener  Fall  von  Aplasie  der 
Hoden.    Diss.,  Kiel,  1890,  p.  9,  mit  Tafel. 

Ein  Jüngling  von  21  Jahren,  Sohn  eines  Händlers,  hatte  mehreren  Per- 
sonen den  Vorsatz  mitgeteilt,  sich  das  Leben  zu  nehmen  und  erhängte  sich. 
Er  hatte  ein  Jahr  vorher  drei  Personen  mitgeteilt,  sein  Vater  habe  ihn  zwei- 
mal kastriert,  einmal,  als  er  noch  sehr  klein  war,  und  das  andere  Mal,  als 
er  10  Jahre  alt  war. 


—    403     -- 

Die  Leiche  war  wohlgenährt,  ohne  Haare  im  Gesicht  und  in  den 
Achselhöhlen,  spärlich  behaarter  Pubes.  Der  Penis  war  so  gross,  wie  ein 
Finger,  das  Präputium  eng.  Das  Scrotum  war  sehr  klein  und  unfähig,  die 
Hoden  zu  entfalten;  man  sah  wenige  blonde  Haare  am  Pubes,  fand  aber 
keine  Narbe.  Die  Brustdrüsen  waren  klein,  ungefähr  Thalergross.  Inner- 
lich fand  man  sehr  kleine  V.  deferentia;  auf  der  rechten  Seite  fehlte  der 
Hode  ganz  und  auf  der  linken  fand  sich  ein  Eudiment  des  Hodens  und 
Nebenhodens  in  sehr  verlängerter  Gestalt.  Aus  diesem  und  aus  anderen 
Gründen  leugnete  der  Verf.  die  Wahrheit  der  Erzählung  des  Selbstmörders. 


Note  8.     Fehlen  der  Urethra. 

Beob.    1.     J.    L.    Petit,    Traite    des    maladies    chirurgicales 

(Ouvrage  posthume).    Paris,  1774.     (Citiert  von  Surmay.) 

Ich  sali  ein  Mädchen  von  4  Jahren,  das  ohne  Urethra,  ohne  Nymphen 
und  ohne  Clitoris  geboren  war.  Es  hatte  eine  ziemlich  weite  Scheide,  und 
da  der  Urin  unfreiwillig  abging,  vermutete  ich  Fehlen  des  Sphincters. 

Ich  sah.  eine  andere,  bei  der  Vulva,  Clitoris,  Nymphen  und  Labia 
majora  wohlgebildet  waren,  aber  es  fehlte  die  ganze  Urethra  und  der  Blasen- 
hals. Der  Urin  floss  aus  der  Scheide  durch  eine  sehr  grosse  Öffnung,  die 
den  kleinen  Finger  einliess. 

Beob.  2.  E.  Schmidt,  Singular  case  of  malformation  of  the 
sexual  Organs  with  absence  of  the  Urethra.  London  medic.  Gaz. 
1843—44,  T,  XXXIII,  p.  174. 

Beob.  3.  Delbovier,  Developpement  enorme  de  la  vessie  et 
des  parois  abdominales  chez  un  foetus  d'environ  h.uit  mois. 
Ann,  de  la  soc.  des  sc.  med.  et  natur,  de  Bruxelles,  1842,  p.  36. 

Beob.  4.  Surmay  (Harn),  Absence  complete  de  l'urethre  et 
du  clitoris.  Developpement  incomplet  des  grandes  et  des 
pe  tites  levr  es.  Incontinence  d'urine.  Bull,  de  la  Soc.  d'emulation 
de  Paris  (1860—66),  1867.  Nouv.  serie  p.  551.  —  Union  med.  Paris,  1866. 
Nouv.  Serie,  T.  XXXII,  p.  580. 

Ein  an  Inkontinenz  des  Urins  leidendes  Mädchen  von  14  Jahren  war 
verhältnismässig  klein  und  ging  schwankend  mit  gespreizten  Schenkeln. 

Bei  der  Untersuchung  fand  man,  dass  der  Mons  veneris  nicht  hervor- 
ragte, dass  die  beiden  Labia  majora  sich  nach  oben  nicht  vereinigten  (Fehlen 
der  oberen  Kommissur),  wohl  aber  nach  unten,  und  dass  keine  Spur  von 
Clitoris  oder  Präputium  vorhanden  war.  Die  Labia  minora  waren  rudi- 
mentär. 

Unter  der  Symphyse  ragte  ein  kleiner  empfindlicher  Körper  von  der 
Grösse  einer  halben  Kirsche  hervor.  Wenn  man  ihn  mit  dem  Finger  drückte, 
gab  er  nach  und  verwandelte  sich  in  eine  eigrosse  Höhle,  aus  der  sogleich 
Urin  hervortrat,  und  es  blieb  eine  ziemlich  grosse  Öffnung  unter  dem  Pubes 
zurück,  den  der  Finger  nicht  drückte,  so  dass  der  Verf.  mit  Recht  an  einen 

26* 


—     404     — 

Vorfall  der  Blase  dachte,  aber  voreilig  behauptete,  es  sei  keine  Spur  der 
Urethra,  oder  des  Sphincters  der  Blase  vorhanden.  (Es  ist  zu  bemerken, 
dass  die  Mutter  die  Inkontinenz  erst  bemerkte,  als  das  Kind  18  Monate  alt 
war  und  stark  an  Keuchhusten  litt.) 

Eine  Schleimhautfalte  bildete  das  kreisförmige  Hymen,  das  die  Ein- 
führung des  kleinen  Fingers  in  die  Scheide  erlaubte.  Den  Uterus  erkannte 
man  sowohl  durch  die  Scheide,   als  durch  die  Blase. 

Beob.  5.  Behncke,  Aus  einem  dänischen  Journal.  Jahresber. 
für  1875,  Bd.  II,  p.  618. 

Ein  3  Tage  altes  Mädchen  war  ohne  Urethra  geboren;  die  Blase 
mündete  in  die  Scheide.  Nach  der  Geburt  hatte  es  nicht  uriniert,  und  die 
Blase  war  stark  gefüllt.  Die  grossen  Schamlippen  waren  gut  entwickelt, 
aber  die  kleinen  fehlten,  sowie  die  Clitoris  und  die  Mündung  der  Urethra. 
Bei  Untersuchung  der  Scheide  mit  einer  Sonde  fand  man,  dass  sie  mit  einer 
zähen,  gelatinösen  Substanz  gefüllt  war,  nach  deren  Wegnahme  sogleich 
eine  gewisse  Menge  Urin  ausfloss.  Mit  einer  gekrümmten  Sonde  konnte 
man  von  der  Scheide  aus  in  die  Blase  eindringen. 

Beob.  6.  Post,  Americ.  Journ.  of  obstet r.  August  1885,  p.  785, 
Jahresber.  für  1885,  Bd.  II,  p.  621.     (103). 

Vollkommenes  Fehlen  der  Urethra.  Am  Eingang  der  Scheide  war 
eine  Öffnung  mit  einer  Art  von  Sphincter,  durch  welche  die  Frau  urinierte, 
menstruierte  und  sich  begattete.  .  Ein  Finger  erreichte  sogleich  die  Blase. 
Scheide  und  Urethra  fehlten. 


General-Register. 


Abbas,  Ali  107. 
Abel,  R.  77. 
Abeles,  G.  333. 
Abulcasi  107. 
Ackeren,  v.  84. 
Ackermann,    J.    F.     64. 

251. 
d'Acquapendente,   F.   G. 

107.     306. 
Adams,  John  14. 
Adhärenzen  d.  Penis  am 

Scrotum  389  ff. 
Aegina,  P.  v.  2.   4.   141. 
Aenderung  d.Geschlechts 

364. 
Aetius  4. 

Agenosoma  373  ff. 
Agnesi,  Maria  184.   242. 
De  Agro,  Natale  78. 
Ahlfeld,  F.    16.   18.  23. 

28.     57.     66.      71. 

300.       384.       387. 

395. 
Albers,  J.  F.   116.   143. 
Alberti  368. 


A. 

Albertus  Magnus  2.  214. 

364.    367. 
Aldrovandi,  U.   3.   4.   5. 

164.    168.    222. 
Alessia,   B.    287.     288. 

385. 
Alexander  VI.    290. 
Allen,  John,  G.    79. 
Allen,  Th.   308. 
Alverez ,     Nonne     182. 

237. 
Amann  86. 
Amato    366. 
Ambrosini    5. 
de  Amicis^  100. 
Ammon,   v.,    F.  A.    311. 

317. 
Anaesthesia      congenita 

190. 
Anna    v.   Grenoble  276. 
Anselmi,  C.    31.   88. 
Ansieux  112.  141. 
Antal,  G.  400. 
Antonini,  G.   307.  j  324. 
Apathia  congenita  190. 


Apathie,  geschlechtliche 
191  ff. 

d'Arcuso,  Caterina  237. 

Argelata  3. 

Aristophanes  216. 

—  über  d.  Olisbon  (leder- 
ner Penis)   216. 

Aristoteles  2.  97.  101. 
133.  164.  221. 
364. 

Arnobius  213. 

—  adversus  gentes  214. 
Arnold,    J.   34.   64.   68. 

272. 
Arrigo  e  Floriani  56. 
Atresia  vulvae:   399  ff. 
Augustinus   290.   364. 
d'Aulpoit,  H.    62. 
Aurelianus,  C.  213. 

—  über  Tribaden  213. 
Auria,   V.    296.    307. 
Ausonius   2.    365. 
Auspitz,  H.  226. 
Avery,  H.  N.    55. 
Avicenna  24. 


Badaloni  277.  286.  293. 

829.    330. 
Baillet  394. 
Bailly  321. 
Baistrocchi     381.     383. 

398. 


B. 

Banks,  W.  M.  49. 
Bannen    54. 
Barbieri,  A.    80. 
Barety    104. 
Barkow,    L.    H.    C. 
54. 


23. 


Bart    48.    81. 

Bartels    18.    111.    227. 

Barth    70. 

Bartholino      131.      179. 

223.       230.       386. 

391.     392. 


—     406 


Bassi,  Laura   184.   241. 

Baster,  J.   379. 

Bastien  402. 

Baudeloque    79.   384. 

Baur   327. 

Beau    117.    144. 

Beauvais,  V.   de  214. 

Becker,  E.    60. 

Beclard,  P.  A.  47.  53. 
78.  179.  180.  812. 
313. 

Beclere  123. 

Bedinelli,  Fr.    4.    57. 

Bedor  111.  114.  120. 
142. 

Beer,  A.    322. 

Behncke  404. 

Beigel,  H.  81.  168.  171. 
225. 

Bein  126. 

Benedictis,  C.  60. 

Benedickt  XIV.  184.  294. 

Benivieni,  A.  400. 

Benno   73. 

Beobachtungen :  Fortbe- 
stehen d.  Wolffsch. 
Kanäle  (Pseudo- 
Hermaphrod.  femi- 
ninus)  78  ff. 

Beobachtungen :  Herm- 
aphrodismus  d.  spe- 
zifisch.Geschlechts- 
drüsen  (Echt.  Herm- 
aphrod.)  52  ff. 

—  Desgl.  der  aplas. 
Geschlechtsdrüsen 
61  ff. 

—  Desgl.  die  Drüsen 
d.  ein.  Geschlechts 
in  Verbindung  mit 
sekundären  Teilen 
d.  anderen  Geschl. 
63  ff. 

Beobachtungen, klinische 
üb.  d.  urethro-sex. 
Misshildgen  254  ff. 
307  ff. 


Beobachtungen  z.  klin. 
Hermaphrodismus : 
Feminismus  beim 
Manne  1331. 

—  Dgl.  Gynäkomastie 
141  ff. 

Beobachtungen :  Männl. 
Pseudo  -  Hermaphr. 
(Hoden)  m.  äusseren 
weibl.  Geschlechts- 
charakteren 75  ff. 

Beobachtungen :  Männl. 
u.  weibl.  Pseudo- 
Herm.  hei  Tieren 
87  ff. 

Berengarius,  J.    365. 

Beretta-Rubini   220. 

Bergess    143. 

Bergmann  150. 

Bergonzoli,  G.    94.   312. 

Berliner  Museum    8. 

Berruti    395. 

Bertherand  115.    145. 

Berthold  24.    53.    263. 

Berti,  Giov.    268. 

Bettinelli    242. 

Betz,  Fr.    66. 

Bevern    224. 

Bianchi,  G.    244. 

Bianooni  239. 

Billroth  56. 

Binet    103.    138. 

Birnbacher  202.  203. 
247.     280. 

Birnbaum,  Fr.  H.  G.  388. 

Bittner,  W.  73. 

Blackmann    55.    192. 

Blanche  80.  179.  236. 
268.    271.    368. 

Blanker,  G.  F.   57. 

Blegny,  N.  de.    393. 

Blondel  179. 

Blumenbach,  F.    368. 

Bock,  F.  A.    368. 

Boddaert,  R.    323. 

Böhm    83. 

Boivin,  Mad.    48.    79. 


Bondarew,  F.   246. 

Bonnet    59. 

Boogaard,  J.  A.  69. 

Borcilott  86. 

Borelli,  D.  102.  128. 
138. 

Borge,  C.  F.  327. 

Boerhave,  A.  K.    87. 

Borkhausen    88. 

Borri    191. 

Borsieri  124. 

Bossotto,  A.    90. 

Boswald,  A.    60. 

Bouchacourt,  A.    400. 

Bouilland  jr.    79. 

Bouisson  250.  251.  252. 
253. 

ßouteiller,  6.   389. 

Boyer   250.    251. 

Bradin    111. 

Brand    170.    228.    306. 

Brandt    165.    173. 

Braun,  H.  78. 

Breggen,   F.  v.  d.    312. 

Brera,   V.  L.    78.    112. 

Breschet  391. 

Briand  u.  Chaude,  Ma- 
nuel 28. 

Briant,  T.    116.    146. 

Broca,  P.   80. 

Brohl    85. 

Brorq,  L    167. 

Brouardel,  L.  46.  99. 
104.     136. 

Brown,  Baker.  176. 

Bruant    113.    117. 

Bruch,  A.   94. 

Brühl,  G.    72. 

Buchanan,  G.    332. 

Bullinger,  Jos.    47.    86. 

Burdach,  C.  F.    267. 

Burghart,  C.  T.  306. 
308. 

Burckardt,  0.    86. 

Burlin,  J.    170.    223. 

Busacchl,  T.    389. 

Busquet    126. 


407 


Cabrol,   B.    401. 

Caffe   128. 

Caldani,  L.  M.  A.  290. 
291.    309.    369. 

Callisen    13. 

Caluri,  Fr.   4. 

Canini,  M.  A.   215. 
— 's  Erklärung  d.  Wor- 
tes   Tribade     216. 

Cardanus    2. 

Carminati,  D.   386. 

Carrere    88. 

Cases    306. 

Casper  199.  201.  215. 
245.  281.  298. 
299.  300.  302. 
321. 

Cassano,    C.   180.    234. 

Caetera    386. 

Cecca   264. 

Ceccherelli,   A.   322. 

Chambers    327. 

Charpy   176. 

Charvot  119.  120.  150. 

Chaussier,   313. 

Chesneut  76.  283.  298. 
319.   320. 

Chevalier   279. 

Chiaie,  St.   d.   58. 

Chiari,  H.    228. 

Chiarleoni,  G.  252.  334. 


C. 

Chiarughi,  V.  225.   291. 

315. 
Chicoli,   N.  90. 
Chowne,   W.    D.   225. 
Chretien,    H.    389. 
Christ,  W.  D.    367. 
Chupin,     Maria       289. 

324  ff. 
Cicero    284. 
Clarke,  J.   46.   85. 
Clasiaux    382. 
Clemens  v.  Alexandrien 

4. 
Clitoris,  lateinName  der 

214. 
Clitoris,   Missbildgn.   d. 

266  ff. 
—  b.    Tieren    267. 
Cloquet    109.    131. 
Cloquette    115.    142. 
Coblenz,  H.    82. 
Cocchi,   R.   367. 
Cole,  Fr.  J.   60. 
Celle     259.    276.    283. 

310. 
Collenza,   P.    318. 
Collette    125. 
Collier    388. 
Colombo,  R.  3.  28.  166. 

169.      179.       214. 

222.    229.     366. 


Coliimella   40. 
Concato,   L.    50. 
Condorelli-Francavilla,IVI. 

92. 
Cooley,    P.    400. 
Cooper,  P.  Astley    61. 

236. 
Corigliani,  G.    310. 
Cornelli,    383. 
CorradI,  A.    123. 
Corvini,   L.   40.    91. 
Coste    294.    316. 
Cotta,    Carlo    10. 
Courty  28. 
Coutagne  113.  114. 117. 

146. 
Cozzi,    L.    66. 
Cramer,   Konr.    55. 
Crecchio,  L.  de  11.   32. 

61.  86. 
Crusca  97. 
Cruveilhier,  Ed.  80.  113. 

117.    144. 
Cunnilingui-Weiber  214. 
Curatulo,   G.  E.    164. 
Curling   122.   124.    128. 

135.       151.      152. 

307. 
Curtillet    392. 
Cuvier    185. 
Czarda   307. 


Dailliez    297.    310. 
Dana,  G.  P.    391. 
Dante   186.    244. 
Dareste    27. 
Darwin    154.    171.   172. 

225. 
Debierre,   Ch.    45.    49. 

57.     59.     78.     83. 

84.  276.   279.  313. 

378. 
Debout    370. 


Decauda,  G.  237. 
Deen,  J.  van.  14. 
Degnerus,  J.  H.  224. 
Dei,  Ap.    58. 
Delageniere,  P.   74. 
Delbovier   403. 
Delechampius    367. 
Demarchi,  A.  90. 
Le  Dentu  122.  125.  146. 
—  Ektopia   abdomina- 
Hs    256. 


Denys,  P.  S.  391.    392. 
Derrier,  Mar.  Doroth.  24. 

299.     312. 
Descoust,  P.    259.    277. 

333. 
Devilleneuve   391. 
Diemerbroeck,  J.  de.  180. 

231.     266.     370. 
Dionis,  P.    6.    29.    175. 

232. 
Diplokokken   126. 


408 


Dodonaeus,  R.    401. 
Dohrn,  R.     12.    13.    48. 
57.    83.    295.    330. 
Dollmann,  A.    228. 
Donath,  J.    368.    369. 
Donatus,  M.  2. 
Dorham  68. 
Doiigall,  J.    389. 


Dowall,  F.  W.    226. 
Drouart,  Kl.  Anna     278. 

308  ff. 
Dufour    298. 
Duges,    A.       79.      252. 

316. 
Dühren,  E.   218. 
Duehring,  L.    226. 


Duplay,    S.     251.    252. 

253.    325. 
Durante,  F.    125. 
Durham,  A.  55. 119. 120. 

128.    145. 
Duschanek,  J.  0.    60. 
Duval,J.   214.  216.  230. 

366. 


Eble,  B.    225. 

Ecker,  A.  168.  169. 
172.     226. 

Ectopia  vesicae  ohne 
äuss.  Geschlechts- 
organe :  Fälle.  391 
ff. 

Edelmann,  R.    92. 


Ehescheidung  u.  Ungül- 
tigkeit der  Ehe 
299  ff. 

Eisenach,  H.  P.  381. 
397. 

Elephantiasis  d.  Clitoris. 

173  ff. 
—  Beobacht.  229  ff. 


Emiliani,    Em.  61.  245. 
English,  J.    68. 
Eppinger,  H.   69. 
Erweiterung ,    Erotische 
der  Urethra  294  ff. 
Esohricht    79. 
Eunuchen    100. 
Eve,   P.   F.    115.    144. 
Eviratio    197. 


Faber,  G.  F.  395. 
Facen,J.   103.  186.  266. 

321.  378.  382.  387. 
Fälle  V.  Zusammenhang 

zw.     der    Cerebro- 

spinal- Achse  u.  d. 

Hoden,    gesammelt 

V.  Curling  151  ff. 
Faneau  de  la  cour    97. 

103. 
Fantuzzi,  G.    240.    242. 

243. 
Feminismus  96  ff. 
Fenoglio,  C.    119.    281. 

317. 
Fernandos    115. 
Ferrannini    97.  98.  100. 
Ferraresi,  C.   12. 
Fere    104. 
Ferrein,    233.    268. 
Ferrer,  J.  237. 
Fetischismus    218. 
Filippi,  A.   28.   94.   190. 

301.     329, 


F. 

Filippini,  G.    38.    74. 
Finger    226. 
Fischel,  W.   48.    83. 
Fischer,    A.    103.    134. 

401. 
Fleischmann,     Gottfried 

391. 
Foller,  J.    309. 
Folli,  F.     308. 
Follin,  E.    49.    54.    57. 

66.     79.    254.   298. 
Fonssagrives  159. 
Fontana,    Lavinia     182. 

238. 
Foot   113.    146. 
Forcellinus,  A.  215. 
—       Erklärung      des 

Wortes    Tribade 

215. 
Ford,  E.    381.    393. 
Forni,    Giacoma       277. 

287. 
Förster,  Aug.  11.  57.  67. 

174.    385. 


Fötus,  e.  menschl.  ohne 
Geschlechtsteile  u. 
Harnröhre  373  ff. 

Fournier,  E.  j.  105.  106. 
130.  138.  139.  199. 
394. 

Fowler    56. 

Francis  111. 

V,  Franque  67. 

Frauen,  berühmte:  Be- 
obachtungen 236  ff. 

Frauen,  berühmte,  die 
sich  m.  Astronomie 
beschäftigt.    243  ff. 

Free  Martin  30.  39.  40. 

Freund,  W.  A.    235. 

Fricatrices  207. 

Friedreich,  V.    322. 

Friese  380.  381.  383. 
396.    401. 

Fronmüller  368. 

Fugger,  Ferd.    174. 

Fulgosus,  G.  2.  365.  367. 

Fürst,  L.    171.    227. 


409 


Gaddi,    G.    39.    91. 
Gaffe    332. 
Gaimasi,  G.    78. 
Galen    364. 

Galland,    T.    191.    277. 
Galliet    122.    132.    144. 
Galvani,    L.     184.     241. 
Gangitano,  F.    51. 
Garnier  300.   301.   302. 

331. 
Garreo,   L.    365. 
Gart,  W.    60. 
Gärtner,  H.   13.   49.  79. 
Garnier    304. 
Gasser    71. 
Gast,  P.    56.    59. 
Gatta,  Cost.    168.    224. 
Gaude    mihi     (Clitoris) 

214. 
Gayraud    251.    252. 
Gaza,  Tli.    97. 
Geigel,  R.    83. 
Gellius,   Aul.    364. 
Le   Gendre    402. 
Gene   272. 
Generali,   G.    91. 
Genesis    212. 
Gentili,    G.    311. 
Gerin,  R.  179.  193.  202. 

234.       247.      276. 

280.    331. 
Geroderma    100. 
Geschlechtsteile,  Fehlen 

d.  äusseren:   FäUe 

392  ff. 


Gimma,   G.    367. 

Gine    y    Portogas      35. 

71. 
Giuntoli,   L    322. 
Gioberto,   V.    284.    371. 
Giraldes    134. 
Girardi,    M.    309. 
Giraud    63. 
Girelli,  F.    306. 
Godard,  E.       67.      99. 

127.       130.       135. 

145.       256.       382. 

402. 
Golinelli    269.    370. 
Gorham   120.   122.  143. 
Gorringe    143. 
Goschler    387. 
Göttlich,  Marie    245. 
Goujon,     E.     76.     288. 

319.     320. 
Goeze    400. 
Graaf,    R.     231.     269. 

303.     369. 
Graefe,    M.    82. 
Grahm,    T.     368. 
Grandjean ,    Anna     283. 

287. 
Grashuis,    G.    308. 
Graziani,   L.    4. 
Greef    51. 
Green,  W.  E.    388. 
Grillo,  A.    65. 
Grimaldi    184. 
Grismoldi ,     Paol.     242. 


Gruber,   W.   L   55.   69. 

108.       109.       112. 

118.  119.  120.  122. 

146.    257.    382. 
Grüner,  Ett.    38.    73.  . 
Grüner    334. 
Gualandi,  M.  A.    182. 
Gubler    125. 
Gudder    280. 
Guermonprez    333. 
Guichard    92. 
Guinard,  L   39.    59.  78. 

93.  100.   101.   103. 

179. 
Guisy,    B.     177. 
Guncitel,  H.   31.  32.  62. 

83.  203.  247.  272. 

278.     280. 
Günther,  A.  F.   65.  192. 
Gurlt,   E.    F.    8  ff.   27. 

30.     33.      39.     57. 

89.   250.   379.  380. 

382. 
Gurney    381.    395. 
Guthrie,   G.   J.    14. 
Guttmann,   P.    82.    272. 

382.    399. 
Guyon,    F.    255. 
Gynäkomastie    107  ff. 
Gynäl<omastie  bei  ureth.- 

sex.  Missbildungen 

264  ff. 
Gynandra    200. 
Gynanthrope    366. 


Hagen,  Alb.    205. 
Halbertsma,  H.  J.   80. 
Haller,  A.    v.    4.    6.    7. 

10.  11.  29.  31. 
33.  57.  88.  132. 
203.  214.  232.  270. 
308.    309. 


Hallopeau  99.  130.  140. 
Hamilton  124. 
Handuside,    P.   D.    111. 

146.     368. 
Hannaeus,  G.    367. 
Hardaway,  W.  A.  226. 
Harris    318. 


Hartmann,  Ph.  J.  87. 
Häser,  H.    5.    107. 
Hellwig,  J.    223. 
V.  Hempel    400. 
Henle,    G.     177.     179. 

234. 
Henriqhsen,  K.    71.  277. 


410    — 


Henriette    68.    298. 
Heppner,  C.  L.    53.    55. 
Hereida,  J.  M.  de.    237. 
Hermaphrodismus,    ana- 
tomischer  22  ff. 

—  d.  spezifischen  Ge- 
schlechtsdriis. 22  ff. 

—  d.   apiasischen  Ge- 
schlechtsdrüs.  28  ff. 

Hermaphroditen,  falsche 

269. 
Hermaphroditi    complexi 

11. 

—  mixti  11. 

—  neutri  11. 
Hermaphroditus   spurius 

6.     7. 
Herrmann,    G.    16.    33. 

135.    269.    332. 
Herold    884. 
Hersing  385. 
Hertwig  126. 
Herwett,  P.  G.  369. 
Herzfeld,  G.  203. 


Heterotyp.  Pseudo-Herm- 
aphr.   19. 

Heyfelder,  J.  F.  H.    387. 

Hubert,  R.    227. 

Hildebrandt,  H.  166. 
227. 

Hilden,  F.  v.  251. 

Hilfe,  chirurgische  hei 
urethro-sex.  Miss- 
bildungen  293  ff. 

Hill,  R.  C.    72. 

Hiller    132,  143. 

Himminger    387. 

Hippokrates  123.  364. 

Hoden,  angehor.  Fehler: 
Fälle   401  ff. 

Hoden,  Misshildungen  d. 
256  ff. 

Hoffmann,  i.  113.  115. 
116.    144. 

Hofmann,  E.    57.    81. 

Hohmann,  Katharina.  276, 
322  ff. 

Hein    309. 


Holtrop    120.    143. 
Home,    Ever.     29.    31. 

88.   120.   128.   141. 

179.     233. 
Honel,  Ch.   66.    71. 
Hoyerus,  J.  G.   224. 
Hubert    381.    384.    399. 
Huette    319. 
Hufeland,  0.  W.    24. 
Huguier    370. 
Hunter,    John.    30.    31. 

32.    40. 
Huschkle,  E.    14. 
Hutin  400. 
Hypertrichose  b.  Weibe 

164ff. 
Hypertrichose:  Beobacht- 
ungen 221  ff. 
Hypertrophie  d.  Clitoris, 

Beobacht.   369  ff. 
Hypomorphie  101. 
Hypospadie     vulviforme 

252. 
HyrtI,  ].    65.    237. 


Imoda    97. 

Impotenz  aus  Kälte  190. 
Incubi     212. 
Infantilismus    103  ff. 


I- 

Instinkte ,   homosexuelle 

207. 
Invirilismus    153  ff. 
Invirilismus,   d.  psychol. 

181  ff. 


Invirilismus,  psycho-sex. 

186  ff. 
Inzani    329. 

Israel,    Eug.    110.   150. 
Iverster    272. 


Jablonsky    171.    229. 
Jacobaeus,  0.    223. 
Jacobi,  F.    .57.    58. 
Jacobson,  Ludw.   12.  13. 
Jacoby,  Fed.    89. 


Kaplan,  P.     73.     334. 
Katzki,  D.    269.    369. 
Keane,  A.  H.   227. 
Kerckring,  T.    389. 


J. 

Jacoby,  R.  31.  62.  179. 

236.  370. 
Jacques,  P.  73. 
iagot,  M.  L.  120.  148. 
De  Jardini,  G.  237. 


K. 

Klebs,  Edw.  4.  15.  16ff. 

22.   23.   31.  33.  50. 

63. 
Klebs  Einteilung  16  ff. 


Jeanne  d'Arc    236  ff. 
Jenisch    395. 
Johne,  A.    92. 
Jones,  J.   103.  128.  136. 

390. 
Josephus,  Flav.    206. 


Klein,  Gust.   13.  14.  48. 

51.     73.     84.     86. 

87. 
Klob,  J.    110.   132.   145. 


—    411    — 


Klotz,  H.     56. 

Knaff    115.    143. 

Kobelt,  G.  L    49.   79. 

Kob,  G.    368. 

Kocks   82. 

Kolb,  E.    389. 

Koller   48. 

Kölliker   13.  59.  67.  81. 

92. 
Kollmann,  J.  14.  27.  42. 

155. 


KonträreSexual-Empfind- 

ung  278  ff. 
Kopsch,  Fr.    60. 
Körperhabltus,b.urethro- 

sex.   Missbildungen 

260  ff. 
Kossmann,  R.  49. 
Kösters,   J.     73. 
Krabbel  70. 
Krafft-Ebing  19.  34.  140. 

157.       189.       190. 


195.     196  ff.     247. 

278. 
Kraemer  189. 
Kramer  232. 
Kretschmar  31.  394.  401. 
Krieg   115.   116.  148. 
Kristeller  381.  383.  396. 
Krokiewicz,  A.   86. 
Kryptorchiden   256.  257. 

260. 
Kurz,  A.    85. 


Labbe    113.    147. 
Laghl,  T.    123.    124. 
Lallemand,  C.    152. 
Lamazzi,  A.    220. 
Lambert  120.    137.  148. 
Lambertini    184. 
Lambret    179.    236. 
Lancereaiix,  E.    398. 
Landouzy    245. 
Landrecht,  Allgemeines 

298  ff. 
Lang  114.  122. 
Langenbeck  107. 
Langer,  C.  K.  66.  71. 

108.   111.   125. 

144.    245.    289. 
Langius,  G.    87. 
Langlois    125. 
Lanzoni ,  G.    170.     223. 
Larrey    151.    319. 
Laugier,    M.    113.    146. 
Laulanie,  F.    59. 
Laumonier    53.    57. 
Launois    103.    125. 
Laurence,  J.  Z.    225. 
Laurent,   E.     57.     101. 

105.       109.       110. 

111.  113.  115.  120. 

128.  131.  144.  148. 

151.    192.    247. 


Laveran    126. 
Lawrence,  T.  W.    57. 
Leblond,   A.    301.    313. 
Lecoq    181.    250. 
Lefort,  L.    54. 
Lefort,   Wladelaine    180. 

277.    313. 
Legros,  F.    368. 
Lehmann    91. 
Lehr,  E.  302.    303. 
Leiserink  116.  117. 147. 
Leili    240. 
Lemke,  F.    389. 
Leo  Africanus,  J.    211. 
—  überTribaden211ff. 
Leon    117.    148. 
Leonidas,  Chirurg  4.  5. 
Leopold    326. 
Lepecchia,  J.   281.  310. 
Lerebouillet    102.    109. 

120.  123.  125.  128. 

137.    147. 
Lesbische    Liebe      187. 

194.    200.    280. 
Lesser,  E,   167.    228. 
Leto,  A.    310. 
Letzerich    126. 
Leuckardt   64.    66.    67. 

90.    272.    292. 
Levy,    E.    247. 


Lewin,  G.  130.    137. 
Licetus   164.    272.   367. 
Lieber    120.    142. 
Liegeois,  Ch.    120.    128. 

137.    148. 
Liersch    86. 
Lilienfeld    57. 
Lingard    280. 
Lippemann,  0.    189. 
Lippi,  R.    7.    8.    16. 
Litten,  Kl.    47.    81. 
Livius    2. 

Lockwood  C.  B.    72. 
Löffler,  A.  F.    311. 
Lombroso,  C.    226.    296. 

299.    322. 
Lorain    97. 
Lorenzutti,  A.    262. 
Lortet    101. 
Löwenthal,  S.    84. 
Lucas  -  Championniere 

227. 
Lucian    209  ff. 
—  Courtisanenge- 

spräche  210  ff. 
Luis,  A.  203.    248.  294. 
Lusitanus   2. 
Luys    190. 
Lycosthenes    2.    168. 


412 


Mabaret  du  Basty  400. 
Macari,  F.    390. 
Macchiavelli    186.    244. 
Macrosomia  peripherica 

179. 
Maffei,  R.  (s.  Volaterra- 

nus)    364. 
Magee,  W.    396. 
Magitot,     E.     76.     171. 

193.  225.  245.  252. 

278.     328. 
Magnan   131.   150.  185. 
Wlahon,  P.  52. 
Majolo,  S.    87. 
Wlakrosomie,     weibliche 

159  ff. 
Wlakrosomie:   Beobacht- 
ungen 220  ff. 
Wlalacarne,  V.   64.    368. 
Malassez    126. 
Malgaigne,  J.  F.    366. 
Malpighi,  M.  12.  13.  34. 

49.     79.    82. 
Wlalvani,  E.  369. 
Malvasia  238. 
Manec     79.    86.    271. 
Wlanetho    206. 
Wlanfredi,     Eust.      185. 

243. 

—  Wladdalena  243. 

—  Teresa  243. 
Manzolini,    Anna      184. 

240. 

—  Giov.   240. 
Marc     6.    29.    52. 
Marceilo,  Donato    28. 
Marchand,    F.    16.     25. 

33.     34.     35.     41. 

45.    84.    179.   236. 

262.     272.     328. 
Marchettis,  B.    399. 
Märet,  H.    52.    65. 
De  Maria,  C.   245.  300. 
Mars   177. 
Marshall,  B.    179.    235. 


M. 

Märten    389. 
Martens,  F.  H.  312. 
Martial    207.   214.   232. 

—  Epigramme       207. 
208. 

Martin,    F.   E.    36.    39. 

69.   122.   127.  128. 

212.     265. 
Marton,  C.    334. 
Marzuttini   97.   99.  103. 

135.     382. 
Mascagni,  P.   57. 
Mascheroni,  Lor.  242. 
Mason  175.  234.  268. 
Maüheis,    G.    de.     103. 

134.     281.     312. 
Mauri,  Virginia  (Abbild.) 

93.   94.  336. 
Maurina    277. 
Mauro,    Faustina      295. 

329  ff. 
Max  252. 
Mayer,    A.    F.    14.    25. 

53.     64.     68.     89. 

312. 

—  L  167. 

Mazzetti,  S.    240.    242. 
Mazzotti,  L.    50. 
Mazzoni-Toselli    238. 
Meclielson    171. 
Meckel,    J.    Fr.     7.    9. 

27.    42.     90.     156. 

157.  200.  268.  384. 

393. 
Medici,  Maria  de    215. 
Medici,  Mich.   184.   241. 
Meige   98.    105.    157. 
Melean  385. 
Menstruation,  unregelm. 

272  ff. 
Mercuriali ,    Gir.      214. 

366. 

—  Über  Tribaden  214. 
Meretrix   209. 
Merindolo,  A.  367. 


Mertrud,  C.  J.    309. 
Messner    334. 
Metrophanow,  P.^60. 
Meyer,  Herrn.  55. 
Meyer,  Rob.  50. 
Michaelis,    Gottl.      126. 

223.     226. 
Michelson,  P.    227. 
Mikrophallus    226.    286. 

296. 
Mikrosomi    100. 
Milton,  H.  M.    49.    85. 
Missbildungen,    urethro- 

sexuale    249  ff. 
Missbiidungen  d.weiblich. 

Organe    270  ff. 
Mittel  Aritlimet.d.bologn. 

Frauen     162.    163. 
Moczynski    400. 
Moiolo,  S.  367. 
Moll     195  ff.     199.   201. 

205.     217.    218. 

—  Über  Tribaden  207. 
Moller,  J.    5. 
Monaco,  F.  90. 
Mondini,  C.  89. 

Monro    384. 

van  Mons,  0.  M.  68. 

Monteggia,    G.    B.    112. 

232. 
Morand,  Salv.    52.    57. 

—  J.  F.  309. 
Morandi-Manzolini,  Anna 

240. 
Morgagni,  G.  B.    14. 
Morgan    113.    147. 
Morpain,  A.    177.    233. 
Morris  177. 
Morton    117. 
Moses   206. 
Mosii,  G.    75. 
Motive  z.  Entw.  e.  bür- 

gerl.   Gesetzbuches 

301.     302. 
Müller,  A.  D.  397. 


—    413    - 


Müller,  F.  C.  247. 

-  H.    55. 

-  Joh.     8.  11.     13. 
14.    42.  203.    381. 


Murat    123. 
Muratori,  Lod.  284. 
De  Muratori,  Teresa  183. 
239  ff. 


Murray   384. 
Mursina    312. 
Muscatello,  G.  85. 


Nagel,  W.  13. 
Nägele    40. 
Nagle,  L  E.  390. 
Nanismus    99. 
Nannoni    386. 
Nanula,  Ä.    317. 
Nataluzzi,  G.    120.   151. 
Naevus  pilosus  165.  166. 
Negrini,  F.    12.    91. 


3f. 

Neigungen ,  Geschlechtl. 

276  ff. 
Neill,  J.    79.    236. 
Nelaton   112.   113.   114. 

120.  145.  387. 
Neugebauer,  F.  43.  50. 

86.    177.  178.   191. 

235. 
Neuhaus,   E.   139.   383. 

402. 


Niccolinl    99.    140. 

Nicolo  V.    97. 

Noten  z.  1.  Teil  52  ff. 

-  z.  2.  Teil  220  ff. 

-  „  3.      „     305    „ 

-  „  4.      „     386    „ 
Nuhn    67.    272. 
Numa  Numantius    194. 
Nunclante,  i.  307. 
Nussbaum,   M.   70.  272. 


Oboloscki,  N.   57. 
Obsequens,  J.  2.    87. 
Odin    68. 
Ogle,  G.  C.    400. 
Olisbon  (Penis  a.  Leder) 

216. 
Olphan,   E.     108.     109. 


Pacciotti,  N.   61. 
Palfino    175. 
Palfyn,  J.    232. 
Palletta,  J.  B.   12.  13. 
Palm    51.    86. 
Panormita,  A.    365. 
Panaroli ,     Dom.      222. 

230. 
Paponio,  G.  231.  283. 
Pare,  Ä.   5.   366. 
Parent-Duchatelet    175. 
Paresis,  sexuelle  276 ff. 

286. 
Pareus    2. 
Parmenides    2. 
Parreidt,  J.  171.  228. 
Parsons,  Jac.  232. 


O. 

113.       114.      130. 

137.  148. 
Olshausen  387. 
Ord,  W.  M.  70. 
Orettl,  M.  239. 
d'Ormea,  S.  221. 
Orth,  J.    31.    56.    84. 


P. 

Pastrana,     Julia      171. 

225. 
Paulicky,  A.    115.    149. 
Paulla  Bedinelli,    Franc. 

de     57. 
Paulus  V.  Aegina    107. 
Paulus,  Apostel  206  ff. 
Paventa,  Fr.    112.    146. 
Pean    331. 

Pech,    E.   A.    135.   368. 
Pedretti    234. 
Peli,  G.    163. 
Pelvet    68. 
Penada,  J.    393. 
Penchienati,  A.    88. 
Penis,  Missbildungen  d. 

265  ff. 


Oslander,    F.    B.      306. 

368.     400. 
Osphresiologie,  sexuelle 

205. 
Otto,  A.  W.     75.     252. 

315.    316.    368. 
Owen,  R.    267. 
Ozenne    82. 


Penis,  Fehlen  des  386  ff. 
Penis,  winkliger  (vcrga 

a  cubito)    253. 
Perez,  J.   237. 
Perl    54. 
Perversion,  sexuelle  194 

ff.     247  ff. 
Peters,  D.  C.  113.    145. 
Petit,    J.   L.     63.    253. 

309.    403. 
Petit-Radel    313. 
Petrequin  110.  111.  115. 

145. 
Phädrus   208.    209. 
—  Prometheus  208. 
Philipps,  J.    84.    281. 
Philo    2. 


414 


Phlegon  364. 

Piazzesi       277.        286. 

329. 
Picena  230. 
Pick    226. 
Pilliet,  A.  84. 
Pinaeus,  S.    258.    260. 

298. 
Pinard    380.    381.    383. 

384.     398. 
Pinel  52. 
Pistor,  C.  92. 
Plater,  F.  367. 
Plato  195. 
Plautus  208. 
—  „Persianus"  208. 
Plempius,  V.  F.  215. 
Plinius    2.     364.     367. 
Ploss  216. 


Poiaillon    30.     62.    128. 

138.    246. 
Poncet  101. 
Pontanus,  G.    2.    365. 
Porro,     Fr.     185.    243. 

280.  281.  289.  294. 

320.    329. 
Porros  System  20. 
Porta,  L.    130. 
Portinari  369. 
Post    404. 
Potier-Duplessy   67. 
Potter  4. 
Pozzi,    8.     4.     18.     72. 

120.  128.  138.  139. 

150.  176.  246.  300. 

332. 
Preuscher,   v.    49.    80. 
Le    Prieur    de    Lugeris 

393. 


Primrose    74. 
Prochaska,  G.    391. 
Przewoski     128.      138. 

149. 
Pseudo-Hermapiirodism., 

männlicher  33  ff. 

—  —  weiblicher  43  ff. 
Pseudo-hypospadicus   9. 

—  -megalomasthus    9. 

—  -microphallus    9. 
Psycho -sex.    Pathologie 

281  ff. 
Ptolemäus,  Cl.  209. 
Pucelle  d'Orleans   182. 
Puech,    A.     109.    110. 

113.     147. 
Pulido  y  Fernandez  148. 
Pütz,     Herrn.     26.    59. 

92. 


Quattrociocchi    141. 


Quintllian    28.    270. 


Quintilian     genus     epi- 
coenum    270. 


Raake,  K.   73. 
Raffegeau,  D.   324.  325. 
Raggi,   Ant.     131.     149. 
Ramosio,  G.  B.    211. 
Ranzi    112. 
Rattone,  G.    228. 
Rauber    388. 
Rauschning,  P.    400. 
Ravaglia,  G.    94.    336. 
Rawdon,  H.  G.    55.     57. 
Rayer,  P.   90. 
V.    Rechlinghausen     50. 

86. 
Reclus,  P.    126. 
Reefer    385. 
Regis,  E.    190. 
Regnoli    112. 
Reinecke    392. 
Remy,  Ch.    70.    272. 


Renauldin      120.       128. 

137.    141. 
Rendu    125. 
Reni,  Guido    238. 
Rennes,  Pr.    250. 
Reuss,  D.    88. 
Reuter,  Jos.    59.    92. 
RevelM,  C.  A.   155.   325. 
Reverchon    288.    324. 
Revolat    378. 
Rezzonico      102.       113. 

136. 
Rhodoham,  H.    2.     392. 
Riaz,   It.   de    138.    192. 

278.    382.    389. 
Riberi,   A.     112.     124. 

176.    233. 
Ribbert    72. 


Ricco,  6.       64.       192. 

278. 
Rieder,  C.   34.    72.   80. 

82.    83. 
Rinieri    123. 
Riolano,  Giov.    215. 
Rizet    122.    127. 
Rizzoli    166. 
Robert    233. 
Rocchi,  Gino    239. 
Röchet,   V.    125. 
Rodigenus    2. 
Rodio,  J.    178.    230. 
Roerberg,  A.  D.  387. 
Le   Roi   d'Etiolles     125. 
Rokitansky,  C.   80.   322. 
Römerbrief    206. 
Rosenmüller,  J.  A.    50. 
deRossi,  Properzia  182. 


415     — 


Rossi,    Fr.     203.     381. 

395. 
Rothe,  F.    165. 
Rudeck,  W.    282. 


Rudolph!,  C.  M.    53. 
—  K.  A.    180. 
Rüdinger,  N.    14. 
Rueff    2.    3. 


Ruggi,  6.    158.    224. 
Rummo,  G.    98. 
Ruysch,    F.     87.     174 

180.    267.    268. 


Sade,  Marquis  de  218. 

Sadismus    218. 

Sahacat-Weiber  211. 

Sajous    399. 

Sangalli    57. 

Sanson    91. 

Sappho   194. 

Sarzana,  E.    276.    323. 

Satyriasis  187. 

Saunie    306. 

Saviard,  B.  42.  75.  367. 

391. 
Saviotti,  G.  269.  370. 
Scappato,  Domenica  291. 
Scarpa   40. 
Scoenberg    13. 
Scrotum,  Hypoplasie  d. : 

Fälle    389  ff. 
Scrotum,  Missbildimgen 

des  270  ff. 
Schaumann     112.    114. 

120.    128.    150. 
Schauta,  Fr.    327. 
Scheiber,    S.    H.     115. 

147. 
Schellier  381.  384.  394. 
Schenk  jr.,  J.    53.    230. 

367.    386.    392. 
Schlossberger   77. 
Schmidt    79. 
Schmidt,  E.   403. 
Schmit  115.  149. 
Schmorl,  G.   25.  56. 
Schmucker,  J.  L  232. 
Schneider-Sömmering  64. 
Schneller   34.   228. 
Schnopfhagen,    Fr.     58. 

91. 
Schönberg  76.  327. 
Schönfeid    179.    233. 


IS. 

Schrei!   53. 
Schrenck-Notzing     187. 

193.  196.  197.  204. 
Schuchardt,    B.       107. 

108.  109.  112.  143. 

149. 
Schujtze,    B.    8.     322. 

323. 
Schulzen  401. 
Schuppert  384. 
Scharia,  Enr.  283. 
Schurig,    M.    112.   141. 

367. 
Schweickhard    368. 
Seger,  G.  223. 
Seiler,  B.  W.  306. 
Selbstmord    288  ff. 
Sertoli,  E.    91. 
Settembrini,  L  209. 
Sexualempfindung,    kon- 
träre 195  ff.   244  ff. 
Sharpe,  D.  G.    399. 
Shöttoch,  S.  73. 
V.    Siebold     165.    169. 

226. 
Siegenbeek  y,  Heukelom 

38. 
Simmons,  G.  893. 
Simon,  IM.  77.  307. 
Sinibaidus,    G.    B.    283. 

296.    308. 
Sirani,    Elisabetta    183. 

238  ff. 
Sixtus  IV.  97. 
Smitt,  F.  A.  58. 
Snow,  L.  B.  399. 
Sodomie  203. 
Solliers  190. 
Solowig    179.    236. 
Sommer,  W.  228. 


Sömmering,    S.   T.    66. 

267. 
Sophokles  2. 
Soranus   187.  188.  213. 

—  Über  Satyriasis  188. 
Souza-Leite    235. 
Spengel,    26.   92. 
Spiegelberg  40.  90. 
Ssawitzky,  S.    113.  115. 

150. 
St.  Hilalre,  Is.  G.  de 
9  ff.  15.  17.  24. 
27.  29.  30.  39.  53. 
57.  65.  78.  89. 
174.  179.  232.  233. 
256.  259.  276.  278. 
297.  298.  309.  312 
313.  316.  380.  382. 

—  Etienne  10.   380. 
Stark,  J.  Ch.  53.  312. 
Staturgrösse    d.    Herm- 
aphroditen 99  ff. 

Stecker  92. 

Steglehner,  G.    64.  327. 
Steimann   258.  328. 
Stein,  S.  301. 
Steinhaus,  F.   378.   387. 
Steinmetz,  F.  400. 
Stellati,  V.  89. 
Strassmann,  Fr.    280. 
Stricker    8.    92.   165. 

226. 
Ströbe  73. 
Subigatrices  217. 
Suidas   3,  22. 
Surmay  403. 
Svvasey,  E.  327. 
Switalski,  L.    86. 
Syme    113.    117. 
Szymonowicz,  L.    6o. 


416 


Tabarani,  P.    4. 
Tabellen  121.  122.  128. 

273.    338—363. 
Tambroni,  Clotilde   184. 

242. 
Tardieu,  A.  62.  76.  300. 

319. 
Tarozzi,    T.    276.    281. 

314. 
Taruffi    1.    5.    31.    50. 

94.   100.   105.  109. 

113-  114.  118.  119. 

121.  128.  130.  131. 

139.  155.  158.  159. 

161.  163.  166.  178. 

179.  180.  187.  191. 

192.  203.  220.  236. 


T. 

257.  261.  265.  266. 

278.  281.  282.  283. 

289.  291.  292.  295. 

297.  303.  304.  324. 

336.  369.  370. 
Tarulli,  L.    164. 
Teichmeyer,  H.  F.   258. 
Testa,  A.  G.    311.    378. 

386. 
Theile  (Bern)  66. 
Thomson,  H.   122.   142. 
Tiedemann,  F.  268. 
Tlesch,  M.    227. 
Tolmatschew,  N.  v.    68. 
Tommasini    291. 
Tonni,  P.  277.  287.  311. 
Torchio,  F.    319. 


Torre,  General    110. 
Torri,  Fr.    142. 
Tortosa,  G.    369. 
Tougl,  Fr.    48.    84. 
Tourdes,  G.    301. 
Tourneau    49.    268. 
Tourneux,  F.  14.  38.  82. 
Toussaint   316. 
Trallianus    1. 
Traxel    307. 
Tribaden    174. 
Tribadie    205-219. 
Trinchera,  St.    78. 
Tulpio,  N.  175.  231.  283. 

384. 
Turner,   D.    168.    170. 

223.    225. 


Überblick,  allgem.  histo- 
rischer   1 — 20. 

Ulpian    3.    28.    299. 

Ulrichs  (Numa  Num. ), 
K.  L.    195.    215. 


U. 

Umkehrung,  geschlechtl. 

286  ff. 
Urdi    128.  ,'136. 
Urethra ,    Fehlen     der : 

Fälle   403  ff. 


Urethra,   Missbildungen 

d.    255  ff. 
Urning    195  ff. 
Usler,   Barbara    223. 
Uterus   masculinus  272. 


Vacchetta  126. 
Valenti,  G.  82. 
La    Valette    St.  George 

26.  93. 
Valleix    124. 
Varchi,  B.    365. 
Varocler   52. 
Varole    52. 
Varolio        173.        175. 

230. 
Varro,   M.   T.    40.     97. 
Veit,   J.    80.    82.    300. 
Velpeau    176.    233. 
Velsch    169. 
Venanzio,  F.    188. 


V. 

Veränderung   d.  Geschl. 

258  ff. 
Vererbung    v.    urethro- 

sex.  Missbildungen 

280  ff. 
Verga  a  cubito    253. 
Verneuil    49. 
Versen    46.   57.   80. 
Verstraeten     179.    234. 
Viani    268. 
Villarmy    176. 
Villeneuve    117.    142. 
Viragines,   arrhen.   165. 

—  invirilitische  165. 
Virago    153  ff. 
Virchow,   R.     49.      81. 


85.    94.    166.    266. 

318.      322.       323. 

397. 
Virey,  J.  J.    89. 
Virilismus    153  ff. 
Vizzani,  Cat.    244. 
Voigtel    384. 
Volaterranus     s.     auch 

Maffei  2.  290.  364. 

367.    388. 
Vorgänge ,  komplizierte 

und    dunkle      296 

ff. 
Vrolik,   W.      54.     381. 

396. 


417     - 


Wagner,  A.     113.    114. 

149. 
Wahlgren,  Fr.    14. 
Wake  324. 
Waldeyer,  W.  50. 
Walker,  M.  A.    31.    63. 
Walther,  Ph.  F.  268. 
Wassilleff,  M.    83. 
Weber,  C.  120.  144. 
Weber,  C.  128. 
Weber,  E.  H.  14.   65. 
Weir,  R.  F.    389. 
Welsenburg,   G.  v.   168. 
Welsch,  G.  H.  223. 


Wenzel  190. 
Wermann,  M.  332. 
Werther    139. 
Westphal,  K.  F.  195. 
White  125. 
WIer,  J.    3.    212.    365. 

366.     368.     369. 
Wilhelm  18. 
Will,  B.  73. 
Willermay  234. 
Willett,  E.    72. 
Windle,  B.  C.  177.  235. 
Winckel,  F.   12.   167. 
Winckelmann  238. 


Winkler,  B.  38.  72. 

Winter  77. 

Wulff  178. 

Wolff,  C.  Fr.   12. 

Wood,  J.  68. 

Werbe  292.  297.  313. 

Wrany    67. 

Wrisberg,  H.  A.    6.     7. 

155.  163.  170.  174. 

186.  199.  201.  276. 

311. 
—  10  Charaktere 

155«-. 


Zacchia,  P.  5.  87.  169. 
173.  176.  190.  223. 
230.  259.  305.  308. 


Z. 

Zarubin,  V.    170.     180. 

235. 
Zawerthal  167. 


Zeviani,  V.  290.  369. 
Zuocarelli,  A.   94. 


Buchdruckerei  Hermann  Costenoble,  Berlin  und  Jena.